Für eine markt­wirt­schaft­liche Energie- und Klimapolitik

Umweltpolitik: Joachim Lang, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI) plädiert für eine marktwirtschaftliche Energie- und Klimapolitik
Shutter­stock /​ TTstudio

Der BDI hat eine bemer­kens­werte Studie vorgelegt, nach der eine Senkung der CO2-Emissionen der deutschen Industrie um 80 % ohne Wohlstands­ver­luste und soziale Verwer­fungen machbar ist. Eine weiter­ge­hende Reduzierung erfordere struk­tu­relle Verän­de­rungen, die nicht allein von den Unter­nehmen zu stemmen seien. Joachim Lang, Bundes­ge­schäfts­führer des Bundes­ver­bands der Deutschen Industrie (BDI) plädiert für Techno­lo­gie­of­fenheit und eine kluge Wettbe­werbs- und Indus­trie­po­litik, um den ökolo­gi­schen Trans­for­ma­ti­ons­prozess wirtschafts­ver­träglich zu gestalten. Markt­wirt­schaft­liche Prinzipien sollten Vorrang vor dirigis­ti­schen Eingriffen haben. Ein europa- oder weltweiter Emissi­ons­handel sei einem natio­nalen Alleingang vorzuziehen.

Die Soziale Markt­wirt­schaft in Deutschland hat sich über Jahrzehnte als ein erfolg­reiches wirtschafts- und sozial­po­li­ti­sches Modell erwiesen, um Wohlstand, Wachstum und techno­lo­gi­schen Fortschritt zu sichern. Dabei liegt die Stärke der Sozialen Markt­wirt­schaft vor allem darin, dass es sich nicht um eine Summe festge­legter Instru­mente und Maßnahmen handelt, sondern um ein Leitbild für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.

Sie schafft mit ihrem ureigenen Prinzip des offenen Wettbe­werbes ein Anreiz­system für die besten Lösungen und führt somit zu Alloka­ti­ons­ef­fi­zi­enzen der einge­setzten Ressourcen. Die Verbindung von Umwelt­schutz mit wirtschaft­lichem Wachstum und der konti­nu­ier­lichen Verbes­serung des Lebens­stan­dards für breite Schichten der Bevöl­kerung sollten auch Leitmotive für eine zukunfts­wei­sende Klima­po­litik im Indus­trieland Deutschland sein.

Die Politik sollte auch im Klima­schutz die Stärken der Sozialen Markt­wirt­schaft nutzen. Eine Balance von Markt und Staat kann das Prinzip der Nachhal­tigkeit tief in der Wirtschaft verankern.

In einer Markt­wirt­schaft kommt es zu Exter­na­li­täten, die bisher nicht (vollständig) inter­na­li­siert sind. Insbe­sondere öffent­liche Güter leiden unter diesem Phänomen. Der Klima­wandel ist hierfür ein gutes Beispiel. Lokale Emittenten auf der ganzen Erde stoßen CO2 aus; dieses lagert sich in der Atmosphäre ab. Eine erhöhte Konzen­tration von Treib­haus­gasen (THG) in der Atmosphäre führt dazu, dass sich die Tempe­ratur auf der Erde langsam erhöht. Die Atmosphäre dient als Lager­stätte von THG-Emissionen. Seit Jahren zeigt sich aber, dass dieser Mecha­nismus an seine Grenzen stößt, weil sich als Folge eine konti­nu­ier­liche Erwärmung einstellt: der negative externe Effekt. Ein Instrument zur Inter­na­li­sierung fehlt. Noch gibt es keinen globalen Markt, der die Nutzung der Atmosphäre umfasst und Treib­haus­gasen einen Preis gibt, um sie dadurch zu einem handel­baren Gut zu machen. Das Vorliegen externer Effekte wird gemeinhin als Markt­ver­sagen in der ökono­mi­schen Theorie anerkannt und legiti­miert den Staat, dieser Entwicklung durch Auflagen, Preis- oder Mengen­in­stru­mente zu begegnen.

Die Begrenzung solcher THG-bedingten Exter­na­li­täten durch ein von der Politik festge­legtes Reduk­ti­onsziel muss mit beglei­tenden recht­lichen und fiska­li­schen Instru­menten flankiert werden. Eine wirksame Flankierung sollte dabei auf markt­wirt­schaft­lichen und techno­lo­gie­of­fenen Instru­menten und Maßnahmen basieren. Ein Beispiel dafür ist der EU-Emissi­ons­handel (EU-ETS) mit seinem Mengen­system, das CO2 einen markt­ba­sierten Preis gibt. Dadurch findet die Begrenzung von Emissionen techno­lo­gie­offen und effizient statt.

Verbote oder reine techno­lo­gie­spe­zi­fische Förde­rungen gewähr­leisten nicht das Erreichen des gewünschten Ziels. Zahlreiche unabge­stimmte Regulie­rungen zwischen Klima- und Energie­po­litik, wie sie in den vergan­genen Jahren erlassen wurden, setzten falsche Anreize und führten zu Markt­ver­zer­rungen. Die Vielzahl an politi­schen Instru­menten zur Errei­chung eines Reduk­ti­ons­ziels setzt immer ein enormes Wissen seitens des Staates voraus. So müsste der Staat vollständig Kenntnis haben, in welchen Sektoren welche Kosten zur Vermeidung von Treib­hausgas anfallen. Dies erfordert verläss­liche langfristige Prognosen und Infor­ma­tionen über mögliche Ausweich­ef­fekte als Reaktion auf einzelne Maßnahmen. Da die privaten Haushalte und die Unter­nehmen keinen Anreiz haben dürften, Infor­ma­tionen wie die indivi­duelle Zahlungs­be­reit­schaft für bestimmte Güter dem Staat zur Verfügung zu stellen, stößt hier die öffent­liche Hand an die Grenzen der politi­schen Steuerung.

Die Ankün­digung der Bundes­re­gierung, deutsche Treib­haus­gas­emis­sionen bis zum Jahr 2050 um 80 Prozent bis 95 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 reduzieren zu wollen, hat ein konkretes klima­po­li­ti­sches Ziel definiert.

Der vorlie­gende Beitrag bietet einen konzep­tio­nellen Vorschlag des Bundes­ver­bands der Deutschen Industrie (BDI), wie unter dem erfolg­reichen Leitbild der Sozialen Markt­wirt­schaft eine volks­wirt­schaftlich tragbare Reduktion der Treib­haus­gas­emis­sionen um 80 Prozent + X bis zum Jahr 2050 erreicht werden kann.

Dieser Vorschlag basiert auf dem Ziel der 80-prozen­tigen THG-Reduktion bis 2050. Die Reali­sierung dieses Ziels ist aller­dings von gewissen Annahmen abhängig. So müssen beispiels­weise die richtigen politi­schen Entschei­dungen zur richtigen Zeit getroffen werden, dauer­hafte Netzeng­pässe im Stromnetz vermieden oder die Industrie vor wettbe­werbs­ver­zer­renden Maßnahmen durch steigende CO2-bedingte Kosten geschützt werden. Bei zusätz­lichen Techno­lo­gie­durch­brüchen und deren Einsatz sind auch höhere Senkungen möglich. Hierbei sprechen wir etwa von erneu­erbar herge­stellten synthe­ti­schen Energie­trägern und deren großflä­chigem Einsatz oder der Nutzung und Speicherung von CO2. Ebenso bietet die kosten­güns­tigere Vermeidung von THG-Emissionen über Offsets die Möglichkeit, global effizi­enten Klima­schutz zu gestalten und nationale Vorgaben über 80 Prozent hinaus zu erfüllen.

Dieses ambitio­nierte Ziel erfordert eine kluge Verknüpfung von Klima- und Indus­trie­po­litik, damit sich wirtschaft­liche Chancen ergreifen und Heraus­for­de­rungen begegnen lassen:

Ein starker Wirtschafts­standort Deutschland generiert Wachstum sowie Beschäf­tigung und kann so auch eine weitgreifend gesell­schaft­liche Zustimmung zu funda­men­talen Verän­de­rungen im öffent­lichen wie privaten Lebens­alltag schaffen. Die Errei­chung der Klima­ziele wird unbequem sein. Daher ist es umso wichtiger, dass die Politik funktio­nie­rende Konzepte entwi­ckelt, die Chancen bieten und sich der wirtschaft­lichen und sozialen Heraus­for­de­rungen annehmen.

Reali­sier­barkeit eines volks­wirt­schaftlich tragbaren Reduk­ti­ons­sze­narios von 80 Prozent + X bis 2050

Der BDI hat mit seiner Studie Klimapfade für Deutschland gezeigt, dass eine Reduktion der deutschen Treib­haus­gas­emis­sionen um 80 Prozent bis zum Jahr 2050 sowohl technisch möglich als auch gleich­zeitig volks­wirt­schaftlich unter bestimmten Rahmen­be­din­gungen tragbar zu erreichen ist.

Zum besseren Verständnis seien hier zunächst einmal das Referenz­sze­nario und die Grund­an­nahmen der Klimapfa­de­studie skizziert. Das Referenz­sze­nario dient als Ausgangs­basis. Es legt die heutigen klima­po­li­ti­schen Rahmen­be­din­gungen zugrunde und beschreibt, welche Treib­haus­gas­re­duk­tionen sich bereits damit bis 2050 ergeben werden. Gleich­zeitig wird von einem umfas­senden und effek­tiven Carbon-Leakage-Schutz ausge­gangen. Weitere Annahmen sind die Fest- und Fortschreibung der heute geltenden Gesetze und Verord­nungen. Zudem wird unter­stellt, dass die Politik die richtigen Entschei­dungen zur richtigen Zeit trifft.

Das Referenz­sze­nario ermög­licht es, die Lücke zwischen der Entwicklung unter aktuellen Rahmen­be­din­gungen und den Klima­schutz­zielen der Regierung aufzu­zeigen. Darauf aufbauend wurden zwei Zielsze­narien entwi­ckelt. Bei den Zielsze­narien geht es um die Frage: „Welche gesell­schaft­lichen und politi­schen Rahmen­be­din­gungen nehmen wir an?“

Szenario 1: Nationale Allein­gänge Das Zielsze­nario „Nationale Allein­gänge“ unter­stellt eine Welt ohne einen global einheit­lichen UN-Klima­prozess. Ambitio­nierter Klima­schutz wird lediglich in Kerneuropa und vereinzelt in anderen Ländern verfolgt. Zentral ist in diesem Szenario, dass ein umfas­sender und effek­tiver Carbon-Leakage-Schutz unter­stellt wird.

Aufgrund fehlender inter­na­tio­naler Klima­schutz­am­bi­tionen ist dies notwendig, da ohne gleiche globale Wettbe­werbs­be­din­gungen (Level Playing Field) eine weitge­hende Abwan­derung indus­tri­eller Produktion ins Ausland mit oft gerin­geren Standards erfolgen wird.

Szenario 2: Globaler Klima­schutz Im Zielsze­nario „Globaler Klima­schutz“ verpflichtet sich die Weltge­mein­schaft zur Errei­chung des Zwei-Grad-Ziels und koordi­niert dazu globale Instru­mente zur Emissi­ons­re­duktion. Für die Industrie entsteht trotz einer hohen Klima­schutz­am­bition annähernd ein Level Playing Field.

Die Zielsze­narien unter­scheiden sich im Wesent­lichen in der Höhe hiesiger und inter­na­tio­naler Ambitionen zur THG-Reduktion sowie im resul­tie­renden Preis­niveau für CO2 und fossile Energieträger.

Für das Referenz­sze­nario und das Zielsze­nario „Nationale Allein­gänge“ wurde ein CO2 ‑Preispfad unter­stellt, der langfristig zwischen den Szenarien „Current Policies“ und „New Policies“ des World Energy Outlook (WEO) 2016 der Inter­na­tional Energy Agency (IEA) liegt, jedoch kurz- und mittel­fristig langsamer ansteigt. Dabei wurde für das Modell angenommen, dass der CO2-Preis bis zum Jahr 2050 auf 45 Euro pro Tonne steigt. In Anbetracht der weiter wachsenden Nachfrage, vor allem in inter­na­tional expan­die­renden Volks­wirt­schaften, werden steigende Preise für fossile Energie­träger unter­stellt. So wird im Referenz­sze­nario der Ölpreis mit 115 US-Dollar pro Barrel im Jahr 2050 angenommen.

Für das Zielsze­nario „Globaler Klima­schutz“ wurde der CO2-Preis am Szenario 450 ppm (parts per million) des WEO angelehnt, d. h. von einer Million Teilchen Luft in der Erdat­mo­sphäre sind 450 Teile Kohlen­dioxid. Dieser Preis steigt auf 55 Euro pro Tonne CO2 im Jahr 2030 und auf 124 Euro im Jahr 2050. Der Ölpreis liegt in diesem Szenario aufgrund stagnie­render bzw. rückläu­figer Weltnach­frage nach fossilen Brenn­stoffen bei real 50 US-Dollar pro Barrel.

Kerner­geb­nisse der Klimapfade-Studie: Mind The Gap!

Mit einer Fortsetzung derzei­tiger Anstren­gungen in Form bestehender Maßnahmen, beschlos­sener politi­scher und regula­to­ri­scher Rahmen­be­din­gungen sowie abseh­barer Techno­lo­gie­ent­wick­lungen („Referenzpfad“) werden bis 2050 ca. 61 Prozent THG-Reduktion gegenüber 1990 erreicht. Es verbleibt damit eine Lücke von 19 Prozent­punkten zum deutschen 80-Prozent-Klimaziel.

Wie lässt sich diese Lücke schließen? Der 80-Prozent-Klimapfad zeigt die Chancen und Heraus­for­de­rungen eines solch massiven Trans­for­ma­ti­ons­pro­zesses für die Volks­wirt­schaft und die Gesell­schaft. Die kosten­ef­fi­ziente Errei­chung des 80-Prozent-Klimapfads würde aus heutiger Sicht in Summe Mehrin­ves­ti­tionen von 1,5 Billionen Euro bis 2050 gegenüber einem Szenario ohne verstärkten Klima­schutz erfordern, darin schon enthalten sind rund 530 Milli­arden Euro für eine Fortschreibung bereits im Referenzpfad bestehender Anstren­gungen. Die Mehrin­ves­ti­tionen müssen von der Wirtschaft, der öffent­lichen Hand und den Bürge­rinnen und Bürgern getätigt werden. Dabei geht es z. B. um Inves­ti­tionen in emissi­ons­ärmere Anlagen, die energe­tische Gebäu­de­sa­nierung privater und gewerb­licher Gebäude oder den Aufbau von Speicher- und Ladeinfra­struktur. Die direkten volks­wirt­schaft­lichen Mehrkosten lägen nach den Berech­nungen des BDI bei etwa 470 Milli­arden Euro bis 2050, da mit jeder Inves­tition auch Einspa­rungen verbunden sind. Eine solche volks­wirt­schaftlich kosten­ef­fi­ziente Errei­chung der Klimapfade bedeutet aller­dings nicht, dass sich die techni­schen Maßnahmen aus betriebs­wirt­schaft­licher Sicht für den indivi­du­ellen Entscheider rechnen.

Circa 80 Prozent der erfor­der­lichen techni­schen Maßnahmen brauchen daher spezi­fische Anreize. Aufgabe der Politik ist es folglich, die Lücke zur Renta­bi­lität zu schließen, damit Unter­nehmen und Privat­per­sonen die notwen­digen Inves­ti­tionen tätigen. Ein Beispiel ist die energe­tische Gebäu­de­sa­nierung im privaten und gewerb­lichen Bereich. Zurück­ge­haltene Inves­ti­tionen können mit der privaten finan­zi­ellen Situation oder der aktuellen Lebens­phase zusam­men­hängen. Erfolg­reiche Klima­schutz­be­mü­hungen wären mit einer umfang­reichen Erneuerung aller Sektoren der deutschen Volks­wirt­schaft verbunden – und könnten deutschen Expor­teuren weitere Chancen in wachsenden Klima­schutz­märkten eröffnen. Studien erwarten, dass das Weltmarkt­vo­lumen der wichtigsten Klima­tech­no­logien bis 2030 auf ein bis zwei Billionen Euro pro Jahr wachsen wird. Hiervon würde die deutsche Wirtschaft mit einer Außen­han­dels­quote von 86,9 Prozent (2017) besonders profi­tieren. Da die deutsche Industrie in der Entwicklung und im Absatz emissi­ons­re­du­zie­render Techno­logien stark ist, ergeben sich mit hoher Wahrschein­lichkeit positive Auswir­kungen für deutsche Unternehmen.

Die grund­le­gende Chance und Heraus­for­derung zugleich besteht vor allem darin, klima­po­li­tische Ziele mit anderen gesell­schaftlich wichtigen Politik­zielen zu verknüpfen, etwa einem stabilen Wirtschafts­wachstum und Beschäf­tigung, der inter­na­tio­nalen Wettbe­werbs­fä­higkeit deutscher Unter­nehmen sowie bezahl­barer Energie- und Versorgungssicherheit.

Klima­schutz mit den Prinzipien der Sozialen Markt­wirt­schaft erreichen

Für das Erreichen klima­po­li­ti­scher Ziele muss in der Sozialen Markt­wirt­schaft das Prinzip der Techno­lo­gie­of­fenheit gelten. Grund­sätzlich sind daher zwei ökono­mische Instru­mente denkbar: Zum einen ein mengen­ba­siertes Instrument, wie es der EU-ETS ist, zum anderen ein preis­ba­siertes Instrument wie eine Steuer oder Abgabe.

Das mengen­ba­sierte Instrument legt eine Menge, hier THG-Emissionen, exogen und ex ante fest. Die zur Verfügung stehende Menge kann dann wiederum unter den Markt­teil­nehmern gehandelt werden. Im Fall des EU-ETS sind es Emissi­ons­zer­ti­fikate, die Unter­nehmen an der European Energy Exchange in Leipzig handeln. Der Preis bildet sich aus Angebot und Nachfrage. Ein mengen­ba­siertes Instrument gibt Sicherheit bei der Mengen­ent­wicklung, hat aber gewissen Unsicher­heiten bei der Preisbildung.

Bei einem preis­ba­sierten Instrument erhält ein Gut ex ante einen exogen festge­legten Preis X. Jede THG-Emission würde demnach mit dem Preis X belastet. Der Konsument kann entscheiden, in welchen Mengen er das Produkt trotz des um X gestie­genen Preises kauft. Damit schafft ein preis­ba­siertes Instrument Sicherheit beim Preis, aller­dings ist die resul­tie­rende Menge an THG unklar.

Die aktuelle Regulierung auf europäi­scher Ebene sieht für die Sektoren Energie­wirt­schaft und Industrie ein Mengen­system gemäß des EU-ETS vor. Schon heute steht fest: Mit seinem klaren Reduk­ti­onspfad der jährlich zu emittie­renden THG werden bis 2050 weniger als zehn Prozent der THG-Emissionen von 1990 ausge­stoßen werden.

Beim EU-ETS handelt es sich aller­dings nur um eine Second-best-Lösung, da sich der Handel auf die Europäische Union beschränkt. Eine First-best-Lösung für die Sektoren Energie­wirt­schaft und Industrie wäre ein globales Regime. Bestmöglich wird ein solcher Ansatz nämlich inter­na­tional verfolgt, da die THG-emittie­renden Anlagen und Prozesse in Deutschland im inter­na­tio­nalen Vergleich global gesehen sehr effizient sind. Jede THG-Einsparung ist daher zwangs­läufig teurer als in Entwick­lungs- und Schwellenländern.

Deshalb sieht auch das Pariser Klima­schutz­ab­kommen ausdrücklich den Einsatz markt­wirt­schaft­licher Instru­mente vor. Im Dezember 2019 werden hierzu (Artikel 6 des Pariser Klima­ab­kommens) die Verhand­lungs­teams der Pariser Vertrags­staaten um eine Lösung ringen, die inter­na­tionale Regime und grenz­über­schrei­tende Koope­ra­tionen einfacher und in das Pariser Klima­ab­kommen integrierbar macht. Bisher konnte zu Artikel 6 des Pariser Klima­ab­kommens noch keine Einigung erzielt werden.

Eine One-size-fits-all-Lösung über alle Sektoren wird den Prinzipien der Sozialen Markt­wirt­schaft nicht gerecht. Insbe­sondere die Sektoren Gebäude und Verkehr sind essen­zielle Bestand­teile des persön­lichen Lebens. Verän­de­rungen dort haben direkte Auswir­kungen auf jeden einzelnen.

Daher muss Klima­schutz in beiden Fällen mit Wirtschaft­lichkeit und sozialer Gerech­tigkeit untrennbar verbunden sein. Ein Mengen­gerüst ist bei Verbrau­chern mit unelas­ti­scher Nachfrage weniger geeignet.

Hierzu zwei Extrembeispiele:

  1. Im Gebäu­de­sektor entstehen die überwie­genden Emissionen durch die Erzeugung von Kälte und Wärme. Eine strikte Begrenzung der Menge an THG-Emissionen für diesen Sektor bedeutete in letzter Konse­quenz ein Heizverbot mit konven­tio­nellen Energie­trägern oder eine vollständige Umstellung der Wärme­ver­sorgung auf erneu­erbare Energieträger.
  2. Der Verkehrs­be­reich emittiert, indem Kraft­stoffe verbrannt werden. Eine Mengen­be­grenzung kann hier im Extremfall dazu führen, dass es zu Fahrver­boten kommt, wenn die erlaubte Menge an THG-Emissionen erreicht wurde. Die Fahrt zum Super­markt oder zur Arbeit wäre mit diesen Kraft­stoffen dann nicht mehr möglich.

Ziel eines politi­schen Instru­mentes sollte es sein, eine wirtschaftlich effektive und sozial­ver­träg­liche Lenkungs­wirkung zu erzielen. Preis­si­gnale sind hier eine Option. Bei einem preis­ba­sierten Instrument gibt es verschiedene Alter­na­tiven der Ausge­staltung. Zum einen kann ein Preis als zusätz­liches Element ein Gut verteuern. Zum anderen kann es ein bishe­riges Preis­element ersetzen. Unter den Gesichts­punkten einer wettbe­werb­lichen und sozial verträg­lichen Ausge­staltung sind die beiden letzten Varianten der ersten vorzuziehen.

Ein preis­ba­siertes Instrument oder ein mengen­ba­siertes Instrument kann aller­dings nicht das einzige Mittel der Wahl sein. Sie stellen jeweils einen Baustein für eine kohärente Energie- und Klima­po­litik dar.

Zusätzlich bräuchte es eine Innova­ti­ons­po­litik, die Rahmen­be­din­gungen für die Erfor­schung, Entwicklung und Erprobung von Zukunfts­tech­no­logien setzt. Deutschland wird Forschung, Förderung und Innova­tionen brauchen, um über die 80 Prozent hinaus­zu­kommen und die + X zu erreichen. Techno­logien der Zukunft werden aber nicht ohne eine entspre­chende Infra­struktur auskommen. Dabei spielen die Ladeinfra­struktur für elektrische Mobilität, ein lücken­loser Ausbau von 5G-Netzen und vieles mehr eine entschei­dende Rolle. Hier kann der Staat durch eine kluge markt­wirt­schaft­liche Ausge­staltung der Rahmen­be­din­gungen den Grund­stein für zukünftige Entwick­lungen und Techno­lo­gie­sprünge schaffen.

Tatsächlich werden sich die Techno­lo­gie­ent­schei­dungen weder auf dem deutschen Binnen­markt noch in der Europäi­schen Union entscheiden. Langfristig ist die entschei­dende Frage, ob die inter­na­tionale Staaten­ge­mein­schaft sich auf vergleichbare Rahmen­be­din­gungen für eine ökolo­gisch nachhaltige Wirtschaft und ökolo­gisch nachhal­tiges Leben verstän­digen kann. Nach dem Pariser Klima­ab­kommen haben die Staaten immerhin die Absicht unter­schrieben, in ihren Volks­wirt­schaften den Ausstoß von THG zu begrenzen. Bisher gibt es aller­dings keine gemein­samen oder vergleich­baren Rahmen­be­din­gungen, die zu einem inter­na­tio­nalen Level Playing Field führen.

Ein solches Feld ist essenziel, damit sich Wettbe­werbs­fä­higkeit und Klima­schutz­am­bi­tionen nicht entge­gen­stehen. Es kann helfen, Doppel­re­gu­lie­rungen oder Carbon Leakage zu vermeiden. Solange es auf globaler, mindestens aber der G20-Ebene keine solchen Bedin­gungen gibt, braucht es den Schutz der deutschen Industrie vor Wettbe­werbs­nach­teilen, damit Versor­gungs­si­cherheit und Wettbe­werbs­fä­higkeit nicht auf der Strecke bleiben. Damit wäre auch dem Klima­schutz nicht gedient. Die Aufgabe der inter­na­tio­nalen Politik der nächsten Jahre bleibt es, mehr Kongruenz zwischen den Staaten zu schaffen.

Fazit

Insgesamt sollten markt­wirt­schaft­liche Prinzipien in stark regulierten Bereichen der Energie- und Klima­po­litik gestärkt werden. Zwar sind Markt­ein­griffe bei öffent­lichen Gütern ökono­misch vertretbar, doch sollten die gewählten Instru­mente wiederum den Prinzipien der Sozialen Markt­wirt­schaft Rechnung tragen. Bei einer Inter­na­li­sierung klima­po­li­tisch relevanter Exter­na­li­täten sollte diese daher mit einem Abbau entge­gen­läu­figer Regulie­rungen wie verschie­dener Steuern, Abgaben oder Umlagen einher­gehen. Dabei ist zu gewähr­leisten, dass staat­liche Inter­vention die externen Kosten möglichst präzise adres­siert und klare Ziel- und Instru­men­ten­hier­ar­chien verfolgt werden. Eine markt­wirt­schaftlich ausge­richtete Energie- und Klima­po­litik muss vermeiden, dass die Politik zur Reduktion der Exter­na­li­täten techno­lo­gie­spe­zi­fische Regulierung verab­schiedet und präfe­rierte Einzel­an­wen­dungen politisch bevorzugt.

Die Politik steht vor einer schwie­rigen Aufgabe. Einer­seits wächst der Druck der Öffent­lichkeit auf das Parlament und die Regierung, jetzt zu handeln, wenn nötig auch rein national. Anderer­seits würden Maßnahmen und damit verbundene Kosten zunehmend für den Einzelnen spürbar (etwa bei Mobilität und Gebäuden), was die Akzeptanz von Klima­schutz in der Umsetzung wieder unter­graben könnte.

Nationale Symbol­po­litik erhöht die volks­wirt­schaft­lichen Kosten. Die Rückbe­sinnung auf Techno­lo­gie­of­fenheit statt Verbote, auf eine kluge Wettbe­werbs- und Indus­trie­po­litik und auf den gezielten Abbau von Steuern und Abgaben für mehr soziale Verträg­lichkeit und höhere Akzeptanz kann helfen, den enormen klima­po­li­ti­schen, gesamt­ge­sell­schaft­lichen Trans­for­ma­ti­ons­prozess für die Bevöl­kerung und die Wirtschaft sozial und markt­wirt­schaftlich zu gestalten.

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