Krieg in Europa – wo steht die USA?

Auch über ein Jahr nach der Amtsein­führung von Joe Biden glauben zwei Drittel der Wähle­rinnen und Wähler der Republi­kaner, dass er nicht der recht­mäßige Präsident der Verei­nigten Staaten von Amerika sei. Trumps Einfluss scheint ungebrochen. Was bedeutet das für die Politik Bidens zu Putin und seinem Überfall auf die Ukraine?

Der Garant einer liberalen Weltordnung war die USA. Auf der einen Seite ist der Aggressor Russland mit seinem mächtigen Verbün­deten China, auf der anderen Seite die freie Welt, die Demokratien. Der Wahlsieg von Joe Biden im November 2020 hat den USA nur einen kurzen Ruhemoment verschafft.

Die Verei­nigten Staaten von Amerika, einmal mehr im militä­ri­schen Ringen der NATO mit dem kriegs­trei­benden Russland die Feder­führung übernehmend, gelten als die Schutz­macht dieser liberalen Weltordnung. Doch so sicher wie zu Zeiten des ersten Kalten Krieges kann sich die freie Welt nicht mehr sein, auf welcher Seite die USA stehen. In dem Zweipar­teien-System haben die Republi­kaner zunehmend eine demokratie-feind­liche Haltung einge­nommen, die in der offenen Bewun­derung ihres Präsi­denten Donald Trump für die dikta­to­ri­schen Führer Russlands und Chinas gipfelte. Donald Trump nannte den Einmarsch Putins in die Ukraine schließlich “genial”, um dann, deutlich weniger genial, anzufügen, die USA mögen ihre Kampf­flieger mit chine­si­schen Flaggen bekleben und “die Scheiße aus Russland bomben”.

Bereits im Präsi­dent­schafts­wahl­kampf 2016, als klar wurde, dass Russland den Wahlkampf zu manipu­lieren sucht, war es weitest­gehend still im republi­ka­ni­schen Lager. Kandidat Trump war da bereits schon voll des Lobes für Vladimir Putin. Auch als es an der Manipu­lation des Wahlkampfs, die russische Akteure mithilfe der Firma Cambridge Analytica und dem Segen des Kreml vornahmen, nichts mehr zu zweifeln gab, herrschte Schweigen im republi­ka­ni­schen Wald. Die Wachsamkeit gegenüber Russland, die unter Präsi­denten wie Richard Nixon und Ronald Reagan noch zum Selbst­ver­ständnis der Partei gehörte, war verschwunden — und blieb es auch während der vier Jahre, die Donald Trump im Weißen Haus zubrachte.

Es ist nicht nur eine rheto­rische Figur innerhalb der republi­ka­ni­schen Partei, autokra­tische Macht­haber, Dikta­toren gar, “genial” zu finden. Dort wo die “Grand Old Party” kann, legt sie dem Wahlvolk, das nicht weiß und christlich ist, Steine in den Weg, erhöht die Hürden auf dem Weg zum Wahlgang, verändert Stimm­be­zirke so, dass dort eine weiße Mehrheit wohnt und durch ihr Stimm­ver­halten den Republi­kanern den Sieg an der Urne versprechen. Auch die Offenheit zur extremen Rechten ist in den Trump-Jahren mehr als offen­sichtlich geworden. Es ist die Ausdrucks­weise, mit der Nicht-Weiße erniedrigt und als “Verge­wal­tiger” bezeichnet werden. Herr Trump sagte, dass es auch bei den weißen Extre­misten, die in Charlot­tes­ville, Virginia, ihre Weltan­schauung zur Schau trugen, “anständige Leute” gäbe und eskalierte damit den Konflikt.

Wer eine Rede von Ronald Reagan zum Thema Migration aus Mexiko mit einer Toneinlage vergleicht, die Herr Trump zum selben Thema gegeben hat, muss sich fragen, ob die beiden wirklich derselben Partei angehören. Generell gilt, dass Republi­kaner wie Demokraten eine strenge Auffassung von Einwan­derung haben. Unter Präsident Obama wurden mehr Menschen Richtung Süden abgeschoben als unter Herrn Trump. Mit seinem alarmis­ti­schen Zungen­schlag wollte Trump die Ängste im Volk vor Einwan­derung schüren. Die Konfron­tation mit China, die der Präsident während der Corona-Pandemie eskalieren ließ (“Kung Flu”, “Chinese Virus”), führte zu einer deutlich messbaren Zunahme von Gewalt­taten gegen Menschen asiati­schen Aussehens. Das Estab­lishment der Republi­kaner hat sich in beiden Fällen gepflegt weggeduckt.

Der Anteil der weißen Ameri­kaner sinkt, die Zahl weißer Ameri­kaner, die mit Menschen anderer Ethnien verhei­ratet oder befreundet sind, hingegen steigt. Unter diesen Gesichts­punkten ist das Setzen auf eine homogene Ethnie, auf ein Milieu als Wähler­schaft politi­scher Selbstmord. Diese Strategie kann nur dann aufgehen, wenn die eigene Gruppe verherr­licht und die anderen herab­ge­setzt werden. “America First” und “Make America Great Again” stehen für dieses Versprechen.

Folglich wäre der Einsatz für die Menschen- und Bürger­rechte derer, die anders aussehen als weiße Ameri­kaner (und die nicht die Republi­kaner gewählt haben), kontra­pro­duktiv. Deshalb hat Donald Trump auch gar nicht erst, anders als seine Vorgänger, versucht, bei seiner Amtsein­führung die Gräben, die im Wahlkampf aufge­rissen wurden, zu schließen. Im Gegenteil. Denn nur eine Nation, die in Furcht lebt und uneins ist, kann ganz nach autokra­ti­schem und dikta­to­ri­schem Vorbild ohne Widerrede geführt werden.

Der traurigste Ausfluss dieses ressen­ti­ment­ge­la­denen und gewalt­be­reiten Trumpismus, der die republi­ka­nische Partei erfasst hat, war der Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021. An diesem Tag versuchte eine Horde von Rassisten zu verhindern, dass Joe Biden als recht­mäßig gewählter Präsident und Nachfolger von Donald Trump anerkannt wird. Donald Trump und seine Getreuen hatten zuvor die Lüge in die Welt gesetzt, die Demokraten hätten den Wahlsieg der Republi­kaner gestohlen. Dass es dafür keine Belege gab und die Behauptung von Gerichten im Land widerlegt wurde, inter­es­siert bis heute nicht: zwei Drittel der Wähle­rinnen und Wähler der Republi­kaner glauben, dass Joe Biden nicht der recht­mäßige Präsident der Verei­nigten Staaten von Amerika sei. Trumps Saat steht in voller Blüte im republi­ka­ni­schen Garten.

Jüngste Enthül­lungen zeigen, dass es am 6. Januar 2021 Spitz auf Knopf für die ameri­ka­nische Demokratie stand. Es gab fünf Tote im Zuge des Aufstands, Politi­ke­rinnen und Politiker mussten vor dem von Trump aufge­sta­chelten Mob, rund 2500 Menschen, in Sicherheit gebracht werden. Es scheint, so ist der Stand des Wissens heute, einzig Mike Pence zu verdanken zu sein, dass es in den USA trotz dieses Einschüch­te­rungs­ver­suchs aus dem Handbuch für Dikta­toren eine fried­liche Macht­übergabe gegeben hat. Dem Druck Trumps und seiner Anhänger, Joe Biden nicht als Wahlsieger anzuer­kennen (als Präsident des Senates hätte er dazu theore­tisch die Möglichkeit gehabt), hielt Pence Stand — und rettete damit die Demokratie in den USA. Für den Moment: Donald Trump schickt sich an, 2024 wieder als Kandidat ins Rennen zu gehen. Es ist unnötig zu erwähnen, dass Mike Pence seit jenem Tag vom Trump-Lager als Verräter angefeindet wird.

Dass man sich im Kreml gewünscht hätte, Trump bleibe eine weitere Periode im Amt, ist angesichts dieses Befunds nicht verwun­derlich. Er ließ keinen Moment aus, die NATO zu kriti­sieren und drohte sogar damit, die USA könnten sie verlassen. Im gegen­wär­tigen Konflikt mit dem Krieg führenden Russland ist die Vertei­di­gungs­al­lianz wichtiger denn je seit dem Fall des Eisernen Vorhangs. Hätte Trump es geschafft, die NATO durch einen Austritt der USA zu zerlegen, stünden russische Truppen vielleicht jetzt schon in Polen. Denn nicht nur im Kreml weiß man, dass das Nordat­lan­tische Bündnis nichts ohne die Waffen­stärke der Verei­nigten Staaten ausrichten kann.

Im Kongress äußern trotz des völker­rechts­wid­rigen Angriffs­krieges und der unzäh­ligen Kriegs­ver­brechen Vladimir Putins und seiner Truppen immer noch Republi­kaner Verständnis für Putin. Madison Cawthorn, am rechten Rand der Partei, nannte den ukrai­ni­schen Präsi­denten öffentlich einen “Verbrecher“. Der Anführer der Republi­kaner im Kongress, Mitch McConnell, weigert sich dennoch ein Partei­aus­schluss­ver­fahren gegen sie einzu­leiten. Er gibt lediglich schmal­lippig zu Protokoll, dass Cawthorn zu einer kleinen Gruppe in der Partei gehörte, die nicht für die Mehrheit spräche. Aber auch anderenorts ist der Trumpismus am Leben und munter: die Gouver­neurin von Arizona, Wendy Rogers, besuchte Anfang März eine Rallye von weißen Natio­na­listen in Florida und fabulierte bei ihrem Auftritt davon, wie schön es wäre, politische Gegner zu hängen und so ein Exempel an “Verrätern” zu statuieren.

Der Wahlsieg von Joe Biden im November 2020 hat den USA nur einen kurzen Ruhemoment verschafft. Die Gefahr ist, auf der Weltbühne zumindest, für den Moment gebannt. Das sind gute Nachrichten für die demokra­tische Welt, die sich im Kampf für die Freiheit der Ukraine gegen Russland und seinen Verbün­deten China befindet. Entscheidend wird sein, wer im nächsten Präsi­dent­schafts-Wahlkampf zum Kandi­daten der Republi­kaner wird. Im Moment gibt es wenig Anlass zur Hoffnung, aber die USA haben schon mehr als einmal unter Beweis gestellt, dass sie in der Lage sind, sich neu zu erfinden. Ob das auch für die “Grand Old Party” gilt, wird sich zeigen.

 

Dr. Alexander Görlach ist Senior Fellow am Carnegie Council for Ethics in Inter­na­tional Affairs in New York.

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