Warum die FDP eine Klimapartei werden soll
Im Parteienspektrum fehlt bislang der ökologische Liberalismus. Das FDP-Mitglied Helmer Krane und der Politikberater Nicolas Lembeck fordern in einem Debattenbeitrag, dass die Partei aus der ökologischen Transformation ein Freiheitsprojekt machen soll. Damit würde die FDP Verantwortung sowohl für den Planeten als auch für Stabilität der liberalen Demokratie übernehmen.
Die ökologische Transformation verlangt von der FDP mehr als tagespolitische Taktik, sie verlangt eine politische Idee. Versäumt es die FDP, den Klimawandel nicht nur als strategisches, sondern auch als politisch herausragendes Thema der kommenden Jahrzehnte zu erkennen, wird sie zu den Verlierern von morgen gehören.
Bislang gibt es keine Partei, die ökologische Verantwortung, Fortschrittsoptimismus und Eigenverantwortlichkeit verbindet. Die FDP ist geradezu in der Pflicht, als freiheitliche Ökopartei die Lücke zu besetzen.
Wir sind überzeugt, die FDP trägt als Vertreterin der liberalen Mitte eine besondere Verantwortung für die parlamentarische Demokratie. Vorrangiges Ziel einer liberalen Partei darf es nicht sein, nur enttäuschte Wähler zu umwerben. Keine andere Partei als die FDP – als Trägerin der liberalen Tradition – wäre besser geeignet, Antworten auf das dringende Problem der Gegenwart zu finden: Die Verständigung zwischen Ökonomie und Ökologie mit den Mitteln von Demokratie und Marktwirtschaft. Der Liberalismus ist nicht ohne Grund die erfolgreichste politische Idee der Neuzeit.
Die autoritäre Gefahr
Der Klimaschutz wird scheitern, wenn wir ihn Leuten überlassen, die bereit sind, für den Schutz des Planeten die Freiheit zu opfern. Der Weg vom Ökopuritanismus in die Ökodiktatur ist kurz. In der Predigt vom Verzicht erscheint die Freiheit des Einzelnen als Ursache der schleppenden Umsetzung der Klimaschutzmaßnahmen. In dieser Denkweise liegt es nahe, im Namen der Notwendigkeit mit autoritären Mitteln zu regieren und den Verzicht zu erzwingen.
Vielleicht hängt es mit dieser scheinbaren Unmöglichkeit zusammen, dass in einem Jahrhundert nicht gehandelt worden ist, obwohl das Klimaproblem bekannt war. Schon 1895 vermutete der Physiker und Chemiker Svante Arrhenius einen menschengemachten Klimawandel. 1965 war US-Präsident Lyndon B. Johnson von seinem wissenschaftlichen Beirat auf das Problem hingewiesen worden. Und bekanntlich empfahl der Club of Rome in den 1970er Jahren den massiven Ausbau erneuerbarer Energien. Was passierte? Nichts.
Das fossile Narrativ
Der verstorbene Publizist Roger Willemsen wunderte sich mit Recht: „Aus all den Fakten ist keine Praxis entsprungen, die auf der Höhe der drohenden Zukunft wäre.“ Wir meinen, dass ein fossiles Narrativ, welches Freiheit, Ressourcenverbrauch und Wohlstand untrennbar miteinander verknüpft, die Ursache dieses Versagens ist. Wenn wir in diesem Narrativ denken, stehen wir vor dem verantwortungsethischen Dilemma, zwischen Freiheit und Wohlstand einerseits und der Zukunft des Planeten anderseits wählen zu müssen – und tun im Zweifel nichts.
Doch das fossile Narrativ ist unbegründet, denn es geht von der Fehlannahme aus, dass industrielle Produktion, technischer Fortschritt und Mobilität – unser freiheitlicher Lebensstil – vom Verbrauch fossiler Ressourcen abhingen. Die Entwicklung alternativer Antriebe, moderne Stoffkreisläufe, die Steigerung der Ressourceneffizienz oder auch nur der verpackungslose Supermarkt beweisen das Gegenteil: ein nachhaltiges Wirtschaften ist möglich.
Freiheitsprojekt Klimaschutz
Die Aufgabe der FDP ist es, das fossile Narrativ zu durchbrechen. In einem sich wandelnden Parteiengefüge könnte das ihr Projekt sein. Denn es gibt bislang keine Partei, die ökologische Verantwortung, Fortschrittsoptimismus und Eigenverantwortlichkeit verbindet. Die Union kann der Radikalität des Klimaproblems nicht entsprechen, weil ein erheblicher Teil ihrer Wählerschaft großen Veränderungen eher skeptisch gegenübersteht. Die Grünen hingegen sympathisieren zum Teil mit dem Ökopuritanismus und führen damit eine unnötig verkürzte Debatte über individuelle Lebensstile. Die FDP ist geradezu in der Pflicht, als freiheitliche Ökopartei die Lücke zu besetzen.
Unser Vorschlag ist, die Klimapolitik um das ökologische Bewusstsein und die Verantwortlichkeit des Einzelnen herum zu bauen. „Klimaliberalismus“ nennen wir das.
Liberale Klimapolitik nimmt den Kohleausstieg ernst – und denkt vor allem weiter. Der ordoliberalen Theorie entsprechend, muss der Staat Regeln setzen, damit die Marktwirtschaft funktioniert und die Umwelt geschützt wird. Ein Bespiel ist der CO2-Preis. Umwelt- und Klimakosten dürfen nicht länger von der ganzen Gesellschaft gleichermaßen gezahlt werden, sondern sollten von denen getragen werden, die sie verursachen. Wenn sich Klimaschutz schon heute für mehr Menschen lohnen würde, könnten wir die Kreativität und das Potential dieser Menschen bei der Bewältigung der Klimaherausforderung nutzen. Klimaschutz sollte das Geschäft des Jahrhunderts werden. Unser Vorschlag ist, die Klimapolitik um das ökologische Bewusstsein und die Verantwortlichkeit des Einzelnen herum zu bauen. „Klimaliberalismus“ nennen wir das.
Ein positiver Ansatz, der dem Wesensmerkmal des Liberalismus viel eher entspricht. Liberalismus fürchtet sich nicht vor der Komplexität des Wandels, er erschließt ihn. Fortschritt geschieht in einer liberalen Gesellschaft nicht einfach, er wird gemacht, von vielen gleichzeitig an unterschiedlichen Stellen. Das ist der Weg, um globale Herausforderungen zu meistern.
Erneuerung des politischen Liberalismus
So könnte dem Liberalismus das Comeback schneller gelingen, als es seinen Gegnern lieb ist. Zurzeit aber befindet sich die FDP selbstverschuldet in der Defensive. Zu oft nehmen Liberale Kritik an den Umständen und Erwartungen der Öffentlichkeit als persönlichen Angriff wahr, statt als Hinweis und Ansporn. Zu oft überdeckt das Abarbeiten an Fehlern anderer oder – schlimmer noch – an der Person Greta Thunbergs die eigene Ideen- und Sprachlosigkeit. Besser wäre es, wenn wir in den Klimadiskurs eingriffen, eigene Lösungsansätze schärften und durch einen ernsthaften Ton deutlich machten, dass die FDP für den Fortbestand eines bewohnbaren Planeten Verantwortung übernimmt.
Aus dem Freiheitsprojekt ökologische Transformation könnte die FDP nach der nächsten Bundestagwahl einen Gestaltungsauftrag für neue politische Mehrheiten ableiten.
Die Klimadebatte lädt zum groß Denken ein. Wir müssen die Attraktivität des Klimaschutzes erklären, damit der Wandel gelingt. Klimaschutz muss die deutsche und europäische Wirtschaft nicht gefährden, er kann sie auch robuster, unabhängiger und innovativer machen. Die Wirtschaft kann wachsen, während Energiekonsum und Emissionen zurückgehen. Mit Erfindergeist – gestärkt durch Bildungs‑, Forschungs- und Wissenschaftspolitik – kann der Menschheit die Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch gelingen.
Betrachten wir die Klimadebatte doch als Anregung, die alten Lager zu überwinden. Vielleicht liegen die besseren Antworten auf Zukunftsfragen jenseits des rechts-links Schemas: in einer liberalen, fortschrittsfreundlichen, positiven Politik. Aus dem Freiheitsprojekt ökologische Transformation könnte die FDP nach der nächsten Bundestagwahl einen Gestaltungsauftrag für neue politische Mehrheiten ableiten.
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