Abschied in Schande – Trumps Putsch­ver­such für Anfänger

Foto: Shutterstock, vasilis asvestas
Foto: Shut­ter­stock, vasilis asvestas

Im Ökosystem der Demo­kra­tien auf der Welt sind die Verei­nigten Staaten, das Mutter­land der modernen Demo­kratie, “too big too fail” – “zu groß, um unter­zu­gehen”. Das Vertrauen in die Ameri­ka­ni­schen Insti­tu­tionen war Grundlage eines verhal­tenen Opti­mismus Vieler während der vier­jäh­rigen Trump-Legis­latur. Keine zwei Wochen vor der Amts­über­gabe stellen Trumps MAGA-Milizen die US-Demo­kratie beim Sturm des Capitols auf  die härteste Probe. Teil 4 unserer Serie zum Auto­ri­ta­rismus 2020 /​ 2021.

Seit dem Sturm rechts­extremer Terro­risten auf das Capitol während der Sitzung, die die Ernennung des neuen US-Präsi­denten Joe Biden hätte perfekt machen sollen, ist deutlich geworden, dass selbst eine erprobte und krisen­feste Demo­kratie wie die ameri­ka­ni­sche am Ende von einem Popu­listen, der entschlossen ist, diese Demo­kratie zu schleifen, beinahe in die Knie gezwungen werden kann.

Offen­sicht­liche Lügen sind die effektivsten

Donald Trump hat den Sommer über gelogen und behauptet, die Briefwahl werde von den Demo­kraten mani­pu­liert. Nach der Wahl log und lügt er weiter und behauptet, er habe die Wahl gewonnen. Hier bleibt er sich — so wie sich übrigens alle Despoten — treu: gleich bei der Amts­ein­füh­rung behaup­tete er, es sei die größte Menschen­menge zusam­men­ge­kommen, die sich je zu diesem Ereignis einge­funden habe. Diese Behaup­tung war leicht mit Foto­gra­fien zu wider­legen. Präsident Trump hat im Sommer die Frage, ob es unter ihm eine fried­liche Macht­über­gabe gebe, nicht beant­worten wollen. Dass er und etliche Personen in der Repu­bli­ka­ni­schen Partei bis heute seinem desi­gnierten Nach­folger Biden zur Wahl gratu­liert haben, passt ins Bild. Auch hier schließt sich der despo­ti­sche Kreis.

Ceterum censeo Cartha­ginem esse delendam

Wem das noch nicht genug ist, dem sei das Helden­stück zur Anschauung anemp­fohlen, das Trump am Drei­kö­nigstag abge­lie­fert hat. Zuerst ermutigte er seine Anhänger, gen’ Kapitol zu marschieren und es den dort Versam­melten zu zeigen. Dann kam es zu der sakri­le­gi­schen Entwei­hung des Capitols durch den von Trump entfes­selten Mob, eine Travestie, die noch sehr lange ihres gleichen wird suchen müssen. Dass die Polizei die Schä­di­gung des demo­kra­ti­schen Heilig­tums durch die Terro­risten nicht verhin­dert hat, ist beschä­mend. Dann aber wendet sich Trump direkt an die Aufrührer, sagte ihnen “you are special” and “we love you”, was nichts anderes heißt, als dass er, der amtie­rende Präsident einen Aufstand gegen die Verfas­sung und die demo­kra­ti­schen Insti­tu­tionen preist und deren Ausführer lobt.

Trump, von dem man noch bis zum 20. Januar, dem Tag der Verei­di­gung Joe Bidens, Vieles und Schlimmes erwarten muss, hat den Sommer damit verbracht, die Demons­tra­tionen gegen massive Poli­zei­ge­walt und Rassismus in den USA, als “riots”, Aufstände, zu denun­zieren und all denen, die das Eigentum des Staates demo­lieren, härteste Strafen angedroht. Dafür muss man die Straf­täter erst einmal verhaften, was nun großteils unter­blieben ist. Am ersten Tag der Demons­tra­tionen wegen des in Poli­zei­ge­wahrsam getöteten Schwarz-Ameri­ka­ners George Floyd am 1. Juni 2020 wurden 326 Menschen in Washington DC verhaftet, berichtet der Boston Globe. Am Morgen nach der Verhee­rung des Kapitals wurden jedoch nur 61 Verhaf­tungen durch die Polizei in Washington DC gezählt.

Ein Mann allein, auch ein Donald Trump, kann eine Demo­kratie nicht zum Einsturz bringen. Jene, die in Amerika das Land der Hoffnung und der Einwan­de­rung sehen, und andere, die es als die für die weiße Rasse bestimmte Heimstadt vergötzen, leben schon seit Gründung des Landes getrennt neben­ein­ander her, wie die Harvard-Histo­ri­kerin Jill Lepore in ihrem Buch “The Case for The Nation” dargelegt und erklärt hat. Barack Obama stand für das kosmo­po­li­ti­sche Amerika, Donald Trump für das rassis­ti­sche. Mit Joe Biden ist das Pendel wieder in die kosmo­po­li­ti­sche Richtung ausge­schlagen. Das macht die zweite Seite der USA, besonders außerhalb der Landes­grenzen, viel­leicht unsichtbar. Sie verschwindet deshalb aber nicht einfach.

Lang­zeit­schäden

Wie noch nie zuvor jemand ist es Donald Trump gelungen, diesen Teil des Landes, der nach innen gerich­tete Slogans wie “Make America Great Again” feiert und überhöht, nicht nur gegen den poli­ti­schen Gegner, sondern gegen die Demokatie als solche aufzu­bringen. Donald Trump hat, wie es in jedem Handbuch des Popu­lismus zu lesen ist, die Medien und die Univer­si­täten diskre­di­tiert und versucht, die Gerichte zu korrum­pieren. Zuletzt hat er den Glauben der Ameri­kaner an das Wahl­system und damit die Demo­kratie selbst zerstört. Amerika ist damit erledigt. Joe Biden hat zwei Jahre bis zu den nächsten Mid-Term-Wahlen, um die Mehrheit der Demo­kraten im Kongress für Verän­de­rung zu nutzen. Dabei sollte vor allem die Stärkung der demo­kra­ti­schen Insti­tu­tionen eine Rolle spielen. Was auch immer seine Regierung hier umzu­setzen versuchen wird, am Ende werden die Gerichte entscheiden und die Verfas­sungs­mäs­sig­keit der Politik prüfen. Trump hat sich bei der Besetzung von Rich­ter­posten strikt an die Liste der konser­va­tiven „Fede­ra­list Society“ gehalten. Die empfiehlt Juristen, die die Verfas­sung und Gesetze eher wörtlich als zeitgemäß angepasst auslegen. Dass deren Loyalität den Geset­zes­texten und nicht Poli­ti­kern, denen sie ihre Ämter verdanken gilt, dürfte Trump verwun­dert haben, als über 60 Klagen gegen die Ergeb­nisse der Präsi­dent­schafts­wahl umstandslos auf verschie­denen Ebenen scheiterten.

Was in den USA beinahe funk­tio­niert hat, mag denen Rücken­wind verschaffen, die ande­ren­orts, beispiels­weise in Polen und Ungarn, mit denselben Mitteln an der Abschaf­fung der Demo­kratie arbeiten. Wer also in Europa meint, das Problem sei auf der anderen Seite des Atlantik isoliert, dem droht ein fürch­ter­li­ches Erwachen.

 

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