Städtepartnerschaften – oder China-PR auf lokaler Ebene?
Die Beziehungen zwischen China und deutschen Bundesländern, Städten und Kommunen nehmen seit Jahren rasant zu. Aber sind sie zu beiderseitigem Vorteil? Eine neue Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Volksrepublik Städtediplomatie nutzt, um ihre strategischen Interessen durchzusetzen.
Am 10. März bekommen viele deutsche Bürgermeister wohl Jahr für Jahr Anrufe von chinesischen Diplomaten. Der Frühlingstag markiert den Gedenktag an den tibetischen Volksaufstand im Jahr 1959. 1950 eroberte die chinesische Volksbefreiungsarmee Tibet. Seit dem Volksaufstand 1959 besteht eine tibetische Exilregierung, die offiziell zwar nicht anerkannt, aber von vielen Ländern unterstützt wird.
Zu den Unterstützern gehören auch viele deutsche Städte und Gemeinden. Am 10. März zeigen sie alljährlich mit der tibetischen Flagge vor ihren Amtsstuben Solidarität mit Tibet. Nach Angaben der Tibet Initiative Deutschland, die die Solidaritätskampagne 1996 ins Leben gerufen hat, haben dieses Jahr knapp 450 Städte, Gemeinden und Landkreise an der Aktion teilgenommen. Aber: Vor ein paar Jahren nahmen noch mehr als 1000 Städte und Gemeinden an der Kampagne teil. Ein drastischer Rückgang.
Wer über die Solidarität gar nicht glücklich ist, ist die Volksrepublik. So versuchen chinesische Diplomaten Jahr für Jahr, so berichtet es die Tibet Initiative, Bürgermeisterinnen davon abzuhalten, die tibetische Flagge zu hissen. Ob die Zahl der an der Kampagne teilnehmenden Städte und Gemeinden zurückgeht, weil sie Angst davor haben, chinesische Investitionen und Touristen zu verprellen? Gut möglich.
Subnationale Diplomatie, also diplomatische Beziehungen zu deutschen Bundesländern, Städten und Kommunen, ist für China ein Kanal zur Durchsetzung strategischer Interessen. Das geht aus einer Studie des Berliner Thinktanks Merics hervor, die uns vorab vorliegt. Demnach gestaltet die Volksrepublik die subnationalen Partnerschaften zunehmend in ihrem Sinne und nutzt die Beziehungen, um größeren Einfluss auszuüben und ihre nationalen Ziele zu verfolgen. Dazu gehören wirtschaftliche und strategische Interessen, politischer Einfluss und die Verbreitung chinesischer Propagandapositionen.
Die Beziehungen zwischen China und deutschen Partnern haben über die Jahre rasant zugenommen. Heute unterhalten alle Bundesländer, mit Ausnahme Mecklenburg-Vorpommerns, eine Partnerschaft mit einer chinesischen Provinz. Es gibt zahlreiche Städtepartnerschaften, zudem pflegen rund 115 deutsche Kommunen Beziehungen zu China.
Die Anreize für die deutschen Partner sind klar: Sie erhoffen sich von dem Austausch mit China Zugang zu einem riesigen Wirtschaftsmarkt, Direktinvestitionen und Tourismus. Doch der Austausch ist nicht ohne Risiken. Er birgt – wie subnationale Diplomatie mit jedem anderen Land – die Gefahr von Wirtschaftsspionage, Technologieabfluss, politischer Einflussnahme und Desinformation.
Was aber, so das Ergebnis der Merics-Studie, nicht für jedes Land, sondern speziell für China gilt, ist: Die Volksrepublik prägt die subnationalen Beziehungen zunehmend nach ihren Vorstellungen.
Der Amtsantritt von Staats- und Parteichef Xi Jinping markiert hierbei einen Wendepunkt. „Seit Xi Jinping in China regiert, haben sich die subnationalen Beziehungen zwischen China und Deutschland gewandelt“, heißt es in der Studie: „Ton und Themen haben sich verändert. Der Austausch ist auf chinesischer Seite zentralisierter, selbstbewusster und fordernder geworden.“ Kultureller und zivilgesellschaftlicher Austausch fände so gut wie nicht mehr statt, stattdessen stünden wirtschaftliche und politische Themen im Vordergrund. Immer häufiger komme es vor, dass chinesische Akteure Projekte präsentierten, für die sie nur noch deutsche Finanzierung suchten. „Seit dem Amtsantritt von Xi Jinping ist das ein anderes Spiel“, sagt Roderick Kefferpütz, der Autor der Studie.
Die Volksrepublik kann mit subnationaler Diplomatie ihre strategischen Interessen durchsetzen, weil es im Verhältnis zwischen China und Deutschland eine strukturelle Asymmetrie gibt: Das zentralisierte chinesische System trifft auf das föderale deutsche System. Im Gegensatz zu Deutschland betreibe China, so Kefferpütz in seiner Studie, subnationale Diplomatie zentralstaatlich. Chinesische Städte müssen sich etwa erst Genehmigungen einholen, bevor sie Städtepartnerschaften eingehen. Deutsche Städte entscheiden hingegen selbst über Partnerschaften.
Auch kann, so die Studie, die chinesische subnationale Diplomatie unterschiedliche Akteure einsetzen. So befinden sich in China viele Firmen in Staatsbesitz. Und auch Privatfirmen weisen durch unternehmensinterne Parteizellen Elemente der Kommunistischen Partei (KPCh) auf. Nicht zuletzt sind chinesische Bürger und Organisationen gesetzlich verpflichtet, mit den Sicherheitsbehörden zusammenzuarbeiten. Daher, so die Studie, bestehe immer die Möglichkeit, dass sie gezwungen würden, bestimmte staatliche Interessen zu fördern. „So manche in Deutschland scheinen zu glauben, dass China mit seiner subnationalen Diplomatie nur lokale Interessen verfolgt“, sagt Autor Kefferpütz WELT: „Aber das stimmt nicht. Während deutsche Kommunen und Bundesländer lokalen Interessen nachgehen, setzt China seine Großmachtinteressen durch.“
Kefferpütz kennt sich mit subnationaler Politik aus. Bevor er zum Thinktank Merics wechselte, war er stellvertretender Leiter des Grundsatz- und Strategiereferats im baden-württembergischen Staatsministerium. Baden-Württemberg hat Kefferpütz aus Gründen der Befangenheit aber nicht in seine Studie mitaufgenommen.
In seiner Studie macht Kefferpütz praktische Empfehlungen. Landes- und kommunalpolitische Akteure bräuchten mehr China-Kompetenz. Landesregierungen und Großstädte sollten China-Strategien entwickeln, um ihre Interessen zu definieren und zu verfolgen. Und die Kommunikation und Koordination auf landes- und kommunalpolitischer Ebene müsse verbessert werden – auch mit den Sicherheitsbehörden.
Bis das nicht umgesetzt sei, spiele der deutsche Föderalismus Peking in die Hände. Einen ehemaligen Landesbeamten zitiert Kefferpütz mit den Worten, dass viele Kommunen so wenig Expertise hätten, dass sie sich von chinesischen Akteuren „über den Tisch ziehen lassen“.
Spenden mit Bankeinzug
[/vc_column_text]
Spenden mit PayPal
Wir sind als gemeinnützig anerkannt, entsprechend sind Spenden steuerlich absetzbar. Für eine Spendenbescheinigung (nötig bei einem Betrag über 200 EUR), senden Sie Ihre Adressdaten bitte an finanzen@libmod.de
Verwandte Themen
Newsletter bestellen
Mit dem LibMod-Newsletter erhalten Sie regelmäßig Neuigkeiten zu unseren Themen in Ihr Postfach.