Die Aufholjagd – Wie weit ist China noch von den USA entfernt?

Foto: Shutter­stock, EarnestTse

Dieser Tage feierte China den 100. Jahrestag der Kommu­nis­ti­schen Partei. Bis zum 100. Jahrestag der Volks­re­publik im Jahr 2049 will das Land zur führenden Indus­trie­nation aufge­stiegen sein. Wie weit ist Peking noch vom Status der Super­macht Nummer eins entfernt? Ein Reality-Check.

2021 ist für China eines der wichtigsten Jahre des Jahrhun­derts. Dieser Tage jährt sich die Gründung der Kommu­nis­ti­schen Partei Chinas (KPCh) zum 100. Mal. Und aus Anlass dieses Jubiläums hat sich die politische Führung ein „Jahrhun­dertziel“ gesteckt. Es sah die Verdop­pelung des Brutto­in­lands­pro­dukts (BIP) pro Kopf gegenüber 2010 voraus. Wer sich die Zahlen anschaut, stellt fest: Das chine­sische BIP pro Kopf hat sich seit 2010 (4.550 US-Dollar) tatsächlich mehr als verdoppelt (10.500 US-Dollar).

Doch das ist nur das erste von zwei chine­si­schen „Jahrhun­dert­zielen“. Das zweite soll 2049 erreicht werden, wenn sich die Gründung der Volks­re­publik zum 100. Mal jährt. Bis dahin möchte China ein „modernes sozia­lis­ti­sches Land“ und die „führende Indus­trie­nation“ sein. In anderen Worten: Bis 2049 will Peking Washington als Super­macht entthront haben.

Wie weit ist China noch von den USA entfernt? Der Reality-Check in den Kategorien Wirtschaft, Militär, Weltraum­for­schung, Wissen­schaft und Techno­logie und Soft Power:

Wirtschaft

Die USA kamen 2020 auf ein Brutto­in­lands­produkt (BIP) von etwa 20,9 Billionen US-Dollar. China erzielte hingegen ein BIP von rund 14,7 Billionen US-Dollar – etwa 70 Prozent des US-Werts. Noch 2018, also vor Corona, kam China auf nur etwa 67 Prozent des US-Werts.

Die Pandemie hat beschleunigt, was schon im Gange gewesen ist: Die wirtschaft­lichen Gewichte verschieben sich. China hat sich schneller von der Seuche erholt als die meisten anderen Länder. Die Volks­re­publik ist die einzige große Volks­wirt­schaft gewesen, die im Pandemie-Jahr 2020 Wachstum verzeichnet hat. Corona als Katalysator.

Absehbar ist, dass die Volks­re­publik zur größten Volks­wirt­schaft der Welt aufsteigen wird. Auch hier haben sich seit der Pandemie die Vorher­sagen verschoben. Inzwi­schen gibt es Ökonomen, die davon ausgehen, dass Peking – was das BIP angeht – noch in diesem Jahrzehnt an den USA vorbei­ziehen wird. Zuvor sind sich die meisten Ökonomen einig gewesen, dass das frühestens im kommenden Jahrzehnt geschehen wird. Aller­dings muss man bedenken, dass die chine­sische Bevöl­kerung (1,4 Milli­arden Einwohner) mehr als vier mal so groß ist wie die US-Bevöl­kerung (330 Millionen Einwohner). Vor diesem Hinter­grund ist der Aufstieg Chinas zur größten Volks­wirt­schaft der Welt weniger ein Meilen­stein – sondern vielmehr eine Normalität.

Viele Ökonomen schauen deswegen lieber auf das BIP pro Kopf, ein Maß für den materi­ellen Wohlstand in einem Land. Dieser Wert zeigt: China hat sein BIP pro Kopf seit 1980 zwar fast vervier­zig­facht. Aber 2020 war es mit 10.582 US-Dollar immer noch sechs Mal kleiner als das der USA (63.000 US-Dollar). Viele Ökonomen gehen davon aus, dass sich an diesem Verhältnis auch in den kommenden 50 Jahre nichts ändern wird.

Ein weiterer Wert, der verdeut­licht, dass die USA vermö­gender als China sind, ist die Anzahl der Milli­ardäre. Nach einer Zählung des US-Magazins „Forbes“ gab es in den USA im vergan­genen Jahr 614 US-Dollar-Milli­ardäre. In China – inklusive Hongkong – waren es 455.

Militär

Nach einem aktuellen Ranking der Daten-Webseite Global Firepower sind die USA die stärkste Militär­macht der Welt. China kommt – nach Russland – auf Platz drei.

Nach Angaben des Stock­holmer Friedens­for­schungs­in­stituts Sipri haben die USA den weltweit größten Militär­haushalt. 778 Milli­arden US-Dollar gab Washington 2020 für das Militär aus ­– ein Plus von 4,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr, aber ein Minus von zehn Prozent gegenüber 2011.

China ist demnach das Land mit dem zweit­größten Militär­haushalt – aller­dings ist es hier etwas schwie­riger, die genau Größe abzuschätzen. Im Jahr 2019 gab Peking nach eigenen Angaben rund 183 Milli­arden US-Dollar für das Militär aus. Sipri schätzt aller­dings, dass das Militär­budget aufgrund vieler verdeckter Posten fast 40 Prozent größer ist. Für das Jahr 2019 beziffert Sipri den chine­si­schen Militär­haushalt auf 240 Milli­arden US-Dollar, für das Jahr 2020 auf 252 Milli­arden US-Dollar.

Sowohl Washington als auch Peking sind Atommächte. Aller­dings sind die Kräfte hier sehr ungleich verteilt. Nach Angaben von Sipri sind die USA im Besitz von etwa 5550 nuklearen Spreng­köpfen, China hingegen nur von 350.

Der Trend ist aber: Was den Militär­haushalt und die Anzahl der nuklearen Spreng­köpfe angeht, sind die USA auf einem Pfad der Abrüstung. Besonders deutlich wird dieser Trend, wenn man sich vor Augen führt, dass Washington noch bis in die 80er-Jahre in einem Wettrüsten mit der Sowjet­union steckte.

 China hingegen befindet sich auf einem Pfad der Aufrüstung. Der chine­sische Militär­haushalt wächst seit bald drei Jahrzehnten. Und erst jüngst weckten US-Satel­li­ten­bilder die Sorge, dass das chine­sische Atomwaf­fen­ar­senal größer sein könnte als bislang angenommen.

Weltraum­for­schung

Erst jüngst beherrschte China die Schlag­zeilen. Im Mai landete das Land erstmals mit einem Rover auf dem Mars. Für einen Moment schien es, als stiege die Volks­re­publik auch zur führenden Weltraum­macht auf. Aller­dings war erst im Februar ein NASA-Rover auf dem Roten Planeten gelandet. Und zuletzt wurden die Schlag­zeilen von Richard Branson, Jeff Bezos und Elon Musk beherrscht – und von dem Wettlauf der US-Milli­ardäre ins Weltall.

Tatsächlich verschieben sich auch im Weltall die Gewichte. Schon Ende des kommenden Jahres will China den Bau seiner Raumstation CSS abschließen. Wenn der Betrieb der Inter­na­tio­nalen Raumstation ISS, wie derzeit geplant, um 2024 einge­stellt wird, könnte China die einzige Nation sein, die permanent im All vertreten ist. Aber: Noch ist das hypothe­tisch. Es könnte auch noch anders kommen. 

Denn das Budget der NASA belief sich 2020 auf rund 22,6 Milli­arden US-Dollar, fast doppelt so viel wie das der chine­si­schen Raumfahrt­be­hörde (etwa 11 Milli­arden US-Dollar). Zudem gibt es in den USA mit dem Unter­nehmen SpaceX einen privaten Akteur, der die Branche aufmischt.. Das 2002 von dem Südafri­kaner Elon Musk gegründete Unter­nehmen wurde anfangs eher belächelt. Aber seit 2020 führt SpaceX bemannte Raumflüge für die NASA zur ISS durch. Ab diesem Jahr will es auch Privat­per­sonen ins All befördern. Kurz: SpaceX gehört inzwi­schen zu den besten Weltraum­for­schungs­or­ga­ni­sa­tionen der Welt.

 Wissen­schaft und Technologie

Ein wichtiger Treiber von wissen­schaftlich-techno­lo­gi­schem Fortschritt sind Patente. Und die Schutz­rechte für Erfin­dungen sind ein Feld, in dem China rapide aufholt – und die USA bereits übertrumpft hat. Mehr als 68.000 Patente meldete das Reich der Mitte 2020 an, die USA hingegen nur etwas mehr als 59.000.

Die Trend­wende setzte 2019 ein: Da löste China die USA in der Rangliste der Weltor­ga­ni­sation für geistiges Eigentum (WIPO) erstmals als führende Patent-Macht ab. Zuvor hatten die USA die Liste seit 1978 ununter­brochen angeführt. Aber zwischen 1999 und 2019 verzwan­zig­fachte China seine Patentanmeldungen. 

Aller­dings ist Quantität nicht zwingend mit Qualität gleich­zu­setzen. So kommt eine Studie der Bertelsmann-Stiftung aus dem Jahr 2020 zu dem Schluss, dass die USA immer noch die unange­fochtene „Patent-Super­macht“ sind. In 50 von 58 Spitzen­tech­no­logien haben die USA demnach die meisten Patente.

Im Global Innovation Index 2020 der WIPO landet China trotz seiner zahlreichen Patente dann auch nur auf dem 14. Platz – hinter Israel, aber vor Irland. Die USA hingegen belegen – nach der Schweiz und Schweden – den dritten Platz.

Ein weiterer Indikator für den Stand von Wissen­schaft und Techno­logie, der aller­dings in die Vergan­genheit blickt und nicht in die Zukunft, ist die Zahl der Nobel­preise, die ein Land erhalten hat. Hier gibt es einen Klassen­un­ter­schied. Die USA erhielten bis 2021 375 Nobel­preise, China hingegen nur acht.

 Soft Power

Schluss­endlich ist es aber nicht nur die wirtschaft­liche und militä­rische Stärke eines Landes, das ihm Durch­set­zungs­kraft verleiht. Auch Soft Power, also kultu­relle Attrak­ti­vität, kann als Mittel der Macht­aus­übung geltend gemacht werden. Als Urheber des Begriffs gilt der US-Politik­wis­sen­schaftler Joseph Nye. Er unter­schied 1990 Soft Power von Hard Power.

Unter Soft Power kann all das subsu­miert werden, was ein Land in den Augen anderer Nationen attraktiv macht: Eine freie Presse- und Kultur­land­schaft, eine florie­rende Filmszene, inter­na­tionale Stars, aber auch eine Regie­rungs­po­litik, die als legitim, gerecht oder sogar human angesehen wird.

Soft Power zu messen, ist natur­gemäß kein objek­tives Unter­fangen. Welche Eigen­schaften wie gewertet werden, macht einen großen Unter­schied. So sah das Ranking Soft Power 30, das 30 Länder nach ihrer Soft Power misst, die USA 2019 global als dritt­stärkste Soft-Power-Nation. China landete abgeschlagen auf Rang 27.

Deutlich geringer legt das Ranking Global Soft Power Index den Unter­schied aus. In einem Ranking aus dem Jahr 2021 sieht es die USA auf Platz sechs – und China schon auf Platz acht.

Die Stärke der USA sind inter­na­tional bekannte Hollywood-Filme und global verehrte Musik- und Sport-Stars. Anderer­seits wird Washington – besonders in der musli­mi­schen Welt – auch als militä­ri­scher Aggressor betrachtet. 

China hingegen hat so gut wie keine inter­na­tio­nalen Stars zu bieten. Ein limitie­render Faktor für die chine­sische Soft Power ist zudem, dass die KPCh sich in alle Bereiche des Lebens einmischt – auch in die Film- und Musikproduktion.

 

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