Bidens vier ungelöste Konflikte mit China
Es hat zwei Monate gedauert. Seit Januar ist US-Präsident Joe Biden im Amt. Aber an diesem Donnerstag trifft zum ersten Mal ein hochrangiger Vertreter der Biden-Regierung einen Kollegen aus China: Außenminister Antony Blinken trifft in Alaska seinen chinesischen Amtskollegen Wang Yi. Dass das Treffen erst jetzt zustande kommt, zeigt, wie verfahren das amerikanisch-chinesische Verhältnis ist.
Unter Donald Trump ist die Beziehung zwischen Washington und Peking eskaliert, sie galt als so schlecht wie noch nie seit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen 1979. Allerdings zeichnet sich ab, dass der Unterschied zwischen Trump und Biden wohl nicht in der Sache liegt, sondern im Ton: Auch Biden will sich in den Konflikten mit China hart zeigen – aber ohne die rassistischen Untertöne von Trump.
Was aber sind die großen Konflikte im amerikanisch-chinesischen Verhältnis, die nicht nur für Spannungen, sondern sogar für Kriegsgefahr sorgen? Ein Überblick:
Handelskrieg
Nach einer anfänglichen Honeymoon-Phase, in der Donald Trump versuchte, den chinesischen Präsidenten Xi Jinping zu umgarnen („Wir haben eine großartige Chemie“), schwenkte der US-Präsident 2018 auf einen konfrontativen Kurs ein: er trat den Handelskrieg los – wohl wegen des Handelsbilanzdefizits der USA gegenüber China. Er überzog die Volksrepublik mit Import- und Strafzöllen. Peking verhängte im Gegenzug Importzölle auf amerikanische Waren. Dieses Wie-du-mir-so-ich-dir zog sich über zwei Jahre. Anfang 2020 schlossen Washington und Peking dann einen Burgfrieden. Sie unterzeichneten ein Abkommen, das China dazu verpflichtete, den Einkauf von Energie, Industriegütern, Agrarerzeugnissen und Dienstleistungen in den USA zu steigern. Bestehende Strafzölle blieben jedoch in Kraft.
Als Joe Biden im Januar ins Weiße Haus einzog, erbte er diesen immer noch schwelenden Handelskonflikt. Und es zeichnet sich ab: Der Demokrat wird daran wohl so schnell nichts ändern.
Janet Yellen, Bidens Finanzministerin, warf Peking im Januar „missbräuchliche, unfaire und illegale Praktiken“ vor. Der Subtext: Die strukturellen Probleme im amerikanisch-chinesischen Handel bestehen nach wie vor, etwa der ungleiche Marktzugang und Pekings Bevorzugung von Staatsunternehmen.
Beobachter gehen davon aus, dass Biden zwar einerseits einen diplomatischeren Ton anschlagen wird als sein Vorgänger. Aber andererseits wird er die Strafzölle wohl in Kraft lassen – nicht zuletzt, um gegenüber Peking eine gute Verhandlungsposition zu haben. Die meisten Beobachter gehen zudem davon aus, dass die Biden-Regierung daran arbeiten wird, Alliierte zu gewinnen, um gemeinsam gegen die strukturellen Handelsprobleme vorzugehen.
„Tech-Krieg“
Wenn man es genau nimmt, brach Donald Trump gegenüber Peking nicht nur den Handelskrieg vom Zaun. Er erhöhte auch den Druck auf chinesische Tech-Unternehmen – weil er davon ausging, dass sie eine Gefahr für die nationale Sicherheit der USA darstellen. US-Medien nennen diesen Konflikt – in Anlehnung an den Handelskrieg – den „Tech War“.
Trump ging nicht nur gegen den Netzwerkausrüster Huawei und das soziale Netzwerk TikTok vor. Auch den Chip-Hersteller SMIC und den Handy-Hersteller Xiaomi belegte er mit einem Verbot, amerikanische Investitionen anzunehmen. Nicht alles war erfolgreich. Das geplante Verbot der Apps TikTok und WeChat blieb etwa in Gerichten hängen.
Joe Biden setzte die Verbote von TikTok und WeChat im Februar vorübergehend aus. Seine Regierung werde prüfen, ob die Apps wirklich eine Gefahr für die nationale Sicherheit darstellten, so der Demokrat. Doch es wäre übereilt, das als Entspannung im „Tech-Krieg“ zu werten.
Peking betreibt seit den 00er-Jahren einen technologischen Nationalismus. Google, Twitter und Facebook sind in China seit mehr als einem Jahrzehnt gesperrt. Die Volksrepublik hat ein eigenes digitales Ökosystem aufgebaut – sozusagen ein großes Intranet im globalen Internet.
Beobachter gehen davon aus, dass sich die „Cyber-Balkanisierung“ fortsetzt. Will heißen: Das Internet zersplittert in immer mehr Intranets, weil sich – vorangetrieben von Peking – immer mehr autoritäre Staaten mit eigenen Plattformen vom Internet abkoppeln.
Eine Idee, die im Weißen Haus kursiert, scheint es zu sein, die technologische Zusammenarbeit mit dezidiert demokratischen Verbündeten zu stärken. „Wir müssen uns dieser Herausforderung gemeinsam stellen“, sagte Außenamtssprecher Ned Price im Februar: „Chinas Missbrauch, Chinas räuberischen Praktiken und Chinas Export von Werkzeugen, die es benutzt, um seinen Techno-Autoritarismus zu verbreiten.“
Konkret könnte das bedeuten, dass Washington mit demokratischen Verbündeten sichere Halbleiter-Kapazitäten aufbaut. Halbleiterchips sind das technologische Rückgrat der modernen Wirtschaft. Sie stecken in praktisch jedem vernetzten Produkt, von Autos über Handys bis hin zu Kühlschränken.
Taiwan
Der Taiwan-Konflikt ist brandgefährlich. Die Volksrepublik betrachtet Taiwan als Teil ihres Territoriums – obwohl sie auf der Insel niemals die Herrschaft innehatte. Tatsächlich ist Taiwan aber nicht nur unabhängig. Das Land ist auch einer der wenigen asiatischen Staaten, die sich in den 80er-Jahren erfolgreich demokratisierten.
Zudem ist Taiwan seit dem Korea-Krieg ein enger Verbündeter der USA. Bis 1979 erkannte Washington Taipeh sogar diplomatisch an – allerdings als Vertretung Chinas. Seit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen unterhalten die USA und Taiwan enge Beziehungen, Waffenlieferungen zur Selbstverteidigung inklusive.
Donald Trump intensivierte die Beziehungen zu Taiwan. Noch vor seinem Amtsantritt nahm er einen Anruf der taiwanischen Präsidentin Tsai Ing-wen entgegen – das erste Telefonat der designierten Präsidenten der zwei Länder seit 1979. Zudem schickte er mehrmals hochrangige Regierungsvertreter nach Taipeh – auch das ein Bruch mit einem jahrzehntealten Protokoll. Seit 1979 galten für amerikanische Diplomaten und Regierungsvertreter im Umgang mit ihren taiwanischen Amtskollegen Beschränkungen. Diese hob die Trump-Regierung im Januar auf – als eine ihrer letzten Amtshandlungen.
Kritiker werfen Trump vor, dass er den Kontakt zu Taiwan nur intensiviert habe, um Peking zu provozieren. Unterstützer argumentieren hingegen, dass die Unterstützung einer bedrohten Demokratie eine amerikanische Pflicht sei. Zudem habe es seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie allen Grund gegeben, den Kontakt zu dem Land zu vertiefen. Taipeh reagierte früh auf die Gesundheitskrise und schaffte es, sie ohne einen Lockdown unter Kontrolle zu bringen.
Doch Pekings Rhetorik verschärft sich seit einiger Zeit. Zudem unterstreicht die chinesische Führung ihren Anspruch auf die Insel auch immer häufiger mit Taten. Im Januar schickte sie 13 Militärflugzeuge in die Luftraum-Verteidigungszone von Taiwan. Die Regierung in Taipeh war so alarmiert, dass sie die Luftwaffe aktivierte.
Doch auf die militärische Provokation aus China kam eine prompte Antwort aus den USA: Washington schickte eine Flugzeugträgergruppe. Der Flugzeugträger „USS Theodore Roosevelt“ fuhr dabei bis auf 25 Seemeilen an das Scarborough-Riff heran, ein Atoll, das unter chinesischer Kontrolle steht.
Beobachter gehen davon aus, dass Joe Biden im Vergleich zu seinem Vorgänger zwar weniger über Taiwan reden, die Insel aber ebenso felsenfest unterstützten wird.
Südchinesisches Meer
Auch im Südchinesischen Meer stehen sich Washington und Peking feindselig gegenüber. Und ähnlich wie im Taiwan-Konflikt besteht auch hier die Gefahr, dass die Feindseligkeit eskaliert – und in einen militärischen Konflikt mündet.
Peking erhebt Anspruch auf fast das gesamte Südchinesische Meer. Der internationale Schiedsgerichtshof in Den Haag wies die chinesischen Ansprüche 2016 zwar zurück. Aber Peking ignoriert das Urteil. In den vergangenen Jahren baute die Volksrepublik ihre Präsenz dort ganz ungeniert aus: Sie schüttete Inseln auf und baute Landebahnen und Lagerhallen.
Mit dieser Militarisierung will Peking Washington aus dem Westpazifik drängen, einer Region, die die chinesische Führung traditionell als ihre Einflusssphäre betrachtet. Die USA sind dort seit 1945 die militärisch dominierende Macht, etwa mit Flotten und Stützpunkten auf dem pazifischen Guam.
Doch Washington lässt sich den Druck aus Peking nicht gefallen. 2019 verabschiedete die US-Regierung unter Donal Trump eine „Indo-Pazifik-Strategie“, mit der der chinesische Einfluss eingedämmt werden soll. Zu dieser Strategie gehört es, „Freedom-of-Navigation“-Übungen durchzuführen, um auf das Recht auf freie Seefahrt zu pochen. Zudem vertiefen die USA seit einiger Zeit den militärischen Austausch mit Indien und pazifischen Verbündeten wie Japan und Australien.
Der US-Politologe Graham Allison machte vor rund zehn Jahren die „Thukydides-Falle“ populär. Diese besagt, dass – in Anlehnung an die Vorstellung des Athener Strategen Thukydides, dass ein Krieg zwischen der etablierten Großmacht Sparta und dem aufstrebenden Athen unvermeidlich geworden sei – eine kriegerische Auseinandersetzung zwischen den USA und China so gut wie unausweichlich sei.
Die Spannungen im Südchinesischen Meer illustrieren die Dynamik zwischen einer etablierten und einer aufstrebenden Militärmacht wie fast kein anderer Konflikt. Sie gelten deswegen als Paradebeispiel für einen Konflikt, über den die USA und China in einen Krieg stolpern könnten. Auch unter Joe Biden wird sich an dieser Dynamik wohl nichts ändern.
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