Sechs Trends, die über unsere Nachfrage nach Rohstoffen entscheiden

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Wachsende Weltbe­völ­kerung, Wirtschaftsboom in Ostasien, Sharing Economy: Der Verbrauch von Ressourcen ist von vielen Entwick­lungen abhängig. Werden unsere Volks­wirt­schaften in Zukunft Wachstum erzielen, ohne ein Mehr an Rohstoffen zu verschleißen? Und welche Impli­ka­tionen hat das für die deutsche Wirtschaftspolitik?

In den vergan­genen  Jahrzehnten hat das globale Wirtschafts­wachstum zu einem immer höheren Ressour­cen­ver­brauch geführt. Damit droht ein „ökolo­gi­scher Super-Gau“. Wie wird sich die weltweite Nachfrage nach nicht­er­neu­er­baren Rohstoffen in den kommenden Jahrzehnten entwi­ckeln? Meiner Ansicht nach spielen dabei sechs Faktoren eine entschei­dende Rolle. 

Portrait von Albrecht Sonntag

Thieß Petersen ist Senior Advisor der Bertelsmann Stiftung und Lehrbe­auf­tragter an der Europa-Univer­sität Viadrina in Frankfurt (Oder).

#1 Wachsende Weltbevölkerung

Die Weltbe­völ­kerung wird in den kommenden Jahrzehnten weiter zunehmen. So geht beispiels­weise die US-ameri­ka­nische Non-Profit-Organi­sation Population Reference Bureau davon aus, dass die Bevöl­kerung der Welt von 7,6 Milli­arden Menschen Mitte 2018 bis 2030 auf knapp 8,6 Milli­arden ansteigen wird und im Jahr 2050 sogar auf 9,8 Milli­arden. Eine wachsende Zahl von Menschen benötigt unzwei­felhaft eine größere Menge an Gütern und Dienst­leis­tungen. Die damit einher­ge­hende Steigerung der Produktion verlangt einen höheren Energie- und Rohstoff­einsatz. Folglich kommt es zu einer höheren Nachfrage nach nicht­er­neu­er­baren Ressourcen.

#2 Einkom­mens­stei­ge­rungen in den Schwellen- und Entwicklungsländern

Der wirtschaft­liche Aufhol­prozess der Schwellen- und Entwick­lungs­länder – allen voran in China – hat zur Folge, dass der materielle Wohlstand und die realen Einkommen dort mit größeren Wachs­tums­raten zunehmen als in den Indus­trie­ländern. Dies allein führt schon zu einer höheren Rohstoff­nach­frage. In Kombi­nation mit dem Umstand, dass das weltweite Bevöl­ke­rungs­wachstum der kommenden Jahrzehnte gerade in diesen Ländern statt­findet, verstärkt sich die einkom­mens­be­dingte Zunahme der Ressour­cen­nach­frage zusätzlich.

#3 Steigerung der Ressourcenproduktivität

Wenn die weltweite Bevöl­ke­rungs­zu­nahme und die Einkom­mens­zu­wächse in den Schwellen- und Entwick­lungs­ländern zu einer weltweit höheren Rohstoff­nach­frage führen, bewirkt dies einen Anstieg der Markt­preise für diese Rohstoffe. Steigende Preise stellen einen Anreiz für Unter­nehmen dar, die notwen­digen Einsatz­mengen nicht­er­neu­er­barer Ressourcen durch techno­lo­gische Fortschritte zu reduzieren. Wenn ein bestimmtes Produkt mit einem gerin­geren Einsatz an Rohstoffen herge­stellt werden kann, erhöht dies die Ressour­cen­pro­duk­ti­vität. Für sich genommen bewirkt das einen Rückgang der Rohstoffnachfrage.

Gleich­zeitig ist jedoch zu bedenken, dass der geringere Ressour­cen­ver­brauch den Preis der mit diesen Rohstoffen herge­stellten Produkte reduziert. Das erhöht die Kaufkraft der Verbraucher. Wenn sie diese Kaufkraft­ge­winne für den Erwerb weiterer Produkte verwenden, für deren Herstellung nicht­er­neu­erbare Ressourcen benötigt werden, erhöht sich die Nachfrage nach diesen Ressourcen. Das sind sogenannte Rebound-Effekte.

Ob die Ressour­cen­nach­frage im Zuge einer steigenden Ressour­cen­pro­duk­ti­vität per Saldo zunimmt oder sinkt, lässt sich nicht vorhersagen.

#4 Reduzierung der Materialverschwendung

Der techno­lo­gische Fortschritt führt weltweit zu einem verstärkten Einsatz sogenannter additiver Produk­ti­ons­ver­fahren. Ein promi­nentes Beispiel dafür ist die 3D-Druck­tech­no­logie. Mit 3D-Druckern werden Kunst­stoffe, Metalle und andere Grund­stoffe zu neuen Objekten verschmolzen. Das 3D-Druck­ver­fahren fügt Materialien schicht­weise zusammen. So wird nur die Materi­al­menge einge­setzt, die am Ende auch in das herge­stellte Produkt fließt.

Die aktuellen Produk­ti­ons­ver­fahren sind hingegen subtraktive Ferti­gungs­pro­zesse. Das bedeutet: Die benötigten Materialien werden zugeschnitten und bearbeitet (durch Fräsen, Schleifen, Feilen etc.), was mit Materi­al­ver­lusten verbunden ist. Die 3D-Druck­tech­no­logie führt also zu einer erheb­lichen Reduzierung der Materi­al­ver­schwendung. Damit geht die Ressour­cen­nach­frage zurück.

Der gleiche Effekt ergibt sich dadurch, dass die in Produkten einge­setzten Rohstoffe in immer größerem Maße nach dem Verschleiß des Produkts wieder­ver­wendet werden, um erneut in die Produktion von Gütern einfließen zu können. (Recycling und zirkuläre Wertschöpfung bzw. Circular Economy.)

#5 Sharing Economy

Mit der voran­schrei­tenden Digita­li­sierung geht der Trend zur „Sharing Economy“ einher. Hierbei teilen sich mehrere Nutzer Konsum­güter mithilfe einer digitalen Vernetzung und entspre­chenden Platt­formen. Beispiele sind Fahrdienste wie Uber, Carsharing-Netzwerke, Übernach­tungs­an­gebote wie Airbnb und Verleihplattformen.

Diese Form des Konsums reduziert den Ressour­cen­bedarf, weil die Nachfrage nach den betref­fenden Konsum­gütern zurückgeht: Falls sich beispiels­weise vier Personen einen Pkw teilen, wird nur noch ein Pkw nachge­fragt. Der anschlie­ßende Energie­ver­brauch, der mit der Nutzung des Pkw verbunden ist, sinkt hingegen nicht, wenn die Nutzer ihre Fahrleis­tungen nicht einschränken.

#6 Entwicklung von Produk­ti­ons­ver­fahren mit erneu­er­baren Ressourcen

Wenn der techno­lo­gische Fortschritt dazu führt, dass nicht­er­neu­erbare Rohstoffe durch erneu­erbare Ressourcen ersetzt werden können, verringert dies die Nachfrage nach nicht­er­neu­er­baren Ressourcen. Ein Beispiel hierfür ist die Wind- und Sonnen­en­ergie, die zu einer gerin­geren Nachfrage nach Erdöl und Erdgas führt.

Welche Gesamt­ef­fekte können wir erwarten?

Wie sich der weltweite Bedarf nach nicht­er­neu­er­baren Ressourcen aufgrund dieser sechs Trends in den kommenden Jahrzehnten entwi­ckeln wird, ist unklar. Meiner Ansicht nach sind zumindest zwei Phasen plausibel. Die Dauer der beiden Phasen lässt sich dabei nicht belastbar abschätzen. Sie hängt maßgeblich davon ab, wie schnell die techno­lo­gi­schen Maßnahmen zur Verrin­gerung des Ressour­cen­be­darfs umgesetzt werden. Das ist u. a. auch eine Frage der politi­schen Rahmensetzung.

  1. In der ersten Phase dürften die nachfra­ge­er­hö­henden Effekte überwiegen, also vor allem das Wachstum der Weltbe­völ­kerung, die Einkom­mens­an­stiege in den Schwellen- und Entwick­lungs­ländern und die mit den Kaufkraft­ge­winnen verbun­denen Rebound-Effekte.
  2. Wegen des mit einer steigenden Nachfrage verbun­denen Preis­an­stiegs nimmt der Anreiz zur Einsparung nicht­er­neu­er­barer Ressourcen bereits in der ersten Phase immer stärker zu. Dies beschleunigt den techno­lo­gi­schen Fortschritt zur Verrin­gerung des Ressour­cen­be­darfs. In der zweiten Phase dürften dann die nachfra­ge­re­du­zie­renden Effekte überwiegen (Steigerung der Ressour­cen­pro­duk­ti­vität, Reduzierung der Materi­al­ver­schwendung, Sharing Economy, verstärkter Einsatz erneu­er­barer Ressourcen in der Produktion).

Wichtig ist in diesem Kontext der Hinweis, dass der zukünftige weltweite Ressour­cen­ver­brauch maßgeblich von China abhängt: Wenn sich dort energie- und ressour­cen­spa­rende Produk­ti­ons­ver­fahren durch­setzen und China diese Techno­logien expor­tiert, würde dies die weltweite Trans­for­mation der Energie­ver­sorgung erheblich beschleu­nigen. Die Inter­na­tionale Energie­agentur stellt daher vollkommen zu Recht fest: „When China changes, every­thing changes.“

Impli­ka­tionen für die deutsche Wirtschaftspolitik

Die Trans­for­mation der Wirtschaft hin zu einer ressour­cen­spa­renden Ökonomie ist auch für eine hoch entwi­ckelte Indus­trie­nation wie Deutschland ein erheb­licher Kraftakt. Der Staat kann diesen Prozess beschleu­nigen, indem er die Anreize erhöht, die Produktion auf umwelt- und ressour­cen­scho­nende Verfahren umzustellen. Notwendig wäre dafür eine stärkere finan­zielle Belastung der Nutzung natür­licher Ressourcen und der CO2-Emissionen, also zum Beispiel eine höhere Besteuerung des Verbrauchs natür­licher Ressourcen bzw. eine CO2-Steuer. Ordnungs­po­li­tisch ist dies ein gebotener Schritt, weil damit die negativen externen Effekte der Umwelt­nutzung einge­preist werden und eine Markt­wirt­schaft nur funktio­niert, wenn die Preise alle anfal­lenden Kosten einschließen.

Kurzfristig erhöht dies die Produk­ti­ons­kosten deutscher Unter­nehmen und verschlechtert so ihre inter­na­tionale Wettbe­werbs­fä­higkeit. Mittel- und langfristig kann der Produk­ti­ons­wandel jedoch die Wettbe­werbs­fä­higkeit Deutsch­lands stärken. Angesichts der Begrenztheit nicht­er­neu­er­barer Ressourcen und der mit dem Ausstoß von Treib­haus­gasen verbun­denen globalen Erwärmung ist eine Umstellung auf erneu­erbare Energien und ressour­cen­scho­nende Produk­ti­ons­ver­fahren langfristig sowieso unumgänglich. Die Volks­wirt­schaften, die die dafür notwen­digen Techno­logien zeitnah entwi­ckeln und einsetzen, können sich damit frühzeitig als Weltmarkt­führer etablieren. Mittel- und langfristig wäre dies ein erheb­licher Standortvorteil.

Die damit verbundene Umstellung der Finan­zie­rungs­basis des Staates weg vom Faktor Arbeit und hin zum Faktor Umwelt würde zudem die Lohnne­ben­kosten in Deutschland senken. Die Folge wäre eine höhere Nachfrage nach Arbeit und somit eine Steigerung der Beschäf­tigung. Dadurch lassen sich kurzfristige Arbeits­platz­ver­luste in export­ori­en­tierten Branchen, deren Wettbe­werbs­fä­higkeit bei höheren Ressour­cen­preisen zurückgeht, zumindest teilweise kompensieren.

Gleich­zeitig ist die Umstruk­tu­rierung der heimi­schen Wirtschaft hin zu umwelt- und ressour­cen­scho­nenden Produk­ti­ons­ver­fahren mit erheb­lichen Inves­ti­tionen in entspre­chende Techno­logien verbunden. Diese Inves­ti­tionen erhöhen die heimische Nachfrage und sind daher ebenfalls in der Lage, den Nachfra­ge­rückgang der sinkenden Exporte zu kompensieren.

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