Können sich Demo­kra­tien eine ambi­tio­nierte Klima­po­litik leisten?

Die Gelbwestenbewegung in Frankreich provoziert die Frage, ob sich liberale Demokratien eine ambitionierte Klimapolitik leisten können. Darüber schreiben für das zentrum Liberale Moderne Ottmar Edenhofer und Linus Mattauch
Shut­ter­stock /​ Mo Wu

Die Gelb­wes­ten­be­we­gung – die Revolte der fran­zö­si­schen Land­be­völ­ke­rung – provo­ziert die Frage, ob die Klima­po­litik die liberalen Demo­kra­tien sprengen könnte. In Dörfern und Klein­städten sind Menschen auf das Auto ange­wiesen, der Benzin­preis spielt eine Rolle. Nicht selten wird noch mit Öl geheizt. Manche städ­ti­schen Debatten erscheinen abgehoben und lebens­fremd. Ottmar Edenhofer und Linus Mattauch argu­men­tieren, dass Klima­po­litik die soziale Frage berück­sich­tigen muss – und dies auch kann: Die Einnahmen aus einer CO2-Steuer lassen sich an die privaten Haushalte rück­ver­teilen. Eine Finanz­re­form, welche die Klima­folgen einpreist und zugleich leis­tungs­lose Einkommen aus der Boden­wert­stei­ge­rung besteuert, würde die soziale Ungleich­heit mildern und Anreize für den ökolo­gi­schen Umbau von Wirt­schaft und Infra­struktur setzen. Die Autoren skiz­zieren Grund­li­nien einer Politik, die Brücken zwischen poten­ti­ellen Gelb­westen und der Klima­be­we­gung schlägt.

Der klima­po­li­ti­sche Hand­lungs­spiel­raum in liberalen Demo­kra­tien wird durch die steigende Ungleich­heit begrenzt. Für viele Politiker ist die fran­zö­si­sche Gelb­wes­ten­be­we­gung das Menetekel für die sozi­al­po­li­ti­sche Spreng­kraft einer unbe­dachten Klima­po­litik. Zugleich fordert eine neue Jugend­be­we­gung auf den Fridays for Future-Demons­tra­tionen einen ambi­tio­nierten Klima­schutz. Dieser bedarf einer Erwei­te­rung des poli­ti­schen Spiel­raums. Die liberalen Demo­kra­tien stehen vor der Heraus­for­de­rung, lang­fris­tige Zukunfts­auf­gaben zu bewäl­tigen, obwohl die wachsende Einkom­mens- und Vermö­gens­un­gleich­heit, die Globa­li­sie­rung und das Anwachsen rechts­po­pu­lis­ti­scher Bewe­gungen die Verfüg­bar­keit der notwen­digen poli­ti­schen Mittel empfind­lich einschränken. Eine mutige Reform des Steu­er­sys­tems und der Finanz­po­litik, so unsere These, kann eine dreifache Heraus­for­de­rung meistern: Die Wirt­schaft dekar­bo­ni­sieren, Wachstum fördern, die Ungleich­heit vermin­dern und so demo­kra­ti­sche Insti­tu­tionen stärken. Zwar ist die Einkom­mens­un­gleich­heit in Deutsch­land im inter­na­tio­nalen Vergleich eher gering. Umwelt­po­li­ti­sche Reformen werden dennoch mit dem Hinweis auf soziale Verwer­fungen verzögert. Gleich­zeitig besteht in Deutsch­land ein deut­li­cher Inves­ti­ti­ons­be­darf in die Infra­struktur, beispiels­weise im Verkehrs­sektor. Würden klima­freund­liche Inves­ti­tionen getätigt, könnte das auch dem Wirt­schafts­wachstum einen Schub geben.

Der vorlie­gende Beitrag erläutert, warum steigende Ungleich­heit der Einkommen und Vermögen demo­kra­ti­sche Insti­tu­tionen gefährdet. Ausgehend von dieser Annahme zeigt er, wie nationale Klima­schutz­pro­gramme so ausge­staltet werden können, dass sie die ökono­mi­sche Ungleich­heit sogar senken. Ein finanz­po­li­ti­sches Erneue­rungs­pro­gramm muss effizient und gerecht sein. Dieses bedarf dann auch einer entspre­chenden Kommu­ni­ka­tion, damit das Vertrauen zwischen Staat und Bürger gestärkt wird.

Wir analy­sieren in Abschnitt 1 die Ursachen gestie­gener Ungleich­heit der Vermö­gens­ver­tei­lung in west­li­chen Staaten und beleuchten ihr Gefah­ren­po­ten­zial für die Demo­kratie. Abschnitt 2 legt dar, wie nationale Klima­po­litik gelingen kann, ohne die Ungleich­heit zu vergrö­ßern und damit die Demo­kratie zu gefährden. Dafür sind zum einen gut ausge­stal­tete CO2-Preise und zum anderen Inves­ti­tionen in die Infra­struktur erfor­der­lich, die neues Wachs­tums­po­ten­zial erschließt. In Abschnitt 3 behandeln wir die poli­ti­schen Erfolgs­be­din­gungen einer nach­hal­tigen Steuer- und Finanz­po­litik. Der Ausblick skizziert schließ­lich ein Narrativ zur Vertei­di­gung liberaler Demokratien.

Die Ursachen der gestie­genen Ungleich­heit und ihre Folgen für Hand­lungs­spiel­räume in Demokratien

Die wirt­schaft­liche Ungleich­heit innerhalb vieler großer Volks­wirt­schaften hat in den letzten Jahr­zehnten erheblich zuge­nommen. Dies gilt insbe­son­dere für die Ungleich­heit der Vermö­gens­ver­tei­lung. Weltweit ist der Vermö­gens­an­teil des obersten Perzentil in der Vermö­gens­ver­tei­lung seit 1980 um fünf Prozent­punkte gestiegen, während der Anteil der untersten 75 Prozent konstant bei rund zehn Prozent blieb. Betrachtet man die Vertei­lung des Reichtums in Deutsch­land, so besitzt das untere Drittel der Bevöl­ke­rung kein Vermögen oder hat Schulden; die Vermö­gens­un­gleich­heit ist auch im inter­na­tio­nalen Vergleich hoch. Für die Einkom­mens­un­gleich­heit gilt Ähnliches: das Einkommen der Spit­zen­ver­diener (sowohl das oberste ein Prozent und die obersten zehn Prozent der Einkom­mens­be­zieher) ist in China, Indien, Europa, Russland und den Verei­nigten Staaten seit 1980 (zum Teil erheblich) gestiegen. Hingegen ist der Einkom­mens­an­teil der unteren 50 Prozent in der Einkom­mens­ver­tei­lung im selben Zeitraum gesunken. In Deutsch­land hat die Einkom­mens­un­gleich­heit gemessen in Brut­to­löhnen, also vor Umver­tei­lung, über die letzten Jahr­zehnte zuge­nommen, auch wenn sie seit 2005 stagniert.

Die stetige Absenkung des Spit­zen­steu­er­satzes auf Einkommen und Vermögen hat diese Ungleich­heit vergrö­ßert. Die ehemals hohen Spit­zen­steu­er­sätze, die ab den frühen 1920er-Jahren in vielen west­li­chen Ländern einge­führt wurden, vermin­derten die wirt­schaft­liche Ungleich­heit stark. In Deutsch­land wurde jedoch der Spit­zen­steu­er­satz auf Einkommen, der Jahr­zehnte lang bei über 50 Prozent lag, ab dem Jahr 2000 schritt­weise auf 42 Prozent (bzw. 45 Prozent für sehr hohe Einkommen) abgesenkt. Eine Vermö­gens­steuer, die in West­deutsch­land jahr­zehn­te­lang bei 0,5 bis 1 Prozent gelegen hatte, wird seit 1997 nicht mehr erhoben.
Teile der Mittel­schicht in den Indus­trie­län­dern des Westens gehören in der jüngeren Vergan­gen­heit zu den Globa­li­sie­rungs­ver­lie­rern. In den letzten 30 Jahren haben sowohl die global Reichsten als auch die global Armen starke Zuwächse in ihrem Einkommen erfahren. Dies gilt aber gerade nicht für die Ärmeren in reichen Ländern. In den Indus­trie­län­dern erzielten vor allem hoch­qua­li­fi­zierte Arbeit­nehmer über­pro­por­tio­nale Einkom­mens­zu­wächse. Seit den 1990er-Jahren ist dieses soge­nannte skill premium in den Indus­trie­län­dern stark gestiegen.

Man kann darüber streiten, ob und ab wann Ungleich­heit auch Unge­rech­tig­keit bedeutet. Liberale Demo­kra­tien und Markt­wirt­schaften haben immer ein gewisses Maß an Ungleich­heit unter zwei grund­le­genden Voraus­set­zungen zuge­lassen. Erstens sollte die Ungleich­heit der Vermögens- und Einkom­mens­ver­tei­lung unter­schied­liche Leis­tungs­bei­träge wider­spie­geln („Leistung soll sich lohnen“). Zweitens sollte die grund­le­gende poli­ti­sche Gleich­heit („Jede Stimme bei demo­kra­ti­schen Wahlen hat gleiches Gewicht“) nicht durch die wirt­schaft­liche Ungleich­heit auf den Güter‑, Kapital- und Arbeits­märkten unter­mi­niert werden. Die Zahlungs­be­reit­schaft und ‑fähigkeit auf Märkten sollte für poli­ti­sche Entschei­dungen uner­heb­lich sein. Die Gefahren stei­gender ökono­mi­scher Ungleich­heit für die demo­kra­ti­schen Insti­tu­tionen werden im Folgenden erläutert.

Führende Ungleich­heits­for­scher wie Emmanuel Saez und Gabriel Zucman vertreten die These, hohe Spit­zen­steu­er­sätze für Einkommen und Vermö­gens­steuern dienten vor allem der Sicherung der Demo­kratie und weniger der Finan­zie­rung von Staats­aus­gaben. Hohe Spit­zen­steu­er­sätze verhin­derten die Bildung ökono­mi­scher Olig­ar­chien, die ansonsten poli­ti­sche Entschei­dungen domi­nierten und so den Gesell­schafts­ver­trag aushöhlten. Dieser Gesell­schafts­ver­trag beruht entschei­dend darauf, dass ökono­mi­sche Ungleich­heit nur dann gerecht­fer­tigt werden kann, wenn eine funda­men­tale poli­ti­sche Gleich­heit gesichert ist, die für eine ausrei­chende soziale intra- und inter­ge­ne­ra­tio­nelle soziale Mobilität sorgen kann. Dies ist histo­risch gut belegt. Die Verei­nigten Staaten erhoben vor 100 Jahren hohe Spit­zen­steu­er­sätze, um die ökono­mi­sche Ungleich­heit einzu­dämmen. Es entsprach nämlich dem Selbst­ver­ständnis der USA, einen Gegen­ent­wurf zu den aris­to­kra­ti­schen und unglei­chen Gesell­schaften Europas darzu­stellen. Im kriegs­zer­störten Japan von 1945 führte die ameri­ka­ni­sche Besat­zungs­macht einen Spit­zen­steu­er­satz auf Einkommen von 85 Prozent ein, so wie es auch in den USA der Fall war. Obwohl dieser Spit­zen­steu­er­satz über Jahr­zehnte hinweg nach dem Zweiten Weltkrieg konstant blieb, erlebte Japan einen beispiel­losen wirt­schaft­li­chen Aufstieg mit einem histo­risch kaum über­trof­fenen hohen Wirt­schafts­wachstum. Das post­so­wje­ti­sche Russland erhob 1991 hingegen nur einen Spit­zen­steu­er­satz von 30 Prozent (wiederum nach ameri­ka­ni­schem Vorbild), der später durch einen Einheits­steu­er­satz von 13 Prozent ersetzt wurde. Diese steu­er­po­li­ti­schen Entschei­dungen wurden von der damaligen russi­schen Olig­ar­chie voran­ge­trieben und dürften wesent­lich zur Festigung der heutigen russi­schen Olig­ar­chie beigetragen haben.

Die Poli­tik­wis­sen­schaftler Martin Gilens und Benjamin I. Page haben für die Verei­nigten Staaten der vergan­genen dreißig Jahre gezeigt, dass wirt­schaft­liche Eliten und Lobby­gruppen, die Unter­neh­mens­in­ter­essen vertreten, erheb­li­chen Einfluss auf die US-Regie­rungs­po­litik haben. Die Durch­schnitts­be­völ­ke­rung und breite gesell­schaft­liche Inter­es­sen­gruppen spielen hingegen kaum eine Rolle. Für Deutsch­land finden sich vergleich­bare Ergeb­nisse. Es liegt nahe, dass viele Bürger daher das Gefühl haben, von den Eliten übersehen, überhört oder gar mundtot gemacht zu werden. Eine zuneh­mende ökono­mi­sche Ungleich­heit könnte sich auf den ohnehin geringen Einfluss der Durch­schnitts­be­völ­ke­rung auf poli­ti­sche Entschei­dungen zusätz­lich negativ auswirken.

Klima­po­litik als nach­hal­tige Steuerreform

Das völker­recht­lich verbind­liche Abkommen von Paris aus dem Jahr 2015 legt fest, die Erder­wär­mung auf deutlich unter 2 °C über dem vorin­dus­tri­ellen Niveau zu begrenzen. Trotzdem ist die inter­na­tio­nale Staa­ten­ge­mein­schaft nach wie vor auf einem Weg, der im Verlauf des 21. Jahr­hun­derts zu einer Erhöhung der globalen Mittel­tem­pe­ratur auf 3 bis 4 °C führen wird. Ein unge­bremster Klima­wandel birgt ein großes Sicher­heits­ri­siko. Länder könnten unbe­wohnbar werden, weil sie unter Dürren, großer Hitze oder Über­schwem­mungen leiden. Der Anstieg des Meeres­spie­gels, das damit einher­ge­hende Risiko der Zerstö­rung von Städten und die zuneh­mende Wasser­knapp­heit erhöhen den Migra­ti­ons­druck in Afrika, von dem speziell Europa betroffen ist. Erzwun­gene Migration, ethnische Konflikte und der Verlust von Staats­ge­biet können zum Versagen zentraler Regie­rungs­funk­tionen (failed states) führen. Daher wird bereits heute ein unge­bremster Klima­wandel als Sicher­heits­ri­siko für das 21. Jahr­hun­dert wahrgenommen.

Um die im Paris-Abkommen von 2015 verein­barten Ziele zur Dekar­bo­ni­sie­rung der Welt­wirt­schaft zu erreichen, ist die Staa­ten­ge­mein­schaft auf inter­na­tio­nale Koope­ra­tion ange­wiesen. Denn das Abkommen setzt auf frei­wil­lige Selbst­ver­pflich­tungen natio­naler Regie­rungen, die in der Klima­rah­men­kon­ven­tion koor­di­niert werden müssen. Auch in der natio­nalen Umsetzung von Klima­po­litik zeigen sich neue Heraus­for­de­rungen. Die Dekar­bo­ni­sie­rung muss einer­seits in den reichen Ländern der Welt oftmals vor dem Hinter­grund stei­gender ökono­mi­scher Ungleich­heit reali­siert werden, ande­rer­seits in ärmeren Ländern in einer Situation bestehender starker Ungleichheiten.

In Deutsch­land sind die Treib­haus­gas­emis­sionen bis zum Jahr 2018 um 30,6 Prozent gesunken (in Bezug auf das Refe­renz­jahr 1990). Die Bundes­re­gie­rung hat sich das Ziel gesetzt, die natio­nalen Treib­haus­gas­emis­sionen bis 2030 um 55 Prozent und bis 2050 um 80 bis 95 Prozent relativ zu 1990 zu vermin­dern. Sollen die Verein­ba­rungen des Paris-Abkommens erfüllt werden, sind das lediglich Mindest­an­for­de­rungen. Die deutschen Klima­schutz­an­stren­gungen müssen also in den nächsten Jahren deutlich gestei­gert werden.

Die Diskus­sion um die zukünf­tige Klima­po­litik hat sich in Deutsch­land im Jahr 2019 inten­si­viert: Die Beschlüsse der „Kohle­kom­mis­sion“ zum Ausstieg aus der Kohle; der Entwurf eines Klima­schutz­ge­setzes; die euro­pa­recht­li­chen Verpflich­tungen, die Deutsch­land in den Sektoren Verkehr, Gebäude und Land­wirt­schaft erfüllen muss, und schließ­lich die Einrich­tung eines Klima­ka­bi­netts verdeut­li­chen den Hand­lungs­druck auf die Bundes­re­gie­rung, der durch die Fridays for Future-Bewegung noch gestei­gert wird. Im Zentrum dieser Diskus­sion steht die Einfüh­rung einer umfas­senden CO2-Bepreisung.
Es ist zwar unter Ökonomen unstrittig, dass CO2-Preise die Emis­sionen zu minimalen Kosten senken, weil diese in den Sektoren reduziert werden, in denen ihre Vermin­de­rung am billigsten ist. Auch werden durch die Beprei­sung von CO2 Inno­va­tionen mobi­li­siert, die sich ansonsten kaum auf Märkten durch­setzen könnten, etwa bei den für den Ausbau der erneu­er­baren Energien notwen­digen Spei­cher­tech­no­lo­gien. In der realen Politik spielten sie bislang jedoch nur eine unter­ge­ord­nete Rolle

Im Kern werden von poli­ti­schen Entschei­dungs­trä­gern zwei Argumente gegen CO2-Preise vorge­bracht: Zum einen seien verhält­nis­mäßig hohe CO2-Preise notwendig, damit diese zu einem deut­li­chen Rückgang der Emis­sionen führen. Da dies aus sozialen und wirt­schaft­li­chen Gründen politisch nicht durch­setzbar sei, müsse die Umwelt- und Klima­po­litik auf Tech­no­lo­gie­stan­dards und das Ordnungs­recht zurück­greifen. Es kann jedoch gezeigt werden, dass es keines­wegs prohi­bitiv hoher CO2-Preise bedarf. Ein Anstieg des CO2-Preises von 20 auf 35 Euro pro Tonne CO2 auf dem euro­päi­schen Emis­si­ons­markt genügte für das Erreichen der natio­nalen Klima­ziele im Strom­sektor bis 2030, wenn sich die Preise für Brenn­stoffe und Tech­no­lo­gien gemäß dem aktuellen Trend weiter­ent­wi­ckeln. Tech­no­lo­gie­stan­dards und Verbote sind hingegen kaum in der Lage, Emis­sionen dauerhaft zu senken: Man kann zwar für den Stra­ßen­ver­kehr beispiels­weise vorschreiben, dass Autos pro Kilometer weniger Benzin oder Diesel verbrau­chen dürfen. Wenn jedoch die Zahl der verkauften Autos zunimmt und diese immer schwerer werden, steigen die Emis­sionen trotzdem. Eine Beprei­sung von Benzin und Diesel ist daher nötig, sollen die Verkehrs­emis­sionen dauerhaft sinken. Jedoch spricht viel dafür, Tech­no­lo­gie­stan­dards mit Preisen zu verbinden. Die Käufer von Autos sind meist nicht in der Lage, den Sprit­ver­brauch über die ökono­mi­sche Lebens­dauer des Autos richtig einzu­schätzen. Der Tech­no­lo­gie­stan­dard schützt die Kunden davor, viel Geld bei der Anschaf­fung von Fahr­zeugen zu verlieren.

Ebenso kann der Staat verfügen, dass Kohle­kraft­werke vom Netz genommen werden. Aber damit hat er noch lange keine Kontrolle darüber, ob die verblei­benden Kohle­kraft­werke als Reaktion auf steigende Strom­preise ihre Kapazität erhöhen. Die Kraft­werks­be­treiber werden das Ordnungs­recht bevor­zugen, weil sie dann für den rechtlich erzwun­genen Markt­aus­tritt kompen­siert werden können. Auch wenn es gerechter wäre, die Kraft­werks­be­treiber nach dem Verur­sa­cher­prinzip für ihre Emis­sionen bezahlen zu lassen, legen die bestehende Eigen­tums­ord­nung und die gesell­schaft­liche Macht­ver­tei­lung eine Kompen­sa­tion der Verschmutzer durch die Gesell­schaft nahe, damit diese die Verschmut­zung unter­lassen. Dies ist politisch vermut­lich nur durch­setzbar, wenn die vertei­lungs­po­li­ti­schen Konse­quenzen des Ordnungs­rechtes, die Verschmutzer zu begüns­tigen, für die Bürger nicht sichtbar sind. Bei CO2-Preisen hingegen sind diese Konse­quenzen sofort sicht- und spürbar.

Sind CO2-Preise unsozial?

Zum anderen argu­men­tieren poli­ti­sche Entschei­dungs­träger gerne, CO2-Preise seien unsozial, weil sie ärmere Haushalte stärker belasten, also regressiv wirken. Diese Aussage ist grund­sätz­lich zutref­fend. Tatsäch­lich belasten höhere Preise auf CO2 Haushalte mit gerin­gerem Einkommen stärker als Haushalte mit größerem Einkommen und sind somit regressiv. Das liegt daran, dass arme Haushalte gemessen an ihrem Einkommen einen höheren CO2-Konsum haben als reiche Haushalte: pro ausge­ge­benem Euro ist der Konsum armer Haushalte CO2-inten­siver und damit auch die Belastung durch die Beprei­sung von CO2. Aber nicht nur CO2-Preise können regressiv wirken, auch Tech­no­lo­gie­stan­dards für Autos und Gebäude haben für Haushalte mit geringem Einkommen poten­ziell negative Wirkungen. Dies wird verständ­lich, wenn man sich etwa vor Augen führt, dass Bezieher hoher Einkommen mehr Emis­sionen im Stra­ßen­ver­kehr verur­sa­chen als Bezieher mittlerer Einkommen. Beide Einkom­mens­gruppen müssen jedoch glei­cher­maßen die höheren Kosten von Autos bezahlen, die durch Tech­no­lo­gie­stan­dards verur­sacht werden.

Die vermu­teten Belas­tungen einkom­mens­schwa­cher Haushalte werden gerne als Schutz­schild gegen jegliche Klima­po­litik verwendet. Eine sozi­al­po­li­tisch blinde Klima­po­litik vergrö­ßert in der Tat den Abstand zwischen den Einkom­mens­gruppen. Es ist daher nicht über­ra­schend, wenn sie als ein Projekt urbaner Eliten wahr­ge­nommen wird, welche die Lasten den Ärmeren aufbürden – ohne sich selbst ange­messen zu betei­ligen. Eine ambi­tio­nierte Klima­po­litik ist dann zum Scheitern verur­teilt. Wird sie jedoch sozi­al­po­li­tisch gerecht und zugleich effektiv ausge­staltet, ist dieses Scheitern keines­wegs unausweichlich.

Der Staat hat nämlich die Möglich­keit einer progres­siven Rück­ver­tei­lung der Einnahmen aus den CO2-Preisen – eine Gestal­tungs­op­tion, die weder Tech­no­lo­gie­stan­dards noch das Ordnungs­recht bieten. Ärmere Haushalte können durch Steu­er­erleich­te­rungen (bzw. höhere Sozi­al­leis­tungen) oder auch durch eine pauschale Rück­ver­tei­lung der Steu­er­ein­nahmen besser gestellt werden als vor der Einfüh­rung höherer CO2-Preise. Eine steu­er­liche Entlas­tung der Bürger mit geringem Einkommen durch die Einnahmen aus den CO2-Preisen ist also möglich. Sie wären dann sogar durch klima­po­li­ti­sche Reformen finan­ziell besser gestellt.

Wie ist ein sektor­über­grei­fender CO2-Preis in Deutsch­land auszu­ge­stalten? Ein Teil der deutschen Treib­haus­gas­emis­sionen ist durch den euro­päi­schen Emis­si­ons­handel (EU ETS) erfasst, dies gilt jedoch nicht für den Verkehrs­sektor, den Gebäu­de­sektor und die Land­wirt­schaft. Nach gegen­wär­tiger EU-Klima­po­litik drohen bereits Straf­zah­lungen an andere EU-Mitglieds­länder, weil Deutsch­land seine Klima­ziele in Sektoren, die nicht Teil des Emis­si­ons­han­dels sind, verfehlen wird. Das Finanz­mi­nis­te­rium hat dafür schon Mittel bereit­ge­stellt. Es wird erwartet, dass in den bila­te­ralen Verhand­lungen zwischen den Staaten höhere Preise für die Tonne CO2 bezahlt werden als im EU ETS. Es ist aber fraglich, ob sich diese Preis­un­ter­schiede mittel­fristig durch­halten lassen. Denkbar wäre, dass Emis­si­ons­rechte aus dem EU ETS in den anderen Sektoren ange­rechnet werden – das ist bereits in einigen EU Staaten möglich, nicht aber in Deutsch­land. Der Strom­sektor müsste dann mehr vermeiden, die Sektoren Transport, Gebäude und Land­wirt­schaft weniger. Die Anglei­chung der Preise wäre nicht nur ein Gebot ökono­mi­scher Effizienz, sondern auch eine Forderung der poli­ti­schen Legitimität.

Der Entwurf des Klima­schutz­ge­setzes des Bundes­mi­nis­te­riums für Umwelt aus dem Frühjahr 2019 schreibt für verschie­dene Wirt­schafts­sek­toren spezi­fi­sche Reduk­ti­ons­ziele vor, um die Gesamt­min­de­rung der deutschen CO2-Emis­sionen bis 2030 zu erbringen. Damit würden die unein­heit­li­chen Preise, die auf der euro­päi­schen Ebene entstehen, auch auf die nationale Ebene über­tragen. Da das Erreichen der unter­schied­li­chen Sektor­ziele verschieden hohe CO2-Preise bzw. ungleich kost­spie­lige Tech­no­lo­gie­stan­dards und Verord­nungen erfordern dürfte (im Wärme- und Verkehrs­be­reich höhere Kosten als im Strom­sektor), könnten unfle­xible Sektor­ziele eine beträcht­liche sozi­al­po­li­ti­sche Spreng­kraft entfalten. Dies gilt insbe­son­dere, wenn aufgrund der sektor­spe­zi­fi­schen Ziele die CO2-Preise im Wärme­markt sehr viel höher sind als im Strom­markt. Daher plädieren wir einer­seits für eine Flexi­bi­li­sie­rung der Sektor­ziele für 2030 – die Emis­si­ons­ziele für Deutsch­land sollten in der Summe erreicht werden, nicht unbedingt sektor­spe­zi­fisch – und mittel­fristig für einen sektor­über­grei­fenden, einheit­li­chen CO2-Preis. Auf insti­tu­tio­neller Ebene sind verschie­dene Kombi­na­tionen von Emis­si­ons­han­dels- und CO2-Steu­er­lö­sungen vorstellbar, die hier nicht im Detail disku­tiert werden sollen, jedoch zum ökono­misch gleichen Ergebnis führen können.

Diese Anglei­chung der Sektor­preise muss jedoch von vertei­lungs­po­li­ti­schen Maßnahmen begleitet werden, um die regres­sive Wirkung der CO2-Preise zu verhin­dern: Die Absenkung der regressiv wirkenden Strom­steuer ist hier ebenso zu empfehlen wie die steu­er­liche Entlas­tung der Land­be­völ­ke­rung. Der Ausbau des öffent­li­chen Nahver­kehrs und der Infra­struktur für Elek­tro­autos in der Fläche ist ebenfalls nötig: die Land­be­völ­ke­rung wird vermut­lich in allen Einkom­mens­gruppen am meisten durch CO2-Preise auf Kraft­stoffe im Verkehrs­sektor belastet, da sie auf die Nutzung von Pkw besonders ange­wiesen ist und bisher kaum auf den ÖPNV auswei­chen kann. Eine umfas­sende Verkehrs­wende erfordert darüber hinaus Maßnahmen gegen Staus und lokale Luft­ver­schmut­zung. Diese negativen Exter­na­li­täten müssen mit gezielt wirkenden Instru­menten inter­na­li­siert werden, insbe­son­dere mit städ­ti­schen Mautsystemen.

Inves­ti­tionen in die öffent­liche Infrastruktur

Ein CO2-Preis ist für eine ökolo­gi­sche Finanz­re­form notwendig. Er ist aber nicht hinrei­chend. Denn für eine gelungene Dekar­bon­sie­rung der deutschen Wirt­schaft bedarf es erheb­li­cher Infra­struk­tur­in­ves­ti­tionen, wie z. B. in den öffent­li­chen Nahver­kehr, in öffent­liche Wohnungsbau und ‑sanie­rungs­pro­gramme und in Lade­sta­tionen für die E‑Mobilität. Die Rahmen­be­din­gungen für lang­le­bige Inves­ti­tionen in den Sektoren Energie, Transport und Gebäude bedürfen der Änderung. So müssen sowohl die Strom­netze einen hohen Anteil erneu­er­barer Energien inte­grieren, als auch Raum­pla­nung und Bauver­ord­nungen angepasst werden. Der aktuelle Bundes­ver­kehrs­we­ge­plan ist beispiels­weise kaum mit den notwen­digen Treib­haus­gas­re­duk­tionen im Verkehrs­sektor in Einklang zu bringen, weil die dras­ti­sche Vermin­de­rung der Verkehrs­emis­sionen mit dem derzeitig hohen Anteil des moto­ri­sierten Indi­vi­du­al­ver­kehrs nicht erreichbar ist. Deutsch­land hat bislang zu wenig in die öffent­liche Infra­struktur inves­tiert, wenn man ange­mes­sene Diskont­raten und CO2-Preisen zugrunde legt. Dies gilt insbe­son­dere für den Sanie­rungs­be­darf der Verkehrs­in­fra­struktur. Der deutsche Staat inves­tiert hier weniger als der OECD-Durch­schnitt. So ist der Anteil der Brut­to­in­ves­ti­tionen am Sozi­al­pro­dukt von 1996 bis 2016 von 2,5 auf 2,1 Prozent gefallen.

Wie aber sollen diese Infra­struk­tur­aus­gaben nun finan­ziert werden? Das Aufkommen aus der CO2-Beprei­sung und den Ener­gie­steuern wird dafür nicht ausrei­chen, zumal dieses deutlich rück­läufig sein wird, wenn die Emis­sionen sinken.

Eine wichtige Quelle im Steu­er­system der Zukunft stellt die Besteue­rung des Bodens dar. Wer etwa städ­ti­schen Boden besitzt, erhält ökono­misch gesehen eine „Rente“ – einfach darum, weil der städ­ti­sche Boden kaum vermehrbar ist und darum in seinem Wert steigt, wenn die Stadt durch verbes­serte Infra­struktur oder durch Bereit­stel­lung anderer öffent­li­cher Güter wie Theater oder Parks attrak­tiver wird. Somit steigt der Wert des Bodens, ohne dass der Besitzer dafür eine Leistung erbracht hat. Eine Besteue­rung des Boden­wertes schöpft dieses leis­tungs­lose Einkommen ab, das dann über Steu­er­ein­nahmen für die Finan­zie­rung des Umbaus der städ­ti­schen Infra­struktur heran­ge­zogen werden kann. Immerhin beträgt die jährliche Boden­rente von deutschen Wohn­grund­stü­cken rund 85 Milli­arden Euro, was der doppelten Summe der derzeit getä­tigten öffent­li­chen Inves­ti­tionen entspricht. Die Stei­ge­rung der Immo­bi­li­en­werte in den Städten reicher Länder geht lang­fristig zu 80 Prozent auf den Anstieg der städ­ti­schen Boden­werte zurück. Überdies beträgt bei 20 Prozent der größten Vermö­gens­be­sitzer der Anteil der Immo­bi­lien am Gesamt­ver­mögen mehr als 60 Prozent. Eine Besteue­rung der Boden­werte würde daher progressiv wirken und die Ungleich­heit der Vermö­gens­ver­tei­lung vermindern.

Aufgrund des limi­tierten Angebots von Boden in Städten müssen die Grund­be­sitzer die Steuer tragen und können sie nicht auf Mieter abwälzen, selbst wenn sie diese als Betriebs­kosten von den Mietern zurück­for­derten. Denn würden die Immo­bi­li­en­be­sitzer die Steuer den Mietern aufbürden, stiegen die Wohn­kosten über das mark­t­räu­mende Niveau: Die Mieter würden bei Neuver­mie­tungen dann auf kleinere Wohnungen auswei­chen und die Nachfrage würde fallen, sodass einige Wohnungs­be­sitzer ihre Wohnungen nicht mehr vermieten könnten. Bei einer Abwälzung würden die Netto­kalt­mieten daher um genau den zusätz­li­chen Steu­er­be­trag sinken, sodass sich die Wohn­kosten für Mieter nicht ändern und der vorhan­dene Wohnraum voll­ständig ausge­nutzt wird. Empi­ri­sche Unter­su­chungen für die USA bestä­tigen, dass Grund­steuern nahezu voll­ständig vom Eigen­tümer getragen werden und nicht an die Mieter weiter­ge­reicht werden können. Dies setzt voraus, dass auf dem Wohnungs­markt ausrei­chend Wett­be­werb herrscht und Miet­preise nicht durch Regu­lie­rung bereits unterhalb des mark­t­räu­menden Niveaus sind. Während dies bei Neuver­mie­tungen größ­ten­teils der Fall ist, sind Bestands­mieten stark reguliert und teilweise unterhalb des mark­t­räu­menden Miet­zinses. Die Bestands­mieten würden in dem Fall nicht im Umfang der Boden­steuer sinken – der Vermieter kann statt­dessen die Steu­er­last als Betriebs­kosten an den Mieter weiter­rei­chen. Hier kann jedoch durch eine Änderung der Betriebs­kos­ten­ver­ord­nung die Abwälzung verhin­dert werden. Auch könnten die Verkäufer von Grund­stü­cken die Steuer nicht den Käufern aufbürden, weil diese die Boden­wert­steuer einpreisen und entspre­chend weniger für das Grund­stück bezahlen werden. Dies ist ebenso die Erklärung dafür, warum die Preise sinken, wenn der Wert von Grund­stü­cken besteuert wird.

Auch wenn diese Besteue­rung nicht Teil der Einigung der Finanz­mi­nister von Bund und Ländern zur in diesem Kalen­der­jahr fälligen Grund­steu­er­re­form ist, so sollte sie zukünftig essen­zi­eller Bestand­teil einer modernen ökolo­gi­schen Finanz­re­form werden. Sinken die Renditen für Immo­bi­lien wegen der Besteue­rung der Boden­werte, so werden Inves­ti­tionen in produk­tives Kapital rentabler. Damit erhöht sich das Wirt­schafts­wachstum. Dies gilt auch für CO2-Preise, da diese die Rente auf fossilen Ressour­cen­be­sitz abschöpfen. CO2-Preise führen dann zu höherem Wirt­schafts­wachstum, sofern die Gesell­schaft zu wenig in produk­tives Kapital investiert.

Über die Besteue­rung von Renten hinaus ist in der Finanz­wis­sen­schaft umstritten, ob auch die Besteue­rung von Kapi­tal­ein­kommen sinnvoll sein kann. Immerhin vertritt die Finanz­wis­sen­schaft tradi­tio­nell die Auffas­sung, dass die Besteue­rung von Kapi­tal­erträgen besonders inef­fi­zient sei und auch die Ungleich­heit nicht vermin­dere, da die Vermö­genden die Steu­er­last auf ärmere Haushalte abwälzen können. Die Debatte um die Besteue­rung von Kapi­tal­ein­kommen hat in der Öffent­lich­keit an Aufmerk­sam­keit gewonnen, da viele befürchten, der Anteil der Lohn­ein­kommen an der gesamt­wirt­schaft­li­chen Wert­schöp­fung könnte im Zuge der Digi­ta­li­sie­rung seinen Abwärts­trend fort­setzen, während der Anteil der Kapi­tal­ein­kommen weiter steigt.

Sollten dann die Bezieher von Kapi­tal­ein­kommen nicht stärker an der Finan­zie­rung produk­tiver Infra­struk­tur­maß­nahmen beteiligt werden? Neuere finanz­wis­sen­schaft­liche Forschungs­ar­beiten zeigen, dass die klas­si­schen Einwände gegen eine Besteue­rung von Kapi­tal­ein­kommen entkräftet werden können. Kapi­tal­ein­kom­mens­steuern sind geboten, wenn Haushalte (wie in der Realität der Fall) bei der Kredit­auf­nahme beschränkt sind und sich gegen unvor­her­seh­bare Risiken nicht versi­chern können. Kapi­tal­ein­kom­mens­steuern sind zudem dann zur Vermin­de­rung von Ungleich­heit geeignet, wenn sich gesell­schaft­liche Gruppen in ihrem Spar­ver­halten unter­scheiden. So bilden Arbeit­neh­mer­haus­halte vor allem Rücklagen für ihre eigene Alters­ver­sor­gung: Während der Erwerbs­phase wird gespart, was im Alter wieder konsu­miert wird. Reiche Vermö­gens­be­sitzer hingegen inves­tieren in den gene­ra­tio­nen­über­grei­fenden Aufbau ihres Vermögens. Die Arbeit­nehmer können ihren Anteil am volks­wirt­schaft­li­chen Produk­tiv­ver­mögen erhöhen, wenn die Vermö­gens­be­sitzer an der Finan­zie­rung der öffent­li­chen Infra­struktur stärker beteiligt werden. Damit wird aber nicht nur die Vermö­gens­un­gleich­heit vermin­dert, sondern auch das Wirt­schafts­wachstum gefördert. Eine Finan­zie­rung der staat­li­chen Inves­ti­tionen durch die Mehrwert- oder Lohn­steuer vermin­dert die Ungleich­heit hingegen nicht. Der Aufbau eines Staats­fonds (Sovereign Wealth Fund), der an die Arbeit­nehmer jährlich eine soziale Dividende ausbe­zahlt, könnte die Vermö­gens­bil­dung der Arbeit­nehmer ebenfalls stärken. Eine Verschul­dung der Bundes­re­gie­rung am Kapi­tal­markt zu relativ günstigen Zinsen wäre möglich und das Vermögen am Akti­en­markt könnte breit gestreut inves­tiert werden. Da die Renditen am Akti­en­markt mittel­fristig höher sind, entsteht ein Gewinn, der an die Bundes­bürger als soziale Dividende ausbe­zahlt werden könnte.
Reife liberale Demo­kra­tien mit markt­wirt­schaft­li­cher Basis sind in Gefahr, zu „Renten­öko­no­mien“ zu verkommen, in denen leis­tungs­loses Einkommen hohe Renditen einfährt. Die Ungleich­heit steigt und inno­va­tive Kräfte erlahmen. Renten­öko­no­mien sind aber nicht nur eine ökono­mi­sche Gefahr, sondern auch schädlich für die demo­kra­ti­schen Insti­tu­tionen. Instabile Demo­kra­tien wirken sich wiederum negativ auf Inno­va­ti­ons­fä­hig­keit und Inves­ti­ti­ons­si­cher­heit aus. Damit könnte eine Abwärts­spi­rale einsetzen, mit der die wirt­schafts­po­li­ti­sche Befürch­tung, Gleich­heit führe zu Effi­zi­enz­ver­lusten, auf den Kopf gestellt würde.

Die Kommu­ni­ka­tion einer ökolo­gi­schen Finanzreform

Für die Erfolgs­aus­sichten einer ökolo­gi­schen Finanz­re­form ist deren Kommu­ni­ka­tion entschei­dend. Die poli­ti­schen Entschei­dungs­träger werden sich von der Illusion verab­schieden müssen, Klima­po­litik sei nur dann möglich, wenn sie von den Bürgern nicht wahr­ge­nommen wird.

Die empi­ri­sche Forschung zur Akzeptanz wirt­schafts­po­li­ti­scher Instru­mente zeigt: Es gibt eine große intuitive Skepsis der Bürger gegenüber neuen Steuern, da sie Regie­rungen nicht zutrauen, die Mittel „richtig“ zu verwenden. Daher sind Reformen politisch populärer, welche Steu­er­ein­nahmen zweck­ge­bunden verwenden. Mit den Einnahmen aus der der CO2-Beprei­sung sollten nicht Staats­schulden getilgt, sondern Steu­er­erleich­te­rungen für die Bürger finan­ziert werden. Außerdem sind Reform­vor­schläge dann leichter durch­setzbar, wenn sie den Begriff „Steuer“ vermeiden: Begriffe wie CO2-Abgabe oder Klima­di­vi­dende“ (wenn die Einnahmen pauschal an die Bürger rück­erstattet werden) können die Akzeptanz erhöhen. Auch Slogans wie „Beprei­sung von Schad­stoffen“ oder „Verschmutzer müssen ihren fairen Anteil an den Klima­schäden bezahlen“ wären geeignet, die Zustim­mung zu erhöhen. Der Begriff der „Steuer“ scheint zu sehr mit Asso­zia­tionen wie „Gängelung“, „Schröpfen“ und „Abkas­sieren“ behaftet zu sein. Es kommt darauf an zu zeigen, dass ein CO2-Preis den Wohlstand erhöht, weil er hilft, vor unkal­ku­lier­baren Klima­ri­siken zu schützen. Gerade in Zeiten des wahr­ge­nom­menen staat­li­chen Kontroll­ver­lustes scheint es wichtig, das Thema Klima­schutz mit Sicher­heit und Kontroll­ge­winn zu verbinden.

CO2-Preise sind auch dann populärer, wenn die daraus erzielten Einnahmen für den Umwelt­schutz ausge­geben werden. Dies liegt daran, dass CO2-Preisen in der öffent­li­chen Debatte nur eine geringe Lenkungs­wir­kung zugetraut wird, da der Verbrauch von Kraft­stoffen oder Heiz­mit­teln als inelas­tisch – d. h. wenig auf Preis­än­de­rungen reagie­rend – einge­schätzt wird. Daher wird die CO2-Beprei­sung in der Öffent­lich­keit vor allem als Mittel für die Finan­zie­rung klima­freund­li­cher Inves­ti­ti­ons­pro­jekte verstanden. Es wird in der öffent­li­chen Diskus­sion entschei­dend sein, sowohl die hohe Lenkungs­wir­kung zu betonen als auch Trans­pa­renz über die Verwen­dung von Einnahmen zu schaffen. Eine städ­ti­sche Maut lässt sich ebenfalls leichter einführen, wenn die Mittel für den Ausbau des öffent­li­chen Nahver­kehrs einge­setzt werden.

Entschei­dend bei diesen Über­le­gungen ist, dass sich der poli­ti­sche Hand­lungs­spiel­raum erweitert, wenn das Vertrauen der Bürger in poli­ti­sche Insti­tu­tionen gestärkt wird. Miss­trauen die Bürger Poli­ti­kern und werden die staat­li­chen Insti­tu­tionen als korrupt wahr­ge­nommen, lässt sich Klima­schutz kaum durch­setzen, was wiederum zu höheren Treib­haus­gas­emis­sionen führt. Vertrauen ist ein soziales Kapital, das es der Politik ermög­licht, unter­schied­liche gesell­schaft­liche Gruppen in poli­ti­schen Entschei­dungen zu inte­grieren und so poli­ti­sche und soziale Span­nungen auszu­glei­chen. Auch in diesen Kapi­tal­stock muss inves­tiert werden.

Ausblick

Können sich liberale Demo­kra­tien eine ambi­tio­nierte Klima­po­litik leisten? Die Antwort vieler poli­ti­scher Entschei­dungs­träger wäre ein klares Nein. Demo­kra­tien müssten sich um ihren Fort­be­stand ange­sichts des Popu­lismus Sorgen machen. Darum scheint es politisch wenig attraktiv, inter­na­tio­nale Koope­ra­tion voran­zu­treiben, auf die Beprei­sung externer Effekte zu setzen und durch die Besteue­rung von leis­tungs­losem Einkommen die Ungleich­heit zu vermin­dern. Die Bürger würden eine solche Klima- und Finanz­po­litik als zu großen Eingriff in ihre indi­vi­du­ellen Frei­heits­rechte ablehnen, so die Begründung.
Indes zeigt unser Beitrag, dass die Titel­frage falsch gestellt ist: Gerade ein unge­bremster Klima­wandel würde die indi­vi­du­elle Freiheit gefährden und damit das Vertrauen in demo­kra­ti­sche Insti­tu­tionen unter­mi­nieren, weil er er zu weiterem staat­li­chem Kontroll­ver­lust führen wird. Daher schlagen wir Reformen der Steuer- und Finanz­po­litik vor: Eine ökolo­gi­sche Finanz­re­form kann Freiheit und Wohlstand sichern und gleich­zeitig Ungleich­heit und Emis­sionen vermin­dern. Mit gut ausge­stal­teten CO2-Preisen, Bodenwert- und Kapi­tal­ein­kom­mens­steuern ist dieses Ziel erreichbar. Eine breite gesell­schaft­liche Vermö­gens­bil­dung kann die Akzeptanz der markt­wirt­schaft­li­chen Ordnung sichern.

Ein neues Narrativ der Nach­hal­tig­keit muss zeigen, dass gemein­schaft­li­ches Handeln, inter­na­tio­nale Koope­ra­tion und Deli­be­ra­tion auch in einer sich pola­ri­sie­renden Gesell­schaft möglich sind. Die Bejahung natio­naler, ethni­scher und reli­giöser Iden­ti­täten braucht dabei nicht zu Lasten gesell­schaft­li­cher Koope­ra­tion und Inte­gra­tion gehen. Die ökolo­gi­sche Erneue­rung der Sozialen Markt­wirt­schaft ist ein Gegen­ent­wurf zu einer illi­be­ralen Demo­kratie, die soli­da­ri­sches Handeln und inter­na­tio­nale Koope­ra­tion unter den ideo­lo­gi­schen Gene­ral­ver­dacht stellt, Eliten setzten hier Politik gegen die Inter­essen der Mehrheit durch. Dem ist eine Erzählung entge­gen­zu­setzen, die für ambi­tio­nierten Klima­schutz in liberalen Demo­kra­tien wirbt. Diese Erzählung wird betonen, dass liberale Demo­kra­tien ohne nach­hal­tigen Klima­schutz ihrer Verant­wor­tung gegenüber den kommenden Gene­ra­tionen nicht gerecht werden und damit weiter an Zustim­mung verlieren

Textende

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