Darum lieben die Kommu­nisten virtuelle Stars

Foto: Twitter /​ Tesla

Stars und Sternchen, aber nur virtuell: In China boomt das Geschäft mit virtu­ellen Idolen, Tech-Unter­nehmen stürzen sich in den Markt. Grund für den Trend ist auch, dass viele Stars aus Fleisch und Blut in Peking in Ungnade gefallen sind.

Ihren Durch­bruch feierte Luo Tianyi auf der Früh­lings­fest-Gala. Die Gala ist eine im chine­si­schen Staats­fern­sehen über­tra­gene Show, sie wird jedes Jahr zu Beginn des chine­si­schen Neujahrs ausge­strahlt. Mit etwa 700 Millionen Zuschauern gilt sie nicht nur als die Fern­seh­sen­dung mit den meisten Zuschauern der Welt. Auch ist sie eine der einfluss­reichsten Shows im chine­si­schen Kultur­kreis. Kurz: Wer es in die Früh­lings­fest-Gala schafft, der hat es geschafft.

Das Besondere an Luo Tianyi ist: Sie ist gar kein Mensch. Die Sängerin ist das, was man ein virtu­elles Idol nennt. Sie ist ein ein Hologramm, ein Avatar. Und sie ist das erste virtuelle Idol, dass es in die Früh­lings­fest-Gala schaffte.

Die virtuelle Sängerin Luo blickt auf eine glanz­volle Karriere zurück. 2012 wurde sie nach einer Koope­ra­tion eines chine­si­schen mit einem japa­ni­schen Unter­nehmen der Öffent­lich­keit vorge­stellt. In den darauf­fol­genden Jahren stieg sie zum Star auf. 2019 gab sie zusammen mit dem welt­be­rühmten Pianisten Lang Lang ein Konzert. Heute zählt sie auf der chine­si­schen Social-Media-Plattform Weibo mehr als fünf Millionen Fans.

Virtuelle Idole stammen ursprüng­lich aus Japan. Aber in China hat der Trend eine eigene Dynamik entfaltet, die eng mit dem Aufstieg von Bilibili verbunden ist. Die Video-Sharing Plattform gilt als Heimat für Anime‑, Comic- und Gaming-Fans. Sie veran­stal­tete 2020 das erste Konzert Chinas, das ausschließ­lich virtuelle Künstler zeigte. Derzeit tummeln sich auf Bilibili mehr als 10.000 virtuelle Idole. Und die virtu­ellen Stars sind wahre Publi­kums­ma­gneten: Als die virtuelle Sängerin Eileen im August ihren Geburtstag mit einem Live-Streaming-Konzert auf Bilibili feierte, nahm sie in rund zwei­en­halb Stunden etwa 1,5 Millionen Yuan von zahlenden Fans ein, umge­rechnet etwa 200.000 Euro.

Der Hype führt dazu, dass Unter­nehmen mit den virtu­ellen Figuren Werbung machen. Im vergan­genen Jahr warb der US-Autobauer Tesla auf dem chine­si­schen Markt mit dem virtu­ellen Star Ling. McDonald’s ging noch einen Schritt weiter: Anstatt mit einem bereits bestehenden virtu­ellen Idol zu werben, präsen­tierte der Fast-Food-Konzern im Januar 2021 mit Happy Sister kurzer­hand ein eigenes virtu­elles Idol als Markenbotschafterin.

Inzwi­schen ist um die virtu­ellen Idole eine Branche gewachsen. Nach Angaben der chine­si­schen Bera­tungs­firma iiMedia erreichte der chine­si­sche Markt für virtuelle Idole 2020 ein Volumen von 540 Millionen US-Dollar, ein Plus von mehr als 70 Prozent gegenüber 2019. 2021 wird er voraus­sicht­lich die Schwelle von einer Milliarde US-Dollar überschreiten.

Das Wachstum liegt zum einen darin begründet, dass chine­si­sche Unter­nehmen Fort­schritte in Tech­no­lo­gien wie Virtuelle Realität und Künst­liche Intel­li­genz erzielen. Das Markt­po­ten­zial führt dazu, dass sich die großen Namen der chine­si­schen Tech-Szene in den Ring begeben. Ein Beispiel: Die Band A‑SOUL, zu der auch Eileen gehört, wird von der in Peking ansäs­sigen Firma Yuehua Enter­tain­ment gemanagt. Und dieses Jahr inves­tierte ByteDance, das Unter­nehmen hinter der Video-Plattform TikTok, in die Firma Yuehua. Nach Angaben der chine­si­schen Tech-Webseite 36kr haben mindes­tens 10 Tech-Startups, die sich auf Bewe­gungs­er­fas­sung, Bild­syn­these, Künst­liche Intel­li­genz und Bild­ver­ar­bei­tungs­tech­no­lo­gien für virtuelle Idole spezia­li­sieren, seit Mitte 2020 in Finan­zie­rungs­runden Geld eingesammelt.

Das Wachstum des Markts hat aber auch damit zu tun, dass die Kommu­nis­ti­sche Partei (KPCh) seit einiger Zeit rigoros gegen die Unter­hal­tungs­in­dus­trie vorgeht. Ende August wurde Zhao Wei, eine der promi­nen­testen Schau­spie­le­rinnen Chinas, über Nacht aus dem Internet gelöscht. Die Kinofilme und Fern­seh­se­rien, in denen Zhao in den vergan­genen zwanzig Jahren mitge­spielt hat, sind auf Streaming-Platt­formen nicht mehr erhält­lich. Auf Infor­ma­ti­ons­seiten zu den Filmen wurde ihr Bild getilgt und ihr Name durch „xx“ ersetzt. Auch Zhaos Fan-Seiten im Internet mit Millionen Followern wurden gelöscht. Mit ihr befreun­dete Schau­spieler löschten Fotos aus sozialen Netz­werken, die sie gemeinsam mit Zhao zeigen.

Die Hinter­gründe für Zhaos Ausra­die­rung sind unklar, eine offi­zi­elle Erklärung bist es nicht. Klar ist nur: Sie ist nicht alleine. Gleich­zeitig mit Zhaos virtu­eller Auslö­schung teilte das Finanzamt mit, dass die Schau­spie­lerin Zheng Shuang wegen Steu­er­hin­ter­zie­hung umge­rechnet 25 Millionen Euro Strafe zahlen müsse. Kurz zuvor war bereits der Sänger Kris Wu wegen des Vorwurfs der Verge­wal­ti­gung verhaftet worden. Was an all diesen Vorwürfen dran ist, lässt sich nicht überprüfen.

Aber offenbar will die KPCh der Unter­hal­tungs­branche den Kampf ansagen. Die Cyber­auf­sichts­be­hörde kündigte an, Chinas Fan-Kultur in die Schranken zu weisen. Und die Diszi­pli­nar­kom­mis­sion beklagte, dass die Anbetung von Stars eine toxische Kultur geschaffen habe, die Chinas Jugend die falschen Werte vermittle. 

Vor diesem Hinter­grund erweisen sich virtuelle Idole als äußerst praktisch. Denn in einem poli­ti­schen Umfeld, in dem ein Star über Nacht aus dem Internet gelöscht werden kann, weil er von den Behörden als unan­ge­messen einge­stuft wird, sind virtuelle Idole für Inves­toren eine sichere Wette. Sie haben keine poli­ti­sche Meinung und machen keinen Ärger. Kurz: Sie sind verläss­liche Vermögenswerte.

Dass diese Wette aber nicht immer aufgeht, zeigt das Beispiel der japa­ni­schen Stars Akai Haato und Kiryu Coco. In einem Live­stream bezeich­neten die virtu­ellen Idole Taiwan als „Land“ – und zogen damit den Ärger der KPCh auf sich. Die Volks­re­pu­blik betrachtet Taiwan als Teil ihres Terri­to­riums, obwohl das Land de facto ein unab­hän­giger Staat ist.

 Die beiden virtu­ellen Stars wurden von Bilibili verbannt.

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