Vorraus­set­zungen einer sozial-ökolo­gi­schen Transformation

Albachiaraa /​ Shutter­stock

Die einfachen Umwelt­pro­bleme sind gelöst, vor uns liegen die schwie­rigen Fälle: Erder­wärmung, Biodi­ver­si­täts­verlust, Ressour­cen­ver­brauch. Die Grenzen klassi­scher Politik sind erreicht, nun muss eine trans­for­mative Umwelt­po­litik die wirtschaft­lichen und gesell­schaft­lichen Systeme gezielt umgestalten. Dem Staat kommt dabei eine aktive Rolle zu. Er kann die Eigen­in­itiative von Unter­nehmen und Bürgern nicht ersetzen, sondern muss sie dabei unter­stützen, die ökolo­gi­schen Heraus­for­de­rungen zu bewäl­tigen und den Wohlstand zu bewahren.

Blickt man auf die letzten 50 Jahre der Umwelt­po­litik in  Deutschland zurück, so war sie unbestreitbar in vielen Bereichen sehr erfolg­reich. Die Luftqua­lität hat sich deutlich verbessert, der Zustand der Abwässer, die in die Flüsse entlassen werden, ist ebenfalls deutlich besser geworden und die Befürchtung, dass ganz Deutschland in seinen Abfällen erstickt, wie dies Anfang der 1990er-Jahre noch schien, hat sich nicht bewahr­heitet. Ein Grund zum Feiern ist dies jedoch nicht. Retro­spektiv betrachtet haben wir die einfa­cheren Umwelt­pro­bleme gelöst. Vor uns liegen die schwie­rigen Fälle: Treib­haus­gas­emis­sionen und die resul­tie­rende Erder­wärmung, Biodi­ver­si­täts­ver­luste, diffuse Stoff­ein­träge unter­schied­lichster Art, zu hohe Ressour­cen­ver­bräuche etc. Die Politik sieht sich einer Dimension der Probleme gegenüber, die sowohl in ihrer Komple­xität als auch in ihrer Reich­weite über die Heraus­for­de­rungen aus den Anfangs­zeiten der Umwelt­po­litik weit hinausgehen.

Skala und Komple­xität von Umwelt­pro­blemen nehmen deutlich zu

Die Haupt­ur­sache für die zuneh­mende Skala und Komple­xität der aktuellen und künftig erwart­baren Umwelt­pro­bleme liegt schlicht in der immer umfang­rei­cheren Einwirkung des Menschen auf die globale Umwelt. Diese hat ein solches Ausmaß angenommen, dass von einer neuen geolo­gi­schen Epoche gesprochen werden kann, in der die Menschheit selbst eine globale geophy­si­ka­lische Kraft darstellt, dem „Anthro­pozän“. Weiteres Bevöl­ke­rungs- und Wirtschafts­wachstum lassen es als sicher erscheinen, dass der ökolo­gische Fußab­druck des Menschen auf der Erde immer größer wird.

Verschiedene Faktoren kommen noch hinzu, die die Probleme verschärfen. So ist eine wesent­liche Ursache für die Komple­xität der Umwelt­pro­bleme die wachsende inter­na­tionale Verflechtung. Viele der Umwelt­pro­bleme, mit denen wir es heute zu tun haben, sind entweder selber globaler Natur oder ihre Treiber sind eng mit dem Phänomen der Globa­li­sierung verknüpft. Bei den Treib­haus­gas­emis­sionen ist unmit­telbar ersichtlich, dass eine Lösung nur im inter­na­tio­nalen Zusam­men­spiel zu erreichen ist – was es erfor­derlich macht, sehr viele unter­schied­liche Inter­essen mitein­ander zu verbinden. Ähnliches gilt für Plastik­ein­träge in die Meere oder die Übernutzung von Fisch­be­ständen. Immer öfter und immer stärker spielt aber auch die Verla­gerung der Umwelt­pro­bleme über den inter­na­tio­nalen Handel eine Rolle. So kann die Europäische Union zwar darauf verweisen, dass sich viele Umwelt­in­di­ka­toren innerhalb ihrer Grenzen verbessert haben. Dies liegt aber in vielen Fällen nur daran, dass die (umwelt­be­las­tende) Produktion der Güter, die hier konsu­miert werden, zunehmend in andere Länder außerhalb der Union trans­fe­riert worden ist. Insgesamt gesehen hat sich die Umwelt­bilanz in den letzten Jahrzehnten verschlechtert. Unsere Umwelt­po­litik war also nur partiell erfolg­reich. Inter­na­tionale Verknüp­fungen bei Produktion und Handel wie auch bei den Regelungs­sys­temen führen dazu, dass viele der gravie­renden aktuellen Umwelt­pro­bleme national nicht mehr gelöst werden können.

Eine weitere umwelt­po­li­tische Heraus­for­derung besteht darin, dass viele der weniger eingriffs­tiefen (also einfacher umzuset­zenden) Maßnahmen bereits umgesetzt worden sind. Deutlich wird dies etwa am aktuellen Beispiel der Abgas­dis­kussion im Straßen­verkehr. Bekannt ist, dass die geltenden Grenz­werte für die Abgase (Stick­oxide, Feinstaub und CO2-Emissionen) immer noch mit erheb­lichen negativen Umwelt- und Gesund­heits­aus­wir­kungen verknüpft sind. Notwendig wäre eine weitere, möglichst rasche Absenkung der Grenz­werte. Gleich­zeitig haben die Automo­bil­her­steller in der Vergan­genheit und bis in die Gegenwart hinein erheb­liche Probleme, die schon bestehenden Grenz­werte einzu­halten. Eine zusätz­liche Absenkung der Grenz­werte in einem für die Gesundheit und Umwelt erfor­der­lichen Maß stellt die Automo­bil­in­dustrie und damit das bestehende Verkehrs­system vor gravie­rende Schwierigkeiten.

Dieser Fall ist sympto­ma­tisch für die Situation, in der wir uns in vielen Bereichen befinden. Um die aktuellen und künftig abseh­baren Umwelt­pro­bleme einzu­dämmen, müssten drastische Reduk­tionen in den Emissionen von Schad­stoffen sowie bei Energie- und Ressour­cen­ver­brauch erfolgen. Mit den bestehenden Techno­logien und in den bestehenden Produk­tions- und Verbrauchs­mustern ist dies aber kaum umsetzbar.

Eine adäquate Reaktion auf die Umwelt­pro­bleme erfordert einen neuen Ansatz in der Wirtschaftsund Umweltpolitik

Wie aus den vorhe­rigen Abschnitten hervorgeht, bedarf es eines neuen, integrierten Ansatzes, um den gegen­wär­tigen Umwelt­pro­blemen wirksam zu begegnen. Dabei dürfen Probleme nicht länger isoliert betrachtet werden, vielmehr muss ihre ständige Inter­aktion mit unter­schied­lichen Sektoren, Regie­rungs­ebenen sowie räumlichen und zeitlichen Dimen­sionen anerkannt werden. Eine punktuelle Reduktion einzelner Umwelt­aus­wir­kungen ist nicht mehr ausrei­chend. Die Grenzen der klassi­schen Umwelt­po­litik sind hier deutlich sichtbar.

Was statt­dessen benötigt wird, ist eine Umwelt­po­litik, die eine umfang­reiche Trans­for­mation von Wirtschaft und Gesell­schaft initiiert, fördert und gestaltet. Dieser Ansatz einer trans­for­ma­tiven Umwelt­po­litik, die gezielt die Umgestaltung wirtschaft­licher und gesell­schaft­licher Systeme anstrebt, stellt eine Antwort auf die globalen Umwelt­pro­ble­ma­tiken der Gegenwart dar, die über die bisherige Strategie einzelner isolierter Maßnahmen hinausgeht.

Ein solcher Wandel komplexer Systeme ist speziell in Deutschland nicht einfach. Die in den meisten Fällen bereits sehr ausdif­fe­ren­zierten und histo­risch fest fundierten wirtschaft­lichen und gesell­schaft­lichen Systeme sowie die Zersplit­terung recht­licher und politi­scher Zustän­dig­keiten erschweren es, sich auf tiefgrei­fende, system­än­dernde Maßnahmen zu verstän­digen. Nichts­des­to­trotz ist eine Umwelt­po­litik erfor­derlich, die bereit ist, die Führung bei der Initi­ierung und Lenkung der benötigten Trans­for­mation zu übernehmen.

Eine Degrowth-Strategie wird bei der Lösung der Probleme nicht helfen

Vor dem Hinter­grund der aktuellen Probleme lautet eine gängige Forderung, auf Wirtschafts­wachstum zu verzichten und sich auf Suffi­zienz zu fokus­sieren. In Anbetracht der bereits ausge­schöpften natür­lichen Ressourcen sehen Befür­worter des Degrowth-Ansatzes die einzige Möglichkeit zur Sicherung des Planeten in der Verrin­gerung des Konsums. In ihren Augen stellen techno­lo­gische Innova­tionen und die Steigerung von Ressourcen- und Energie­ef­fi­zienz zudem keine befrie­di­genden Lösungen dar, da steigende Nachfragen dennoch zu vermehrtem Umwelt­ver­brauch führen.

Bei diesen Überle­gungen wird oft außer Acht gelassen, dass sich die Zahl der Bewohner auf der Erde trotz einer abfla­chenden Zunahme und einer erwart­baren Stabi­li­sierung der Weltbe­völ­kerung vermutlich noch um den Faktor 1,5 erhöhen wird. Und wichtiger ist noch, dass man in großen Teilen der Welt den berech­tigten Wunsch hat, zu den Indus­trie­na­tionen mit Blick auf Bildung, Lebens­er­wartung, Zugang zu sauberem Wasser, Ernährung etc. aufzu­schließen. Ein wesent­licher Grund, weshalb die erheb­lichen und häufig ja auch bereits sicht­baren Umwelt­pro­bleme noch nicht die erfor­der­liche Aufmerk­samkeit erhalten, besteht darin, dass sie im Vergleich zu den sozialen Problemen immer noch eher klein erscheinen und dass der bisherige Entwick­lungspfad in den letzten 50 Jahren eine enorme Steigerung an Wohlfahrt für einen Großteil der Menschheit bewirkt hat. Dies geht bei den Debatten zu den wachsenden Umwelt­pro­blemen schnell unter. Lösungen, die die Inter­es­sen­lagen der Menschheit nicht wider­spiegeln, werden keine Aussicht auf Erfolg haben. Und eine Trans­for­mation in Deutschland, die inter­na­tional nicht anschluss­fähig ist, ist ebenfalls weder sinnvoll noch faktisch umsetzbar.

Notwendig ist eine Serie von Trans­for­ma­tionen in allen wichtigen Sektoren mit dem Ziel einer Green Economy

Was benötigt wird, ist ein radikaler Umbau der meisten Wirtschafts­sek­toren – ein Umbau, der weit über die derzei­tigen Initia­tiven und punktu­ellen Verän­de­rungen hinausgeht. Ein Beispiel hierfür ist die Energie­wende mit ihrem Umbau zu einem Energie­system, das auf ganz anderen Grund­lagen steht. Beispielhaft ist die Energie­wende aber nicht nur deshalb, weil sie das Ausmaß des Umbaus aufzeigt, sondern auch, weil sie deutlich macht, wie groß die Hinder­nisse sein werden, aber auch welche neuen Chancen sich damit verbinden. Diese Chancen gehen weit über die Entwicklung eines Energie­systems hinaus, das keine Treib­hausgase mehr erzeugt, sondern das durch seine lokalen Erzeu­gungs­mög­lich­keiten einen wichtigen Beitrag zum Abbau inter­na­tio­naler Spannungen, zur Erhöhung der Versor­gungs­si­cherheit sowie zur Steigerung dezen­traler Wertschöpfung leisten kann. Beispielhaft ist die Energie­wende auch deshalb, weil sie in einer fernen Perspektive die Möglichkeit beinhaltet, Energie noch wesentlich kosten­güns­tiger zu produ­zieren, womit sich sowohl aus der Perspektive gesell­schaft­licher Wohlfahrt als auch aus Umwelt­sicht neue Optionen verknüpfen.

Eine Trans­for­mation vom Ausmaß der Energie­wende deutet sich im Verkehrs­be­reich längst an. Dort geht es nicht nur um die Einführung autonomer Elektro­fahr­zeuge. Die Verkehrs­wende wird mit einer Vielzahl von neuen Formen von Mikro­mo­bi­lität, Sharing-Konzepten, vor allem aber auch einer neuen Perspektive auf Stadt­ent­wicklung und Digita­li­sierung zu einer vollstän­digen Trans­for­mation von Mobilität führen und gleich­zeitig Trans­for­ma­ti­ons­pro­zesse in anderen Bereichen fördern. Erkennbar relevant wird auch die Agrar­wende, wenngleich viele Akteure dies noch beharrlich ablehnen. Auch sie wird zu grund­le­genden Verän­de­rungen führen, wie etwa der deutlichen Reduktion von Fleisch­pro­duktion, der Abkehr von Pesti­zid­einsatz, einer verbrauchs­nahen Produktion, einer stärkeren Digita­li­sierung etc. Und auch hier ergeben sich durch den Umbau ganz neue Möglich­keiten, sei es im Bereich des „Vertical Farming“, also der High-Tech-Nahrungs­mit­tel­pro­duktion in städti­schen Gebäuden, oder dem Neuaufbau von Systemen der Proteinerzeugung.

Die sozial-ökolo­gische Trans­for­mation wird sich über kurz oder lang durch sämtliche Sektoren hindurch­ziehen. Eine Ressourcen- und Materi­al­wende, bei der sich eine Kreis­lauf­wirt­schaft mit einem „inneren Wachstum“ durch Ausnutzung der enormen Effizienz und Konsis­tenz­po­ten­ziale in der Wirtschaft verknüpft, wird beispiels­weise ein weiterer, zentraler Baustein sein. Letzt­liches Ziel muss eine Green Economy sein, also eine CO2-neutrale, ressour­cen­ef­fi­ziente, umwelt­freund­liche und sozial integrative Wirtschaft. Eine solche Wirtschaft wird langfristig ein höheres BIP-Wachstum hervor­bringen. Wirtschafts­wachstum ist damit weiterhin ein Bestandteil einer grünen Wirtschaft. Jedoch geht es um ein neues ökono­mi­sches Paradigma, in dem materi­eller Wohlstand nicht mit erhöhten Umwelt­ri­siken und ökolo­gi­scher Knappheit einhergeht.

Der Wandel hin zu einer Green Economy gelingt nur, wenn der Staat trans­for­mierend eingreift

Die sozial-ökolo­gische Trans­for­mation ist gestaltbar. Für die nationale Umwelt­po­litik wie auch für die vielen anderen relevanten Akteure gibt es dazu diverse Möglich­keiten. Damit die deutsche Umwelt­po­litik in diesem Trans­for­ma­ti­ons­prozess die notwendige Führungs­rolle übernimmt, muss sie neu konzi­piert werden. Trans­for­mative Umwelt­po­litik muss als Gesell­schafts­po­litik verstanden und imple­men­tiert werden. Sie muss viel stärker als bisher in andere Politik­felder und in die Gesell­schaft hinein­wirken. Dabei reicht es nicht aus, anderen Akteuren zuzuhören und ihre Inter­es­sen­lagen und Erwar­tungs­hal­tungen zu berück­sich­tigen. Eine trans­for­mative Umwelt­po­litik muss darauf abzielen, auf Augenhöhe mit anderen Akteuren in Wirtschaft und Gesell­schaft einen Dialog zu führen und verein­barte Ziele gemeinsam, planmäßig und zuver­lässig umzusetzen. Dazu wiederum ist es wichtig, soziale, technische und ökono­mische Trends frühzeitig zu erkennen, sie aufzu­greifen und in Richtung einer nachhal­tigen Entwicklung weiter­zu­führen. Die geeig­neten Akteure müssen identi­fi­ziert oder gar erst aufgebaut werden. Ebenso müssen strate­gische Gelegen­heits­fenster recht­zeitig erkannt oder auch gezielt geschaffen werden. Eine trans­for­mative Umwelt­po­litik muss auch die Diskussion über gesell­schaft­liche Werte einschließen und öffent­liche Diskurse beein­flussen. Klassische Umwelt­po­litik, die lediglich bei besonders sicht­baren Umwelt­pro­blemen eingreift, reicht nicht mehr aus. In der Zukunft werden ihre Instru­mente zwar weiter von Bedeutung sein, ihre Begrün­dungs­basis und ihre konzep­tio­nelle Grundlage ist aber überholt.

Ein zentraler Ansatz­punkt für eine erfolg­reiche Trans­for­ma­ti­ons­po­litik ist, gesell­schaft­lichen Werte­wandel aufzu­greifen und voran­zu­treiben. Ob ein Tempo­limit als tiefer Eingriff in die persön­lichen Freiheits­rechte angesehen wird oder als ein notwen­diger Bestandteil einer staat­lichen Pflicht zur Verkehrs­si­cherung, ist abhängig von Wertur­teilen. Die Tatsache, dass in anderen Kulturen und zu anderen Zeiten eine ganz andere Perspektive auf bestimmte Produkte, Dienst­leis­tungen, Verhal­tens­weisen etc. herrscht(e), belegt, dass nicht nur die Schönheit, sondern auch der Wert eines Gegen­standes ganz im Auge des Betrachters liegt. Der Staat hat hier erheb­liche Möglich­keiten auf die jeweilige Sicht­weise einzu­wirken und mit Blick auf den notwen­digen sozial-ökolo­gi­schen Trans­for­ma­ti­ons­prozess besteht hier auch erheb­licher Bedarf. Während einer­seits ein deutlicher Druck besteht, dass der Klima­schutz verbessert wird, erscheint es etwa nach wie vor nicht nur gesell­schaftlich akzep­tabel, sondern auch erwünscht, stark sprit­ver­brau­chende Autos zu fahren. Eine Politik, die den gesell­schaft­lichen Wandel voran­treiben will, kann hier zu einem Bewusst­seins­wandel beitragen und beispiels­weise heraus­stellen, dass die SUVs, die heute verkauft werden, längst aus der Zeit gefallen und hoffnungslos überholt sind.

Der Staat muss seine Rolle als gestal­tender Akteur im gesell­schaft­lichen Diskurs neu definieren

Als Akteur, der die gesell­schaft­liche Werte­de­batte voran­treibt, muss der Staat den Diskurs mit anderen Akteuren suchen und führen. Es geht dabei nicht nur darum, staat­liche Maßnahmen vorher mit den Betrof­fenen zu disku­tieren, sondern darum, mit ihnen einen laufenden Diskurs über die notwendige Trans­for­mation zu führen. Dazu gehört auch die Schaffung neuer Insti­tu­tionen, die als Akteure des Wandels in bestimmten Bereichen fungieren. Ein gutes Beispiel dafür ist die seiner­zeitige Einrichtung von Eurosif, dem europäi­schen Dachverband für nachhaltige Geldan­lagen. Eurosif wurde auf Anregung der Europäi­schen Kommission gegründet. Die Kommission hat auch die Rahmen­be­din­gungen geschaffen, damit sich der Verband entwi­ckeln konnte. Sowohl der Verband selbst als auch seine zahlreichen Ableger haben im Laufe der Jahre deutlich zur Weiter­ent­wicklung des Themas Nachhal­tigkeit im Finanz­markt beigetragen. In den bevor­ste­henden Trans­for­ma­ti­ons­pro­zessen werden noch viele solcher Akteure erfor­derlich sein.

Ein wichtiger Faktor, um nachhaltige Trans­for­ma­tionen voran­zu­treiben, sind Gelegen­heits­fenster. Fukushima etwa bot die Gelegenheit, die Nutzung der Atomenergie in Deutschland zu beenden. Für Trans­for­ma­ti­ons­pro­zesse sind solche Gelegen­heiten essen­ziell. Sie erleichtern bzw. ermög­lichen teils erst den Start der Trans­for­mation und sie sind auch im weiteren Verlauf von Bedeutung, um die Trans­for­mation weiter voran­zu­treiben und ihre Richtung zu beein­flussen. Monitoring- und Evalua­ti­ons­pro­zesse verbunden mit festen Vorgaben im Hinblick auf Ziele und Fristen sind hier wichtige Ansätze, die inzwi­schen in der Energie­wende, aber auch beim Klima­schutz vielfach etabliert sind.

Kennzeichen der einset­zenden Trans­for­ma­ti­ons­pro­zesse ist auch, dass sie häufig nur aufgreifen, was wirtschaft­liche oder gesell­schaft­liche Entwick­lungen längst begonnen haben. So wird von moderner Mobilität seit geraumer Zeit erwartet, dass sie mit viel gerin­geren Umwelt­be­las­tungen einhergeht. Diese gesell­schaft­liche Forderung wurde mit steigenden Abgas-Grenz­werten festge­schrieben. Der Abgas­skandal hat dann wiederum gezeigt, dass das System mit Benzin- und Diesel­mo­toren die Erwar­tungen nicht mehr erfüllen kann. Der Diesel-Skandal zeigt nun die Möglich­keiten der Politik auf. Sie kann solche krisen­haften Ereig­nisse nutzen, um die Trans­for­mation voran­zu­treiben, statt zu versuchen, die wachsenden Spannungen zwischen Ansprüchen und Realität zu vertu­schen. Das Hinaus­zögern der notwen­digen Trans­for­ma­tionen führt am Ende aber nur dazu, dass Struk­turen, die ohnehin nicht mehr haltbar sind, konser­viert werden. Das kostet nicht nur die betrof­fenen Unter­nehmen, sondern die Volks­wirt­schaft insgesamt extreme Summen. Da in vielen anderen Trans­for­ma­ti­ons­feldern inzwi­schen auch deutliche Diskre­panzen zwischen gesell­schaft­lichen Erwar­tungen, gesetz­lichen Vorgaben und fakti­schem Handeln bestehen, gibt es diverse Möglich­keiten, neue Nuklei für Trans­for­ma­tionen zu schaffen.

Wir müssen „Verläss­lichkeit im Wandel“ sicherstellen

Ein weiterer wichtiger Aspekt einer erfolg­reichen Trans­for­ma­ti­ons­po­litik ist, Verläss­lichkeit im Wandel herzu­stellen. Seit langem ist bekannt, dass es insbe­sondere für Akteure aus der Wirtschaft wichtig ist, feste Rahmen­be­din­gungen und klare Zielvor­gaben zu haben, um eine optimale ökono­mische Entwicklung zu gewähr­leisten. Funda­mentale Trans­for­ma­ti­ons­pro­zesse erzeugen zunächst Unsicherheit. Ihr Ziel ist es ja gerade, bestehende Struk­turen aufzu­brechen. Dazu ist es auch erfor­derlich, Wettbewerb um zukunfts­fähige Lösungen zuzulassen. Welche Techno­logien, welche Geschäfts­mo­delle und welche Verhal­tens­weisen sich künftig als geeignet erweisen, lässt sich im Vornhinein nicht bestimmen. Wichtig ist aber in gleichem Maße, im Verlauf des Trans­for­ma­ti­ons­pro­zesses ab einem bestimmten Zeitpunkt wieder Sicherheit zu schaffen. Hier ist der Staat gefragt. System­trans­for­ma­tionen erfordern ab einem gewissen Zeitpunkt des Hochska­lierens erheb­liche privat­wirt­schaft­liche und öffent­liche Inves­ti­tionen, etwa in neue Ferti­gungs­an­lagen für Batterien und Elektro­fahr­zeuge sowie den Aufbau einer flächen­de­ckenden Ladeinfra­struktur. Privat­wirt­schaft­liche Inves­toren werden aber erst bereit sein, die entspre­chenden Mittel zur Verfügung zu stellen, wenn Verläss­lichkeit im Wandel gegeben ist. Eine Trans­for­ma­ti­ons­po­litik muss also das Kunst­stück beherr­schen, Unsicherheit zu erzeugen und zugleich Sicherheit zu schaffen.

Gerech­tigkeit ist der Schlüssel

Darüber hinaus gibt es noch diverse weitere wichtige Erfolgs­fak­toren für nachhaltige Trans­for­ma­ti­ons­pro­zesse, die Anknüp­fungs­punkte und Handlungs­er­for­der­nisse für den Staat bedeuten. Für den Verlauf der sozial-ökolo­gi­schen Trans­for­mation wird es vor allem maßgeblich sein, die Frage der Gerech­tigkeit in den Mittel­punkt zu stellen. Die soziale Dimension von ökolo­gi­schen Trans­for­ma­ti­ons­pro­zessen – etwa einer CO2-Steuer – wird schon intensiv disku­tiert. In den anste­henden Trans­for­ma­ti­ons­pro­zessen ist sie aber nur eine Facette einer umfang­rei­cheren Gerech­tig­keits­frage. Die heutigen recht­lichen und finan­zi­ellen Struk­turen bilden die aktuellen gesell­schaft­lichen Ansprüche und Reali­täten vielfach nicht mehr ab. Weshalb gibt es automa­tische Parksysteme für Autos, aber kaum Systeme, die automa­ti­sches Bremsen einleiten bei einer Gefährdung von Fahrrad­fahrern und Fußgängern? Warum müssen die Kunden der Wasser­werke (faktisch alle Bürger) die Kosten der Verschmutzung der Grund­wässer durch die Landwirt­schaft bezahlen? Warum müssen Konsu­menten Plastik­ver­pa­ckungen, die sie nicht haben wollen, mitbe­zahlen und dann entsorgen? Die Liste möglicher Beispiele ist nahezu endlos. Sie zeigt den dringenden Bedarf, die Gerech­tig­keits­frage neu zu disku­tieren. Nur auf dieser Basis wird es möglich sein, einen neuen gesell­schaft­lichen Konsens zu finden. Und nur auf dieser Basis kann die sozial-ökolo­gische Trans­for­mation gelingen.

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