Nachhal­tiges Wachstum und menschen­würdige Arbeit: Der Beitrag der Chemie­in­dustrie zum SDG Nr. 8

Foto:Shutterstock, Alexander Kirch
Foto:Shutterstock, Alexander Kirch

Ralf Fücks analy­siert die Rolle der Chemie­in­dustrie in der der notwen­digen grünen indus­tri­ellen Revolution – unter dem Aspekt des achten der fünfzehn „Sustainable Develo­pment Goals“: „menschen­würdige Arbeit und nachhal­tiges Wachstum“. Wir dokumen­tieren seinen Beitrag zum Blog der SDGS.

Es lohnt, immer mal wieder einen Blick auf die „Sustainable Develo­pment Goals“ zu werfen. Sie wurden im Jahr 2015 von den Vereinten Nationen als Aufruf zu einer kollek­tiven Kraft­an­strengung der Weltge­mein­schaft verab­schiedet, bis zum Jahr 2030 Hunger und Armut zu überwinden, den Übergang zu einer nachhal­tigen Wirtschafts­weise zu schaffen, Diskri­mi­nierung zu beenden und soziale Teilhabe aller zu ermög­lichen. Ob diese Ziele tatsächlich bis zum Ende unseres Jahrzehnts verwirk­licht werden können, ist zweifelhaft. Sie bleiben dennoch richtig – als Leitlinie für staat­liches Handeln wie für zukunfts­ori­en­tierte Unternehmen.

Der SDG-Katalog umfasst 15 aufein­ander bezogene Ziele. Nummer 8 fordert menschen­würdige Arbeit und nachhal­tiges Wachstum. Wirtschafts­wachstum ist kein Selbst­zweck. Es soll der Vollbe­schäf­tigung und einem guten Leben für alle dienen und muss zugleich die ökolo­gi­schen Lebens­grund­lagen sichern.

Die Heraus­for­de­rungen sind gewaltig. Ein Großteil der Menschheit lebt heute noch in Armut. Für Milli­arden Menschen sind gute Ernährung, medizi­nische Versorgung, Bildung, soziale Sicherheit, halbwegs komfor­tables Wohnen und menschen­würdige Arbeit immer noch Mangelware, trotz aller beein­dru­ckenden wirtschaft­lichen und sozialen Fortschritte der letzten Jahrzehnte. Bis zur Mitte des Jahrhun­derts wird die Weltbe­völ­kerung Richtung zehn Milli­arden Menschen wachsen, am stärksten in den armen Ländern. Gleich­zeitig gefährden Klima­wandel, Arten­sterben und Verlust frucht­barer Böden unsere natür­lichen Lebensgrundlagen.

Diese doppelte Heraus­for­derung – ein besseres Leben für Milli­arden Menschen, ohne dabei das Ökosystem zu ruinieren – erfordert nichts weniger als eine grüne indus­trielle Revolution in einer histo­risch kurzen Frist. Ihr Kern ist die Entkopplung von Wohlstands­pro­duktion und Natur­ver­brauch. „Green Growth“ bedeutet höhere Produk­ti­vität und steigenden Output bei sinkenden Emissionen und Ressour­cen­ver­brauch. Dabei spielt die chemische Industrie eine Schlüsselrolle.

Sie ist eine global ausge­richtete, beschäf­ti­gungs- und export­starke, innovative Branche mit hoher Wertschöpfung und relativ hohen Löhnen, gleicher­maßen relevant für unseren Alltag als Konsu­menten wie als Vorlie­ferant für andere Wirtschafts­zweige – Landwirt­schaft, Bausektor, verar­bei­tende Industrie und Verkehrsbranche.

Gleich­zeitig stand und steht die Chemie­in­dustrie immer wieder im Licht der Kritik. Zwar liegen die großen Chemie­un­fälle – Sandoz, Seveso, Bhopal – schon Jahrzehnte zurück, die jüngste Explosion eines Tanklagers im Chemiepark Lever­kusen zeigt aber die latenten Risiken. Auch die Diskussion um giftige Chemi­kalien in Lebens­mitteln, Kinder­spielzeug, Teppich­böden oder Holzschutz­mitteln erregt die Gemüter nicht mehr so heftig wie in früheren Jahren – nicht zuletzt dank der Verschärfung entspre­chender Schutz­ge­setze. Aber die kritische Debatte um Pestizide in der Landwirt­schaft, Nitrat im Grund­wasser, die Risiko­ab­schätzung neuer Chemi­kalien und Grüne Gentechnik ist nach wie vor virulent.

Ein neues Mega-Thema ist die Frage nach den Klima­wir­kungen der Chemie. Sie wird in den kommenden Jahren noch an Relevanz gewinnen, und zwar in doppelter Hinsicht: Zum einen ist die chemische Industrie eine energie-intensive Branche mit einem hohen Anteil fossiler Energie­träger und entspre­chend hohen CO2-Emissionen. Gleich­zeitig hat sie enorme Poten­tiale für eine Reduzierung der Treib­haus­gas­emis­sionen – sowohl in den eigenen Produk­ti­ons­pro­zessen wie in anderen Wirtschaftszweigen.

Die entspre­chenden Anwen­dungs­felder sind vielfältig – Batte­rie­technik, Wasser­stoff und synthe­tische Kraft­stoffe, Leichtbau-Materialien, bioba­sierte Kunst­stoffe, Dämmstoffe für Gebäude und die biotech­nische Optimierung von Nutzpflanzen sind nur einige Beispiele. Für den Klima­schutz ist die Chemie­in­dustrie gleich­zeitig ein Problem und ein Problem­löser. Sie kann und muss eine zentrale Rolle beim Übergang in eine klima­neu­trale Indus­trie­ge­sell­schaft spielen.

Die umwelt- und klima­po­li­ti­schen Fortschritte der Branche in den letzten zwei Jahrzehnten sind beein­dru­ckend. Der spezi­fische Energie- und Wasser­ver­brauch und die CO2-Emissionen pro Produkt­einheit gingen drastisch zurück – für die deutschen Chemie­un­ter­nehmen gilt als Faust­regel, dass sie seit 1990 ihre Produktion verdoppelt und ihre Emissionen halbiert haben. Das waren aller­dings eher die „low hanging fruits“ – weitere Fortschritte in Richtung Klima­neu­tra­lität erfordern einen struk­tu­rellen Umbau der Industrie.

Die neuen, ambitio­nierten Klima­ziele Deutsch­lands und der EU werden den Verän­de­rungs­druck noch einmal erhöhen. In der nächsten Etappe geht es um eine grund­le­gende Verän­derung der Rohstoff- und Energie­basis und der Produk­ti­ons­pro­zesse – weg von fossilen Energie­trägern, hin zu erneu­er­baren Energien, Wasser­stoff und synthe­ti­schen Kraft­stoffen. Die chemische Industrie kann zum Vorreiter für eine Kreis­lauf­öko­nomie und die indus­trielle Photo­syn­these werden – die Umwandlung von Sonnen­en­ergie, Wasser und CO2 in chemische Energie.

Dazu braucht es nicht nur technische Innova­tionen und enorme Inves­ti­tionen der Unter­nehmen, sondern auch flankie­rende staat­liche Rahmen­be­din­gungen. Dazu zählen wettbe­werbs­fähige Strom­preise und eine forschungs- und inves­ti­ti­ons­freund­liche Steuer­po­litik, der Aufbau eines inter­na­tio­nalen Verbunds erneu­er­barer Energien und einer Wasser­stoff-Infra­struktur bis zu beschleu­nigten Genehmigungsverfahren.

Nicht zuletzt geht es darum, einen sozial­ver­träg­lichen Weg des ökolo­gi­schen Umbaus einzu­schlagen, der Beschäf­tigung und Einkommen sichert. Die deutschen Chemie­un­ter­nehmen stehen im globalen Wettbewerb. Sie können ihn nur mit Forschung & Innovation, der Qualität ihrer Produkte, einer vorbild­lichen Sicher­heits­kultur und attrak­tiven Arbeits­be­din­gungen bestehen. Es geht um die Entwicklung nachhal­tiger Produk­ti­ons­ver­fahren, Produkte und Geschäfts­mo­delle, die global anschluss­fähig sind, insbe­sondere in den Wachs­tums­re­gionen Asiens, Afrikas und Latein­ame­rikas. So kann aus der Heraus­for­derung des Klima­wandels eine ökono­mische und soziale Erfolgs­ge­schichte werden.

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