„Trump ist nicht das Problem, es ist der Klimawandel“
Die fossil befeuerte Moderne geht zu Ende. Der Trumpismus ist bloß das Symptom dieser Krise. Urlaubsnotizen von LibMod-Kolumnist Peter Unfried, aufgezeichnet im Nass einer sprudelnden Warmwasserwanne am Strand von Kalifornien.
Wenn man auf der 101 die Westküste runter Richtung San Francisco fährt, erlebt man den kalifornischen Traum – und einen Realitätsaufprall, dass einem der Kopf scheppert. Mich interessieren keine Landschaften und so Zeug, aber hier verdichten sich der Blick auf den Pazifik, das unfassbare Blau dieses Himmels und der zitronige Geruch der Luft zu dem seltsamen und super angenehmen Gefühl, in einer besseren Welt zu sein. Und gleichzeitig fährt man dann spätestens ab Santa Rosa an riesigen Autogeschäften vorbei, hunderte, tausende, gebrauchter und neuer Autos. Amerikanische, japanische, koreanische, deutsche. 99 Prozent davon komplett nichtsnutzig angetrieben von einer Technik aus dem letzten Jahrhundert, die mit einem komplett indiskutablen Wirkungsgrad absurde Mengen an Kohlendioxid erzeugt. Diese Superdeal-Friedhöfe der Menschheit erzählen pars pro toto davon, wie wir unsere Heimat erhitzen und unseren Boden und damit uns selbst zerstören.
„Wir haben nichts anderes als die Hoffnung auf den Green New Deal, also eine emissionsarme Welt, in der Warenhandel dennoch mehr Wohlstand möglich macht.“
Man selbst sitzt übrigens auch in so einem Auto drin. Das vergisst man leicht.
Noch immer hängen die USA im Halblinks-Halbrechts-Modus
Und dann kommen die Mails von zuhause, dass dieser Trump „ja gar nicht geht“ und wie es denn erst sei, wenn man sich in den USA befinde. Die Ganz-Aufrechten haben einen selbstredend bereits mit dem pädagogischen Hochziehen der Augenbrauen verabschiedet („Ihr fahrt in die USA? Jetzt mit Trump? Also, naja...“). Zum einen dazu: Von San Francisco und Palo Alto aus scheint Washington fast so weit weg wie Berlin. Zum anderen: Weil die meisten deutschen Kulturlinken sich für Erderhitzung nicht interessieren – man muss das so hart sagen – ist ihnen auch nicht klar, dass der kalifornische Gouverneur Jerry Brown immerhin die zentrale Gegenfigur zu Trump geworden ist – etwa indem er zusammen mit Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller eine weltweite Klima-Allianz („Under2 Coalition“) aufgebaut hat, in der sich die beiden führenden subnationalen Wirtschaftsregionen zusammen mit knapp 200 anderen zu einer Wirtschaftspolitik verpflichten, die die Erhitzung auf unter 2 Grad begrenzt.
Also, wie ist es denn nun? Wenn man mal schaut, wie im Jahr 2018 ein normaler Gouverneurswahlkampf abläuft, sagen wir, in Georgia, dann stellt man fest: Es ist, als lebten wir noch im letzten Jahrhundert und könnten auf ewig die alten Themen im Halblinks-Halbrechts-Modus bespielen. Es geht also um Waffengesetze und Abtreibung, es geht darum, dass man „wirtschaftsfreundlich“ sein will, was immer nur heißt: weniger Steuern, weniger Regulierung. Demokraten wollen etwas mehr Waffenkontrolle als Republikaner, sind gegebenenfalls für Abtreibung und bisschen mehr Regulierung; die Nuancen richten sich nach der Auswertung der Wählerschaft.
Das Neue ist, dass den Republikanern der Trump-Faktor ein Bestandteil des Strategischen geworden ist. Er befördert Verrohung und De-Liberalisierung, aber vor allem verhärtet er die bereits bestehende Ignoranz gegenüber einem echten ökosozialen Pfadwechsel.
Opportunisten und Trumpisten
Wie viel Trump muss man sein, um gewinnen zu können, zunächst mal die republikanische Vorwahl? Ein „politisch inkorrekter Konservativer“ zu sein, das wird als Versprechen an diese Zielgruppen vermarktet, und mit entsprechender habitueller und verbaler Folklore ausgestellt. In einigen Staaten haben die Leute zuletzt den Kandidaten genommen, der am weitesten „rechts“ zu sein schien. Wer den Trumpismus kritisiert oder gar verachtet, muss damit rechnen, dass die Leute das persönlich nehmen. Entsprechend verhalten sich die Bewerber. „Die größte Waffe, der größte Truck, die Frage, wer der Verrückteste ist“, das entscheide mittlerweile Vorwahlen, sagte ein republikanischer Kandidat in Georgia. Als er dachte, es höre keiner. Er selbst will auch nicht zurückstehen. Er würde illegale Immigranten mit seinem großen Truck zusammentreiben und persönlich nach Hause zu fahren, sagt er in einem Werbespot. Das brachte ihm einen Unterstützungstweet von Trump himself, der ihn als Supertyp lobte. Er gewann die Vorwahl.
Peter Unfried vor einem Bio-Supermarkt in Felton, Kalifornien
Man kann Trump nicht ignorieren oder aussitzen: Die prioritäre Aufgabe besteht darin, die liberale Demokratie demokratisch gegen den autoritären Irrsinn durchzusetzen. Aber man darf Trump trotz der von ihm ausgehenden Xenophobie, Misogynie, dem Medienhass oder pubertärem Getwittere nicht als zentrales Problem verstehen, das ist die rationale, emotionale und kulturelle Herausforderung. Seine Wahl ist – wie der Brexit, der Front, die AfD, die linken Sammlungsbewegungen – eine Reaktion auf das Ende der halblinks-halbrechts-Nachkriegsära. Sozialismus oder Kapitalismus enthält auch keine Antwort auf dieses Problem, offene oder geschlossene Grenzen genauso wenig wie mehr oder weniger Emanzipation, Vielfalt, Einfalt, Pässe, Religionen, Sex, Drogen, Rock’n Roll.
Fossil befeuerte Moderne in der Krise
Das Problem ist: die Erderhitzung. Man kann die anderen Probleme nicht lindern, wenn man sie nicht in diesem Zusammenhang bearbeitet. Die einen fliehen, weil sie keinen Boden mehr haben, auf dem sie leben können. Die anderen fliehen hinter Mauern und Grenzen. Wieder andere fliehen vor den anderen in die Illusionswelt korrekter Haltungen.
Der Pariser Soziologe Bruno Latour führt das und viel mehr in seinem brillanten Suhrkamp-Essay „Das terrestrische Manifest“ aus. Trump ist „nur“ eine Folge der Entwicklung, welche im Kern daraus besteht, dass das Projekt der Moderne und der Globalisierung in der von den ökonomischen und kulturellen Profiteuren beschlossenen Form nicht weiterzuführen ist. (Ich schreibe dies aus einem energieintensiven Hottub direkt am kalifornischen Strand heraus.). Nicht, weil die anderen xeno- und homophob sind, sondern weil der Planet zu klein geworden ist für die expansive Moderne und ihren von Kohle und Öl betriebenen Motor. Das ihr innewohnende Gerechtigkeitsmoment (mehr Menschen leben besser) ist existentiell wichtig, aber gleichzeitig nicht nachhaltig. Die soziale Frage, das ist der zentrale Paradigmenwechsel, kann nur als ökosoziale Frage beantwortet werden. Ein Verbrennungsmotor kann nicht ökosozial sein. Ökosozial kann auch nicht national sein, denn CO2 kennt keine Grenzen.
Plädoyer für einen radikalen Realismus
Gerechtigkeit für mehr Menschen in Gegenwart und Zukunft als Voraussetzung für die Bewahrung der liberalen Demokratie muss also auf der Grundlage eines anderen Wirtschaftens hergestellt werden, das den existentiellen Bedarf an Mehr und Weniger in eine neue Balance bringt. Dafür haben wir nichts anderes als die Hoffnung auf den Green New Deal, also eine emissionsarme Welt, in der Warenhandel dennoch mehr Wohlstand möglich macht.
Ob das so hinhaut, daran zweifeln auch klimaproblembewusste Intellektuelle. Man muss es allerdings ins Verhältnis setzen zu anderen Optionen. Der Weiter-so-Moderne vor Trump und dem kompletten Rückzug aus der Realität durch Trump. Der Präsident der USA, sagt Latour, hat die Idee einer gemeinsamen Zukunft der Menschheit aufgegeben.
Das ist gleichzeitig auch sein Verdienst. Denn so offen hat das noch keiner getan. Wenn jetzt nichts dagegengestellt wird, wann dann?
Doch der beste Trick von Donald Trump, darauf hat gerade die New York Times hingewiesen, war zu allen seinen Lebensphasen der abrupte Themenwechsel und die dadurch gelingende Ablenkung.
Trump hat nicht nur das Klima-Abkommen von Paris gekündigt, was ja nichts weniger ist, als die globale Bereitschaft anzuerkennen, dass die fossil befeuerte Moderne zu Ende sein muss, weil unserem gemeinsamen Planeten der Boden dafür ausgegangen ist. Er hat es zum jetzigen Zeitpunkt geschafft, dass dieses existentiellste Problem zum nachrangigsten geworden ist. Er arbeitet mit jedem Tweet daran, seine Welt der Irrealität zu unserer Welt zu machen.
Darauf brauchen die liberalen Demokraten eine Antwort. Sie ist weder eine linke, noch eine konservative Weiterentwicklung des Bestehenden, denn dafür reicht die Erde nicht aus, das ist ja gerade der Trump-Elite und auch vielen Trump-Wählern klar. Die radikal-realistische Antwort kann nur der ökosoziale Pfadwechsel sein.
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