Carbon Manage­ment in Deutsch­land: Wege in eine ökolo­gi­sche Moderne

Fotos: Oliver Geheeb, Tobias Kunz /​ LibMod

Am 13. Mai veran­stal­tete LibMod eine öffent­liche Konferenz zum Thema Carbon Manage­ment in Deutsch­land: Wege in eine ökolo­gi­sche Moderne. Konsens war – um die deutschen Klima­schutz­ziele zu erreichen, werden das Abscheiden, Speichern, Wieder­ver­wenden und zunehmend auch die Entnahme von CO2 notwendig sein. Auf der Konferenz disku­tierten wir mit verschie­denen Stake­hol­dern über die Eckpunkte eines Carbon Manage­ments, und darüber was jetzt nötig ist, um CO2-Entnahme in Deutsch­land zu ermöglichen.

Eckpunkte eines Carbon Managements

Die Konferenz bildet den Abschluss für das Projekt Stake­holder-Dialoge Carbon Manage­ment Negative Emis­sionen. Das Projekt zielte von Beginn darauf ab, möglichst viele unter­schied­liche Akteure an einen Tisch zu bekommen und dazu beizu­tragen, einen allge­meinen Konsens über die Notwen­dig­keit eines Carbon Manage­ments zu erzielen.

Die Notwen­dig­keit von CO2-Entnahme und negativen Emis­sionen ist unbestritten

Um den Tempe­ra­tur­an­stieg zu stoppen, muss das Ziel von Netto-Null Emis­sionen global erreicht werden. Oliver Geden von der SWP machte deutlich, dass es dafür neben einer dras­ti­schen Reduktion von Emis­sionen den Ausbau von CO2-Entnahme braucht, um die Rest­emis­sionen, die vor allem in der Land­wirt­schaft, Industrie, Verkehr und Land­nut­zung anfallen werden, auszu­glei­chen. Für die Umsetzung muss CO2-Entnahme auf poli­ti­scher Ebene prio­ri­siert und Unter­ziele, Mengen­kor­ri­dore und präfe­rierte Methoden fest­ge­legt werden.

Gerade weil ein Carbon Manage­ment unum­gäng­lich ist, sollten bei den Methoden solche favo­ri­siert werden, die Synergien, bzw. Co-Benefits ermög­li­chen. Dazu zählen beispiels­weise solche, die Biodi­ver­sität fördern, neue Geschäfts­mo­delle ermög­li­chen oder die Anpassung an Klima­wan­del­folgen unterstützen.

Indus­trie­trans­for­ma­tion braucht Carbon Management

Neben der Elek­tri­fi­zie­rung von Prozessen, sollte der Aufbau einer Kreis­lauf­wirt­schaft sowie Material- und Ener­gie­ef­fi­zienz Vorrang haben. Julia Metz von Agora Industrie stellte aber klar, dass, drittens, Carbon Manage­ment, also die Nutzung von Biomasse als biogener Kohlen­stoff, CO2-Spei­che­rung (Carbon Capture and Storage, CCS) und CO2-Nutzung (Carbon Capture and Utili­zia­tion, CCU) für die Indus­trie­trans­for­ma­tion notwendig ist.

Eine verglei­chende Studie am Beispiel der Stahl­in­dus­trie von Agora Industrie verdeut­licht aller­dings, dass dort der Einsatz von CCS nur in wenigen Fällen die güns­tigste Lösung ist. In vielen Fällen sind andere Vermei­dungs­stra­te­gien kosten­ef­fi­zi­enter. CCS ist zudem nicht so weit entwi­ckelt wie strom- und wasser­stoff­ba­sierte Tech­no­lo­gien und hat einen höheren Ener­gie­be­darf. CCS-basierte Tech­no­lo­gien erzeugen auch Emis­sionen, die zusätz­lich kompen­siert werden müssen. Deshalb sollte die Förderung und Regu­lie­rung auf Kohlen­stoff­be­darf fokus­siert sein und Anwen­dungs­be­reiche mit unver­meid­baren Prozes­se­mis­sionen priorisieren.

Europa steht bei Carbon Manage­ment Tech­no­lo­gien im globalen Wettlauf. Noch hat Europa die Chance hier eine Vorrei­ter­rolle zu spielen und wichtige Standards zu setzen. Neben der raschen Reduktion von Treib­haus­gasen und der Anpassung an Klima­wan­del­folgen, trägt Carbon Manage­ment als dritte Säule der Klima­po­litik dazu bei, ökolo­gi­sche und ökono­mi­sche Inter­essen zusam­men­zu­denken. Der Ausgleich von schwer zu vermei­denden Emis­sionen, so Ralf Fücks, ermög­licht es bestehenden Indus­trien zukunfts­fest zu werden und eröffnet Räume für neue Wert­schöp­fung. Dies macht es möglich gesell­schaft­liche Konflikte zu befrieden und Akzeptanz für Klima­schutz zu erhöhen. Ein inte­griertes Carbon Manage­ment ist daher ein Beitrag auf dem Weg in eine ökolo­gi­sche Moderne.

Start-up Pitches

Carbon Manage­ment ermög­licht es nicht nur bestehende Indus­trien zukunfts­fähig zu machen, es eröffnet auch Räume für neue Wert­schöp­fung. Auch in Deutsch­land haben sich viele Start-ups etabliert, die unter­schied­liche Methoden zur CO2-Entnahme voran­treiben. Vier haben ihre Arbeit vorgestellt:

InPlanet versucht durch beschleu­nigte Verwit­te­rung, ein geoche­mi­scher Prozess, der natür­liche Verwit­te­rungs­pro­zesse beschleu­nigt, CO2 in Böden zu speichern. Reverion setzt darauf, effi­zi­ente Kraft­werke zu bauen, die je nach Netz­si­tua­tion, Strom, Wasser­stoff oder negative Emis­sionen produ­zieren können. Airbus Sinc setzt Direct Air Capture ein, ein Verfahren, bei dem CO2 aus der Atmo­sphäre durch ein chemi­sches Verfahren von der Umge­bungs­luft getrennt wird. Humify hat das Ziel Boden­de­gra­die­rung umzu­kehren. Bis 2050 werden voraus­sicht­lich 90% aller Acker­flä­chen in schlechtem Zustand sein, obwohl Böden die zweit­größte Kohlen­stoff­senke sind. Mit dem Einsatz von Biomasse und Humus stellt Humify die Möglich­keit des Bodens, Kohlen­stoff zu speichern, wieder her.

Um CO2 im indus­tri­ellen Maßstab zu entnehmen, sind Start-ups auf klare Regu­lie­rungen und Finan­zie­rungen, Zustän­dig­keiten in den Minis­te­rien und Entnahme-Ziel­größen ange­wiesen. Die CO2-Entnahme ist für die verschie­denen Sektoren noch nicht verpflich­tend, was eine Heraus­for­de­rung für die Etablie­rung von sich selbst­tra­genden Geschäfts­mo­dellen bedeutet.

Race to Zero – Wie Unter­nehmen den Wettlauf zur Klima­neu­tra­lität gewinnen

Weitere Einblicke in die Welt der negativen Emis­sionen gaben Benedict Probst, Forschungs­grup­pen­leiter am Max-Planck-Institut für Inno­va­tion und Wett­be­werb, und Marian Krüger, Gründer und Leiter von remove. Sie stellten ihr Buch „Race to Zero: Wie Unter­nehmen den Wettlauf zur Klima­neu­tra­lität gewinnen“ vor. In ihrem Buch beschreiben sie erfolgs­ver­spre­chende Möglich­keiten der CO2-Entfer­nung und geben Tipps für Unter­nehmen, wie sie die neuen Tech­no­lo­gien selbst nutzen können, um ihre CO2-Bilanz zu verbessern.

Carbon Manage­ment: was jetzt nötig ist

Zum Abschluss der Konferenz haben Olaf in der Beek (FDP), Cara Bien (BDI), Prof. Görge Deerberg (Fraun­hofer UMSICHT), Oliver Grundmann (CDU) und Steffi Ober (NABU) disku­tiert, welche konkreten Schritte jetzt für ein inte­griertes Carbon Manage­ment nötig sind.

Gesell­schaft­liche Akzeptanz und poli­ti­sche Kommunikation

Bei der Diskus­sion ist deutlich geworden, dass es zwar einen grund­sätz­li­chen Konsens über die Notwen­dig­keit eines Carbon Manage­ment gibt. Unei­nig­keit besteht aller­dings darin, wie die konkrete Umsetzung aussehen soll.

Solange eine verständ­liche Erzählung über die Rolle von Carbon Manage­ment in der Klima­po­litik fehlt, wird es schwierig sein, eine breite Akzeptanz für einzelne Maßnahmen zu erhalten. Fehlt die Akzeptanz, folgen Proteste, Klagen und ausblei­bende poli­ti­sche Unter­stüt­zung. Lokal muss daher viel in Vertrau­ens­bil­dung, Parti­zi­pa­tion und Kommu­ni­ka­tion inves­tiert werden. Entscheider/​innen sollten zudem klar benennen, welche Verän­de­rungen auf die Bevöl­ke­rung zukommen.

Die Carbon Manage­ment Strategie der Bundes­re­gie­rung könnte zu einer solchen Erzählung beitragen. Dass Eckpunkte dieser Strategie mitt­ler­weile veröf­fent­licht wurden, ist begrü­ßens­wert. Aller­dings wurde mit Nachdruck gefordert, dass die Strategie schnellst­mög­lich veröf­fent­licht wird. Unab­hängig von der Strategie soll außerdem rasch eine Änderung im London Protokoll rati­fi­ziert werden, die die gesetz­liche Grundlage für den CO2-Transfort über Staats­grenzen hinweg darstellt.

Infra­struktur und Finanzierung

Ein großes Frage­zei­chen bestand bei der Frage wie die staat­liche Förderung von CCS, CCU und CDR ausge­staltet und finan­ziert werden kann. Die teils hohen Diffe­renz­kosten zwischen dem CO2-Preis und den Kosten für gespei­chertes und entnom­menes CO2 werden nicht voll­ständig und für lange Zeit staatlich kofi­nan­ziert werden können. Als mögliche Instru­mente wurden Steu­er­gut­schriften, grüne Leit­märkte, Klima­ver­träge oder für den Aufbau einer CO2-Infra­struktur ein Amor­ti­sa­ti­ons­konto diskutiert.

Unstim­mig­keit besteht auch darüber, welche Tech­no­lo­gien prio­ri­siert werden sollen oder welche Rolle die Politik bei der Ziel­vor­gabe und Finan­zie­rung­be­tei­li­gung spielen soll. Letzteres wird zum Beispiel bei der CO2-Infra­struktur deutlich, die sektor­über­grei­fend nötig sein wird. Klarheit ist jetzt darüber nötig, welche Infra­struk­tur­be­darfe es in den Indus­trien gibt, wo die Bedarfe liegen, und wie diese finan­ziert werden können.

Vorge­schlagen wurde, dass Gemeinden, in denen – sollte es erlaubt werden – etwa CCS-Anlagen gebaut werden, an den Gewinnen beteiligt werden.

Biodi­ver­sität und Co-Benefits

Ein wichtiger Aspekt vieler Carbon Manage­ment Methoden ist die Rolle der Land­nut­zung und der Erhalt von Biodi­ver­sität. Der Flächen­ver­brauch, etwa durch DACCS, stellt eine große Heraus­for­de­rung dar. Um die Ziel­kon­flikte abzu­mil­dern, sollte grund­sätz­lich ein nach­hal­tiger Umgang mit Land- und Wasser­res­sourcen Standard sein und Co-Benefits reali­siert werden. Eine Fest­le­gung von Mengen an zu spei­cherndem CO2 und zu schüt­zender Biodi­ver­sität kann außerdem dazu beitragen, Ziel­kon­flikte zu vermeiden und sicher­zu­stellen, dass Umwelt- und Klima­ziele Hand in Hand gehen.

 

Klar wurde, dass der Aufbau eines inte­grierten Carbon Manage­ments zeit­sen­sibel ist. Es muss schon jetzt in Tech­no­lo­gien und Infra­struktur und die Grün­der­szene inves­tiert werden, um die Netto-Null und Netto-Negativ Klima­schutz­ziele bis 2045 und 2050 zu erreichen. Dafür braucht es die Fest­le­gung klarer Entnah­me­ziele und eines Regu­lie­rungs­rah­mens, den Aufbau einer euro­pa­weiten CO2-Infra­struktur, eine sichere Finan­zie­rung, die die Entwick­lung selbst­tra­gender Geschäfts­mo­delle ermöglicht.

Erst mit diesen Rahmen­be­din­gungen und zusätz­lich einem (Weiter-)Bildungsangebote, das nicht nur Fach­kräfte ausbildet, sondern auch Personal in Verwal­tungen schult, kann ein inte­griertes Carbon Manage­ment in Deutsch­land in nennens­wertem Umfang Realität werden.

Mehr Infor­ma­tionen dazu, wie ein inte­griertes Carbon Manage­ment aussehen sollte und poli­ti­sche Hand­lungs­emp­feh­lungen finden Sie in unserem Policy Paper Eckpunkte für ein inte­griertes Carbon Manage­ment.

 

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