„Ein stabiles, demokratisches Israel ist nicht im geopolitischen Interesse Pekings“
China unterstützt seit vielen Jahrzehnten Palästina – auch nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 07.Oktober. Welche geostrategischen Ziele Xi Jinping dabei im Blick hat und warum antisemitische Propaganda im chinesischen Internet kein Zufall ist, analysiert Alexander Görlach.
Der chinesische Staatsapparat hat nach dem grausamen Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober, bei dem 1.300 Menschen ihr Leben verloren haben, Partei für die Palästinenser ergriffen. In einer kühlen Erklärung ließ das Außenministerium in Peking keine Empathie für die Opfer erkennen und vermied es, die Hamas als Terrororganisation und als für die Gräuel verantwortlich zu bezeichnen. Chinas totalitärer Machthaber Xi Jinping ist nicht der erste Anführer der Volksrepublik, der sich auf die Seite der Palästinenser stellt.
Direkt nach ihrer Gründung im Jahr 1964 hat Peking die „Palästinensische Befreiungsorganisation” anerkannt und danach aktiv unterstützt. Ihr Anführer Yassir Arafat wurde in Peking als “alter Freund” der KP begrüßt und von Mao Zedong und Deng Xiao-ping empfangen. 1971 in die Vereinten Nationen aufgenommen, verlor Peking keine Zeit, den bedingungslosen Rückzug Israels aus den palästinensischen Gebieten zu fordern und die Gründung eines unabhängigen palästinensischen Staates auf der Grundlage der Grenzen von 1967 mit Ostjerusalem als Hauptstadt zu unterstützen.
Diplomatische Beziehungen erst zu Palästina, später zu Israel
Die Volksrepublik war eines der ersten Länder, das 1988 die palästinensische Souveränität anerkannte und 1989 diplomatische Beziehungen zu Palästina aufnahm. Erst später, im Jahr 1992 normalisierte Peking sein Verhältnis zu dem jüdischen Staat und knüpfte diplomatische Beziehungen zu dem Land. Heute ist China Israels drittgrößter Handelspartner mit einem Volumen von 23 Milliarden US-Dollar. Das Handelsvolumen mit Palästina hingegen beläuft sich auf 158 Millionen US-Dollar. Das Verhältnis zwischen Palästina und China darf daher als eines gesehen werden, dass aus geopolitischen und nicht aus wirtschaftlichen Gründen besteht.
„China und Palästina sind enge Freunde und Partner, die sich gegenseitig vertrauen und unterstützen“
Bereits zum fünften Mal besuchte der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas im Juni diesen Jahres China und traf dabei auch mit Präsident Xi Jinping in der Großen Halle des Volkes zusammen. Machthaber Xi erklärte bei dieser Gelegenheit, dass „China und Palästina enge Freunde und Partner sind, die sich gegenseitig vertrauen und unterstützen“. In Xis China wirkt sich diese Parteinahme für die Palästinenser von oberster Stelle mittlerweile auch auf den Umgang mit dem Judentum und mit Israel aus.
Gezielte Verbreitung antisemitischer Vorurteile im chinesischen Internet
Im chinesischen Internet werden seit einigen Jahren antisemitische Stereotypen und Vorurteile gegenüber Juden verbreitet. Zu den falschen Behauptungen, die in China über Jüdinnen und Juden kursieren, gehört, dass sie Mitte des 19. Jahrhunderts Chinas Opiumsucht verursacht hätten. Außerdem wird behauptet, dass Juden, die während des Zweiten Weltkriegs in China Zuflucht suchten, sich mit den japanischen Invasoren zur Unterwerfung verschworen hätten. Der Investor und Philanthrop George Soros wird auch in China verunglimpft.
Da die Kommunistische Partei Chinas jede öffentliche Äußerung kontrolliert und unliebsame Kommentare und Publikationen löschen lässt, darf davon ausgegangen werden, dass die Diktatur aktiv antisemitische Vorurteile in der Öffentlichkeit verbreiten will. Wenn “Influencer” auf den sozialen Medienplattformen Verschwörungstheorien über den Einfluss von Juden auf das globale Finanzsystem schwadronieren, lässt die Partei sie dabei gewähren, vormals in der westlichen Welt bekannte antisemitische Stereotypen zu verbreiten. Ausschlaggebend für dieses Placet dürfte vor allem sein, dass Israel ein Verbündeter der Vereinigten Staaten ist und auf diese Weise in Mithaft genommen werden soll für die sich stetig verschlechternden Beziehungen zwischen der demokratischen Supermacht und dem totalitären Regime Xis.
Allianz mit Diktaturen weltweit gegen die demokratische Welt
Peking hat begonnen, mit Diktaturen überall auf der Welt, von Russland über Nordkorea und in den Iran hinein Allianzen zu schmieden mit dem Ziel, Chinas Einfluss auszuweiten und die demokratische Welt unter Führung der Vereinigten Staaten von Amerika zu bezwingen. Vor allem Xis Beziehungen zu Teheran, das Israel als Erzfeind sieht und mit der Hamas das Ziel teilt, den jüdischen Staat zu vernichten und alle Juden zu töten, könnten den gegenwärtigen Konflikt in einen Stellvertreterkrieg zwischen China und der freien Welt verwandeln.
Chinas Unterstützung der Palästinenser hat geostrategische Gründe
China unterstützt die Mullahs in Teheran, die wiederum die Hamas und die Hisbollah im Libanon unterstützen. Die Vereinigten Staaten haben bereits begonnen, eine mögliche zweite Front an Israels Nordgrenze zum Libanon in den Blick zu nehmen, von wo aus die Hisbollah Miliz Raketen auf Israel abgefeuert hatte. Obwohl Peking heute diplomatische Beziehungen zu beiden Staaten unterhält, überwiegt aus geo-strategischen Gründen Xis Unterstützung für die Palästinenser, nicht erst seit der jüngsten von der Hamas betriebenen Eskalation.
Im Jahr 2020 bezeichnete der chinesische Diplomat Zhang Jun die israelischen Siedlungen im Westjordanland und in Ostjerusalem als „Verstöße gegen das Völkerrecht“. Im März 2022 sagte Chinas Außenminister Wang Yi im Rahmen eines Treffens mit dem palästinensischen Außenminister Riad al-Maliki, dass die palästinensische Frage von der internationalen Gemeinschaft nicht an den Rand gedrängt werden dürfe. Wang versprach bei dieser Gelegenheit, dass die Volksrepublik weiterhin dem palästinensischen Volk zur Seite stehen werde.
In Israel ging man davon aus, dass die Bereitstellung fortschrittlicher Verteidigungstechnologie an China in den vergangenen Jahren die Haltung der Nomenklatura gegenüber Israel ändern und zu einer ausgewogenen Haltung führen würde. Dies hat sich nun als Fehleinschätzung herausgestellt. Wie im Falle des Angriffs von Pekings Verbündetem Russland auf die Ukraine macht Xi gemeinsame Sache mit dem Aggressor. Gleichzeitig versucht sich Peking als Mediator oder gar Friedensstifter zu stilisieren. Doch Peking ist keinesfalls ein neutraler Akteur, der eine Aussöhnung der verfeindeten Parteien vorantreiben könnte. Xi Jinping selber plant, die demokratische Inselnation Taiwan anzugreifen und ihr Territorium der Volksrepublik einzuverleiben. Zudem provoziert Peking die Staaten des Westpazifiks mit der Behauptung, dass dieser Teil des Ozeans zu China gehöre, was faktisch falsch ist.
Xi will die demokratischen Nationen durch möglichst viele Konflikte schwächen
Ein stabiles, demokratisches Israel ist nicht im geopolitischen Interesse Pekings. Vielmehr will die chinesische Diktatur jeden Verbündeten der USA schwächen und damit Washington selber treffen. Das Rational Xis ist, die USA in möglichst viele Konflikte zu verstricken, damit Washington am Ende nicht genug Bandbreite hat, Chinas Landnahme im Westpazifik militärisch zu begegnen. Ein anhaltendes Chaos ist dabei ein wichtiger Baustein, denn der Irakkrieg, den George W. Bush völkerrechtswidrig vom Zaun gebrochen hat, hat die Vereinigten Staaten viel Glaubwürdigkeit, nicht nur in der Region, gekostet. Pekings übergeordnetes Ziel ist es, so viel Unordnung wie möglich auf dem Globus stiften, um demokratische Nationen zu schwächen und die Ressourcen der freien Welt zu erschöpfen.
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