Und wenn Xi es wagt, die freie Welt herauszufordern?

Foto: Imago

Auf dem Nato-Gipfel in Vilnius ging es vorder­gründig um Moskaus Krieg gegen die Ukraine. Doch im Hinter­grund steht die Frage, wie der Westen mit dem wachsenden Einfluss Chinas umgehen soll.

Auf dem NATO-Gipfel im litaui­schen Vilnius schien die Ukraine das Thema schlechthin zu sein. US-Präsident Joe Biden versprach, mit der militä­ri­schen Unter­stützung des von Russland überfal­lenen Landes nicht nachzu­lassen. Kyjiw erhielt statt des erhofften Fahrplans nur die unver­bind­liche Zusage für einen späteren Beitritt zum Vertei­di­gungs­bündnis, wenngleich der dafür vorge­sehene Aufnah­me­prozess erlassen und damit erleichtert wurde.

Und da war auch noch die Freude über ein Einlenken der Türkei in Sachen einer Mitglied­schaft Schwedens in der Nordat­lan­ti­schen Allianz, die am Vorabend des Gipfels ein starkes Signal an die Adresse des Kremls sendete.

China und die NATO

Aber trotz dieses vorder­grün­digen Russland-Fokus bestimmte noch ein anderes Thema die Zusam­men­kunft: Die Volks­re­publik China. Dass der Gipfel strate­gisch auch in diese Richtung denken würde, kündigte NATO-General­se­kretär Jens Stoltenberg in einem Gastbeitrag für das außen- und sicher­heits­po­li­ti­schen Magazin Foreign Affairs an. Dort schrieb er: „Die zuneh­mende Repression der chine­si­schen Regierung im Ausland und die repressive Politik im Inland gefährden die Sicherheit, Werte und Inter­essen der NATO.”

Um diese Worte nicht ohne Taten im Raum stehen zu lassen, hat die Vertei­di­gungs­al­lianz vier Länder vom anderen Ende der Welt einge­laden, als Gäste an den Konsul­ta­tionen teilzu­nehmen: Delega­tionen aus Australien, Neuseeland, Japan und Südkorea haben sich an in Vilnius einge­funden. Vor allem Südkorea und Australien traf in der jüngeren Vergan­genheit der Bannstrahl Pekings: so verbot Xi Jinping korea­ni­schen Fernseh- und Kinoinhalt für sechs Jahre aus seinem Reich und ließ austra­lische Exporte in chine­si­schen Häfen verrotten, weil er die Politik Seouls und Canberras nicht submissiv genug fand. Jeder der vier Staaten ist in der einen oder anderen Weise in der jüngeren Vergan­genheit näher an die Verei­nigten Staaten, das stärkste Mitgliedsland der NATO, herangerückt.

Die Sorgen der asiati­schen Demokratien

Peking verur­teilte das Commu­niqué wie erwartet scharf. Die Volks­re­publik wirft den USA vor, eine „asiatische NATO” errichten zu wollen. In Wahrheit verhält es sich genau anders­herum: Diktator Xi Jinping wird immer gewalt­be­reiter und repres­siver, seine Beses­senheit, das demokra­tische Inselland Taiwan überfallen zu wollen, immer heftiger. Die asiati­schen Demokratien wollen daher eine Allianz formen, um gemeinsam gegen Peking vorgehen zu können, sollte der Macht­haber, in Analogie zu seinem Busen­freund Vladimir Putin, tatsächlich zu einem Kriegs­schlag ausholen.

Da mehr als die Hälfte des weltweiten Contai­ner­ver­kehrs durch die Straße von Taiwan geht, die das demokra­tische Land von der totali­tären Volks­re­publik trennt, wäre ein Krieg dort in der Tat von Relevanz für die Sicher­heits­in­ter­essen der freien Welt. Zudem verfügt Taiwan über ein Ökosystem hochspe­zia­li­sierter Firmen und ihrer Zulie­ferer, die die überwäl­ti­gende Mehrheit aller Halbleiter-Chips auf der Welt herstellt. Angesichts dieser Bedrohung durch Peking hat die NATO am Dienstag ein Commu­niqué verab­schiedet, in dem es heißt, dass die Volks­re­publik eine „strate­gische Heraus­for­derung für die euro-atlan­tische Sicherheit” darstelle.

Pekings langer Arm

Und in der Tat operiert Peking bereits lange gesetz­widrig in Ländern der freien Welt: geheime Polizei­sta­tionen sollen Dissi­denten ausspüren und entführen, aus den als Kultur­ein­rich­tungen getarnten Konfuzius-Insti­tuten heraus werden Studie­rende an westlichen Univer­si­täten einge­schüchtert, sollten sie sich kritisch zur Kommu­nis­ti­schen Partei Chinas äußern. Ferner wird ihnen damit gedroht, dass man ihren Familien in China etwas antun würde. Auch Moskau hat offizi­ellen Einschät­zungen zufolge illegal im Ausland gewütet, etwa, als es 2019 einen georgi­schen Kreml-Wider­sacher im Berliner Tierpark, unweit des Deutschen Parla­ments, liqui­dieren ließ.

Die Achse Peking-Moskau

Die Achse Peking-Moskau bekümmert auch die versam­melten Vertei­diger der freien Welt in Vilnius. Man betrachte die „vertiefte strate­gische Partner­schaft” der beiden Dikta­turen mit Sorge und achte auf ihre „sich gegen­seitig verstär­kenden Versuche, die regel­ba­sierte inter­na­tionale Ordnung zu unter­graben“. Auch wenn die NATO-Partner verschiedene Vorstel­lungen über das Wann eines Beitritts der vom Kreml angegrif­fenen Ukraine haben, so herrscht Einigkeit darin, dass Peking genau schaut, ob und falls ja, wie Putins Aggression zu Erfolg führt.

So gewonnene Erkennt­nisse würde Peking bei einem Angriff auf die demokra­tische Insel­nation Taiwan in die eigene Strategie einzu­bauen. Kurzfristig geht es in Vilnius um den Krieg Moskaus gegen die Ukraine. Langfristig geht es darum, die Optionen des Bündnisses so zu erweitern und den Verbund so stark zu machen, dass es die Volks­re­publik jederzeit militä­risch besiegen könnte, sollte Xi sich dazu versteigen, die freie Welt mit einem Krieg herauszufordern.

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