How to rig elections: Wie Putin, Orban & Co Demokratie vortäuschen
Diktatoren fälschen Wahlen inzwischen derart raffiniert, dass beinharte Autokratien als „illiberale Demokratien“ durchgehen. Ein neues Buch über diese Techniken der Wahlmanipulation zeigt, wie Putin, Erdogan und Orban ihre Herrschaft perfektioniert haben – und fragt, was dem Westen dazu einfällt.
Die Demokratie befindet sich seit mindestens einem Jahrzehnt auf dem Rückzug, weil skrupellose und mächtige Politiker in „illiberalen Demokratien“ jeden einzelnen Schritt des Wahlprozesses manipulieren. Das ist die deprimierende Botschaft eines mit lebhafter Feder verfassten Buches der Politikwissenschaftler Nic Cheeseman und Brian Klaas, das den hintersinnigen Titel “How to Rig an Election” trägt, übersetzt: „Wie man eine Wahl fälscht“.
Der kurzweilige Ton der Autoren täuscht über die gründliche Forschungsarbeit hinweg – und über die ziemlich trostlose Botschaft: Autokraten fürchten die Wahlurne nicht. Nur sehr wenige Länder (Saudi-Arabien ist eine der seltenen Ausnahmen) werden ausschließlich nach autoritären und feudalistischen Prinzipien regiert. Viel verbreiteter sind Systeme wie jenes in Russland, wo der Herrscher sich durch wirtschaftlicher und administrative Durchsetzungsfähigkeit an der Macht hält – Wenn ich ein Land entsprechend beherrsche, lassen sich Wahlen im Vorfeld so manipulieren, dass am Ende das erwünschte Ergebnis herauskommt. Wahlen geraten zu einem nutzbringenden Sicherheitsventil, zu einem Dekorationselement des politischen Systems. Es sind nicht die Wahlen, die entscheiden, wer künftig das Sagen hat.
Das mag verwerflich sein. Es ist aber in einem System, in dem der Sieger alles gewinnt und der Verlier nichts, durchaus rational. Wenn der Preis einer Wahlniederlage der Tod (oder wenigstens Repression) ist, dann erscheint es sinnvoll, dieses Schicksal um jeden Preis abzuwenden. Die Ironie: Wenn Herrscher Macht missbrauchen, um an der Macht zu bleiben, schädigt das jene Institutionen, die Wahlverlierer schützen sollen, beispielsweise unabhängige Gerichte. Der Preis einer Niederlage steigt, je länger ein Autokrat sich mit zwielichtigen Methoden an der Macht hält.
Die Autoren – Cheeseman ist Professor für Demokratieforschung an der Universität Birmingham, Klaas lehrt an der London School of Economics – definieren fünf Methoden der Manipulation: Die erste ist Gerrymandering, das Zurechtschneiden von Wahlkreisen, sodass die Opposition keine Direktmandate gewinnen kann. Die zweite der Stimmenkauf. Dritte die Repressionen, darunter physische Einschüchterung genauso wie der bürokratische Sumpf, in dem die Opposition versinkt. Die vierte Methode sind digitale Instrumente, mit denen der Diskurs im Wahlkampf oder das Ergebnis manipuliert werden. Und falls all das nicht funktioniert, lässt sich der Wahlsieg fünftens immer noch durch schnödes Einwerfen manipulierter Stimmzettel herbeiführen.
Das Buch deckt eine beeindruckende geographische Bandbreite ab. Es greift auch Defizite in westlichen Systemen auf, wobei die USA unter anderem wegen der Methoden scharf kritisiert werden, bestimmten Bevölkerungsgruppen die Registrierung als Wähler zu erschweren. Aus Afrika werden jede Menge Beispiele angeführt, doch es gibt auch Lücken. Aserbaidschan hat lange Zeit einer internationalen Untersuchung seiner Scheinwahlen zu verhindern gewusst, indem es auf skandalöse Weise korrumpierenden Einfluss auf den Europarat genommen hat, was man als „Kaviar-Diplomatie“ bezeichnen könnte. Dies sollte erwähnt werden – wird es aber nicht.
Zu Unrecht stehen die Autoren der digitalen Stimmabgabe ablehnend gegenüber. Das solide und transparente System der elektronischen Stimmabgabe in Estland verdient Lob und ein genaueres Studium, und nicht bloß eine abwertende Zeile.
Ein größeres Manko des Buches ist jedoch, dass es sich schon im Druck befand, bevor das volle Ausmaß der Skandale um Cambridge Analytica und die Facebook-Daten erkennbar wurde. Sie werden nur in wenigen Absätzen behandelt.
Ungeachtet der deprimierenden Befunde bleiben die Autoren optimistisch. Autokraten können verlieren, lautet ihr Argument: Insbesondere dann, wenn sich die Opposition zusammenschließt und internationale Wahlbeobachter zugelassen werden.
Manchen mag das optimistisch erscheinen. Das gesellschaftliche Bedürfnis nach demokratische Herrschaft ebbt ab, genauso wie die Zivilcourage, sich für freie, geheime und gleiche Wahlen zu engagieren.
Starke Führungsfiguren wie Recep Tayyip Erdoğan in der Türkei, Viktor Orbán in Ungarn und Wladimir Putin in Russland werden sich, so scheint es, noch viele Jahre an der Macht halten können. Sie haben viel ausprobiert und mit der „illiberalen Demokratie“ eine in ihrem Sinne funktionierende politische Ordnung gefunden – die echten liberalen Demokratien haben das bislang versäumt.
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