United we stand

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Trotz Trumps Abkehr vom Pariser Klima­ab­kommen: Lösungen für die Klima­krise finden wir nicht im Alleingang. Ein Plädoyer für eine trans­at­lan­tische Agenda der Nachhaltigkeit.

Die USA haben angekündigt, zum Jahr 2020 aus dem Pariser Klima­ab­kommen auszu­treten. Damit wären sie weltweit das einzige Land, das dem Abkommen nicht angehört. Aber können wir bei einer globalen Politik der Nachhal­tigkeit auf die USA verzichten? Hat sich die US-Regierung endgültig von einer Umwelt- und Nachhal­tig­keits­po­litik verab­schiedet? Mit ihrem eigen­wil­ligen Präsi­denten, der auf der inter­na­tio­nalen Bühne die Disruption zum Mittel der Wahl erhoben hat, scheint sie als Partner für Lösungen auszufallen. 

Karl-Matthias Klause

Karl-Matthias Klause ist Berufs­di­plomat und Abtei­lungs­leiter für Wirtschaft und Finanzen an der Deutschen Botschaft in Washington. Der Artikel gibt seine persön­liche Meinung wieder.

Die Nachhal­tig­keits­agenda der Vereinten Nationen (VN) ist als SDG 2010 (Sustainable Develo­pment Goals) definiert. In einer Reihe von Gipfeln und Konfe­renzen ist sie entwi­ckelt, diffe­ren­ziert und bekräftigt worden. An Zielen mangelt es nicht. Im Pariser Klima­ab­kommen von 2015 haben wir uns versprochen, dem Klima­wandel wirksam zu begegnen und seine Folgen zu begrenzen. Doch die Realität spricht noch immer eine andere Sprache. Nach Paris ist vor Paris.

Bundes­kanz­lerin Angela Merkel hat beim 10. Peters­berger Klima­dialog für die Bundes­re­gierung das Ziel der CO2-Neutra­lität bis 2050 formu­liert. Bei der Europawahl scheint zudem gerade in Deutschland die Frage nach einer effek­ti­veren Umwelt­po­litik eine große Rolle gespielt zu haben. Wenn es also richtig ist – und das ist es! –, dass man große Ziele nur mit Allianzen und Verbün­deten erreichen kann, wo können wir dann die Verbün­deten finden, die wir brauchen, um die ehrgei­zigen globalen Ziele zu erreichen?

Bestellt ist eine Komplettsanierung

Es herrscht große Ungeduld. Während die Tempe­ratur steigt, demons­trieren Franzosen in gelben Westen und Jugend­liche an Freitagen. Die Ungeduld hat sich auch bei der Europawahl gezeigt: Etliche Regie­rungen sind in Sorge, dass die Klima­po­litik die Gesell­schaft spalten könnte. Zuletzt verglich die CDU-Vor­si­t­­zen­de An­ne­gret Kramp-Kar­ren­­bau­er die De­bat­te über Kli­ma­po­li­tik sogar mit der Flücht­lings­kri­se von 2015: „Wenn man sich die Wahl­er­geb­nis­se der Eu­ro­pa­wahl nach Ost und West an­schaut, nach Grü­nen und AfD, dann sieht man, dass wir auf dem bes­ten We­ge da­zu sind, dass die Kli­ma­f­ra­ge ei­ne neue Spalt­fra­ge in un­se­rer Ge­sell­schaft wird“, sagte sie.

Bestellt ist eine Komplett­sa­nierung mit dem Ziel Nachhal­tigkeit. Gleich­zeitig steht außer Frage, dass es demokra­tisch, rechts­staatlich und inklusiv zugehen soll. Freiheit und Wohlstand sollen erhalten und gemehrt werden. Der Klima­schutz soll mit Wachstum, einer leben­digen Indus­trie­land­schaft, dem sozialen Ausgleich und der Überwindung gesell­schaft­licher Spaltungen einher­gehen. Das heißt, dass Maßnahmen mit globaler Wirkung lokal umgesetzt werden müssen. Indus­trie­länder können hierbei Vorbilder sein. Aber auch Vorbilder können scheitern: Sie können an der Realität der Machbarkeit ihr abruptes und teures Ende finden.

Welche Verbün­deten gibt es also, mit denen man das Ziel angehen kann, ein Vorbild zu sein? Wenn es um die Werte und Inter­essen einer nachhal­tigen Wirtschaft und Gesell­schaft geht, ist die Liste der Wahlver­wand­schaften übersichtlich.

Die größten Talente wollen noch immer in die USA

Die USA bleiben unver­zichtbar. Die Innova­ti­ons­welle, ausgelöst von Unter­nehmen wie Apple, Facebook und Google, hat ihren Ursprung am kalifor­ni­schen Pazifik. Die ameri­ka­nische Westküste ist der Treiber für Innovation und Lifestyle. Das ist und wird auf dem Weg zur Nachhal­tigkeit nicht anders sein. Nur Gesell­schaften ohne Denkverbote entfalten globale Anzie­hungs­kraft. Die größten Talente wollen noch immer in die USA. E‑Mobilität, Green Finance, Künst­liche Intel­ligenz: Wo würde man nach zukunfts­taug­lichen Ideen für diese Themen suchen, wenn nicht (auch) im US-Kosmos aus Wirtschaft, Politik, Gesell­schaft, Wissen­schaft, Kunst und einem freiheit­lichen Lebensentwurf.

Unter­nehmen sind aus markt­wirt­schaft­lichen Inter­essen heraus kraft­volle Treiber nachhal­tiger Zukunfts­tech­no­logien. Von ameri­ka­ni­schem Enthu­si­asmus und Optimismus kann man (fast) nicht genug haben. Die entschei­denden Impulse für eine nachhaltige Welt werden deshalb aus den freiheit­lichen, kreativen und innova­tiven Gesell­schaften kommen. Die Chancen der staats­ka­pi­ta­lis­ti­schen Systeme werden regel­mäßig überschätzt. Die Geschichte kennt viele Beispiele dafür, dass Demokratien langfristig erfolg­reicher sind. Dikta­turen und autokra­tische Systeme scheitern letztlich an ihrer wirtschaft­lichen Zwangs­jacke, in der sie ohne friedlich legiti­mierten Wandel ersticken. China scheint zwar auf den ersten Blick wirtschaft­liche Prospe­rität und politi­schen Autori­ta­rismus zu vereinen, aber wo der Weg hinführt, ist im anlau­fenden syste­mi­schen Wettlauf offen.

Die Agenda der Nachhal­tigkeit ist in der prakti­schen Umsetzung zu einem überwie­genden Teil eine deutsch-ameri­ka­nische. Es besteht aller­dings die Gefahr, dass wir sie verschlafen und die Chancen ungenutzt lassen. Inklusion gilt auch bei der Suche nach Lösungen: Sie werden nicht gegen die Wirtschaft, gegen die Bevöl­kerung oder gegen die USA gefunden. Das gilt insbe­sondere für die nächste Phase einer digital und sozial inklu­siven Globa­li­sierung. Es gibt Anzeichen dafür, dass die US-Regierung eine weitere Isolierung in den Bereichen Umwelt und Nachhal­tigkeit vermeiden möchte. Es lohnt sich, in allen inter­na­tio­nalen Prozessen, etwa G7 und G20, hartnäckig an einer engen Einbindung der USA zu arbeiten.

Die EU und das trans­at­lan­tische Verhältnis bleiben unser Fundament, auch für unsere Zukunfts­agenda. Es liegt im Interesse einer export- und sicher­heits­ab­hän­gigen Mittel­macht wie Deutschland, alle Anstren­gungen für gemeinsame Lösungen zu unter­nehmen. Für die Agenda der Nachhal­tigkeit gilt dasselbe Motto wie für das trans­at­lan­tische Verhältnis: United we stand, divided we fall.

Textende

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