Kommt jetzt die Rezession?

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Der Handels­krieg zwischen den USA und China, der Brexit, die italie­nische Haushalts­po­litik: Deutsch­lands Wirtschaft entwi­ckelte sich 2018 schlechter als erwartet. Der Grund liegt vor allem in außen­po­li­ti­schen Krisen, die sich 2019 fortsetzen werden. Erste Kommen­ta­toren nehmen bereits das R‑Wort in den Mund.

Rückblick 2018: Was lief schief?

Nach dem eupho­ri­schen Start in das Jahr 2018 verflog der Optimismus in der zweiten Jahres­hälfte. Dies äußerte sich unter anderem in einer gerin­geren Dynamik der Auftrags­ein­gänge und der Umsätze sowie einer Verschlech­terung der unter­neh­me­ri­schen Konjunk­tur­er­war­tungen. Die Folge war ein Nachlassen der Produk­ti­ons­zu­wächse, die dann zu einem geringen Wachstum des realen Brutto­in­lands­pro­dukts (BIP) führten. Im dritten Quartal 2018 schrumpfte das reale BIP im Vergleich zum zweiten Quartal sogar um 0,2 Prozent. Sollte es im vierten Quartal ebenfalls zu einem BIP-Rückgang kommen (die Zahlen werden Mitte Februar veröf­fent­licht), wäre dies technisch gesehen eine Rezession. 

Portrait von Albrecht Sonntag

Thieß Petersen ist Senior Advisor der Bertelsmann Stiftung und Lehrbe­auf­tragter an der Europa-Univer­sität Viadrina in Frankfurt (Oder).

Die Gründe für das schwä­chere deutsche Wirtschafts­wachstum im Laufe des Jahres 2018 sind meiner Ansicht nach – abgesehen von den Problemen der deutschen Automo­bil­in­dustrie – auf außen­wirt­schaft­liche Unsicher­heiten zurück­zu­führen. Letztere haben wiederum politische Ursachen. Zu nennen sind hier die handels­po­li­ti­schen Strei­tig­keiten zwischen den USA und China, der Rückzug der USA aus zentralen multi­la­te­ralen Verein­ba­rungen, die Verhand­lungen um den anste­henden Brexit, die italie­nische Haushalts­po­litik, die wirtschaft­liche und politische Entwicklung in der Türkei etc. Dies alles dämpfte die weltwirt­schaft­liche Entwicklung. Die Folge für Deutschland war eine nachlas­sende Export­dy­namik und eine Verun­si­cherung der Inves­toren, was beides zu einem gerin­geren Wirtschafts­wachstum führte.

Ausblick 2019: Realwirt­schaft grund­sätzlich stabil

Bei den Aussichten für die Wirtschafts­ent­wicklung der kommenden zwölf Monate ist zwischen den realwirt­schaft­lichen und den politi­schen Rahmen­be­din­gungen zu unterscheiden.

Realwirt­schaftlich gibt es meiner Ansicht nach keine ernst­haften Gründe für ein Nachlassen des Wirtschafts­wachstums – weder weltweit noch in Deutschland: Die weltweit niedrigen Zinsen wirken sich positiv auf die Inves­ti­tionen der Unter­nehmen aus. Die weiterhin wachsende Weltbe­völ­kerung zieht eine steigende Nachfrage nach Gütern und Dienst­leis­tungen nach sich. In Deutschland sorgt eine zuneh­mende Zahl von Erwerbs­tä­tigen für Einkom­mens­zu­wächse, die sich ebenfalls nachfra­ge­stei­gernd auswirken.

Die politi­schen Verun­si­che­rungen wirken hingegen wachs­tums­dämpfend, denn alle politi­schen Risiken, die bereits 2018 die Weltwirt­schaft verun­si­cherten, nehmen 2019 tenden­ziell zu. Das globale Wirtschafts­wachstum dürfte daher 2019 etwas schwächer ausfallen als 2018.

USA: Wachs­tums­im­pulse der populis­ti­schen Wirtschafts­po­litik lassen nach

Ein wichtiger Grund für das gegen­wärtig noch hohe Wachstum der US-Wirtschaft ist die Kombi­nation aus Steuer­sen­kungen und höheren Staats­aus­gaben. Steuer­sen­kungen erhöhen den privaten Konsum und die unter­neh­me­ri­schen Inves­ti­tionen. Höhere Staats­aus­gaben steigern die Güter­nach­frage. Wegen der hohen Güter­nach­frage nehmen Produktion und Beschäf­tigung in den USA zu. Die Wachs­tums­im­pulse dieser Fiskal­po­litik haben ihren größten Effekt in dem Jahr, in dem sie durch­ge­führt werden. Das Wachstum des realen US-BIP wird daher 2019 geringer ausfallen als 2018. Darüber hinaus führen Steuer­sen­kungen in Kombi­nation mit Staats­aus­ga­ben­er­hö­hungen zu einem Anstieg der ameri­ka­ni­schen Staats­ver­schuldung. Weitere kredit­fi­nan­zierte Konjunk­tur­pakete lassen sich daher immer schwerer durch­führen. Auch dies schwächt das Wachstum. Der US-Wirtschaftsboom dürfte deshalb bereits 2019 nachlassen und sich 2020 weiter abschwächen.

Europa: Politische Verun­si­cherung schwächt die großen Volkswirtschaften

In Europa schwächt sich das Wirtschafts­wachstum in allen großen Volks­wirt­schaften ab. Die Gründe dafür sind erneut vor allem politi­scher Natur:

  • Alle europäi­schen Volks­wirt­schaften leiden unter dem zuneh­menden Protek­tio­nismus, der die Export­chancen verringert – allen voran die Export­nation Deutschland.
  • Die Unsicherheit über die Regelung der zukünf­tigen wirtschaft­lichen Bezie­hungen zwischen dem Verei­nigten König­reich und der Europäi­schen Union (EU) verun­si­chert Inves­toren in ganz Europa.
  • In Italien steigt die Staats­ver­schuldung unter der populis­ti­schen Regierung weiter an. Das Vertrauen in die Kredit­wür­digkeit Italiens sinkt. Die Zinsen steigen. Dies wirkt sich negativ auf die Inves­ti­tionen aus. Die damit verbundene Verun­si­cherung der Kapital­geber und Inves­toren kann sich rasch auf weitere hochver­schuldete EU-Länder ausweiten.
  • In Frank­reich sind Reform­be­mü­hungen, die das Wachstum stärken könnten, durch den Protest gegen die Regierung vorerst zum Erliegen gekommen.

Schlechtere Export­mög­lich­keiten und die Verun­si­cherung der Inves­toren führen zu einem Nachlassen der wirtschaft­lichen Dynamik in ganz Europa.

Die großen Wachs­tums­ri­siken: Wachsender Protek­tio­nismus und politische Unsicherheiten

Die gegen­wärtig größte Konjunk­tur­gefahr geht meiner Ansicht nach von der drohenden Eskalation der weltweiten Handels­kon­flikte aus: Das kredit­fi­nan­zierte Wirtschafts­wachstum der USA führt zu einer hohen Nachfrage nach Gütern aus dem Ausland, weil diese Nachfrage nicht von den heimi­schen Unter­nehmen bedient werden kann. Das US-Handels­bi­lanz­de­fizit wird daher 2019 voraus­sichtlich weiter ansteigen. Diese Entwicklung könnte Donald Trump zu weiteren protek­tio­nis­ti­schen Maßnahmen bewegen. Sofern die davon betrof­fenen Handels­partner ihrer­seits mit Protek­tio­nismus antworten, droht eine Eskalation der weltweiten Handelskonflikte.

Die zweit­größte Bedrohung des weltweiten Wirtschafts­wachstums besteht aus einer Zuspitzung der übrigen politi­schen Unsicher­heiten. Unsicherheit ist Gift für Inves­ti­tionen und bewirkt einen Rückgang von Produktion und Beschäf­tigung. Darüber hinaus können politische Risiken Konse­quenzen für die Finanz­märkte haben: Die jahre­lange Erhöhung der globalen Geldmenge durch die Zentral­banken hat auf den Märkten für Vermö­gens­ge­gen­stände (Aktien, Immobilien etc.) dazu geführt, dass es Anzeichen für Speku­la­ti­ons­blasen gibt. Politische Verun­si­che­rungen können der Auslöser sein, der eine Speku­la­ti­ons­blase zum Platzen bringt. Die Folge wäre ein abrupter wirtschaft­licher Einbruch – so, wie nach der Lehman-Pleite 2008.

Protek­tio­nismus und politische Unsicher­heiten haben darüber hinaus einen prägenden Einfluss auf die Konjunk­tur­er­war­tungen der Wirtschafts­ak­teure – ein psycho­lo­gi­sches Phänomen, das nicht zu unter­schätzen ist.

Die Rolle der Erwartungen

Blicken wir kurz auf die Entwicklung der Konjunk­tur­er­war­tungen für Deutschland im Zeitablauf:

  • Zu Beginn des Jahres 2017 gingen die meisten Prognosen davon aus, dass die deutsche Wirtschaft 2017 um 1,3 bis 1,5 Prozent wächst. Tatsächlich nahm das BIP um 2,2 Prozent zu.
  • Das überra­schend starke Wachstum des Jahres 2017 beflü­gelte die Erwar­tungen für 2018 und führte zu den bereits genannten Prognosen im Bereich von bis zu 2,5 Prozent Wirtschafts­wachstum für 2018.

Während das überra­schend gute Wachstum des Jahres 2017 also zu überop­ti­mis­ti­schen Erwar­tungen für das Jahr 2018 führte, kann das schwä­chere Wachstum des Jahres 2018 nun zu übertrieben pessi­mis­ti­schen Erwar­tungen für 2019 führen. Leider kann diese Erwar­tungs­haltung tatsächlich zu einer wirtschaft­lichen Abkühlung führen: Wenn viele Unter­nehmen und Verbraucher befürchten, dass die Wirtschaft in den nächsten zwölf Monaten schwächer wächst (oder sogar schrumpft), werden sie ihre Entschei­dungen daran anpassen: In den Unter­nehmen finden keine Erwei­te­rungs­in­ves­ti­tionen und Neuein­stel­lungen statt. Verbraucher schränken ihre Güter­nach­frage ein, um für unsichere Zeiten zu sparen. Im Ergebnis bewirkt das eine nachlas­sende Güter­nach­frage, an die sich die Unter­nehmen mit ihrer Produktion anpassen. Damit verschlechtern sich die Konjunk­tur­aus­sichten weiter, was zu entspre­chenden Reaktionen der Wirtschafts­ak­teure führt – der Abschwung setzt sich fort.

Ausblick auf 2019

Was bedeutet dies nun alles für die Konjunk­tur­aus­sichten für dieses Jahr? Ich gehe davon aus, dass es bei einer rein realwirt­schaft­lichen Betrachtung kaum Gründe gibt, dass die Weltwirt­schaft und die deutsche Wirtschaft 2019 schwächer wachsen als 2018. Aller­dings führen die vielen politi­schen Risiken in den USA und Europa zu einer Verun­si­cherung von Kapital­an­legern und Inves­toren. Die Börsen­tur­bu­lenzen seit Dezember 2018, die unter anderem eine Reaktion der Kapital­märkte auf die zuneh­menden politi­schen Risiken sind, stellen eine weitere Quelle der Verun­si­cherung dar.

Dennoch gibt es meiner Einschätzung nach vorerst keinen Grund zur Panik: Das deutsche BIP wird 2019 wohl wachsen. Auch die Beschäf­tigung wird weiter zunehmen. Eine Rezession im Sinne einer Verrin­gerung des realen BIP 2019 gegenüber 2018 sehe ich nicht. Die aktuellen Prognosen erwarten in Deutschland 2019 bezüglich des realen BIP ein Wachstum, das bei rund 1,5 Prozent liegt (etwa das IW Halle mit 1,4 Prozent oder das DIW Berlin mit 1,6 Prozent). Realwirt­schaftlich betrachtet ist dies meiner Einschätzung nach eine vernünftige Erwartung.

Die große Unsicherheit bezüglich der wirtschaft­lichen Entwicklung 2019 ist im politi­schen Bereich zu finden. Sollte es hier zu unerwar­teten Verwer­fungen kommen, wird die Wirtschafts­ent­wicklung wesentlich ungemüt­licher als derzeit erwartet. Weltweit gilt es daher alles daran­zu­setzen, eine Eskalation der politi­schen Unsicher­heiten zu verhindern.

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