Potenzial für Nieder­sachsen: CO2-Entnahme und Negative Emissionen

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Am 24. April hat LibMod ein Fach­ge­spräch zum Thema CO2-Entnahme und Carbon Manage­ment in Nieder­sachsen veran­staltet. Für die Umsetzung der Carbon Manage­ment Strategie sind die Bundes­länder zentral. Nieder­sachsen hat durch die Nord­see­küste, ausge­dehnte Land­wirt­schaft und Wälder ein beson­deres Potenzial.

Als flächen­mäßig zweit­größtes Bundes­land mit einer 300km langen Nord­see­küste, ausge­dehnten land­wirt­schaft­lich genutzten Flächen und vielen Mooren, sowie einer großen Automobil‑, Chemie-, Stahl- und Papier­in­dus­trie kommt Nieder­sachsen in der Diskus­sion über ein inte­griertes Carbon Manage­ment eine wichtige Rolle zu. Das Land birgt nicht nur selbst viele Poten­ziale zur CO2-Entnahme und lang­fristig negativen Emis­sionen, es liegt auch geogra­fisch zwischen den Spei­cher­stätten in der Nordsee und den CO2-Emit­tenten im südlichen Teil Deutschlands.

Die von der Bundes­re­gie­rung veröf­fent­lichten Eckpunkte einer natio­nalen Carbon Manage­ment Strategie fokus­sieren sich bislang auf das Abscheiden, Speichern und Wieder­ver­wenden von CO2 (CCS/​CCU). Aller­dings wird darüber hinaus die Entnahme von CO2 aus der Atmo­sphäre (CDR) lang­fristig immer rele­vanter. Ohne Carbon Manage­ment – CDR, CCS und CCU – lässt sich das Ziel, bis 2045 treib­haus­gas­neu­tral zu sein, nicht erreichen. Dasselbe gilt für eine netto-Treib­haus­gas­ne­ga­tiv­bi­lanz ab 2050. In Deutsch­land werden die durch CDR auszu­glei­chenden Rest­emis­sionen bis zur Mitte des Jahr­hun­derts auf 60 bis 130 Mega­tonnen CO₂-Äqui­va­lent (MtCO2Aq) geschätzt.

Wir bedanken uns bei Anne Merfort (Potsdam-Institut für Klima­fol­gen­for­schung), Michael Sswat (GEOMAR Helmholtz-Institut für Ozean­for­schung), Klaus Wallmann (GEOMAR Helmholtz-Institut für Ozean­for­schung) und Christoph Benze (Nieder­säch­si­sches Minis­te­rium für Umwelt, Energie und Klima­schutz) für ihre aufschluss­rei­chen Präsen­ta­tionen und Impulse.

Poten­ziale Niedersachsens

Das Land Nieder­sachsen verfügt über 1,2 Mio. Hektar Wald und 2,6 Millionen Hektar Agrarland. Konven­tio­nelle, land­ba­sierte Carbon Dioxide Removal Methoden, wie (Wieder)Aufforstung, Wieder­vernäs­sung von Mooren, Agro­forst­sys­teme, Boden­koh­len­stoff­an­rei­che­rung und Wald­ma­nage­ment können daher eine bedeu­tende Rolle für die CO2-Entnahme spielen. Doch auch bei diesen, meist als natürlich wahr­ge­nommen und weniger umstrit­tenen Methoden gibt es offene Fragen. So ist die Dauer­haf­tig­keit der CO2-Spei­che­rung, beispiels­weise nach Bränden oder Trocken­pe­ri­oden, nicht gewähr­leistet. Zudem sind Land­nut­zungs­kon­flikte mit Land­wir­tinnen und Land­wirten zu erwarten.

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Auch offshore Carbon Dioxide Removal ist für Nieder­sachsen relevant. So wird die Kohlen­stoff­spei­che­rung in Küsten­zonen durch die Vermeh­rung von Salz­mar­schen, Makro­algen wie Kelp- und Tang­wälder und Seegras­wiesen erforscht. Diese Rena­tu­rie­rung von Küsten­re­gionen kann die Arten­viel­falt erhöhen und den Küsten­schutz verbes­sern. Aller­dings bestehen auch hier Nutzungs­kon­flikte mit der Schiff­fahrt, Marine, Fischerei, oder der Industrie. Die Risiken von CDR für die Ökosys­teme durch Erwärmung, einen Anstieg des Meeres­spie­gels oder Land­nut­zungs­wandel werden weiter erforscht. Auch bei der Alka­li­ni­sie­rung – einem Prozess, bei dem säure­bin­dende Wasser­be­stand­teile in den Meeren CO2 speichern – sind große Spei­cher­po­ten­ziale zu erwarten. Aller­dings ist die Feld­for­schung in Deutsch­land bislang nicht erlaubt.

Off- und onshore CO2-Spei­che­rung

Die Nordsee bietet großes Potenzial für CO2-Spei­che­rung. In Norwegen wird bereits seit 25 Jahren in subma­rinen Forma­tionen CO2 in indus­tri­ellem Maßstab gespei­chert. Die Spei­cher­ka­pa­zität in der deutschen Nord­see­re­gion wird auf 1 bis 6 Milli­arden Tonnen CO2 geschätzt. Aufgrund der Nutzungs­kon­flikte (Marine, Windparks etc.) und Risiken (z. B. Störungs­zonen in den Gesteins­schichten) wird jedoch nicht das volle Potenzial genutzt werden können.

Deutlich mehr Potenzial für CCS besteht an Land. Zwar gibt es bisher in Deutsch­land ein Verbot von CCS an Land, aber durch die Öffnungs­klausel der Carbon Manage­ment Strategie des Bundes können Bundes­länder dieses Verbot kippen. Das könnte sich klima­po­li­tisch durchaus lohnen. Die Kosten für CCS an Land sind geringer und das Potenzial größer als bei der offshore Spei­che­rung oder dem Export von CO2 zu auslän­di­schen Spei­cher­stätten. Doch es gibt Bedenken hinsicht­lich der Umwelt­ri­siken, einer Beein­träch­ti­gung der Biodi­ver­sität oder auch der Folgen von Erdbeben. Diese Risiken sind noch nicht ausrei­chend untersucht.

Onshore CO2-Spei­che­rung ist in Nieder­sachsen seit 2015 verboten. Momentan ist nicht geplant, diesen Status quo zu ändern. Es könnte erst die offshore Spei­che­rung zur Reife gebracht werden, um mit diesen Erfah­rungen die Spei­che­rung am Land zu testen.

CO2-Spei­cher­op­tionen im Vergleich

Quelle: Präsen­ta­tion von Klaus Wallmann, GEOSTOR, GEOMAR Helmholtz-Institut für Ozean­for­schung, Kiel.

CO2-Infra­struktur: Um CCS zu nutzen, sei es für die Spei­che­rung in der deutschen Nord­see­re­gion oder für den Export von CO2 nach Norwegen, braucht es mittel­fristig den Aufbau einer CO2-Infra­struktur in Nieder­sachsen. Auf diese sind andere Bundes­länder und vor allem die ener­gie­in­ten­siven Indus­trien, wie Zement‑, Stahl‑, oder die Kalk­in­dus­trie ange­wiesen. Bisher wird CO2 mit Zügen und Schiffen trans­por­tiert, lang­fristig sind Pipelines geplant. Der Pipe­linebau steht jedoch vor allem in Nieder­sachsen in Konkur­renz zum Leitungs­ausbau des Wasser­stoff­kern­netzes oder des Vertei­ler­aus­baus. Die dafür zur Verfügung stehende Fläche ist bereits jetzt begrenzt.

Finan­zie­rung: Je nach Spei­cherort (offshore oder onshore in Deutsch­land oder im euro­päi­schen Ausland) und Entnah­me­me­thode unter­scheiden sich die Kosten. Sie werden in den nächsten Jahr­zehnten auf ca. 200 bis 20 Euro pro Tonne CO2 geschätzt. Die Preis­skala zeigt, dass die Hoffnung, durch CO2-Entnahme allein unsere Klima­pro­bleme zu lösen, illu­so­risch ist. Einer­seits wird CO2-Entnahme nicht ausrei­chen, wenn wir nicht zunächst auch unsere vermeid­baren Emis­sionen redu­zieren. Ande­rer­seits sind viele emis­si­ons­re­du­zie­rende Klima­schutz­maß­nahmen schlichtweg günstiger und somit wirt­schaft­li­cher als die meisten CO2-Entnah­me­me­thoden. Um CCS wirt­schaft­lich zu machen, muss der Preis der CO2-Zerti­fi­kate, die im Emis­si­ons­han­del­system (EU ETS) erhält­lich sind, mindes­tens verdop­pelt werden.

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Industrie: In der Diskus­sion des Fach­ge­sprächs wurde am Beispiel der Zement­in­dus­trie aufge­zeigt, dass ener­gie­in­ten­sive Indus­trien in den nächsten Jahren große Mengen unver­meid­barer Emis­sionen abscheiden und speichern müssen, um die Klima­schutz­ziele bis 2045 und darüber hinaus zu erreichen. Dabei ist vor allem die dafür notwen­dige Pipe­lin­einfra­struktur zentral, die zeitnah gebaut werden muss, um die erheb­li­chen Mengen CO2 zu trans­por­tieren. Auch braucht es für CCS große Mengen erneu­er­barer Energien, schät­zungs­weise das fünffache der jetzt verfüg­baren Kapa­zi­täten. Hier befindet sich Nieder­sachsen bereits im Ausbau von vor allem Windenergie.

Offen bleibt die Finan­zie­rung der Infra­struktur. Denn die Carbon Manage­ment Strategie des Bundes spricht sich für eine privat­wirt­schaft­liche Finan­zie­rung aus, welche momentan noch nicht wirt­schaft­lich für Unter­nehmen ist. Die Infra­struktur wird lang­fristig einen gesamt­ge­sell­schaft­li­chen Nutzen für das Erreichen von negativen Emis­sionen haben. Es könnte sich also für den Staat lohnen, in CO2-Infra­struktur zu investieren.

Soziale Akzeptanz: Ein höherer CO2-Zerti­fi­kats­preis führt dazu, dass Produkte wie Zement, Stahl oder Glas sich deutlich verteuern werden. Durch diese Preis­er­hö­hungen kann die gesell­schaft­liche Akzeptanz für Carbon Manage­ment schnell sinken. Neben staat­li­chen Subven­tionen kann eine künftig effi­zi­en­tere Produk­ti­ons­weise dabei helfen, die Preise zu kontrollieren.

Das Fach­ge­spräch hat deutlich gemacht, dass die Kommu­ni­ka­tion von Politik, Forschung, Industrie und Umwelt­ver­bänden ein zentraler Erfolgs­faktor für die disku­tierten Maßnahmen ist.

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