Rückblick auf die Konferenz: „Rethinking Liberalism, Renewing Democracy“

Foto: Lisa Vlasenko

Die liberale Demokratie steht weltweit unter Druck. Auf unserer Konferenz „Rethinking Liberalism, Renewing Democracy“ disku­tierten wir am 24. November in Berlin und online mit inter­na­tio­nalen Gästen aus Wissen­schaft, Politik, Think-Tanks und Wirtschaft darüber, wie der Libera­lismus und die liberale Demokratie sich weiter­ent­wi­ckeln müssen, um zu bestehen.

Die liberale Demokratie steht weltweit unter Druck. Sie wird von außen bedroht durch aggressiv auftre­tende autoritäre Regime. Der russische Angriffs­krieg auf die Ukraine ist nur ein Beispiel. Im Inneren fordern populis­tische Bewegungen und Parteien Demokratien ebenso heraus wie Klima­wandel, Digita­li­sierung, globale Pandemien, zuneh­mende Ungleich­heiten und Migration.

Der Libera­lismus als breite Denkströmung bildet die Grundlage der liberalen Demokratien, wie wir sie kennen. Demokratie und liberale Demokratie sind heute beinahe gleich­be­deutend. Libera­lismus hat freie Meinungs­äu­ßerung und Versamm­lungs­freiheit, gleiche Rechte für alle und eine durch Recht geregelte inter­na­tionale Ordnung geschaffen. Aber der Libera­lismus ist in die Defensive geraten.

Grund und Anlass genug also, um über die Zukunft der liberalen Demokratie und des Libera­lismus zu disku­tieren. Dazu hat das Zentrum Liberale Moderne zur Konferenz „Rethinking Liberalism, Renewing Democracy“ einge­laden. Über 20 Referie­rende nahmen teil, online und in Präsenz verfolgten mehr als 200 Gäste die Diskus­sionen und Vorträge.

Die liberale Demokratie steht unter Druck

Anna Hofmann von der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius eröffnete die Konferenz. Sie erinnerte mit Dahrendorf daran, dass Freiheit auch immer mit Verant­wortung einhergehe und dass Menschen die Mittel bräuchten, ihre Freiheit auch zu nutzen.

Ralf Fücks, Geschäfts­führer des Zentrums Liberale Moderne, führte in die Heraus­for­de­rungen für den Libera­lismus und die liberale Demokratie ein, die seit 2005 weltweit auf dem Rückzug ist. Diese „demokra­tische Rezession“, sie rückt immer näher an uns heran. Manche sprechen, wie Timothy Garton Ash, gar von einer „antili­be­ralen Konter­re­vo­lution“. Sie hat viele Gründe. Der Libera­lismus ist sehr erfolg­reich gewesen, vielleicht aber auch etwas zu sieges­gewiss. Die sehr erfolg­reichen politi­schen, wirtschaft­lichen und kultu­rellen Moder­ni­sie­rungs­schübe der zweiten Hälfte des letzten Jahrhun­derts haben neben Gewinnern auch Verlierer hervor­ge­bracht – und vor allem diese rebel­lieren nun gegen die liberale Demokratie.

Dem kann der Libera­lismus auf verschiedene Weisen entge­gen­wirken. Er muss bereit sein, die Perspektive der Moder­ni­sie­rungs­ver­lierer ernst zu nehmen, und er muss dem Bedürfnis nach Sicherheit in Zeiten rasanten Wandels gerecht werden.

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Selbst­kritik und Sicherheit im Wandel sind wichtig

Das Auftakt­panel wagte dann den großen, inter­na­tio­nalen Blick. Wie hat die Zeiten­wende des russi­schen Angriffs­krieges die Welt, wie Europa verändert? Ralf Fücks disku­tierte mit Tanja Börzel, Profes­sorin an der Freien Univer­sität Berlin, Pavlo Klimkin, dem ehema­ligen ukrai­ni­schen Außen­mi­nister, Slawomir Debski vom polni­schen Think-Tank PISM, und Thomas Kleine-Brockhoff vom German Marshall Funds of the United States.

Während sich die Panelist:innen einig waren, dass die Zeiten­wende einen Epochen­bruch darstellt, waren sie bei den Lösungen uneins. Es scheint, wie die spätere Disku­tantin Karolina Wigura anmerkte, verschiedene Arten von Ängsten in Ost- und Westeuropa zu geben. Im Osten ist es die Angst vor der Auslö­schung durch Russland, im Westen sind ökono­mische Ängste oder solche vor einem Atomkrieg präsenter.

Liberale Weltordnung – Die neue Rolle des Staates – „Libera­lismus neu denken“

Am Nachmittag disku­tierten die Teilneh­menden in drei Workshops. Im einen stand die Rettung der liberalen inter­na­tio­nalen Ordnung im Mittel­punkt. Es disku­tierten Jana Puglierin vom ECFR, Thorsten Benner vom GPPI, Nicolas Tenzer von Science Po /​ Desk Russie, moderiert von Judy Dempsey von Carnegie Europe. In einem zweiten Workshop ging es um die Frage, wie sich die Rolle des Staates verändert, wenn immer mehr Trans­for­ma­ti­ons­her­aus­for­de­rungen und unvor­her­ge­sehene Weltereig­nisse wie globale Pandemien auf ihn zukommen. Jan Schnel­lenbach, Professor an der BTU Cottbus, und Dieter Schnaas, Textchef bei der Wirtschafts­woche, disku­tierten unter Moderation von Thieß Petersen von der Bertelsmann Stiftung. Im dritten Workshop disku­tierten Jan-Werner Müller aus Princeton, Sabine Döring von der Univer­sität Tübingen und Karolina Wigura von Kultura Liberalna – Autor:innen des Bandes „Libera­lismus neu denken. Freiheit­liche Antworten auf die Heraus­for­de­rungen unserer Zeit“ – unter Moderation von Annett Witte, Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, welche Antworten der Libera­lismus als breite Denkströmung auf die demokra­tische Rezession geben kann.

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Ein zeitge­mäßer Liberalismus

Wie kann nun also ein zeitge­mäßer Libera­lismus aussehen? Das disku­tierte Ralf Fücks auf dem Abschluss­panel mit Gesine Schwan von der Gover­nance-Platform, Michael Zürn vom Wissen­schafts­zentrum Berlin, Claus Dierks­meier von der Univer­sität Tübingen und Mathias Risse von der Harvard University. Sie waren sich zunächst einig, dass der Libera­lismus eine breite Denkströmung ist, die tief eingreift in die Art, wie wir leben. Deshalb sind Diskus­sionen über einen zeitge­mäßen Libera­lismus notge­drungen breit, viele Aspekte werden kontrovers disku­tiert. Einigkeit herrschte aber darüber, dass ein zeitge­mäßer Libera­lismus seinen Anspruch nicht überdehnen darf und dass er konkret spürbare Antworten für das Leben der Menschen liefern muss. Nur so gewinnt er die Herzen der Menschen.

Und die Zukunft? Die hält noch einige Heraus­for­de­rungen bereit, jedoch nicht nur die schon bekannten – von Klima­wandel über Digita­li­sierung bis hin zum System­kon­flikt mit autori­tären Mächten. Innova­tionen in der Biotech­no­logie sind auf dem Vormarsch und werfen ebenso wie eine immer weiter entwi­ckelte künst­liche Intel­ligenz die Frage auf, was Menschsein, was Freiheit heute und morgen bedeuten. Die Diskussion geht also weiter, auch bei zukünf­tigen Veran­stal­tungen des Zentrums Liberale Moderne.

Die Veran­staltung wurde von der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius gefördert.

Bei Fragen wenden Sie sich bitte an Rainald Manthe (rainald.manthe@libmod.de).

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