Lehren aus dem Münchner Abkommen von 1938

Mit dem Münchner Abkommen von 1938 opferten die euro­päi­schen Demo­kra­tien die Tsche­cho­slo­wakei, um den Frieden zu retten. Sie bewirkten das Gegenteil. Auch heute gilt, dass eine klare Haltung die euro­päi­sche Frie­dens­ord­nung besser schützt als das Zurück­wei­chen vor mili­tä­ri­scher Gewalt­po­litik. Die Nagel­probe für die Stand­fes­tig­keit der euro­päi­schen Demo­kra­tien ist heute die Ukraine.
Ein Zwischenruf von Ralf Fücks.

In der Süddeut­schen Zeitung vom 29. September findet sich ein lesens­werter Text zum 80. Jahres­tags des Münchner Abkommen von 1938. Damals opferten die euro­päi­schen Demo­kra­tien – vorneweg der britische Premier­mi­nister Cham­ber­lain – die Tsche­cho­slo­wakei, um den „Frieden in Europa“ zu sichern. Tatsäch­lich gaben sie damit ihre eigenen Werte preis und stärkten Hitlers Entschlos­sen­heit, seine Erobe­rungs­po­litik fort­zu­setzen. Winston Churchill, der sich im briti­schen Parlament der Appease­ment-Politik des Westens entge­gen­stemmte, wurde als Alarmist und Kriegs­treiber geschmäht. Dabei wollte er nicht den Krieg, sondern eine robuste Abschre­ckungs­po­litik, um Hitler in die Schranken zu verweisen. Nicht Nach­gie­big­keit, sondern eine entschie­dene Haltung war das Gebot der Stunde.

Der Autor versäumt nicht den Hinweis, dass die Kritik an der Appease­ment-Politik von damals nicht auf die heutige Russ­land­po­litik über­tragen werden könne. Das wirkt ein bisschen wie eine Pflicht­übung aus Sorge, als „Kalter Krieger“ dazu­stehen. Putin ist nicht Hitler, geschenkt. Man muss dem Kreml nicht unter­stellen, den großen Krieg gegen den Rest Europas vorzu­be­reiten. Aber ange­sichts der mili­tä­ri­schen Okku­pa­tion Abcha­siens und Südos­se­tiens, der Annexion der Krim und dem fort­ge­setzten hybriden Krieg gegen die Ukraine, den Mord­an­schlägen gegen russische Dissi­denten im Westen, dem Abschuss der malay­si­schen Passa­gier­ma­schine MH17 über der Ostukraine und der aggres­siven Propa­ganda gegen die west­li­chen Demo­kra­tien stellt sich doch die alte Frage neu, ob das demo­kra­ti­sche Europa mit Nach­gie­big­keit oder Entschie­den­heit antworten soll.

Muss man um des lieben Friedens willen jedem Konflikt mit dem Kreml aus dem Weg gehen oder ist es an der Zeit für ein klares „bis hierher und nicht weiter“? Keine Sorge: es geht nicht um mili­tä­ri­sche Droh­po­litik gegenüber Russland. Es wäre schon viel gewonnen, wenn das demo­kra­ti­sche Europa zu den Prin­zi­pien für Frieden und Zusam­men­ar­beit steht, die einst mit der Sowjet­union verhan­delt und später auch von Russland unter­schrieben wurden: Gleiche Souve­rä­nität aller euro­päi­schen Staaten einschließ­lich des Rechts, ihre Bündnisse frei zu wählen, Gewalt­ver­zicht und Wahrung der Menschenrechte.

Die heutige russische Führung setzt wieder auf mili­tä­ri­sche Macht­po­litik. Dagegen ist Abschre­ckung ein legitimes und notwen­diges Mittel. Das gilt insbe­son­dere für die Sicher­heit der Staaten in unmit­tel­barer Nach­bar­schaft zu Russland. Die Präsenz von NATO-Truppen im Baltikum gefährdet nicht den Frieden, sondern erhöht die Schwelle für einen erneuten mili­tä­ri­schen Zugriff Moskaus.

Die Bewäh­rungs­probe euro­päi­scher Russland-Politik ist heute die Ukraine. Hier gibt es durchaus Paral­lelen zum damaligen Konflikt um die Tsche­cho­slo­wakei. Auch heute ertönt das falsche Frie­dens­lied, sich mit Putin auf Kosten der Unab­hän­gig­keit und Freiheit der Ukraine zu arran­gieren. An den punk­tu­ellen Sank­tionen gegen das aggres­sive russische Vorgehen wird permanent gerüttelt. Man redet von Entspan­nung und meint ein Arran­ge­ment mit der Großmacht-Politik des Kremls, die auf eine Auswei­tung der russi­schen Einfluss­zone zielt. Das Münchner Abkommen ist nicht nur von histo­ri­schem Interesse. Es erinnert uns an Entschei­dungen, die wir heute zu treffen haben.


Link zur Süddeut­schen Zeitung.

Textende

Hat Ihnen unser Beitrag gefallen? Dann spenden Sie doch einfach und bequem über unser Spen­den­tool. Sie unter­stützen damit die publi­zis­ti­sche Arbeit von LibMod.

Wir sind als gemein­nützig anerkannt, entspre­chend sind Spenden steu­er­lich absetzbar. Für eine Spen­den­be­schei­ni­gung (nötig bei einem Betrag über 200 EUR), senden Sie Ihre Adress­daten bitte an finanzen@libmod.de

 

Verwandte Themen

News­letter bestellen

Mit dem LibMod-News­letter erhalten Sie regel­mäßig Neuig­keiten zu unseren Themen in Ihr Postfach.

Mit unseren Daten­schutz­be­stim­mungen
erklären Sie sich einverstanden.