Warum Corona Trump besonders hart trifft
In einer Pandemie verhalten sich Populisten nicht anders als sonst. Sie suchen Sündenböcke, nehmen es mit Fakten nicht genau – und spalten. Simon Schütz analysiert, warum der Coronavirus US-Präsident Donald Trump besonders hart trifft – und wie er die Krise trotzdem für sich nutzen könnte.
Die Corona-Pandemie stellt die globalisierte Welt vor eine Herausforderung. Es gibt kein einheitliches Vorgehen – jedes Land reagiert anders – und trifft andere Entscheidungen.
Die USA gelten eigentlich als die Nation, die am Besten für eine derartige Katastrophe vorbereitet ist. Doch der Blick auf die Vereinigten Staaten zeigt, dass das Krisenmanagement von US-Präsident Donald Trump bisher keinen Vorbildcharakter hat.
Lange Zeit nahm Trump das Virus nicht ernst, ignorierte die Gefahr. In einem Fernsehinterview am 22. Januar betonte er, das Virus „vollkommen unter Kontrolle“ zu haben, alles werde gut. Noch am 10. März sagte er bei einer Sitzung mit republikanischen Senatoren: „Wir sind gut vorbereitet und wir machen großartige Arbeit. Es wird einfach weggehen. Bleibt ruhig, es wird einfach weggehen.“
Die Lage wurde ernster – und dementsprechend auch Trumps Worte. Am 18. März erklärte er auf einer Pressekonferenz, er sehe sich nun als „Kriegspräsident“, 10 Tage später schrieb er in Versalien auf Twitter, dass man diesen Krieg gewinnen werde.
Inzwischen ist bekannt, dass Trumps Geheimdienste ihn bereits vor Monaten vor dem Virus warnten – ohne Erfolg. Mit dem Wissen, dass zeitlicher Vorsprung die wirksamste Waffe gegen das Virus ist, sind sich Experten sicher, dass der US-Präsident eine große Chance verspielt und enorme Risiken in Kauf genommen hat.
Kein „rally ‘round the flag“ Momentum für Trump
Besonders gut anzukommen scheint Trumps Politik bei den US-Bürgern nicht. Eigentlich ist es für Regierungschefs einfach, in Krisenzeiten an Zustimmung zu gewinnen. Man spricht in diesem Kontext auch vom „rally ‘round the flag“ – ein Phänomen das aktuell weltweit, unabhängig vom jeweiligen Regierungshandeln, zu beobachten ist. Nahezu überall, außer in den USA.
Kurz nach Trumps Kampfansage an den Virus stiegen seine Zustimmungswerte, um dann wieder auf das vorherige Niveau zu fallen.
Zum Vergleich: George W. Bush hatte vier Wochen nach dem 11. September Zustimmungswerte von 90 Prozent. Und in Deutschland zeigen die aktuellen Werte von Markus Söder, wie viel in diesem Bereich möglich ist.
Was Präsident Trump in dieser Krise besonders wichtig ist, wurde in einer Aussage deutlich, die er gar nicht selbst getroffen hat – sondern auf Twitter teilte. „Präsident Trump ist ein Einschaltquoten-Hit“ schrieb die New York Times in Bezug auf die täglichen Corona-Pressekonferenzen im Weißen Haus. Eine Aussage, die Trump besonders gefallen haben muss – sonst hätte er die von ihm verachtete NYT niemals zitiert
Es ist genau diese Haltung, die zeigt, dass es Trump in der Krise vor allem um sich selbst und seine Wiederwahl im kommenden November geht. Die täglichen Coronabriefings nutzt er immer wieder zur Selbstinszenierung, zeigte sogar eine Art PR-Film über das aus seiner Sicht erfolgreiche Management der Krise. CNN sprach in diesem Kontext von „Propaganda“.
Das Virus infiziert Trumps wichtigste Joker
Das Virus – vor allem die Konsequenzen und notwendigen Reaktionen – treffen die Trump-Administration in vielerlei Hinsicht besonders hart.
Noch am 29. Februar fand die CPAC (Conservative Political Action Conference) statt: Das Motto „America vs Socialism“. Trumps Republikaner setzen darauf, sich als maximalen Gegenentwurf zu den Demokraten darzustellen. Eine Umverteilung, wie sie die Demokraten immer wieder gefordert haben, lehnen sie ab. In der Coronakrise müssen Trumps Republikaner nun selbst Hilfspakete in Billionenhöhe durchwinken.
Das war notwendig, weil Trumps größte Joker durch Corona innerhalb von Wochen vernichtet wurden. Aus dem Jobboom wurden in vier Wochen über 20 Millionen neue Arbeitslose, das Rekordhoch der Börse wurde von einem steilen Absturz gestoppt und die brummende Wirtschaft schlitterte in die Rezession.
Ein unbequemer Nebeneffekt für Trump: Plötzlich werden die Ziele und Versprechen der Demokraten nach mehr Gesundheitsversorgung und mehr sozialer Absicherung für viele Amerikaner attraktiver.
Der „Kampf gegen den Sumpf“ zeigt verheerende Folgen
Ein weiterer Grund, warum das Virus Trump besonders hart trifft, ist sein Umgang mit der Bürokratie in der amerikanischen Hauptstadt. Zur Erinnerung: Eines seiner Wahlversprechen lautete, „den Sumpf auszutrocknen“.
Der „Deepstate“ war und ist Feindbild für Trump. Das rächt sich jetzt. Denn genau in der Verwaltung sind Expertise und langjährige Erfahrung zu finden, auf die es in einer Krise besonders ankommt.
Ein Beispiel: Das Heimatschutzministerium, das unter anderem für den Katastrophenschutz zuständig ist, wird seit November 2019 kommissarisch geführt. Und: Von 75 Leitungspositionen sind 20 aktuell nicht besetzt. Eine nicht vorhandene bzw. nicht konstante Führung wird in Krisensituationen besonders sichtbar.
Trump setzt auf Spaltung und Polarisierung
Bisher gibt Trump kein gutes Bild ab. Darin sind sich Experten auf der ganzen Welt einig. Die Zahlen der Infizierten und der Toten sind die höchsten weltweit – und die Bilder aus New York haben sich in das kollektive Gedächtnis eingebrannt.
Doch Trump hat ein Gefühl für Macht – er weiß, wie er seine Wähler mobilisiert, seine Anhänger hinter sich bringt. Seine Strategie: Er hält sein eigenes Klientel bei Laune, zielt auf altbewährte Institutionen und nutzt die keinesfalls milder gewordene Polarisierung der amerikanischen Gesellschaft. Dabei hilft ihm, dass die Demokraten in dem Virus eine größere Gefahr sehen als die Republikaner.
Ein strategisch kluger Schachzug Trumps war es außerdem, das Krisenmanagement und die Entscheidung über die Maßnahmen den Gouverneuren zu überlassen – und dann gleichzeitig jene Bürger zu ermutigen, die bereits für mehr Freiheiten und weniger Regeln demonstrieren. Sein Kalkül: Kommt es zu Rückfällen, sind letztlich die Gouverneure Schuld.Kommt es zu Lockerungen und die Wirtschaft läuft wieder an, kann er sich als Macher verkaufen.
Trump nutzt dabei die Konfliktlinie zwischen Stadt und Land. Seine Wähler sitzen nicht in den Coronahotspots wie NYC oder Chicago. Mit seiner Strategie bringt er womöglich jene weiter gegen sich auf, die ihn ohnehin nicht wählen – aber seine Anhänger mobilisiert er.
Das bestätigt auch Politikwissenschaftler und Populismus-Forscher Thomas Noetzel von der Uni Marburg: „Der Populismus kann natürlich besonders durch die Betonung von Differenzen stark werden – im ‚Trumpland’ ist die Situation womöglich anders als in NYC.“
Das „chinesische Virus“ und die Kritik an der WHO
Es ist ein gängiges Instrument von Populisten, in schwierigen Lagen einen Sündenbock für die aktuelle Situation zu suchen. Es hilft den Regierenden Frustration und gegebenenfalls Aggression ihrer Bürger von sich auf andere zu lenken.
Anfangs sprach Trump vom „chinesischen Virus“ – die Formulierung blieb zwar nicht lange in seinem Wortschatz, doch die Schuldfrage ist eines der zentralen Themen des US-Präsidenten.
Fairerweise ist zu betonen, dass die Frage gestellt werden sollte und ihre Berechtigung hat. Aber der Zeitpunkt ist unglücklich gewählt. Zunächst sollten alle Kräfte auf die Bewältigung der Krise gerichtet werden. Die Schuldfrage, mögliche Sanktionen oder finanzielle Konsequenzen können sowieso erst folgen, sollte es der internationalen Gemeinschaft gelingen, zu belegbaren Erkenntnissen in dieser Frage zu gelangen.
Auch Trumps Kritik an der WHO ist in einem Aspekt berechtigt. Der Umgang mit China scheint unkritisch, das Lob auf das Management der Krise war auffallend laut. Doch die Zahlungen an die Organisation während ihrer größten Herausforderung zu kürzen, ist verheerend. Besonders für die armen Nationen, die unter dem Virus besonders leiden werden – und auf internationale Hilfen angewiesen sind.
Dennoch ist die Kritik an der WHO eine Rückkehr zum gewohnten Verhalten des US-Präsidenten. Die Kritik an internationalen Institutionen, und das Argument, diese arbeiteten nicht im Sinne der USA, obwohl die Amerikaner die größten Geldgeber seien, klingt nach dem alten Muster.
Das Rennen für Trump ist längst nicht gelaufen
Ob Trump aus dieser Krise als Verlierer hervorgeht, hängt von mehreren Faktoren ab. Besonders wichtig wird sein, wann er die Wirtschaft wieder hochfahren kann, inwieweit sich die Arbeitslosenzahlen wieder normalisieren und die Börsenwerte aufholen.
Bei den Präsidentschaftswahlen am 3. November werden die Amerikaner auch über Trumps Krisenmanagement abstimmen. Das Gedächtnis der US-Bürger ist für gewöhnlich kurz. Letztlich kommt es also darauf an, wann die Zeit nach dem Virus beginnt – und inwieweit Trump sie als eine Phase wirtschaftlichen Wachstums gestalten kann.
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