Expertenkommission „Sicherheit im Wandel“ stellt sich vor
Im Februar 2018 nahm die Expertenkommission „Sicherheit im Wandel – Gesellschaftlicher Zusammenhalt in Zeiten stürmischer Veränderung“ ihre Arbeit auf. Was will die Kommission? Wer sind die Experten? Wie wird die Kommission arbeiten? Wer steht dahinter?
Wir leben in einer Periode fundamentaler Veränderungen, die gleichzeitig und in hohem Tempo ablaufen. Sie verändern unsere Gesellschaften von Grund auf und stellen die Politik vor Herausforderungen, für die nur sehr bedingt auf historische Erfahrungen zurückgegriffen werden kann. Dazu zählen
- die ökonomische Globalisierung,
- die digitale Revolution,
- die globale Migration,
- der demographische Wandel,
- die Revolution der Geschlechter- und Familienbeziehungen,
- der Klimawandel.
In den westlichen Gesellschaften ist eine wachsende Verunsicherung spürbar, die auch die Mittelschichten erfasst. Ein Teil der Bevölkerung reagiert mit Abwehr auf das Neue. Eine Mehrheit sieht eher pessimistisch als zuversichtlich in die Zukunft. Das ist der Boden für autoritäre, nationalistische und fremdenfeindliche Strömungen. Sie versprechen Sicherheit durch Rückzug in die nationale Wagenburg, durch Abschottung vor internationaler Konkurrenz und vor der Zuwanderung von Fremden. Identitäre Bewegungen völkischer oder religiöser Provenienz haben Zulauf.
Die Expertenkommission „Sicherheit im Wandel“ wird sich mit der Frage befassen, welche Antworten die liberale Demokratie auf diese Verunsicherung finden kann. Bis März 2019 wird sie konkrete Handlungsempfehlungen für Kommunen, die Landespolitik und den Bund erarbeiten.
Die Kommission besteht aus 14 hochrangigen Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Gewerkschaften und Kommunalpolitik.
Begleitet wird die Arbeit der Kommission durch öffentliche Veranstaltungen und Debattenbeiträgen auf www.libmod.de
Die Kommission wird von der Baden-Württemberg Stiftung gefördert.
Mitglieder
Prof. Dr. Heinz Bude, Lehrstuhl Makrosoziologie, Universität Kassel
Gunter Czisch, Oberbürgermeister Ulm
Ralf Fücks, Kommissionsleitung; Geschäftsführender Gesellschafter, Zentrum Liberale Moderne
Prof. Dr. Edgar Grande, stellvertretende Kommissionsleitung; Gründungsdirektor des Zentrums für Zivilgesellschaftsforschung, Wissenschaftszentrum Berlin
Prof. Dr. Armin Grunwald, Leiter des Programms „Technologie, Innovation und Gesellschaft: Technikfolgenabschätzung und Energie-Systemanalyse“ Karlsruher Instituts für Technologie (KIT)
Prof. Dr. Rita Haverkamp, Professorin für Kriminalprävention und Risikomanagement, Universität Tübingen
Prof. Dr. Joachim Möller, Leiter, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Bundesagentur für Arbeit
Prof. Dr. Armin Nassehi, Lehrstuhl, Institut für Soziologie, Ludwig-Maximilians-Universität München
Prof. Dr. Claudia Neu, Lehrstuhl Soziologie ländlicher Räume, Universität Göttingen
Boris Palmer, Oberbürgermeister Tübingen
Dr. Tanja Rückert, Präsidentin „Internet of Things & Digital Supply Chain“, SAP
Prof. Dr. Anne Sliwka, Institut für Bildungswissenschaft, Universität Heidelberg
Prof. Achim Wambach, PhD, Präsident, Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Mannheim
Roman Zitzelsberger, Bezirksleiter, IG Metall Baden-Württemberg
Konzept
Die Fachkommission „Sicherheit im Wandel – Gesellschaftlicher Zusammenhalt in Zeiten stürmischer Veränderung“ besteht aus 14 ExpertInnen aus Wissenschaft, Wirtschaft, Gewerkschaften, Kommunalpolitik und Zivilgesellschaft. Geleitet wird sie von Ralf Fücks und Prof. Dr. Edgar Grande als Stellvertretendem Leiter.
Die Kommission wird bis März 2019 konkrete Handlungsempfehlungen für Kommunen, die Landespolitik und den Bund erarbeiten. Soweit nötig, wird auch die europäische Ebene adressiert.
Die Arbeit der Expertenkommission soll durch Fachgespräche und Anhörungen begleitet werden. Zu den Arbeitstreffen der Kommission können auch externe Expertinnen und Experten eingeladen werden. Das Projekt wird auf www.libmod.de dokumentiert und durch Diskussionsbeiträge zu den Schwerpunkt-Themen der Kommission ergänzt.
Der Abschlussbericht wird in einer Pressekonferenz und einer öffentlichen Veranstaltung in Stuttgart und auch in Berlin vorgestellt.
I Ausgangspunkt
Wir leben in einer Periode fundamentaler Veränderungen, die gleichzeitig und in hohem Tempo ablaufen. Sie verändern unsere Gesellschaften von Grund auf und stellen die Politik vor Herausforderungen, für die nur sehr bedingt auf historische Erfahrungen zurückgegriffen werden kann. Dazu zählen
- die ökonomische Globalisierung,
- die digitale Revolution,
- die globale Migration,
- der demographische Wandel,
- die Revolution der Geschlechter- und Familienbeziehungen,
- der Klimawandel.
Jedes dieser Phänomene ist schon für sich eine große Gestaltungsaufgabe. Wenn wir sie klug angehen, bieten sie die Chance für eine bessere Zukunft. Zugleich bergen sie das
Potential erheblicher sozialer und politischer Turbulenzen. In den westlichen Gesellschaften ist eine wachsende Verunsicherung spürbar, die auch die Mittelschichten erfasst. Ein Teil der Bevölkerung reagiert mit Abwehr auf das Neue. Eine Mehrheit sieht eher pessimistisch als zuversichtlich in die Zukunft. Das ist der Boden für autoritäre, nationalistische und fremdenfeindliche Strömungen. Sie versprechen Sicherheit durch Rückzug in die nationale Wagenburg, durch Abschottung vor internationaler Konkurrenz und vor der Zuwanderung von Fremden. Identitäre Bewegungen völkischer oder religiöser Provenienz haben Zulauf.
Die Frage ist, welche Antworten die liberale Demokratie auf diese Verunsicherung findet. Wir können uns nicht gegen die großen Veränderungen unserer Zeit abschirmen, sondern müssen sie als Gestaltungsaufgabe annehmen. Nicht Sicherheit durch Abschottung, sondern Sicherheit im Wandel respektive durch Wandel muss die Leitlinie demokratischer Politik sein. Das bedeutet mehr als bloße Anpassung an vermeintliche Sachzwänge. Wenn globaler Wettbewerb, technische Umwälzungen oder die massenhafte Zuwanderung von Menschen aus anderen Weltgegenden als bloße Naturereignisse erlebt werden, die über uns hereinbrechen, zerstört das die Legitimation liberaler Demokratien.
Den Wandel gestalten heißt Menschen zu befähigen, mit technischen, sozialen, kulturellen Veränderungen Schritt zu halten, Prozesse politisch zu steuern und Märkte zu regulieren. Das beinhaltet auch ein Element von Schutz. „Ein Europa, das schützt“ war ein zentraler Wahlkampfslogan von Emmanuel Macron: Niemand soll den Umbrüchen in Wirtschaft und Gesellschaft schutzlos ausgeliefert sein, alle haben den Anspruch auf Solidarität und Teilhabe.
Zugleich kommt es entscheidend darauf an, der Spaltung unserer Gesellschaften in Gewinner und Verlierer des technischen, kulturellen und ökologischen Wandels entgegen zu wirken. Sie untergräbt das Versprechen der liberalen Demokratie auf gleiche Freiheit für alle. Wenn wachsende Unsicherheit mit wachsender Ungleichheit zusammentrifft, entsteht eine explosive Gemengelage.
II Ziele und Fragestellungen der Kommission
Ziel der Kommissionsarbeit ist also, Antworten auf die Frage zu finden, wie die offene Gesellschaft das Bedürfnis nach Sicherheit und Zusammenhalt in Zeiten stürmischer Veränderungen gewährleisten kann. Die liberale Demokratie muss ihre Handlungsfähigkeit gerade in Zeiten des Umbruchs beweisen. Es geht darum zu zeigen, wie wir Freiheit und Sicherheit, Vielfalt und Gemeinsamkeit, Offenheit für Veränderungen und Schutz vor Verwerfungen unter einen Hut bringen können.
Ein moderner (erweiterter) Begriff von Sicherheit umfasst unterschiedliche Dimensionen:
(1) Die klassische Schutzfunktion des Staates im Sinne innerer und äußerer Sicherheit:
Rechtssicherheit, Schutz vor Gewalt und kriminellen Übergriffen, Schutz des Eigentums. In Zeiten des ideologisch aufgeladenen Terrorismus, der Wiederkehr des politischen Extremismus und organisierter Kriminalität bekommt auch die Frage der inneren Sicherheit eine neue Relevanz. Wer die liberale Demokratie verteidigen will, darf sie nicht den Feinden der Freiheit überlassen. Es muss neu durchdacht werden, was das Konzept der „wehrhaften Demokratie“ bedeutet, wie weit wir uns auf den Weg präventiver Sicherheitspolitik einlassen und welche Kompetenzen wir den staatlichen Sicherheitsagenturen zubilligen wollen.
(2) Die Befähigung der Einzelnen zu selbstbewusstem Handeln: Es kommt darauf an, Menschen zu befähigen, souverän mit technischen, sozialen und kulturellen Veränderungen umzugehen. Es geht um „innere Sicherheit“ im wörtlichen Sinn – eine Sicherheit, die von innen kommt. Wie muss unser Bildungssystem ausgerichtet sein, um diese Fähigkeit zu stärken?
(3) „Freiheit von Furcht“ ist eine zentrale Bedingung für die freie Entfaltung von Menschen. Welche Garantien und Rückversicherungen brauchen Menschen, um wirtschaftlichen, technischen und kulturellen Veränderungen selbstbewusst statt ängstlich zu begegnen? Reichen unsere heutigen sozialen Sicherungssysteme dafür aus oder brauchen wir vor dem Hintergrund der digitalen Revolution und der zu erwartenden Friktionen im Erwerbssystem erweiterte soziale Bürgerrechte und neue Konzepte sozialer Teilhabe? Stichworte: Grundeinkommensdebatte, Recht auf Bildung & Weiterbildung, Beteiligung breiter Schichten am Produktivvermögen (Eigentümergesellschaft), neue Formen von bezahlter Bürgerarbeit, etc.
In diesem Zusammenhang sollen auch Überlegungen zum Konzept „Flexicurity“ wieder aufgegriffen werden. Ein weiterer Aspekt ist die Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements und selbstorganisierter sozialer Netzwerke (aktive Bürgergesellschaft).
(4) Welche Rolles spielen öffentliche Institutionen als politische und gesellschaftliche Stabilisatoren in Zeiten fundamentaler Umbrüche? Das öffentliche Bildungssystem (vom Kindergarten bis zur Hochschule), ein weit verzweigtes Netz von Museen, Theatern und Konzertsälen, der öffentlich-rechtliche Rundfunk, Bibliotheken, Stadtwerke und öffentliche Verkehrsbetriebe sind nicht nur Ausdruck der „öffentlichen Daseinsvorsorge.“ Sie sind zugleich republikanische Institutionen, symbolische Repräsentationen des demokratischen Gemeinwesens, die Teilhabe und Zugehörigkeit vermitteln. Investitionen in die sozio-kulturelle Infrastruktur sind deshalb auch Investitionen in Demokratie. Eine mögliche Schlussfolgerung für die öffentlichen Haushalte wäre ein „Primat der Investitionen“ über höhere Sozialtransfers.
Hier können Sie ein Infopaket zur Kommission als PDF herunterladen.
Hier könne Sie die Mitgliederliste der Expertenkommission als PDF herunterladen.
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