Global wirksame China-PR – made in Hollywood
China produziert zwar Waren für den globalen Markt, hat aber selbst kaum kulturelle „Soft Power“. Die braucht es auch nicht, weil die wirkmächtigste Kulturindustrie der Welt – Hollywood – zunehmend freiwillig ein Chinabild ganz im Sinne der KPCh verbreitet.
Als Chris Fenton das Drehbuch für den Film „Looper“ in die Hände bekommt, hat er eine Idee. Der US-Amerikaner ist damals, um das Jahr 2012 herum, ein hochrangiger Manager der Produktionsfirma DMG Entertainment, die den Science-Fiction-Film koproduziert. Der Film ist gespickt mit Stars – die Hauptrollen sind mit Bruce Willis, Joseph Gordon-Levitt und Emily Blunt besetzt. Er soll im Amerika der Gegenwart und im Frankreich der Zukunft spielen. Aber Fenton und seine Kollegen haben eine bessere Idee: Sie wollen den Film in China spielen lassen.
Ein Markt von 1,4 Milliarden Zuschauern
China ist mit seinen 1.4 Milliarden Einwohnern und seiner wachsenden und nach Unterhaltung dürstenden Mittelschicht bereits damals der wichtigste Auslandsmarkt für Hollywood-Produktionen. Indem Fenton die Handlung ins Reich der Mitte verlegt, will er erreichen, dass der Film dort in die Kinos kommt – und mehr Geld in die Kinokassen spült. Er weiß, dass er dafür nach den Regeln der politischen Führung spielen muss. Aber das nimmt er in Kauf. Erst ein paar Jahre später wird er es bereuen.
Es ist Vormittag in Kalifornien, als wir Fenton per Videoschalte erreichen. Der Filmmanager sitzt in seinem Wohnzimmer und trägt ein offenes, nachtblaues Hemd. Im Hintergrund liegen ein Football und eine Gitarre. An der Wand hängt ein gerahmtes Poster des Films „Looper“.
Die Zugeständnisse, die er an Peking macht, sieht er damals nicht als Ausverkauf amerikanischer Werte, sagt Fenton. Er glaubt, dass das Mittel den Zweck heiligt: „Ich dachte damals, dass sich China öffnet“, erklärt er im Interview: „Ich dachte, dass wir mit unseren Filmen amerikanische Soft Power verbreiten und dass das am Ende zu mehr Wachstum und Jobs in den USA führen wird.“ Darüber, dass es anders gekommen ist, hat Fenton im vergangenen Jahr ein Buch geschrieben. Es heißt „Feeding The Dragon“, „Den Drachen füttern“. Es ist ein Insiderbericht über die Käuflichkeit Hollywoods geworden. Und eine Abrechnung Fentons mit sich selbst.
China als Sehnsuchtsort
Um „Looper“ in China in die Kinos zu bekommen, so beschreibt es Fenton in seinem Buch, inszenieren er und seine Kollegen das Land als einen Sehnsuchtsort. Sie zeichnen die USA als ein Land, das von Armut, sozialen Spannungen und Drogenkrisen zerfressen ist. China hingegen stellen sie als ein Milch-und-Honig-Land dar, in dem Kinder vergnügt auf offener Straße kicken. Als Joseph Gordon-Levitt in seiner Rolle als Auftragskiller einem Gangsterboss erzählt, er wolle nach Frankreich ziehen, erwidert dieser: „Geh nach China!“ Das Stadtbild Shanghais entwerfen Fenton und seine Kollegen in Absprache mit chinesischen Parteifunktionären.
Doch die Hollywood-Produzenten kommen der politischen Führung nicht nur in Sachen Imagepolierung entgegen. Sie sorgen auch dafür, dass China wirtschaftlich profitiert. Sie bringen nur wenige Mitarbeiter aus den USA mit, am Set setzen sie überwiegend auf Chinesen. „Wir haben ihnen nicht nur Fische gegeben“, sagt Fenton heute dazu: „Wie haben ihnen das Fischen beigebracht.“
Ein neuer Box-Office-Rekord
Wirtschaftlich zahlt sich der Kotau aus: Peking verfolgt ein Quotensystem. Nur eine begrenzte Zahl ausländischer Filme wird pro Jahr in China zugelassen. „Looper“ schafft es nicht nur in die chinesischen Kinos. Der Film erhält sogar einen Starttermin im Oktober – wenn das Land in die Ferien geht und die Chinesen in die Kinos strömen. „Looper“ avanciert zum ersten Hollywood-Film, der am Eröffnungswochenende in China mehr Geld einspielt als in den USA.
In China gibt es mehr Kinos als in jedem anderen Land der Welt. Ende 2016 verkündete die chinesische Filmbehörde, die USA überholt zu haben. Die Behörde zählte damals landesweit mehr als 40.900 Kinos – im Vergleich zu etwa 40.700 in den USA. Doch damit waren die Grenzen des Kinowachstums noch nicht erreicht: Heute zählt China bereits mehr als 75.000 Kinos.
Auch der chinesische Kinomarkt ist inzwischen zum größten der Welt aufgestiegen. Im Corona-Jahr 2020 generierten chinesische Kinobesuche einen Umsatz von mehr als zwei Milliarden US-Dollar – und zogen damit erstmals an den US-Umsätzen von rund 1,9 Milliarden US-Dollar vorbei. Die Trendwende geht auf die Pandemie zurück. In China öffneten die Kinos früher als in den USA, wo die Kinostarts der meisten Blockbuster verschoben wurden. Trotzdem hat der Wachwechsel eine historische Dimension: Seit den Anfängen des Kinos waren die USA das Schwergewicht in Sachen Umsatz.
Die Schere im Kopf funktioniert
Doch das wirtschaftliche Gewicht des chinesischen Marktes ist seit Jahren ein Problem für die Kunstfreiheit. Nicht nur nutzt die alleinherrschende Kommunistische Partei (KPCh) den Zugang zum heimischen Publikum als Druckmittel. Auch schneidern Hollywood-Studios ihre Filme so zurecht, dass sie die chinesischen Zensoren glücklich machen – und Zugang zum chinesischen Markt erhalten. Im August des vergangenen Jahres kam ein Bericht des US-Autorenverbands PEN zu dem Ergebnis, dass die großen Studios und Regisseure ihre Entscheidungen zunehmend „aus dem Bestreben heraus“ träfen, „chinesische Beamte nicht zu verärgern“.
Der Filmmanager Fenton blickt heute mit gemischten Gefühlen auf seine Karriere. Einerseits hat er Filme mitproduziert, die kommerzielle Erfolge waren, etwa „Iron Man 3“, „47 Ronin“ und „Der Sex Pakt“. Andererseits hat sich zum Komplizen eines autoritären Regimes gemacht. Auch hat er lange gebraucht, um das zu verstehen.
Auch der Sport spielt nach den Regeln der KPCh
Erst 2019 dämmert es ihm. Da schreibt Daryl Morey, damals Manager des NBA-Clubs Houston Rockets, auf Twitter, dass er die Proteste in Hongkong gegen die Zentralregierung in Peking unterstütze. Fenton ist damals gerade erst von einer Reise nach Hongkong zurückgekommen. Vom Balkon seines Hotels konnte er das Tränengas riechen, dass die Sicherheitskräfte gegen die Demonstranten einsetzten. Er geht davon aus, dass die NBA Morey unterstützen wird.
Doch das Gegenteil geschieht: Sowohl der Besitzer der Houston Rockets als auch die NBA distanzieren sich von Morey. Fenton ist geschockt. Er findet, dass sich die US-Basketballliga, die populärste der Welt, dem politischen Willen Pekings unterwirft.
Von nun an blickt er mit anderen Augen auf den Einfluss Pekings in Hollywood. Es ärgert ihn, dass die taiwanische Flagge aus dem Action-Film „Top Gun 2“ geschnitten wurde. Und dass Szenen aus „Bohemian Rhapsody“ gelöscht wurden, die das schwule Liebesleben von Freddie Mercury zeigen. Auch erfährt er den vorauseilenden Gehorsam Hollywoods am eigenen Leib: Der oscarprämierte Regisseur und Produzent Alex Gibney will Fentons Buch verfilmen. Doch in Hollywood steht er damit vor verschlossenen Türen. Fenton selbst will im Interview keine Namen nennen. Aber die Zeitschrift „The Hollywood Reporter“ berichtet, dass die großen Dokumentarfilm-Plattformen, unter anderem Netflix und HBO, es wegen der politischen Sensibilität des Themas abgelehnt hätten, sich das Projekt auch nur vorstellen zu lassen.
Pekings Einfluss lässt sich nur durch Einigkeit durchbrechen, findet Fenton. Er drückt es am Beispiel des NBA-Clubs Houston Rockets aus, dessen Spiele nach dem Tweet von Daryl Morey für mehr als ein Jahr nicht im chinesischen Fernsehen zu sehen waren: „Ein Club alleine ist für Peking kein Problem“, sagt er: „Wenn sich aber die ganze NBA hinter Daryl Morey gestellt hätte, wäre das für Peking zum Problem geworden.“
Spenden mit Bankeinzug
[/vc_column_text]
Spenden mit PayPal
Wir sind als gemeinnützig anerkannt, entsprechend sind Spenden steuerlich absetzbar. Für eine Spendenbescheinigung (nötig bei einem Betrag über 200 EUR), senden Sie Ihre Adressdaten bitte an finanzen@libmod.de
Verwandte Themen
Newsletter bestellen
Mit dem LibMod-Newsletter erhalten Sie regelmäßig Neuigkeiten zu unseren Themen in Ihr Postfach.