Eckpunkte zur Zukunft der deutschen Chemie-Industrie
Die chemische Industrie gehört zu den energie- und emissionsintensiven Industrien in Deutschland. Gleichzeitig hat sie enorme Potenziale für eine Reduzierung der Emissionen. In einem gemeinsamen Projekt mit dem VCI haben wir mit Stakeholdern aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft Eckpunkte eines Konsenses darüber erarbeitet, wie eine nachhaltige Transformation der Chemie-Industrie gelingt.
Die chemische Industrie ist eine der tragenden Säulen der deutschen Industrielandschaft. Es handelt sich um eine global ausgerichtete, beschäftigungs- und exportstarke, innovative Branche mit hoher Wertschöpfung und relativ hohen Löhnen. Sie ist gleichermaßen relevant für unseren Alltag als Konsumentinnen und Konsumenten wie als Vorlieferant für andere zentrale Wirtschaftszweige wie die Autoindustrie, die Landwirtschaft, die verarbeitende Industrie oder den Bausektor. Die chemische Industrie steht dabei in der öffentlichen Wahrnehmung vor dem Paradox, dass sie sowohl als Innovationstreiberin und gleichzeitig mögliche Auslöserin von Gefahren für Mensch und Umwelt wahrgenommen wird.
Neben dem sicheren Umgang mit Chemikalien ist ein neues Megathema die Frage nach den Klimawirkungen der Chemie, die in den kommenden Jahren noch an Relevanz gewinnen wird – und zwar in doppelter Hinsicht: Die chemische Industrie ist eine sehr energieintensive Branche mit einem hohen Anteil fossiler Energieträger und entsprechend hohen CO2-Emissionen. Gleichzeitig hat sie enorme Potenziale für eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen sowohl in den eigenen Produktionsprozessen sowie durch den Einsatz ihrer Produkte in anderen Wirtschaftszweigen. Die entsprechenden Anwendungsfelder sind vielfältig: Kreislaufwirtschaft, Batterietechnik, Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe, Leichtbaumaterialien, biobasierte Kunststoffe, Dämmstoffe für Gebäude und die biotechnische Optimierung von Nutzpflanzen sind nur einige Beispiele.
Für den Klimaschutz ist die Chemieindustrie gleichzeitig ein Problem und ein Problemlöser, sie kann und muss eine zentrale Rolle beim Übergang in eine klimaneutrale Industriegesellschaft spielen. Die deutsche chemische Industrie steht – nicht zuletzt aufgrund der kriegsbedingt stark gestiegenen Energiepreise – vor enormen Herausforderungen. Gleichzeitig bietet die Transformation zu einer klimaneutralen, nachhaltigen Chemie auch große Chancen.
Wie die Zukunft der Branche erfolgreich gestaltet werden kann, haben wir zwischen Juli 2021 und April 2022 mit Vertreterinnen und Vertretern der chemischen Industrie, Gewerkschaften und Umweltverbänden sowie Politikerinnen und Politikern von SPD, Grünen, FDP und CDU diskutiert. In dem Konsenspapier Eckpunkte einer klimaneutralen Chemieindustrie in Deutschland haben wir die während der Fachgespräche entwickelten Ideen für eine nachhaltige und zukunftsfähige Chemieindustrie zusammengefasst. Die Diskussionen zwischen den unterschiedlichen Akteuren waren geprägt vom Willen, gemeinsame Antworten auf die vielfältigen Herausforderungen zu finden. Dabei wurden Differenzen und Streitpunkte nicht ausgeklammert. Große Einigkeit bestand aber im Ziel, eine nachhaltige Chemieindustrie entlang der ökonomischen, ökologischen sowie sozialen Dimension in Deutschland zu halten und weiterzuentwickeln. Das zeigt sich auch während der Diskussion der erarbeiteten Themen, die wir mit unterschiedlichen Interessensgruppen Ende September geführt haben.
Zu den Diskussionen der Einzelthemen
Chemiekonsens: Executive Summary
- Die nachhaltige Transformation der chemischen Industrie ist eine Chance für Wachstum, neue Geschäftsfelder, innovative Produkte und Anwendungen.
- Infrastrukturen für ausreichend erneuerbaren Strom, grünen Wasserstoff, Energiespeicher sowie die Rahmenbedingungen für einen günstigen Industriestrompreis müssen schnell geschaffen werden.
- Für die Transformation ist mehr Grundlagenforschung sowie wie eine noch stärkere Vernetzung der privaten sowie universitären Forschung nötig.
- Die Kreislaufwirtschaft wird eine zentrale Rolle in einer nachhaltigen Chemieindustrie spielen. Ziel ist eine „zero waste“-Chemie, bei der jeder Reststoff wieder in den Wertstoffkreislauf zurückgeführt wird.
- Eine leistungsfähige Pharmaindustrie ist Voraussetzung für eine sichere Gesundheitsversorgung. Der Patentschutz ist eine Voraussetzung für die Refinanzierung aufwändiger FuE-Prozesse. Für die Versorgung ärmerer Entwicklungsländer mit modernen Arzneimitteln gibt es alternative Modelle, die mit dem Schutz geistigen Eigentums vereinbar sind.
- Eine moderne Landwirtschaft muss nachhaltig, aber nicht ‚bio‘ im traditionellen Verständnis sein. Die Maxime ist: hohe Produktivität und Umweltschutz schließen sich nicht aus. Dafür sind synthetischer Dünger sowie Pflanzenschmutzmittel unverzichtbar, sie werden aber präziser und schonender eingesetzt.
- Angesichts des raschen Klimawandels und der steigenden Nachfrage nach Agrarprodukten ist ein neuer politischer und gesellschaftlicher Konsens über Nutzen, Risiken und Kriterien der grünen Gentechnik und der synthetischen Biologie nötig. Andernfalls verlieren Deutschland und die EU den Anschluss an eine der wichtigsten Zukunftstechnologien.
- Die Ziele der EU-Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit (CSS) werden von der Chemieindustrie unterstützt, jedoch darf diese nicht zum Hemmschuh für Innovationen und Investitionen werden. Das Ziel der Gefahrenvermeidung für Mensch und Umwelt und die sichere Verwendung gefährlicher, aber essentieller Chemikalien durch professionelle Anwenderinnen und Anwender schließen sich nicht aus.
Sie können das Konsenspapier unterhalb dieses Texts einfach lesen oder als PDF herunterladen.
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