Wer wir sind und was wir wollen

Berlin

Über die Beweg­gründe, ein Zentrum Liberale Moderne zu gründen.

I. Der Ausgangs­punkt: Krise der liberalen Moderne /​ Krise des Westens

Vor uns liegen entschei­dende Jahre. Was bislang sicher schien, steht in Frage: die euro­päi­sche Einigung, das trans­at­lan­ti­sche Bündnis und die frei­heit­liche, welt­of­fene Gesell­schaft. Es ist Zeit, sich zu engagieren.

Die liberale Demo­kratie steht unter Druck. Sie wird von innen wie von außen heraus­ge­for­dert. In den USA siegte Donald Trump auf einer Welle der Wut gegen das poli­ti­sche Estab­lish­ment. Man muss befürchten, dass sich Amerika vom Stütz­pfeiler einer frei­heit­li­chen inter­na­tio­nalen Ordnung in ihren Toten­gräber verwan­delt: Handels­krieg statt offene Märkte, engstir­niger Natio­na­lismus statt multi­la­te­rale Insti­tu­tionen, Attacken auf demo­kra­ti­sche Frei­heiten und Insti­tu­tionen statt Vertei­di­gung liberaler Werte. Auch Europa ist längst von diesem Roll back erfasst. Anti­li­be­rale Parteien und popu­lis­ti­sche Führer treiben von Skan­di­na­vien bis Südeuropa ihr Unwesen. Groß­bri­tan­nien schlit­tert dem „Brexit“ entgegen. In Deutsch­land etabliert sich die AFD als System­op­po­si­tion von rechts.

Bei allen Unter­schieden gibt es doch offen­kun­dige Gemein­sam­keiten zwischen diesen Phäno­menen: Der offenen Gesell­schaft setzen sie den Rückzug in die nationale Gemein­schaft gegenüber, der Globa­li­sie­rung den Schutz der einhei­mi­schen Wirt­schaft, der Vielfalt moderner Gesell­schaften die Fiktion ethni­scher und kultu­reller Homo­ge­nität. Sie beuten die Furcht vor sozialer Deklas­sie­rung ebenso aus wie die Verun­si­che­rung von Teilen der Bevöl­ke­rung durch das Tempo des wirt­schaft­li­chen und gesell­schaft­li­chen Wandels.

Gleich­zeitig sind die west­li­chen Demo­kra­tien mit einer neuen System­kon­kur­renz durch selbst­be­wusst auftrump­fende auto­ri­täre Regimes konfron­tiert. Sie lehnen das Leitbild der liberalen Demo­kratie und der univer­sellen Menschen­rechte ab. Der isla­mi­sche Funda­men­ta­lismus ist eine radikale Gegen­be­we­gung zur westlich geprägten Moderne. Das Konzept der „illi­be­ralen Demo­kratie“ findet auch in der Euro­päi­schen Union Anhänger.

Der Kreml ist heute das Haupt­quar­tier einer anti­li­be­ralen Inter­na­tio­nale, deren Netzwerke sich durch ganz Europa ziehen. Die Trennung der USA von Europa ist ein Lang­zeit­pro­jekt russi­scher Hege­mo­ni­al­po­litik, das mit anti­ame­ri­ka­ni­schen Ressen­ti­ments in den euro­päi­schen Gesell­schaften zusam­men­spielt. Zugleich stellt Moskau die Grund­lagen der euro­päi­schen Frie­dens­ord­nung in Frage. Ob es uns gefällt oder nicht: die Ukraine ist heute ein Prüfstein für die Zukunft Europas.

Auf dem Spiel steht nicht weniger als das Projekt der liberalen Moderne, jener Kombi­na­tion aus Rechts­staat­lich­keit, persön­li­cher Freiheit, poli­ti­schem Plura­lismus und kultu­reller Vielfalt, die sich seit der Aufklä­rung heraus­ge­bildet hat. Ihr Ausgangs­punkt und Ziel sind Menschen­rechte und Menschen­würde. Sie sind die Quint­essenz aus den Schrecken des letzten Jahr­hun­derts, das Gegen­pro­gramm zu Tota­li­ta­rismus und Barbarei. Man kann die Moderne als wider­sprüch­liche Entfal­tung dieser Werte beschreiben. Sie ging Hand in Hand mit der enormen Entwick­lung der Produk­tiv­kräfte durch die Verbin­dung von Wissen­schaft und Unter­neh­mertum, mit dem sozialen Aufstieg breiter Schichten der Bevöl­ke­rung und mit der schritt­weisen Erwei­te­rung demo­kra­ti­scher Selbst­be­stim­mung auf immer neue Schichten der Gesellschaft.

Dieser Dreiklang aus wirt­schaft­li­chem Wachstum, sozialem Fort­schritt und Demo­kratie ist zerbro­chen. Das Vertrauen in eine bessere Zukunft schwindet. Die Pola­ri­sie­rung zwischen Gewinnern und Verlie­rern der Globa­li­sie­rung und die Furcht vor sozialer Deklas­sie­rung begüns­tigen das Aufkommen anti­de­mo­kra­ti­scher Kräfte. Ange­sichts der Gleich­zei­tig­keit funda­men­taler Verän­de­rungen macht sich eine gereizte Verun­si­che­rung breit: globaler Wett­be­werb und digitale Revo­lu­tion, die Zuwan­de­rung von Millionen Menschen aus anderen Konti­nenten, die anhal­tende euro­päi­sche Schul­den­krise und die krie­ge­ri­schen Konflikte in der euro­päi­schen Peri­pherie erzeugen ein Gefühl von Kontroll­ver­lust und Zukunftsangst.

Die Vertei­di­gung der frei­heit­li­chen Moderne ist deshalb nicht nur eine ideelle Heraus­for­de­rung. Sie erfordert poli­ti­sche Antworten auf die großen Heraus­for­de­rungen unserer Zeit: Globa­li­sie­rung, Migration, Klima­wandel, soziale Teilhabe und tech­no­lo­gi­sche Revo­lu­tion. Wir brauchen eine neue Idee von Fort­schritt als Gegen­ent­wurf zur Politik der Angst.

II. Was tun?

(1) Der Aufschwung anti­li­be­raler Kräfte in Europa und der Wahlsieg Donald Trumps stellen die Zukunft des Westens infrage. Sie sind Signale für die Erosion der trans­at­lan­ti­schen Werte­ge­mein­schaft von innen. Die euro­päi­sche Einigung vollzog sich unter dem Schutz­schirm der USA. Jetzt ist es an Europa, mehr Verant­wor­tung für die eigene Sicher­heit zu über­nehmen und die gemein­samen Werte zu vertei­digen. Gegen das Zusam­men­spiel der anti­li­be­ralen Kräfte auf beiden Seiten des Atlantiks brauchen wir die trans­at­lan­ti­sche Allianz der Demo­kraten. Gleich­zeitig müssen wir alles tun, um den euro­päi­schen Zusam­men­halt zu stärken. Wir wollen keinen euro­päi­schen Zentral­staat, aber eine gemein­same Politik auf den Feldern, auf die es ankommt: Sicher­heit, euro­päi­sche Nach­bar­schaft, Wirt­schaft und Finanzen sowie eine koor­di­nierte Flücht­lings- und Einwanderungspolitik.

Die West­bin­dung der Bundes­re­pu­blik ist ein Stütz­pfeiler euro­päi­scher Sicher­heit und Demo­kratie. Wer sie durch die Achse Berlin-Moskau ersetzen will, gibt die normative Grundlage deutscher Außen­po­litik auf. Die Wieder­her­stel­lung koope­ra­tiver Bezie­hungen zu Russland liegt im Interesse Deutsch­lands und Europas. Sie kann aber nicht auf Kosten der Souve­rä­nität der Staaten Mittel- Osteu­ropas erfolgen. Ein neues Yalta, eine erneute macht­po­li­ti­sche Auftei­lung Europas lehnen wir entschieden ab. Zusam­men­ar­beit mit Russland muss auf den Prin­zi­pien der euro­päi­schen Frie­dens­ord­nung aufbauen, wie sie im Helsinki-Protokoll und der Charta von Paris verein­bart wurden.

(2) Eine Kernfrage bei der Vertei­di­gung der offenen Gesell­schaft ist die Vermitt­lung von Sicher­heit im Wandel. Man darf Freiheit und Sicher­heit nicht gegen­ein­ander ausspielen – sie bedingen sich gegen­seitig. Dazu gehört ein Mindestmaß an sozialer Sicher­heit (Schutz vor Armut) und ein robuster Rechts­staat, der die öffent­liche Sicher­heit garan­tiert.  Vor allem aber geht es um die Befä­hi­gung von Menschen, selbst­be­wusst mit Verän­de­rungen umzugehen. Sie müssen zu Akteuren des Wandels werden, statt ihm lediglich ausge­lie­fert zu sein. Dabei fällt dem Bildungs­system eine Schlüs­sel­rolle zu. Inves­ti­tionen in Bildung und beruf­liche Quali­fi­zie­rung, vom Kinder­garten bis zu den Hoch­schulen, sind nicht nur Inves­ti­tionen in die Zukunft der Volks­wirt­schaft, sondern Inves­ti­tionen in Demo­kratie. Gegenüber der Flut von Verschwö­rungs­theo­rien, Halb­wahr­heiten und ganzen Lügen, die sich täglich durch die sozialen Netzwerke wälzt, braucht es die Vermitt­lung von Orien­tie­rungs­wissen. Gleich­zeitig werden Bildung und Wissen­schaft zur wich­tigsten Produk­tiv­kraft des digitalen Zeitalters.

(3) Ein Dreh- und Angel­punkt im Kampf um die offene Gesell­schaft ist die soziale Frage. In weiten Teilen der Welt ist die soziale Ungleich­heit seit den 90er Jahren gestiegen. Ein Großteil der Vermö­gens­ge­winne konzen­triert sich an der Spitze der sozialen Skala. Global agierende Unter­nehmen mini­mieren ihre Steu­er­zah­lungen, während die Abga­ben­last für den Mittel­stand wächst. Der Druck auf die Mittel­schichten wird stärker. Gleich­zeitig ist die Gruppe der „working poor“ gewachsen. Die Furcht vor sozialem Abstieg ist Wasser auf die Mühlen der Popu­listen. Die soziale Markt­wirt­schaft mit ihrem Verspre­chen von „Wohlstand für alle“ war eine der großen Errun­gen­schaften nach der Kata­strophe des 2. Welt­kriegs. Sie ermög­lichte den Aufstieg breiter Schichten und sorgte für poli­ti­sche Stabi­lität. Wir brauchen heute dringend eine Erneue­rung dieses Modells, einen dritten Weg zwischen Laissez-Faire-Kapi­ta­lismus und Staats­wirt­schaft. Dazu gehören starke öffent­liche Insti­tu­tionen und ein nach­hal­tiger Ordnungs­rahmen für die Märkte, eine faire Lasten­tei­lung bei der Finan­zie­rung öffent­li­cher Aufgaben und ein vertieftes Verständnis der sozialen und ökolo­gi­schen Verant­wor­tung von Unternehmen.

(4) Ein Schlüssel zur Rück­ge­win­nung von ökono­mi­scher Dynamik und Vertrauen in die Hand­lungs­fä­hig­keit demo­kra­ti­scher Politik ist die ökolo­gi­sche Moder­ni­sie­rung der Indus­trie­ge­sell­schaft. Sie verknüpft den Schutz der plane­ta­ri­schen Ökosys­teme mit einem neuen Schub wissen­schaft­lich-tech­ni­scher Inno­va­tion. Wir können den Klima­wandel, den Raubbau an natür­li­chen Ressourcen, die Gefähr­dung der Ozeane und den Verlust frucht­baren Acker­lands nicht igno­rieren. Zugleich ist „Null­wachstum“ ange­sichts der Nöte und Bedürf­nisse von Milli­arden Menschen weder wünschens­wert noch realis­tisch. Die Antwort auf die ökolo­gi­sche Heraus­for­de­rung liegt in der Entkopp­lung von wirt­schaft­li­cher Wert­schöp­fung und Natur­ver­brauch. Das erfordert nichts weniger als eine neue indus­tri­elle Revo­lu­tion, die eine lange Welle von Inno­va­tionen, Inves­ti­tionen und Beschäf­ti­gung auslöst.

Wir stehen mitten in einer ernsten Ausein­an­der­set­zung um die Zukunft der liberalen Moderne. Die neue Zentralachse der poli­ti­schen Ausein­an­der­set­zung verläuft nicht zwischen „links“ und „rechts“, sondern zwischen anti­li­be­ralen Kräften und den Verfech­tern der offenen Gesell­schaft, zwischen Rückzug ins nationale Gehäuse und globaler Verflech­tung, zwischen kultu­reller Vielfalt und auto­ri­tären Vorgaben, wie wir leben und was wir glauben sollen. Es wird Zeit, diese Heraus­for­de­rung anzu­nehmen und für die Erneue­rung von Demo­kratie und Markt­wirt­schaft zu streiten.

III. Über uns

LibMod ist eine unab­hän­gige Denk­werk­statt, ein Debat­ten­forum und ein Projekt­büro. Unser Themen­feld reicht von inter­na­tio­nalen Fragen bis zu gesell­schafts­po­li­ti­schen Heraus­for­de­rungen. Wir wollen ein Sammel­punkt für frei­heit­liche Geister aus allen poli­ti­schen und gesell­schaft­li­chen Bereichen sein. Wir mischen uns ein und wollen etwas bewegen. Dabei geht es nicht nur um einen zukunfts­of­fenen Diskurs, sondern um konkrete Anstöße für poli­ti­sches und zivil-gesell­schaft­li­ches Handeln. Dafür suchen wir Mitstreiter,  Koope­ra­ti­ons­partner und Förderer.

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