Sechs Trends, die über unsere Nachfrage nach Rohstoffen entscheiden
Wachsende Weltbevölkerung, Wirtschaftsboom in Ostasien, Sharing Economy: Der Verbrauch von Ressourcen ist von vielen Entwicklungen abhängig. Werden unsere Volkswirtschaften in Zukunft Wachstum erzielen, ohne ein Mehr an Rohstoffen zu verschleißen? Und welche Implikationen hat das für die deutsche Wirtschaftspolitik?
In den vergangenen Jahrzehnten hat das globale Wirtschaftswachstum zu einem immer höheren Ressourcenverbrauch geführt. Damit droht ein „ökologischer Super-Gau“. Wie wird sich die weltweite Nachfrage nach nichterneuerbaren Rohstoffen in den kommenden Jahrzehnten entwickeln? Meiner Ansicht nach spielen dabei sechs Faktoren eine entscheidende Rolle.
#1 Wachsende Weltbevölkerung
Die Weltbevölkerung wird in den kommenden Jahrzehnten weiter zunehmen. So geht beispielsweise die US-amerikanische Non-Profit-Organisation Population Reference Bureau davon aus, dass die Bevölkerung der Welt von 7,6 Milliarden Menschen Mitte 2018 bis 2030 auf knapp 8,6 Milliarden ansteigen wird und im Jahr 2050 sogar auf 9,8 Milliarden. Eine wachsende Zahl von Menschen benötigt unzweifelhaft eine größere Menge an Gütern und Dienstleistungen. Die damit einhergehende Steigerung der Produktion verlangt einen höheren Energie- und Rohstoffeinsatz. Folglich kommt es zu einer höheren Nachfrage nach nichterneuerbaren Ressourcen.
#2 Einkommenssteigerungen in den Schwellen- und Entwicklungsländern
Der wirtschaftliche Aufholprozess der Schwellen- und Entwicklungsländer – allen voran in China – hat zur Folge, dass der materielle Wohlstand und die realen Einkommen dort mit größeren Wachstumsraten zunehmen als in den Industrieländern. Dies allein führt schon zu einer höheren Rohstoffnachfrage. In Kombination mit dem Umstand, dass das weltweite Bevölkerungswachstum der kommenden Jahrzehnte gerade in diesen Ländern stattfindet, verstärkt sich die einkommensbedingte Zunahme der Ressourcennachfrage zusätzlich.
#3 Steigerung der Ressourcenproduktivität
Wenn die weltweite Bevölkerungszunahme und die Einkommenszuwächse in den Schwellen- und Entwicklungsländern zu einer weltweit höheren Rohstoffnachfrage führen, bewirkt dies einen Anstieg der Marktpreise für diese Rohstoffe. Steigende Preise stellen einen Anreiz für Unternehmen dar, die notwendigen Einsatzmengen nichterneuerbarer Ressourcen durch technologische Fortschritte zu reduzieren. Wenn ein bestimmtes Produkt mit einem geringeren Einsatz an Rohstoffen hergestellt werden kann, erhöht dies die Ressourcenproduktivität. Für sich genommen bewirkt das einen Rückgang der Rohstoffnachfrage.
Gleichzeitig ist jedoch zu bedenken, dass der geringere Ressourcenverbrauch den Preis der mit diesen Rohstoffen hergestellten Produkte reduziert. Das erhöht die Kaufkraft der Verbraucher. Wenn sie diese Kaufkraftgewinne für den Erwerb weiterer Produkte verwenden, für deren Herstellung nichterneuerbare Ressourcen benötigt werden, erhöht sich die Nachfrage nach diesen Ressourcen. Das sind sogenannte Rebound-Effekte.
Ob die Ressourcennachfrage im Zuge einer steigenden Ressourcenproduktivität per Saldo zunimmt oder sinkt, lässt sich nicht vorhersagen.
#4 Reduzierung der Materialverschwendung
Der technologische Fortschritt führt weltweit zu einem verstärkten Einsatz sogenannter additiver Produktionsverfahren. Ein prominentes Beispiel dafür ist die 3D-Drucktechnologie. Mit 3D-Druckern werden Kunststoffe, Metalle und andere Grundstoffe zu neuen Objekten verschmolzen. Das 3D-Druckverfahren fügt Materialien schichtweise zusammen. So wird nur die Materialmenge eingesetzt, die am Ende auch in das hergestellte Produkt fließt.
Die aktuellen Produktionsverfahren sind hingegen subtraktive Fertigungsprozesse. Das bedeutet: Die benötigten Materialien werden zugeschnitten und bearbeitet (durch Fräsen, Schleifen, Feilen etc.), was mit Materialverlusten verbunden ist. Die 3D-Drucktechnologie führt also zu einer erheblichen Reduzierung der Materialverschwendung. Damit geht die Ressourcennachfrage zurück.
Der gleiche Effekt ergibt sich dadurch, dass die in Produkten eingesetzten Rohstoffe in immer größerem Maße nach dem Verschleiß des Produkts wiederverwendet werden, um erneut in die Produktion von Gütern einfließen zu können. (Recycling und zirkuläre Wertschöpfung bzw. Circular Economy.)
#5 Sharing Economy
Mit der voranschreitenden Digitalisierung geht der Trend zur „Sharing Economy“ einher. Hierbei teilen sich mehrere Nutzer Konsumgüter mithilfe einer digitalen Vernetzung und entsprechenden Plattformen. Beispiele sind Fahrdienste wie Uber, Carsharing-Netzwerke, Übernachtungsangebote wie Airbnb und Verleihplattformen.
Diese Form des Konsums reduziert den Ressourcenbedarf, weil die Nachfrage nach den betreffenden Konsumgütern zurückgeht: Falls sich beispielsweise vier Personen einen Pkw teilen, wird nur noch ein Pkw nachgefragt. Der anschließende Energieverbrauch, der mit der Nutzung des Pkw verbunden ist, sinkt hingegen nicht, wenn die Nutzer ihre Fahrleistungen nicht einschränken.
#6 Entwicklung von Produktionsverfahren mit erneuerbaren Ressourcen
Wenn der technologische Fortschritt dazu führt, dass nichterneuerbare Rohstoffe durch erneuerbare Ressourcen ersetzt werden können, verringert dies die Nachfrage nach nichterneuerbaren Ressourcen. Ein Beispiel hierfür ist die Wind- und Sonnenenergie, die zu einer geringeren Nachfrage nach Erdöl und Erdgas führt.
Welche Gesamteffekte können wir erwarten?
Wie sich der weltweite Bedarf nach nichterneuerbaren Ressourcen aufgrund dieser sechs Trends in den kommenden Jahrzehnten entwickeln wird, ist unklar. Meiner Ansicht nach sind zumindest zwei Phasen plausibel. Die Dauer der beiden Phasen lässt sich dabei nicht belastbar abschätzen. Sie hängt maßgeblich davon ab, wie schnell die technologischen Maßnahmen zur Verringerung des Ressourcenbedarfs umgesetzt werden. Das ist u. a. auch eine Frage der politischen Rahmensetzung.
- In der ersten Phase dürften die nachfrageerhöhenden Effekte überwiegen, also vor allem das Wachstum der Weltbevölkerung, die Einkommensanstiege in den Schwellen- und Entwicklungsländern und die mit den Kaufkraftgewinnen verbundenen Rebound-Effekte.
- Wegen des mit einer steigenden Nachfrage verbundenen Preisanstiegs nimmt der Anreiz zur Einsparung nichterneuerbarer Ressourcen bereits in der ersten Phase immer stärker zu. Dies beschleunigt den technologischen Fortschritt zur Verringerung des Ressourcenbedarfs. In der zweiten Phase dürften dann die nachfragereduzierenden Effekte überwiegen (Steigerung der Ressourcenproduktivität, Reduzierung der Materialverschwendung, Sharing Economy, verstärkter Einsatz erneuerbarer Ressourcen in der Produktion).
Wichtig ist in diesem Kontext der Hinweis, dass der zukünftige weltweite Ressourcenverbrauch maßgeblich von China abhängt: Wenn sich dort energie- und ressourcensparende Produktionsverfahren durchsetzen und China diese Technologien exportiert, würde dies die weltweite Transformation der Energieversorgung erheblich beschleunigen. Die Internationale Energieagentur stellt daher vollkommen zu Recht fest: „When China changes, everything changes.“
Implikationen für die deutsche Wirtschaftspolitik
Die Transformation der Wirtschaft hin zu einer ressourcensparenden Ökonomie ist auch für eine hoch entwickelte Industrienation wie Deutschland ein erheblicher Kraftakt. Der Staat kann diesen Prozess beschleunigen, indem er die Anreize erhöht, die Produktion auf umwelt- und ressourcenschonende Verfahren umzustellen. Notwendig wäre dafür eine stärkere finanzielle Belastung der Nutzung natürlicher Ressourcen und der CO2-Emissionen, also zum Beispiel eine höhere Besteuerung des Verbrauchs natürlicher Ressourcen bzw. eine CO2-Steuer. Ordnungspolitisch ist dies ein gebotener Schritt, weil damit die negativen externen Effekte der Umweltnutzung eingepreist werden und eine Marktwirtschaft nur funktioniert, wenn die Preise alle anfallenden Kosten einschließen.
Kurzfristig erhöht dies die Produktionskosten deutscher Unternehmen und verschlechtert so ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit. Mittel- und langfristig kann der Produktionswandel jedoch die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands stärken. Angesichts der Begrenztheit nichterneuerbarer Ressourcen und der mit dem Ausstoß von Treibhausgasen verbundenen globalen Erwärmung ist eine Umstellung auf erneuerbare Energien und ressourcenschonende Produktionsverfahren langfristig sowieso unumgänglich. Die Volkswirtschaften, die die dafür notwendigen Technologien zeitnah entwickeln und einsetzen, können sich damit frühzeitig als Weltmarktführer etablieren. Mittel- und langfristig wäre dies ein erheblicher Standortvorteil.
Die damit verbundene Umstellung der Finanzierungsbasis des Staates weg vom Faktor Arbeit und hin zum Faktor Umwelt würde zudem die Lohnnebenkosten in Deutschland senken. Die Folge wäre eine höhere Nachfrage nach Arbeit und somit eine Steigerung der Beschäftigung. Dadurch lassen sich kurzfristige Arbeitsplatzverluste in exportorientierten Branchen, deren Wettbewerbsfähigkeit bei höheren Ressourcenpreisen zurückgeht, zumindest teilweise kompensieren.
Gleichzeitig ist die Umstrukturierung der heimischen Wirtschaft hin zu umwelt- und ressourcenschonenden Produktionsverfahren mit erheblichen Investitionen in entsprechende Technologien verbunden. Diese Investitionen erhöhen die heimische Nachfrage und sind daher ebenfalls in der Lage, den Nachfragerückgang der sinkenden Exporte zu kompensieren.
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