„Trump ist nicht das Problem, es ist der Klimawandel“

joisey­showaa [CC BY-SA 2.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/] via Flickr

Die fossil befeuerte Moderne geht zu Ende. Der Trumpismus ist bloß das Symptom dieser Krise. Urlaubs­no­tizen von LibMod-Kolumnist Peter Unfried, aufge­zeichnet im Nass einer sprudelnden Warmwas­ser­wanne am Strand von Kalifornien.

Wenn man auf der 101 die Westküste runter Richtung San Francisco fährt, erlebt man den kalifor­ni­schen Traum – und einen Reali­täts­auf­prall, dass einem der Kopf scheppert. Mich inter­es­sieren keine Landschaften und so Zeug, aber hier verdichten sich der Blick auf den Pazifik, das unfassbare Blau dieses Himmels und der zitronige Geruch der Luft zu dem seltsamen und super angenehmen Gefühl, in einer besseren Welt zu sein. Und gleich­zeitig fährt man dann spätestens ab Santa Rosa an riesigen Autoge­schäften vorbei, hunderte, tausende, gebrauchter und neuer Autos. Ameri­ka­nische, japanische, korea­nische, deutsche. 99 Prozent davon komplett nichts­nutzig angetrieben von einer Technik aus dem letzten Jahrhundert, die mit einem komplett indis­ku­tablen Wirkungsgrad absurde Mengen an Kohlen­dioxid erzeugt. Diese Superdeal-Friedhöfe der Menschheit erzählen pars pro toto davon, wie wir unsere Heimat erhitzen und unseren Boden und damit uns selbst zerstören.

„Wir haben nichts anderes als die Hoffnung auf den Green New Deal, also eine emissi­onsarme Welt, in der Waren­handel dennoch mehr Wohlstand möglich macht.“ 

Man selbst sitzt übrigens auch in so einem Auto drin. Das vergisst man leicht.

Noch immer hängen die USA im Halblinks-Halbrechts-Modus

Und dann kommen die Mails von zuhause, dass dieser Trump „ja gar nicht geht“ und wie es denn erst sei, wenn man sich in den USA befinde. Die Ganz-Aufrechten haben einen selbst­redend bereits mit dem pädago­gi­schen Hochziehen der Augen­brauen verab­schiedet („Ihr fahrt in die USA? Jetzt mit Trump? Also, naja...“). Zum einen dazu: Von San Francisco und Palo Alto aus scheint Washington fast so weit weg wie Berlin. Zum anderen: Weil die meisten deutschen Kultur­linken sich für Erder­hitzung nicht inter­es­sieren – man muss das so hart sagen – ist ihnen auch nicht klar, dass der kalifor­nische Gouverneur Jerry Brown immerhin die zentrale Gegen­figur zu Trump geworden ist – etwa indem er zusammen mit Baden-Württem­bergs Umwelt­mi­nister Franz Unter­steller eine weltweite Klima-Allianz („Under2 Coalition“) aufgebaut hat, in der sich die beiden führenden subna­tio­nalen Wirtschafts­re­gionen zusammen mit knapp 200 anderen zu einer Wirtschafts­po­litik verpflichten, die die Erhitzung auf unter 2 Grad begrenzt. 

Portrait von Peter Unfried

Peter Unfried ist Chefre­porter der taz und Autor.

Also, wie ist es denn nun? Wenn man mal schaut, wie im Jahr 2018 ein normaler Gouver­neurs­wahl­kampf abläuft, sagen wir, in Georgia, dann stellt man fest: Es ist, als lebten wir noch im letzten Jahrhundert und könnten auf ewig die alten Themen im Halblinks-Halbrechts-Modus bespielen. Es geht also um Waffen­ge­setze und Abtreibung, es geht darum, dass man „wirtschafts­freundlich“ sein will, was immer nur heißt: weniger Steuern, weniger Regulierung. Demokraten wollen etwas mehr Waffen­kon­trolle als Republi­kaner, sind gegebe­nen­falls für Abtreibung und bisschen mehr Regulierung; die Nuancen richten sich nach der Auswertung der Wählerschaft.

Das Neue ist, dass den Republi­kanern der Trump-Faktor ein Bestandteil des Strate­gi­schen geworden ist. Er befördert Verrohung und De-Libera­li­sierung, aber vor allem verhärtet er die bereits bestehende Ignoranz gegenüber einem echten ökoso­zialen Pfadwechsel.

Oppor­tu­nisten und Trumpisten

Wie viel Trump muss man sein, um gewinnen zu können, zunächst mal die republi­ka­nische Vorwahl? Ein „politisch inkor­rekter Konser­va­tiver“ zu sein, das wird als Versprechen an diese Zielgruppen vermarktet, und mit entspre­chender habitu­eller und verbaler Folklore ausge­stellt. In einigen Staaten haben die Leute zuletzt den Kandi­daten genommen, der am weitesten „rechts“ zu sein schien. Wer den Trumpismus kriti­siert oder gar verachtet, muss damit rechnen, dass die Leute das persönlich nehmen. Entspre­chend verhalten sich die Bewerber. „Die größte Waffe, der größte Truck, die Frage, wer der Verrück­teste ist“, das entscheide mittler­weile Vorwahlen, sagte ein republi­ka­ni­scher Kandidat in Georgia. Als er dachte, es höre keiner. Er selbst will auch nicht zurück­stehen. Er würde illegale Immigranten mit seinem großen Truck zusam­men­treiben und persönlich nach Hause zu fahren, sagt er in einem Werbespot. Das brachte ihm einen Unter­stüt­zungs­tweet von Trump himself, der ihn als Supertyp lobte. Er gewann die Vorwahl.

privat

Peter Unfried vor einem Bio-Super­markt in Felton, Kalifornien

Man kann Trump nicht ignorieren oder aussitzen: Die prioritäre Aufgabe besteht darin, die liberale Demokratie demokra­tisch gegen den autori­tären Irrsinn durch­zu­setzen. Aber man darf Trump trotz der von ihm ausge­henden Xenophobie, Misogynie, dem Medienhass oder puber­tärem Getwittere nicht als zentrales Problem verstehen, das ist die rationale, emotionale und kultu­relle Heraus­for­derung. Seine Wahl ist – wie der Brexit, der Front, die AfD, die linken Sammlungs­be­we­gungen – eine Reaktion auf das Ende der halblinks-halbrechts-Nachkriegsära. Sozia­lismus oder Kapita­lismus enthält auch keine Antwort auf dieses Problem, offene oder geschlossene Grenzen genauso wenig wie mehr oder weniger Emanzi­pation, Vielfalt, Einfalt, Pässe, Religionen, Sex, Drogen, Rock’n Roll.

Fossil befeuerte Moderne in der Krise

Das Problem ist: die Erder­hitzung. Man kann die anderen Probleme nicht lindern, wenn man sie nicht in diesem Zusam­menhang bearbeitet. Die einen fliehen, weil sie keinen Boden mehr haben, auf dem sie leben können. Die anderen fliehen hinter Mauern und Grenzen. Wieder andere fliehen vor den anderen in die Illusi­onswelt korrekter Haltungen.

Der Pariser Soziologe Bruno Latour führt das und viel mehr in seinem brillanten Suhrkamp-Essay „Das terres­trische Manifest“ aus. Trump ist „nur“ eine Folge der Entwicklung, welche im Kern daraus besteht, dass das Projekt der Moderne und der Globa­li­sierung in der von den ökono­mi­schen und kultu­rellen Profi­teuren beschlos­senen Form nicht weiter­zu­führen ist. (Ich schreibe dies aus einem energie­in­ten­siven Hottub direkt am kalifor­ni­schen Strand heraus.). Nicht, weil die anderen xeno- und homophob sind, sondern weil der Planet zu klein geworden ist für die expansive Moderne und ihren von Kohle und Öl betrie­benen Motor. Das ihr innewoh­nende Gerech­tig­keits­moment (mehr Menschen leben besser) ist existen­tiell wichtig, aber gleich­zeitig nicht nachhaltig. Die soziale Frage, das ist der zentrale Paradig­men­wechsel, kann nur als ökoso­ziale Frage beant­wortet werden. Ein Verbren­nungs­motor kann nicht ökosozial sein. Ökosozial kann auch nicht national sein, denn CO2 kennt keine Grenzen.

Plädoyer für einen radikalen Realismus

Gerech­tigkeit für mehr Menschen in Gegenwart und Zukunft als Voraus­setzung für die Bewahrung der liberalen Demokratie muss also auf der Grundlage eines anderen Wirtschaftens herge­stellt werden, das den existen­ti­ellen Bedarf an Mehr und Weniger in eine neue Balance bringt. Dafür haben wir nichts anderes als die Hoffnung auf den Green New Deal, also eine emissi­onsarme Welt, in der Waren­handel dennoch mehr Wohlstand möglich macht.

Ob das so hinhaut, daran zweifeln auch klima­pro­blem­be­wusste Intel­lek­tuelle. Man muss es aller­dings ins Verhältnis setzen zu anderen Optionen. Der Weiter-so-Moderne vor Trump und dem kompletten Rückzug aus der Realität durch Trump. Der Präsident der USA, sagt Latour, hat die Idee einer gemein­samen Zukunft der Menschheit aufgegeben.

Das ist gleich­zeitig auch sein Verdienst. Denn so offen hat das noch keiner getan. Wenn jetzt nichts dagegen­ge­stellt wird, wann dann?

Doch der beste Trick von Donald Trump, darauf hat gerade die New York Times hinge­wiesen, war zu allen seinen Lebens­phasen der abrupte Themen­wechsel und die dadurch gelin­gende Ablenkung.

Trump hat nicht nur das Klima-Abkommen von Paris gekündigt, was ja nichts weniger ist, als die globale Bereit­schaft anzuer­kennen, dass die fossil befeuerte Moderne zu Ende sein muss, weil unserem gemein­samen Planeten der Boden dafür ausge­gangen ist. Er hat es zum jetzigen Zeitpunkt geschafft, dass dieses existen­ti­ellste Problem zum nachran­gigsten geworden ist. Er arbeitet mit jedem Tweet daran, seine Welt der Irrea­lität zu unserer Welt zu machen.

Darauf brauchen die liberalen Demokraten eine Antwort. Sie ist weder eine linke, noch eine konser­vative Weiter­ent­wicklung des Bestehenden, denn dafür reicht die Erde nicht aus, das ist ja gerade der Trump-Elite und auch vielen Trump-Wählern klar. Die radikal-realis­tische Antwort kann nur der ökoso­ziale Pfadwechsel sein.

Textende

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