Können sich Demokratien eine ambitio­nierte Klima­po­litik leisten?

Die Gelbwestenbewegung in Frankreich provoziert die Frage, ob sich liberale Demokratien eine ambitionierte Klimapolitik leisten können. Darüber schreiben für das zentrum Liberale Moderne Ottmar Edenhofer und Linus Mattauch
Shutter­stock /​ Mo Wu

Die Gelbwes­ten­be­wegung – die Revolte der franzö­si­schen Landbe­völ­kerung – provo­ziert die Frage, ob die Klima­po­litik die liberalen Demokratien sprengen könnte. In Dörfern und Klein­städten sind Menschen auf das Auto angewiesen, der Benzin­preis spielt eine Rolle. Nicht selten wird noch mit Öl geheizt. Manche städti­schen Debatten erscheinen abgehoben und lebens­fremd. Ottmar Edenhofer und Linus Mattauch argumen­tieren, dass Klima­po­litik die soziale Frage berück­sich­tigen muss – und dies auch kann: Die Einnahmen aus einer CO2-Steuer lassen sich an die privaten Haushalte rückver­teilen. Eine Finanz­reform, welche die Klima­folgen einpreist und zugleich leistungslose Einkommen aus der Boden­wert­stei­gerung besteuert, würde die soziale Ungleichheit mildern und Anreize für den ökolo­gi­schen Umbau von Wirtschaft und Infra­struktur setzen. Die Autoren skizzieren Grund­linien einer Politik, die Brücken zwischen poten­ti­ellen Gelbwesten und der Klima­be­wegung schlägt.

Der klima­po­li­tische Handlungs­spielraum in liberalen Demokratien wird durch die steigende Ungleichheit begrenzt. Für viele Politiker ist die franzö­sische Gelbwes­ten­be­wegung das Menetekel für die sozial­po­li­tische Spreng­kraft einer unbedachten Klima­po­litik. Zugleich fordert eine neue Jugend­be­wegung auf den Fridays for Future-Demons­tra­tionen einen ambitio­nierten Klima­schutz. Dieser bedarf einer Erwei­terung des politi­schen Spiel­raums. Die liberalen Demokratien stehen vor der Heraus­for­derung, langfristige Zukunfts­auf­gaben zu bewäl­tigen, obwohl die wachsende Einkommens- und Vermö­gens­un­gleichheit, die Globa­li­sierung und das Anwachsen rechts­po­pu­lis­ti­scher Bewegungen die Verfüg­barkeit der notwen­digen politi­schen Mittel empfindlich einschränken. Eine mutige Reform des Steuer­systems und der Finanz­po­litik, so unsere These, kann eine dreifache Heraus­for­derung meistern: Die Wirtschaft dekar­bo­ni­sieren, Wachstum fördern, die Ungleichheit vermindern und so demokra­tische Insti­tu­tionen stärken. Zwar ist die Einkom­mens­un­gleichheit in Deutschland im inter­na­tio­nalen Vergleich eher gering. Umwelt­po­li­tische Reformen werden dennoch mit dem Hinweis auf soziale Verwer­fungen verzögert. Gleich­zeitig besteht in Deutschland ein deutlicher Inves­ti­ti­ons­bedarf in die Infra­struktur, beispiels­weise im Verkehrs­sektor. Würden klima­freund­liche Inves­ti­tionen getätigt, könnte das auch dem Wirtschafts­wachstum einen Schub geben.

Der vorlie­gende Beitrag erläutert, warum steigende Ungleichheit der Einkommen und Vermögen demokra­tische Insti­tu­tionen gefährdet. Ausgehend von dieser Annahme zeigt er, wie nationale Klima­schutz­pro­gramme so ausge­staltet werden können, dass sie die ökono­mische Ungleichheit sogar senken. Ein finanz­po­li­ti­sches Erneue­rungs­pro­gramm muss effizient und gerecht sein. Dieses bedarf dann auch einer entspre­chenden Kommu­ni­kation, damit das Vertrauen zwischen Staat und Bürger gestärkt wird.

Wir analy­sieren in Abschnitt 1 die Ursachen gestie­gener Ungleichheit der Vermö­gens­ver­teilung in westlichen Staaten und beleuchten ihr Gefah­ren­po­tenzial für die Demokratie. Abschnitt 2 legt dar, wie nationale Klima­po­litik gelingen kann, ohne die Ungleichheit zu vergrößern und damit die Demokratie zu gefährden. Dafür sind zum einen gut ausge­staltete CO2-Preise und zum anderen Inves­ti­tionen in die Infra­struktur erfor­derlich, die neues Wachs­tums­po­tenzial erschließt. In Abschnitt 3 behandeln wir die politi­schen Erfolgs­be­din­gungen einer nachhal­tigen Steuer- und Finanz­po­litik. Der Ausblick skizziert schließlich ein Narrativ zur Vertei­digung liberaler Demokratien.

Die Ursachen der gestie­genen Ungleichheit und ihre Folgen für Handlungs­spiel­räume in Demokratien

Die wirtschaft­liche Ungleichheit innerhalb vieler großer Volks­wirt­schaften hat in den letzten Jahrzehnten erheblich zugenommen. Dies gilt insbe­sondere für die Ungleichheit der Vermö­gens­ver­teilung. Weltweit ist der Vermö­gens­anteil des obersten Perzentil in der Vermö­gens­ver­teilung seit 1980 um fünf Prozent­punkte gestiegen, während der Anteil der untersten 75 Prozent konstant bei rund zehn Prozent blieb. Betrachtet man die Verteilung des Reichtums in Deutschland, so besitzt das untere Drittel der Bevöl­kerung kein Vermögen oder hat Schulden; die Vermö­gens­un­gleichheit ist auch im inter­na­tio­nalen Vergleich hoch. Für die Einkom­mens­un­gleichheit gilt Ähnliches: das Einkommen der Spitzen­ver­diener (sowohl das oberste ein Prozent und die obersten zehn Prozent der Einkom­mens­be­zieher) ist in China, Indien, Europa, Russland und den Verei­nigten Staaten seit 1980 (zum Teil erheblich) gestiegen. Hingegen ist der Einkom­mens­anteil der unteren 50 Prozent in der Einkom­mens­ver­teilung im selben Zeitraum gesunken. In Deutschland hat die Einkom­mens­un­gleichheit gemessen in Brutto­löhnen, also vor Umver­teilung, über die letzten Jahrzehnte zugenommen, auch wenn sie seit 2005 stagniert.

Die stetige Absenkung des Spitzen­steu­er­satzes auf Einkommen und Vermögen hat diese Ungleichheit vergrößert. Die ehemals hohen Spitzen­steu­er­sätze, die ab den frühen 1920er-Jahren in vielen westlichen Ländern einge­führt wurden, vermin­derten die wirtschaft­liche Ungleichheit stark. In Deutschland wurde jedoch der Spitzen­steu­ersatz auf Einkommen, der Jahrzehnte lang bei über 50 Prozent lag, ab dem Jahr 2000 schritt­weise auf 42 Prozent (bzw. 45 Prozent für sehr hohe Einkommen) abgesenkt. Eine Vermö­gens­steuer, die in Westdeutschland jahrzehn­telang bei 0,5 bis 1 Prozent gelegen hatte, wird seit 1997 nicht mehr erhoben.
Teile der Mittel­schicht in den Indus­trie­ländern des Westens gehören in der jüngeren Vergan­genheit zu den Globa­li­sie­rungs­ver­lierern. In den letzten 30 Jahren haben sowohl die global Reichsten als auch die global Armen starke Zuwächse in ihrem Einkommen erfahren. Dies gilt aber gerade nicht für die Ärmeren in reichen Ländern. In den Indus­trie­ländern erzielten vor allem hochqua­li­fi­zierte Arbeit­nehmer überpro­por­tionale Einkom­mens­zu­wächse. Seit den 1990er-Jahren ist dieses sogenannte skill premium in den Indus­trie­ländern stark gestiegen.

Man kann darüber streiten, ob und ab wann Ungleichheit auch Ungerech­tigkeit bedeutet. Liberale Demokratien und Markt­wirt­schaften haben immer ein gewisses Maß an Ungleichheit unter zwei grund­le­genden Voraus­set­zungen zugelassen. Erstens sollte die Ungleichheit der Vermögens- und Einkom­mens­ver­teilung unter­schied­liche Leistungs­bei­träge wider­spiegeln („Leistung soll sich lohnen“). Zweitens sollte die grund­le­gende politische Gleichheit („Jede Stimme bei demokra­ti­schen Wahlen hat gleiches Gewicht“) nicht durch die wirtschaft­liche Ungleichheit auf den Güter‑, Kapital- und Arbeits­märkten unter­mi­niert werden. Die Zahlungs­be­reit­schaft und ‑fähigkeit auf Märkten sollte für politische Entschei­dungen unerheblich sein. Die Gefahren steigender ökono­mi­scher Ungleichheit für die demokra­ti­schen Insti­tu­tionen werden im Folgenden erläutert.

Führende Ungleich­heits­for­scher wie Emmanuel Saez und Gabriel Zucman vertreten die These, hohe Spitzen­steu­er­sätze für Einkommen und Vermö­gens­steuern dienten vor allem der Sicherung der Demokratie und weniger der Finan­zierung von Staats­aus­gaben. Hohe Spitzen­steu­er­sätze verhin­derten die Bildung ökono­mi­scher Oligar­chien, die ansonsten politische Entschei­dungen dominierten und so den Gesell­schafts­vertrag aushöhlten. Dieser Gesell­schafts­vertrag beruht entscheidend darauf, dass ökono­mische Ungleichheit nur dann gerecht­fertigt werden kann, wenn eine funda­mentale politische Gleichheit gesichert ist, die für eine ausrei­chende soziale intra- und inter­ge­ne­ra­tio­nelle soziale Mobilität sorgen kann. Dies ist histo­risch gut belegt. Die Verei­nigten Staaten erhoben vor 100 Jahren hohe Spitzen­steu­er­sätze, um die ökono­mische Ungleichheit einzu­dämmen. Es entsprach nämlich dem Selbst­ver­ständnis der USA, einen Gegen­entwurf zu den aristo­kra­ti­schen und ungleichen Gesell­schaften Europas darzu­stellen. Im kriegs­zer­störten Japan von 1945 führte die ameri­ka­nische Besat­zungs­macht einen Spitzen­steu­ersatz auf Einkommen von 85 Prozent ein, so wie es auch in den USA der Fall war. Obwohl dieser Spitzen­steu­ersatz über Jahrzehnte hinweg nach dem Zweiten Weltkrieg konstant blieb, erlebte Japan einen beispiel­losen wirtschaft­lichen Aufstieg mit einem histo­risch kaum übertrof­fenen hohen Wirtschafts­wachstum. Das postso­wje­tische Russland erhob 1991 hingegen nur einen Spitzen­steu­ersatz von 30 Prozent (wiederum nach ameri­ka­ni­schem Vorbild), der später durch einen Einheits­steu­ersatz von 13 Prozent ersetzt wurde. Diese steuer­po­li­ti­schen Entschei­dungen wurden von der damaligen russi­schen Oligarchie voran­ge­trieben und dürften wesentlich zur Festigung der heutigen russi­schen Oligarchie beigetragen haben.

Die Politik­wis­sen­schaftler Martin Gilens und Benjamin I. Page haben für die Verei­nigten Staaten der vergan­genen dreißig Jahre gezeigt, dass wirtschaft­liche Eliten und Lobby­gruppen, die Unter­neh­mens­in­ter­essen vertreten, erheb­lichen Einfluss auf die US-Regie­rungs­po­litik haben. Die Durch­schnitts­be­völ­kerung und breite gesell­schaft­liche Inter­es­sen­gruppen spielen hingegen kaum eine Rolle. Für Deutschland finden sich vergleichbare Ergeb­nisse. Es liegt nahe, dass viele Bürger daher das Gefühl haben, von den Eliten übersehen, überhört oder gar mundtot gemacht zu werden. Eine zuneh­mende ökono­mische Ungleichheit könnte sich auf den ohnehin geringen Einfluss der Durch­schnitts­be­völ­kerung auf politische Entschei­dungen zusätzlich negativ auswirken.

Klima­po­litik als nachhaltige Steuerreform

Das völker­rechtlich verbind­liche Abkommen von Paris aus dem Jahr 2015 legt fest, die Erder­wärmung auf deutlich unter 2 °C über dem vorin­dus­tri­ellen Niveau zu begrenzen. Trotzdem ist die inter­na­tionale Staaten­ge­mein­schaft nach wie vor auf einem Weg, der im Verlauf des 21. Jahrhun­derts zu einer Erhöhung der globalen Mittel­tem­pe­ratur auf 3 bis 4 °C führen wird. Ein ungebremster Klima­wandel birgt ein großes Sicher­heits­risiko. Länder könnten unbewohnbar werden, weil sie unter Dürren, großer Hitze oder Überschwem­mungen leiden. Der Anstieg des Meeres­spiegels, das damit einher­ge­hende Risiko der Zerstörung von Städten und die zuneh­mende Wasser­knappheit erhöhen den Migra­ti­ons­druck in Afrika, von dem speziell Europa betroffen ist. Erzwungene Migration, ethnische Konflikte und der Verlust von Staats­gebiet können zum Versagen zentraler Regie­rungs­funk­tionen (failed states) führen. Daher wird bereits heute ein ungebremster Klima­wandel als Sicher­heits­risiko für das 21. Jahrhundert wahrgenommen.

Um die im Paris-Abkommen von 2015 verein­barten Ziele zur Dekar­bo­ni­sierung der Weltwirt­schaft zu erreichen, ist die Staaten­ge­mein­schaft auf inter­na­tionale Koope­ration angewiesen. Denn das Abkommen setzt auf freiwillige Selbst­ver­pflich­tungen natio­naler Regie­rungen, die in der Klima­rah­men­kon­vention koordi­niert werden müssen. Auch in der natio­nalen Umsetzung von Klima­po­litik zeigen sich neue Heraus­for­de­rungen. Die Dekar­bo­ni­sierung muss einer­seits in den reichen Ländern der Welt oftmals vor dem Hinter­grund steigender ökono­mi­scher Ungleichheit reali­siert werden, anderer­seits in ärmeren Ländern in einer Situation bestehender starker Ungleichheiten.

In Deutschland sind die Treib­haus­gas­emis­sionen bis zum Jahr 2018 um 30,6 Prozent gesunken (in Bezug auf das Referenzjahr 1990). Die Bundes­re­gierung hat sich das Ziel gesetzt, die natio­nalen Treib­haus­gas­emis­sionen bis 2030 um 55 Prozent und bis 2050 um 80 bis 95 Prozent relativ zu 1990 zu vermindern. Sollen die Verein­ba­rungen des Paris-Abkommens erfüllt werden, sind das lediglich Mindest­an­for­de­rungen. Die deutschen Klima­schutz­an­stren­gungen müssen also in den nächsten Jahren deutlich gesteigert werden.

Die Diskussion um die zukünftige Klima­po­litik hat sich in Deutschland im Jahr 2019 inten­si­viert: Die Beschlüsse der „Kohle­kom­mission“ zum Ausstieg aus der Kohle; der Entwurf eines Klima­schutz­ge­setzes; die europa­recht­lichen Verpflich­tungen, die Deutschland in den Sektoren Verkehr, Gebäude und Landwirt­schaft erfüllen muss, und schließlich die Einrichtung eines Klima­ka­bi­netts verdeut­lichen den Handlungs­druck auf die Bundes­re­gierung, der durch die Fridays for Future-Bewegung noch gesteigert wird. Im Zentrum dieser Diskussion steht die Einführung einer umfas­senden CO2-Bepreisung.
Es ist zwar unter Ökonomen unstrittig, dass CO2-Preise die Emissionen zu minimalen Kosten senken, weil diese in den Sektoren reduziert werden, in denen ihre Vermin­derung am billigsten ist. Auch werden durch die Bepreisung von CO2 Innova­tionen mobili­siert, die sich ansonsten kaum auf Märkten durch­setzen könnten, etwa bei den für den Ausbau der erneu­er­baren Energien notwen­digen Speicher­tech­no­logien. In der realen Politik spielten sie bislang jedoch nur eine unter­ge­ordnete Rolle

Im Kern werden von politi­schen Entschei­dungs­trägern zwei Argumente gegen CO2-Preise vorge­bracht: Zum einen seien verhält­nis­mäßig hohe CO2-Preise notwendig, damit diese zu einem deutlichen Rückgang der Emissionen führen. Da dies aus sozialen und wirtschaft­lichen Gründen politisch nicht durch­setzbar sei, müsse die Umwelt- und Klima­po­litik auf Techno­lo­gie­stan­dards und das Ordnungs­recht zurück­greifen. Es kann jedoch gezeigt werden, dass es keineswegs prohi­bitiv hoher CO2-Preise bedarf. Ein Anstieg des CO2-Preises von 20 auf 35 Euro pro Tonne CO2 auf dem europäi­schen Emissi­ons­markt genügte für das Erreichen der natio­nalen Klima­ziele im Strom­sektor bis 2030, wenn sich die Preise für Brenn­stoffe und Techno­logien gemäß dem aktuellen Trend weiter­ent­wi­ckeln. Techno­lo­gie­stan­dards und Verbote sind hingegen kaum in der Lage, Emissionen dauerhaft zu senken: Man kann zwar für den Straßen­verkehr beispiels­weise vorschreiben, dass Autos pro Kilometer weniger Benzin oder Diesel verbrauchen dürfen. Wenn jedoch die Zahl der verkauften Autos zunimmt und diese immer schwerer werden, steigen die Emissionen trotzdem. Eine Bepreisung von Benzin und Diesel ist daher nötig, sollen die Verkehrs­emis­sionen dauerhaft sinken. Jedoch spricht viel dafür, Techno­lo­gie­stan­dards mit Preisen zu verbinden. Die Käufer von Autos sind meist nicht in der Lage, den Sprit­ver­brauch über die ökono­mische Lebens­dauer des Autos richtig einzu­schätzen. Der Techno­lo­gie­standard schützt die Kunden davor, viel Geld bei der Anschaffung von Fahrzeugen zu verlieren.

Ebenso kann der Staat verfügen, dass Kohle­kraft­werke vom Netz genommen werden. Aber damit hat er noch lange keine Kontrolle darüber, ob die verblei­benden Kohle­kraft­werke als Reaktion auf steigende Strom­preise ihre Kapazität erhöhen. Die Kraft­werks­be­treiber werden das Ordnungs­recht bevor­zugen, weil sie dann für den rechtlich erzwun­genen Markt­aus­tritt kompen­siert werden können. Auch wenn es gerechter wäre, die Kraft­werks­be­treiber nach dem Verur­sa­cher­prinzip für ihre Emissionen bezahlen zu lassen, legen die bestehende Eigen­tums­ordnung und die gesell­schaft­liche Macht­ver­teilung eine Kompen­sation der Verschmutzer durch die Gesell­schaft nahe, damit diese die Verschmutzung unter­lassen. Dies ist politisch vermutlich nur durch­setzbar, wenn die vertei­lungs­po­li­ti­schen Konse­quenzen des Ordnungs­rechtes, die Verschmutzer zu begüns­tigen, für die Bürger nicht sichtbar sind. Bei CO2-Preisen hingegen sind diese Konse­quenzen sofort sicht- und spürbar.

Sind CO2-Preise unsozial?

Zum anderen argumen­tieren politische Entschei­dungs­träger gerne, CO2-Preise seien unsozial, weil sie ärmere Haushalte stärker belasten, also regressiv wirken. Diese Aussage ist grund­sätzlich zutreffend. Tatsächlich belasten höhere Preise auf CO2 Haushalte mit gerin­gerem Einkommen stärker als Haushalte mit größerem Einkommen und sind somit regressiv. Das liegt daran, dass arme Haushalte gemessen an ihrem Einkommen einen höheren CO2-Konsum haben als reiche Haushalte: pro ausge­ge­benem Euro ist der Konsum armer Haushalte CO2-inten­siver und damit auch die Belastung durch die Bepreisung von CO2. Aber nicht nur CO2-Preise können regressiv wirken, auch Techno­lo­gie­stan­dards für Autos und Gebäude haben für Haushalte mit geringem Einkommen poten­ziell negative Wirkungen. Dies wird verständlich, wenn man sich etwa vor Augen führt, dass Bezieher hoher Einkommen mehr Emissionen im Straßen­verkehr verur­sachen als Bezieher mittlerer Einkommen. Beide Einkom­mens­gruppen müssen jedoch gleicher­maßen die höheren Kosten von Autos bezahlen, die durch Techno­lo­gie­stan­dards verur­sacht werden.

Die vermu­teten Belas­tungen einkom­mens­schwacher Haushalte werden gerne als Schutz­schild gegen jegliche Klima­po­litik verwendet. Eine sozial­po­li­tisch blinde Klima­po­litik vergrößert in der Tat den Abstand zwischen den Einkom­mens­gruppen. Es ist daher nicht überra­schend, wenn sie als ein Projekt urbaner Eliten wahrge­nommen wird, welche die Lasten den Ärmeren aufbürden – ohne sich selbst angemessen zu betei­ligen. Eine ambitio­nierte Klima­po­litik ist dann zum Scheitern verur­teilt. Wird sie jedoch sozial­po­li­tisch gerecht und zugleich effektiv ausge­staltet, ist dieses Scheitern keineswegs unausweichlich.

Der Staat hat nämlich die Möglichkeit einer progres­siven Rückver­teilung der Einnahmen aus den CO2-Preisen – eine Gestal­tungs­option, die weder Techno­lo­gie­stan­dards noch das Ordnungs­recht bieten. Ärmere Haushalte können durch Steuer­erleich­te­rungen (bzw. höhere Sozial­leis­tungen) oder auch durch eine pauschale Rückver­teilung der Steuer­ein­nahmen besser gestellt werden als vor der Einführung höherer CO2-Preise. Eine steuer­liche Entlastung der Bürger mit geringem Einkommen durch die Einnahmen aus den CO2-Preisen ist also möglich. Sie wären dann sogar durch klima­po­li­tische Reformen finan­ziell besser gestellt.

Wie ist ein sektor­über­grei­fender CO2-Preis in Deutschland auszu­ge­stalten? Ein Teil der deutschen Treib­haus­gas­emis­sionen ist durch den europäi­schen Emissi­ons­handel (EU ETS) erfasst, dies gilt jedoch nicht für den Verkehrs­sektor, den Gebäu­de­sektor und die Landwirt­schaft. Nach gegen­wär­tiger EU-Klima­po­litik drohen bereits Straf­zah­lungen an andere EU-Mitglieds­länder, weil Deutschland seine Klima­ziele in Sektoren, die nicht Teil des Emissi­ons­handels sind, verfehlen wird. Das Finanz­mi­nis­terium hat dafür schon Mittel bereit­ge­stellt. Es wird erwartet, dass in den bilate­ralen Verhand­lungen zwischen den Staaten höhere Preise für die Tonne CO2 bezahlt werden als im EU ETS. Es ist aber fraglich, ob sich diese Preis­un­ter­schiede mittel­fristig durch­halten lassen. Denkbar wäre, dass Emissi­ons­rechte aus dem EU ETS in den anderen Sektoren angerechnet werden – das ist bereits in einigen EU Staaten möglich, nicht aber in Deutschland. Der Strom­sektor müsste dann mehr vermeiden, die Sektoren Transport, Gebäude und Landwirt­schaft weniger. Die Anglei­chung der Preise wäre nicht nur ein Gebot ökono­mi­scher Effizienz, sondern auch eine Forderung der politi­schen Legitimität.

Der Entwurf des Klima­schutz­ge­setzes des Bundes­mi­nis­te­riums für Umwelt aus dem Frühjahr 2019 schreibt für verschiedene Wirtschafts­sek­toren spezi­fische Reduk­ti­ons­ziele vor, um die Gesamt­min­derung der deutschen CO2-Emissionen bis 2030 zu erbringen. Damit würden die unein­heit­lichen Preise, die auf der europäi­schen Ebene entstehen, auch auf die nationale Ebene übertragen. Da das Erreichen der unter­schied­lichen Sektor­ziele verschieden hohe CO2-Preise bzw. ungleich kostspielige Techno­lo­gie­stan­dards und Verord­nungen erfordern dürfte (im Wärme- und Verkehrs­be­reich höhere Kosten als im Strom­sektor), könnten unfle­xible Sektor­ziele eine beträcht­liche sozial­po­li­tische Spreng­kraft entfalten. Dies gilt insbe­sondere, wenn aufgrund der sektor­spe­zi­fi­schen Ziele die CO2-Preise im Wärme­markt sehr viel höher sind als im Strom­markt. Daher plädieren wir einer­seits für eine Flexi­bi­li­sierung der Sektor­ziele für 2030 – die Emissi­ons­ziele für Deutschland sollten in der Summe erreicht werden, nicht unbedingt sektor­spe­zi­fisch – und mittel­fristig für einen sektor­über­grei­fenden, einheit­lichen CO2-Preis. Auf insti­tu­tio­neller Ebene sind verschiedene Kombi­na­tionen von Emissi­ons­handels- und CO2-Steuer­lö­sungen vorstellbar, die hier nicht im Detail disku­tiert werden sollen, jedoch zum ökono­misch gleichen Ergebnis führen können.

Diese Anglei­chung der Sektor­preise muss jedoch von vertei­lungs­po­li­ti­schen Maßnahmen begleitet werden, um die regressive Wirkung der CO2-Preise zu verhindern: Die Absenkung der regressiv wirkenden Strom­steuer ist hier ebenso zu empfehlen wie die steuer­liche Entlastung der Landbe­völ­kerung. Der Ausbau des öffent­lichen Nahver­kehrs und der Infra­struktur für Elektro­autos in der Fläche ist ebenfalls nötig: die Landbe­völ­kerung wird vermutlich in allen Einkom­mens­gruppen am meisten durch CO2-Preise auf Kraft­stoffe im Verkehrs­sektor belastet, da sie auf die Nutzung von Pkw besonders angewiesen ist und bisher kaum auf den ÖPNV ausweichen kann. Eine umfas­sende Verkehrs­wende erfordert darüber hinaus Maßnahmen gegen Staus und lokale Luftver­schmutzung. Diese negativen Exter­na­li­täten müssen mit gezielt wirkenden Instru­menten inter­na­li­siert werden, insbe­sondere mit städti­schen Mautsystemen.

Inves­ti­tionen in die öffent­liche Infrastruktur

Ein CO2-Preis ist für eine ökolo­gische Finanz­reform notwendig. Er ist aber nicht hinrei­chend. Denn für eine gelungene Dekar­bon­sierung der deutschen Wirtschaft bedarf es erheb­licher Infra­struk­tur­in­ves­ti­tionen, wie z. B. in den öffent­lichen Nahverkehr, in öffent­liche Wohnungsbau und ‑sanie­rungs­pro­gramme und in Ladesta­tionen für die E‑Mobilität. Die Rahmen­be­din­gungen für langlebige Inves­ti­tionen in den Sektoren Energie, Transport und Gebäude bedürfen der Änderung. So müssen sowohl die Strom­netze einen hohen Anteil erneu­er­barer Energien integrieren, als auch Raumplanung und Bauver­ord­nungen angepasst werden. Der aktuelle Bundes­ver­kehrs­we­geplan ist beispiels­weise kaum mit den notwen­digen Treib­haus­gas­re­duk­tionen im Verkehrs­sektor in Einklang zu bringen, weil die drastische Vermin­derung der Verkehrs­emis­sionen mit dem derzeitig hohen Anteil des motori­sierten Indivi­du­al­ver­kehrs nicht erreichbar ist. Deutschland hat bislang zu wenig in die öffent­liche Infra­struktur inves­tiert, wenn man angemessene Diskont­raten und CO2-Preisen zugrunde legt. Dies gilt insbe­sondere für den Sanie­rungs­bedarf der Verkehrs­in­fra­struktur. Der deutsche Staat inves­tiert hier weniger als der OECD-Durch­schnitt. So ist der Anteil der Brutto­in­ves­ti­tionen am Sozial­produkt von 1996 bis 2016 von 2,5 auf 2,1 Prozent gefallen.

Wie aber sollen diese Infra­struk­tur­aus­gaben nun finan­ziert werden? Das Aufkommen aus der CO2-Bepreisung und den Energie­steuern wird dafür nicht ausreichen, zumal dieses deutlich rückläufig sein wird, wenn die Emissionen sinken.

Eine wichtige Quelle im Steuer­system der Zukunft stellt die Besteuerung des Bodens dar. Wer etwa städti­schen Boden besitzt, erhält ökono­misch gesehen eine „Rente“ – einfach darum, weil der städtische Boden kaum vermehrbar ist und darum in seinem Wert steigt, wenn die Stadt durch verbes­serte Infra­struktur oder durch Bereit­stellung anderer öffent­licher Güter wie Theater oder Parks attrak­tiver wird. Somit steigt der Wert des Bodens, ohne dass der Besitzer dafür eine Leistung erbracht hat. Eine Besteuerung des Boden­wertes schöpft dieses leistungslose Einkommen ab, das dann über Steuer­ein­nahmen für die Finan­zierung des Umbaus der städti­schen Infra­struktur heran­ge­zogen werden kann. Immerhin beträgt die jährliche Boden­rente von deutschen Wohngrund­stücken rund 85 Milli­arden Euro, was der doppelten Summe der derzeit getätigten öffent­lichen Inves­ti­tionen entspricht. Die Steigerung der Immobi­li­en­werte in den Städten reicher Länder geht langfristig zu 80 Prozent auf den Anstieg der städti­schen Boden­werte zurück. Überdies beträgt bei 20 Prozent der größten Vermö­gens­be­sitzer der Anteil der Immobilien am Gesamt­ver­mögen mehr als 60 Prozent. Eine Besteuerung der Boden­werte würde daher progressiv wirken und die Ungleichheit der Vermö­gens­ver­teilung vermindern.

Aufgrund des limitierten Angebots von Boden in Städten müssen die Grund­be­sitzer die Steuer tragen und können sie nicht auf Mieter abwälzen, selbst wenn sie diese als Betriebs­kosten von den Mietern zurück­for­derten. Denn würden die Immobi­li­en­be­sitzer die Steuer den Mietern aufbürden, stiegen die Wohnkosten über das markt­räu­mende Niveau: Die Mieter würden bei Neuver­mie­tungen dann auf kleinere Wohnungen ausweichen und die Nachfrage würde fallen, sodass einige Wohnungs­be­sitzer ihre Wohnungen nicht mehr vermieten könnten. Bei einer Abwälzung würden die Netto­kalt­mieten daher um genau den zusätz­lichen Steuer­betrag sinken, sodass sich die Wohnkosten für Mieter nicht ändern und der vorhandene Wohnraum vollständig ausge­nutzt wird. Empirische Unter­su­chungen für die USA bestä­tigen, dass Grund­steuern nahezu vollständig vom Eigen­tümer getragen werden und nicht an die Mieter weiter­ge­reicht werden können. Dies setzt voraus, dass auf dem Wohnungs­markt ausrei­chend Wettbewerb herrscht und Mietpreise nicht durch Regulierung bereits unterhalb des markt­räu­menden Niveaus sind. Während dies bei Neuver­mie­tungen größten­teils der Fall ist, sind Bestands­mieten stark reguliert und teilweise unterhalb des markt­räu­menden Mietzinses. Die Bestands­mieten würden in dem Fall nicht im Umfang der Boden­steuer sinken – der Vermieter kann statt­dessen die Steuerlast als Betriebs­kosten an den Mieter weiter­reichen. Hier kann jedoch durch eine Änderung der Betriebs­kos­ten­ver­ordnung die Abwälzung verhindert werden. Auch könnten die Verkäufer von Grund­stücken die Steuer nicht den Käufern aufbürden, weil diese die Boden­wert­steuer einpreisen und entspre­chend weniger für das Grund­stück bezahlen werden. Dies ist ebenso die Erklärung dafür, warum die Preise sinken, wenn der Wert von Grund­stücken besteuert wird.

Auch wenn diese Besteuerung nicht Teil der Einigung der Finanz­mi­nister von Bund und Ländern zur in diesem Kalen­derjahr fälligen Grund­steu­er­reform ist, so sollte sie zukünftig essen­zi­eller Bestandteil einer modernen ökolo­gi­schen Finanz­reform werden. Sinken die Renditen für Immobilien wegen der Besteuerung der Boden­werte, so werden Inves­ti­tionen in produk­tives Kapital rentabler. Damit erhöht sich das Wirtschafts­wachstum. Dies gilt auch für CO2-Preise, da diese die Rente auf fossilen Ressour­cen­besitz abschöpfen. CO2-Preise führen dann zu höherem Wirtschafts­wachstum, sofern die Gesell­schaft zu wenig in produk­tives Kapital investiert.

Über die Besteuerung von Renten hinaus ist in der Finanz­wis­sen­schaft umstritten, ob auch die Besteuerung von Kapital­ein­kommen sinnvoll sein kann. Immerhin vertritt die Finanz­wis­sen­schaft tradi­tionell die Auffassung, dass die Besteuerung von Kapital­erträgen besonders ineffi­zient sei und auch die Ungleichheit nicht vermindere, da die Vermö­genden die Steuerlast auf ärmere Haushalte abwälzen können. Die Debatte um die Besteuerung von Kapital­ein­kommen hat in der Öffent­lichkeit an Aufmerk­samkeit gewonnen, da viele befürchten, der Anteil der Lohnein­kommen an der gesamt­wirt­schaft­lichen Wertschöpfung könnte im Zuge der Digita­li­sierung seinen Abwärts­trend fortsetzen, während der Anteil der Kapital­ein­kommen weiter steigt.

Sollten dann die Bezieher von Kapital­ein­kommen nicht stärker an der Finan­zierung produk­tiver Infra­struk­tur­maß­nahmen beteiligt werden? Neuere finanz­wis­sen­schaft­liche Forschungs­ar­beiten zeigen, dass die klassi­schen Einwände gegen eine Besteuerung von Kapital­ein­kommen entkräftet werden können. Kapital­ein­kom­mens­steuern sind geboten, wenn Haushalte (wie in der Realität der Fall) bei der Kredit­auf­nahme beschränkt sind und sich gegen unvor­her­sehbare Risiken nicht versi­chern können. Kapital­ein­kom­mens­steuern sind zudem dann zur Vermin­derung von Ungleichheit geeignet, wenn sich gesell­schaft­liche Gruppen in ihrem Sparver­halten unter­scheiden. So bilden Arbeit­neh­mer­haus­halte vor allem Rücklagen für ihre eigene Alters­ver­sorgung: Während der Erwerbs­phase wird gespart, was im Alter wieder konsu­miert wird. Reiche Vermö­gens­be­sitzer hingegen inves­tieren in den genera­tio­nen­über­grei­fenden Aufbau ihres Vermögens. Die Arbeit­nehmer können ihren Anteil am volks­wirt­schaft­lichen Produk­tiv­ver­mögen erhöhen, wenn die Vermö­gens­be­sitzer an der Finan­zierung der öffent­lichen Infra­struktur stärker beteiligt werden. Damit wird aber nicht nur die Vermö­gens­un­gleichheit vermindert, sondern auch das Wirtschafts­wachstum gefördert. Eine Finan­zierung der staat­lichen Inves­ti­tionen durch die Mehrwert- oder Lohnsteuer vermindert die Ungleichheit hingegen nicht. Der Aufbau eines Staats­fonds (Sovereign Wealth Fund), der an die Arbeit­nehmer jährlich eine soziale Dividende ausbe­zahlt, könnte die Vermö­gens­bildung der Arbeit­nehmer ebenfalls stärken. Eine Verschuldung der Bundes­re­gierung am Kapital­markt zu relativ günstigen Zinsen wäre möglich und das Vermögen am Aktien­markt könnte breit gestreut inves­tiert werden. Da die Renditen am Aktien­markt mittel­fristig höher sind, entsteht ein Gewinn, der an die Bundes­bürger als soziale Dividende ausbe­zahlt werden könnte.
Reife liberale Demokratien mit markt­wirt­schaft­licher Basis sind in Gefahr, zu „Renten­öko­nomien“ zu verkommen, in denen leistungs­loses Einkommen hohe Renditen einfährt. Die Ungleichheit steigt und innovative Kräfte erlahmen. Renten­öko­nomien sind aber nicht nur eine ökono­mische Gefahr, sondern auch schädlich für die demokra­ti­schen Insti­tu­tionen. Instabile Demokratien wirken sich wiederum negativ auf Innova­ti­ons­fä­higkeit und Inves­ti­ti­ons­si­cherheit aus. Damit könnte eine Abwärts­spirale einsetzen, mit der die wirtschafts­po­li­tische Befürchtung, Gleichheit führe zu Effizi­enz­ver­lusten, auf den Kopf gestellt würde.

Die Kommu­ni­kation einer ökolo­gi­schen Finanzreform

Für die Erfolgs­aus­sichten einer ökolo­gi­schen Finanz­reform ist deren Kommu­ni­kation entscheidend. Die politi­schen Entschei­dungs­träger werden sich von der Illusion verab­schieden müssen, Klima­po­litik sei nur dann möglich, wenn sie von den Bürgern nicht wahrge­nommen wird.

Die empirische Forschung zur Akzeptanz wirtschafts­po­li­ti­scher Instru­mente zeigt: Es gibt eine große intuitive Skepsis der Bürger gegenüber neuen Steuern, da sie Regie­rungen nicht zutrauen, die Mittel „richtig“ zu verwenden. Daher sind Reformen politisch populärer, welche Steuer­ein­nahmen zweck­ge­bunden verwenden. Mit den Einnahmen aus der der CO2-Bepreisung sollten nicht Staats­schulden getilgt, sondern Steuer­erleich­te­rungen für die Bürger finan­ziert werden. Außerdem sind Reform­vor­schläge dann leichter durch­setzbar, wenn sie den Begriff „Steuer“ vermeiden: Begriffe wie CO2-Abgabe oder Klima­di­vi­dende“ (wenn die Einnahmen pauschal an die Bürger rückerstattet werden) können die Akzeptanz erhöhen. Auch Slogans wie „Bepreisung von Schad­stoffen“ oder „Verschmutzer müssen ihren fairen Anteil an den Klima­schäden bezahlen“ wären geeignet, die Zustimmung zu erhöhen. Der Begriff der „Steuer“ scheint zu sehr mit Assozia­tionen wie „Gängelung“, „Schröpfen“ und „Abkas­sieren“ behaftet zu sein. Es kommt darauf an zu zeigen, dass ein CO2-Preis den Wohlstand erhöht, weil er hilft, vor unkal­ku­lier­baren Klima­ri­siken zu schützen. Gerade in Zeiten des wahrge­nom­menen staat­lichen Kontroll­ver­lustes scheint es wichtig, das Thema Klima­schutz mit Sicherheit und Kontroll­gewinn zu verbinden.

CO2-Preise sind auch dann populärer, wenn die daraus erzielten Einnahmen für den Umwelt­schutz ausge­geben werden. Dies liegt daran, dass CO2-Preisen in der öffent­lichen Debatte nur eine geringe Lenkungs­wirkung zugetraut wird, da der Verbrauch von Kraft­stoffen oder Heizmitteln als inelas­tisch – d. h. wenig auf Preis­än­de­rungen reagierend – einge­schätzt wird. Daher wird die CO2-Bepreisung in der Öffent­lichkeit vor allem als Mittel für die Finan­zierung klima­freund­licher Inves­ti­ti­ons­pro­jekte verstanden. Es wird in der öffent­lichen Diskussion entscheidend sein, sowohl die hohe Lenkungs­wirkung zu betonen als auch Trans­parenz über die Verwendung von Einnahmen zu schaffen. Eine städtische Maut lässt sich ebenfalls leichter einführen, wenn die Mittel für den Ausbau des öffent­lichen Nahver­kehrs einge­setzt werden.

Entscheidend bei diesen Überle­gungen ist, dass sich der politische Handlungs­spielraum erweitert, wenn das Vertrauen der Bürger in politische Insti­tu­tionen gestärkt wird. Misstrauen die Bürger Politikern und werden die staat­lichen Insti­tu­tionen als korrupt wahrge­nommen, lässt sich Klima­schutz kaum durch­setzen, was wiederum zu höheren Treib­haus­gas­emis­sionen führt. Vertrauen ist ein soziales Kapital, das es der Politik ermög­licht, unter­schied­liche gesell­schaft­liche Gruppen in politi­schen Entschei­dungen zu integrieren und so politische und soziale Spannungen auszu­gleichen. Auch in diesen Kapital­stock muss inves­tiert werden.

Ausblick

Können sich liberale Demokratien eine ambitio­nierte Klima­po­litik leisten? Die Antwort vieler politi­scher Entschei­dungs­träger wäre ein klares Nein. Demokratien müssten sich um ihren Fortbe­stand angesichts des Populismus Sorgen machen. Darum scheint es politisch wenig attraktiv, inter­na­tionale Koope­ration voran­zu­treiben, auf die Bepreisung externer Effekte zu setzen und durch die Besteuerung von leistungs­losem Einkommen die Ungleichheit zu vermindern. Die Bürger würden eine solche Klima- und Finanz­po­litik als zu großen Eingriff in ihre indivi­du­ellen Freiheits­rechte ablehnen, so die Begründung.
Indes zeigt unser Beitrag, dass die Titel­frage falsch gestellt ist: Gerade ein ungebremster Klima­wandel würde die indivi­duelle Freiheit gefährden und damit das Vertrauen in demokra­tische Insti­tu­tionen unter­mi­nieren, weil er er zu weiterem staat­lichem Kontroll­verlust führen wird. Daher schlagen wir Reformen der Steuer- und Finanz­po­litik vor: Eine ökolo­gische Finanz­reform kann Freiheit und Wohlstand sichern und gleich­zeitig Ungleichheit und Emissionen vermindern. Mit gut ausge­stal­teten CO2-Preisen, Bodenwert- und Kapital­ein­kom­mens­steuern ist dieses Ziel erreichbar. Eine breite gesell­schaft­liche Vermö­gens­bildung kann die Akzeptanz der markt­wirt­schaft­lichen Ordnung sichern.

Ein neues Narrativ der Nachhal­tigkeit muss zeigen, dass gemein­schaft­liches Handeln, inter­na­tionale Koope­ration und Delibe­ration auch in einer sich polari­sie­renden Gesell­schaft möglich sind. Die Bejahung natio­naler, ethni­scher und religiöser Identi­täten braucht dabei nicht zu Lasten gesell­schaft­licher Koope­ration und Integration gehen. Die ökolo­gische Erneuerung der Sozialen Markt­wirt­schaft ist ein Gegen­entwurf zu einer illibe­ralen Demokratie, die solida­ri­sches Handeln und inter­na­tionale Koope­ration unter den ideolo­gi­schen General­ver­dacht stellt, Eliten setzten hier Politik gegen die Inter­essen der Mehrheit durch. Dem ist eine Erzählung entge­gen­zu­setzen, die für ambitio­nierten Klima­schutz in liberalen Demokratien wirbt. Diese Erzählung wird betonen, dass liberale Demokratien ohne nachhal­tigen Klima­schutz ihrer Verant­wortung gegenüber den kommenden Genera­tionen nicht gerecht werden und damit weiter an Zustimmung verlieren

Textende

Hat Ihnen unser Beitrag gefallen? Dann spenden Sie doch einfach und bequem über unser Spendentool. Sie unter­stützen damit die publi­zis­tische Arbeit von LibMod.

Wir sind als gemein­nützig anerkannt, entspre­chend sind Spenden steuerlich absetzbar. Für eine Spenden­be­schei­nigung (nötig bei einem Betrag über 200 EUR), senden Sie Ihre Adress­daten bitte an finanzen@libmod.de

 

Verwandte Themen

Newsletter bestellen

Mit dem LibMod-Newsletter erhalten Sie regel­mäßig Neuig­keiten zu unseren Themen in Ihr Postfach.

Mit unseren Daten­schutz­be­stim­mungen
erklären Sie sich einverstanden.