Soll das Chinas „Frie­dens­in­itia­tive” sein?

Zum Jahrestag der russi­schen Invasion, versucht Wang Yi eine chine­si­sche Frie­dens­in­itia­tive zu starten, die aller­dings einige Fragen aufwirft.

In den Städten der freien Welt versuchte sich Wang als gewandter, welt­läu­figer Gesprächs­partner zu insze­nieren und warb für eine chine­si­sche Frie­dens­in­itia­tive, die schließ­lich am Jahrestag der völker­rechts­wid­rigen Invasion Kreml-Russlands in die Ukraine, am 24. Februar, in der Volks­re­pu­blik verlesen wurde.

Was als außen­po­li­ti­sches Feuerwerk geplant war, ist zum Rohr­kre­pierer geworden. Eine Woche lang tourte Chinas Top-Diplomat Wang Yi durch Europa, machte Station in Rom, Paris und München, bevor er schließ­lich nach Moskau weiter­reiste. In den Wochen vor Wangs Reise hatten die Regie­rungs­chefs der beiden großen Demo­kra­tien und Brasilien die Volks­re­pu­blik aufge­for­dert, eine aktive Rolle als Vermittler einzu­nehmen. Peking hatte sich bis dahin immer geziert, sich einzu­bringen. Die Ankün­di­gung, eine Frie­dens­in­itia­tive zu präsen­tieren, war daher zum einen verhalten positiv bis offen skeptisch aufge­nommen worden. Zeit­gleich zu Wangs Reise berich­teten inter­na­tio­nale Medien, unter anderem das Wall Street Journal, das chine­si­sche Firmen Kriegs­tech­no­logie an die Volks­re­pu­blik lieferten. Das Papier, das 12 Punkte umfasst, spiegelt in etwa die Sicht, die Wang Yi aus seiner Reise mit den Zuhö­renden geteilt hatte.

Nach der Lektüre der dünnen Schrift ist klar: Sollte sich China wirklich als neutraler Makler und poten­ti­eller Frie­dens­stifter hätte etablieren wollen, wäre dieses Vorhaben klar geschei­tert: Schon in der Über­schrift wird der Angriffs­krieg Russlands gegen die Ukraine als „Ukraine-Krise” bezeichnet. Damit macht sich Peking weiterhin die Sprache des Kreml zu eigen, der die Verwen­dung des Begriffs „Krieg” im Zusam­men­hang mit der Invasion innerhalb Russlands mit hohen Strafen belegt hat.

Das Papier beginnt mit einem Verweis auf die Unver­letz­lich­keit natio­naler Souve­rä­nität, womit Peking auf die UN-Charta verweist und die Position der kommu­nis­ti­schen Nomen­kla­tura seit Kriegs­aus­bruch wieder­holt. Würde Peking dieses Prinzip aner­kennen, müsste es glasklar Russland als Verur­sa­cher des Krieges benennen, da Moskau genau die von Peking heraus­ge­stellte, sakro­sankte Souve­rä­nität der Ukraine gebrochen hat.

Weiter behauptet das Papier, dass die NATO für den Angriffs­krieg Russlands verant­wort­lich sei. Die Lust des Vertei­di­gungs­bünd­nisses am Expan­dieren habe, so liest sich die entspre­chende Text­stelle, am Ende zu einem Einmarsch Russlands in der Ukraine geführt. Peking behauptet anzu­er­kennen, dass alle Länder ihre Sicher­heits­in­ter­essen verfolgen dürften. Dass die Ukraine mit ihren Inte­gra­ti­ons­an­liegen in Richtung freie, demo­kra­ti­sche Welt genau das getan hat, scheint im poli­ti­schen Peking niemand zu akzep­tieren. Der Paragraph endet mit einem Appell an die ganze Welt, einen nach­hal­tigen Frieden in Eurasien zu suchen. Wie das konkret vonstatten gehen soll, ange­sichts der grausamen Kriegs­ver­bre­chen, die Russland in der Ukraine begangen hat, dazu schweigt sich Peking aus.

Statt­dessen appel­liert die KP an die Ukraine und Russland glei­cher­maßen, Gespräche zu suchen. Auch dieser Teil des Frie­dens­textes verbrämt absicht­lich, dass es sich hier nicht um einen Konflikt zwischen zwei gleichen Parteien handelt, sondern um einen Überfall auf ein souve­ränes Land durch ein anderes. Russland ist der Aggressor, die Ukraine das Opfer. Moskau ist im Unrecht, Kyjiw im Recht.

Schließ­lich verur­teilt China die Sank­tionen, die gegen Russland verhängt wurden, aber nicht den Krieg, den es noch nicht einmal so nennt. Peking verweist auf ein fehlendes Mandat des Welt­si­cher­heits­rats, in dem die Volks­re­pu­blik sitzt und daher ein solches Placet stets verwei­gern würde. Ob Sank­tionen funk­tio­nieren, darüber wird jedes Mal gerungen, wenn sie zum Einsatz kommen. Im vorlie­genden Falle ist es vor allem Xi und seinen Macht­clique, die verhin­dern, dass die Sank­tionen greifen.

In dem Papier gibt es nichts Konkretes, weder eine Idee, wie Gespräche zustande kommen sollen, noch, ob Peking bereit wäre, diese Gespräche zu mode­rieren. Vielmehr wird alles an die inter­na­tio­nale Gemein­schaft und die Vereinten Nationen delegiert. Dort aller­dings verwei­gert sich Peking einer konstruk­tiven Mitarbeit, um seinen wich­tigsten Alli­ierten Russland zu schützen. Bei seinem Besuch in Moskau hat Wang Yi noch einmal bekräf­tigt, dass zwischen den beiden Ländern eine „no limits”-Freundschaft bestünde. Kreml-Diktator Putin sprach davon, dass man gemeinsam „neue Grenzen” („new frontiers“) auslote.

Was dieses Papier zu einer beson­deren Schmach für Peking macht, ist, dass die Volks­re­pu­blik nicht müde wird, zurecht an die grausame Invasion der impe­rialen japa­ni­schen Streit­kräfte zu erinnern und in derselben Weise, auch völlig zu recht, westliche Kolo­ni­al­herr­schaft über Teile der Volks­re­pu­blik anpran­gert. Sich im selben Moment zum Hand­langer einer mili­tä­risch und wirt­schaft­lich unter­le­genen Nation zu machen, die selbst im Nach­bar­land Ukraine so vorgeht, wie Japan in China, wird künftigen Histo­ri­ker­ge­nera­tionen ein Rätsel aufgeben. Einem gebil­deten Mann wie Wang Yi jeden­falls dürfte dieser Wider­spruch nicht entgangen sein.

Textende

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