Entschluss des EP zur Einstufung deutscher NGOs als „unerwünschte Organisationen“ durch Russland und die Festnahme von Andrei Piwowarow
Das Europäische Parlament hat heute einen Antrag von u.A. Sergej Lagodinsky beraten und verabschiedet. Als eine der drei betroffenen NGOs dokumentieren wir den Beschluss hier.
P9_TA(2021)0291
Die Einstufung deutscher NGOs als „unerwünschte Organisationen“ durch Russland und die Festnahme von Andrei Piwowarow
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. Juni 2021 zur Einstufung deutscher NGOs als „unerwünschte Organisationen“ durch Russland und zur Festnahme von Andrei Piwowarow (2021/2749(RSP))
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Russland, unter anderem seine Entschließung vom 29. April 2021 zu Russland, dem Fall Alexei Nawalny, dem militärischen Aufmarsch an der Grenze zur Ukraine und den von Russland orchestrierten Anschlägen in der Tschechischen Republik und seine Entschließung vom 12. Mai 2016 zu den Krimtataren ,
– unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte,
– unter Hinweis auf die Europäische Menschenrechtskonvention und die dazugehörigen Protokolle, insbesondere auf Artikel 10 über das Recht auf freie Meinungsäußerung und Artikel 11 über das Recht auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit,
– unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte,
– unter Hinweis auf die Verfassung der Russischen Föderation sowie auf die internationalen Menschenrechtsverpflichtungen, zu deren Einhaltung sich Russland als Mitglied des Europarates, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und der Vereinten Nationen verpflichtet hat,
– unter Hinweis auf die Stellungnahme Nr. 814/2015 der Venedig-Kommission des Europarats vom 13. Juni 2016 zu dem Gesetz der Russischen Föderation Nr. 129-FZ (Föderationsgesetz über unerwünschte Tätigkeiten ausländischer und internationaler nichtstaatlicher Organisationen),
– unter Hinweis auf die im Namen der EU abgegebene Erklärung des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik vom 1. Mai 2021 zur Verhängung restriktiver Maßnahmen gegen acht EU-Bürgerinnen und ‑Bürger,
– unter Hinweis auf die im Namen der EU abgegebene Erklärung des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik vom 15. Mai 2021 zur Veröffentlichung einer Liste sogenannter „unfreundlicher Staaten“,
– unter Hinweis auf die Erklärung des Sprechers des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) vom 27. Mai 2021 zur Einstufung deutscher NRO als „unerwünschte Organisationen“,
– unter Hinweis auf die Erklärung des Sprechers des EAD vom 1. Juni 2021 zur Festnahme von Andrei Piwowarow,
– unter Hinweis auf die Erklärung des Sprechers des EAD vom 4. Juni 2021 zum Gesetz über sogenannte „extremistische Organisationen“,
– unter Hinweis auf die Erklärung des Vorsitzenden der Delegation im Ausschuss für parlamentarische Kooperation EU-Russland vom 3. Juni 2021 zur Inhaftierung von Andrei Piwowarow, dem Leiter der aufgelösten nichtstaatlichen Organisation „Offenes Russland“, an Bord eines Passagierflugzeugs der EU, das im Begriff war, vom Flughafen in Sankt Petersburg abzuheben,
– gestützt auf Artikel 144 Absatz 5 und Artikel 132 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die Ausübung des Rechts auf Meinungsfreiheit, freie Meinungsäußerung, Vereinigungsfreiheit und friedliche Versammlung ein Grundrecht ist, das in der Verfassung der Russischen Föderation sowie in zahlreichen internationalen Rechtsinstrumenten verankert ist, einschließlich der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte und der Europäischen Menschenrechtskonvention, zu all denen sich Russland verpflichtet hat; in der Erwägung, dass der Vorrang des Völkerrechts eine Verpflichtung für Russland darstellt, die durch die jüngsten Verfassungsänderungen nicht geändert oder aufgehoben werden kann;
B. in der Erwägung, dass die Russische Föderation unlängst repressive Gesetze verabschiedet hat, mit denen der Kreis der Personen und Gruppen, die als „ausländische Agenten“ bezeichnet werden können, drastisch erweitert wurde und mit denen die gegen sie verhängten Beschränkungen und Auflagen sowie die Sanktionen für deren Verletzung verschärft wurden;
C. in der Erwägung, dass Nichtregierungsorganisationen (NRO) in modernen demokratischen Gesellschaften eine entscheidende Rolle spielen, da sie den Bürgern die Zusammenarbeit ermöglichen, um verschiedene legitime Ziele zu verfolgen, als eine Form des notwendigen öffentlichen Engagements, mit dem die formelle politische Entscheidungsfindung ergänzt, vorbereitet und überwacht wird; in der Erwägung, dass nichtstaatliche Organisationen daher eine wichtige politische Rolle spielen und sich zwar an das Gesetz zu halten haben, jedoch gleichzeitig ihre Unabhängigkeit von jeglicher ungebührlicher Einflussnahme durch staatliche Stellen bewahren müssen;
D. in der Erwägung, dass nach dem Föderationsgesetz über unerwünschte Tätigkeiten ausländischer und internationaler nichtstaatlicher Organisationen die Tätigkeiten dieser Organisationen im Hoheitsgebiet der Russischen Föderation als unerwünscht angesehen werden können; in der Erwägung, dass die Vereinigungsfreiheit von Organisationen, die von den russischen Staatsorganen für unerwünscht erklärt wurden, beschränkt wird, indem ihre Tätigkeiten verboten und verwaltungsrechtliche und strafrechtliche Sanktionen wegen dieser Tätigkeiten verhängt werden; in der Erwägung, dass dieses Gesetz von den russischen Behörden genutzt wird, um leichter gegen in Russland tätige unabhängige Organisationen der Zivilgesellschaft vorgehen zu können;
E. in der Erwägung, dass die Russische Föderation mit der Verabschiedung dieser Gesetze den staatlichen Stellen nahezu vollständige Kontrolle über unabhängige Organisationen der Zivilgesellschaft gewährt und die föderale Medienaufsichtsbehörde des Landes (Roskomnadsor) ermächtigt hat, Internetinhalte zu blockieren; in der Erwägung, dass die russischen Staatsorgane Kundgebungen an öffentlichen Orten verboten, das Recht auf Teilnahme an Menschenketten beschnitten und Journalisten, die über diese Proteste berichten, zusätzliche Beschränkungen auferlegt haben;
F. in der Erwägung, dass die russische Telekommunikationsaufsicht Roskomnadsor am 12. Januar 2021 die ersten acht Verwaltungsverfahren – alle gegen Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL) – einleitete, weil RFE/RL gegen das Gesetz über „ausländische Agenten“ verstoßen haben soll; in der Erwägung, dass die Anwendbarkeit der Rechtsvorschriften auf einzelne Journalisten ausgedehnt wurde; in der Erwägung, dass Roskomnadsor bis dato 520 Verstöße durch RFE/RL gegen die Kennzeichnungsauflagen zur Anzeige gebracht hat, die voraussichtlich – sobald alle von russischen Gerichten entschieden worden sind – Geldbußen in Höhe von 2,4 Mio. USD nach sich ziehen; in der Erwägung, dass die russischen Staatsorgane im Mai 2021 damit begannen, Eigentum des Büros von RFE/RL in Moskau zu beschlagnahmen;
G. in der Erwägung, dass mit dem jüngsten von der Staatsduma und dem Föderationsrat im Mai 2021 verabschiedeten Gesetz die Rechte und Freiheiten in Russland drastisch eingeschränkt wurden, indem Personen, die die Regierung kritisieren, strikte Beschränkungen auferlegt wurden, die ihnen die Teilnahme am öffentlichen Leben und die Kandidatur bei Wahlen auf allen Ebenen, einschließlich der Parlamentswahl von 2021, verwehren, wenn sie eine Organisation gegründet, geleitet bzw. für diese gearbeitet oder in anderer Weise an den Tätigkeiten einer Organisation beteiligt waren, die von nun an nach diesem Gesetz als „extremistisch“ oder „terroristisch“ eingestuft wird;
H. in der Erwägung, dass dieses Gesetz auch eine rückwirkende Anwendung vorsieht und sich gegen die Stiftung für Korruptionsbekämpfung von Aleksei Nawalny richtet, die bereits zu einem „ausländischen Agenten“ erklärt worden war und nun auch als „extremistische Organisation“ eingestuft wird;
I. in der Erwägung, dass die Russische Föderation auch den Anwendungsbereich des Gesetzes über „unerwünschte Organisationen“ erweitert hat, indem sie ein Verbot der Teilnahme an deren Tätigkeiten im Ausland eingeführt und Organisationen, die als Mittler bei Finanztransaktionen mit bereits verbotenen Organisationen gelten, ebenfalls zu „unerwünschten“ Organisationen erklärt hat;
J. in der Erwägung, dass die Russische Föderation zahlreiche internationale und ausländische nichtstaatliche Organisationen als „unerwünscht“ eingestuft hat, darunter die in den USA ansässigen Organisationen „International Republican Institute“, „National Democratic Institute“, „National Endowment for Democracy“ und „Atlantic Council“ sowie den von der EU gegründeten Europäischen Fonds für Demokratie, die „Association of Schools of Political Studies“ des Europarats, den Ukrainischen Weltkongress, die von Radio Free Europe/Radio Liberty betriebenen Medien und auch – durch Beschluss des russischen Generalstaatsanwalts vom 26. Mai 2021 – drei deutsche nichtstaatliche Organisationen, nämlich das „Forum Russischsprachiger Europäer e.V.“, das „Zentrum für die Liberale Moderne GmbH“ und der „Deutsch-Russische Austausch e.V.“;
K. in der Erwägung, dass eine aktive Zivilgesellschaft ein wesentlicher Bestandteil einer demokratischen und offenen Gesellschaft sowie für die Wahrung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit unerlässlich ist;
L. in der Erwägung, dass sich die Verabschiedung dieser Gesetzesvorlagen, die eine sofortige Anwendung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit vorsehen, durch die Staatsduma gegen die Bürgerbewegung „Offenes Russland“ richtet, ein Netzwerk von Demokratieverfechtern und Menschenrechtsverteidigern, das dadurch gezwungen wurde, sich aufzulösen, um seine Anhänger und Unterstützer vor weiteren Strafverfolgungsmaßnahmen zu schützen;
M. in der Erwägung, dass „Offenes Russland“ am 27. Mai 2021 angekündigt hat, es werde seine Tätigkeit einstellen, um seine Mitarbeiter und seine Mitstreiter vor einer strafrechtlichen Verfolgung gemäß den russischen Rechtsvorschriften über „unerwünschte Organisationen“ zu schützen;
N. in der Erwägung, dass der ehemalige Wortführer der Bewegung „Offenes Russland“, Andrei Piwowarow, am 31. Mai 2021 in Sankt Petersburg kurz vor dem Start aus einem Flugzeug der polnischen Fluggesellschaft LOT abgeführt und willkürlich in Gewahrsam genommen wurde und dass man zwei Tage später wegen der „Ausübung von Tätigkeiten für eine unerwünschte Organisation“, wofür ihm bis zu sechs Jahre Haft drohen könnten, eine zweimonatige Untersuchungshaft gegen ihn angeordnet hat; in der Erwägung, dass Michail Iossilewitsch, ein politisch engagierter Bürger aus Nischni Nowgorod, auch zu den Personen gehört, die derzeit wegen derselben Anschuldigungen strafrechtlich verfolgt werden und in Haft genommen worden sind;
O. in der Erwägung, dass durch diese Maßnahmen die mannigfaltigen Formen der politisch motivierten strafrechtlichen Verfolgung von Personen in der Russischen Föderation, die abweichende Meinungen äußern oder Ambitionen für die für September 2021 in Russland anberaumten Parlamentswahlen angekündigt haben, noch um weitere ergänzt worden sind, wie die Inhaftierung des Vorkämpfers gegen Korruption und Oppositionspolitikers Alexei Nawalny oder die ausgesetzte fünfjährige Haftstrafe gegen den linken oppositionellen Blogger und Politiker Nikolai Platoschkin belegen; in der Erwägung, dass ebenfalls die aktuellen Verfahren zu beachten sind, die beispielsweise gegen den Oppositionspolitiker Dmitri Gudkow, gegen Medienunternehmen wie Radio Free Europe/Radio Liberty, Meduza und VTimes und gegen eine Reihe von Journalisten, die man bezichtigt, „ausländische Agenten“ zu sein, angestrengt werden; in der Erwägung, dass sogar Studentenzeitschriften von repressiven Maßnahmen betroffen sind; in der Erwägung, dass die russischen Staatsorgane dem Menschenrechtszentrum Memorial zufolge derzeit fast 400 politische Gefangene festhalten, was einen Verstoß gegen die Verpflichtungen der Russischen Föderation darstellt;
P. in der Erwägung, dass die russischen Staatsorgane rigoros gegen friedliche Demonstranten vorgehen, die im ganzen Land auf die Straße gegangen sind, um Alexei Nawalny zu unterstützen und gegen Korruption und Ungerechtigkeit zu protestieren; in der Erwägung, dass der russischen Beobachtungstelle OWD-Info zufolge während der dreitägigen Proteste im Januar und Februar mehr als 11 000 Demonstranten festgenommen wurden, darunter zahlreiche unabhängige Journalisten und Menschenrechtsverteidiger, die über die Proteste berichteten oder diese beobachteten; in der Erwägung, dass im ganzen Land Tausende von Verwaltungsstrafverfahren und mehr als 100 Strafverfahren eingeleitet wurden und derzeit weitere Festnahmen und Inhaftierungen aufgrund fadenscheiniger Anschuldigungen im Gange sind;
Q. in der Erwägung, dass zahlreichen Berichten zufolge friedliche Demonstranten, die man in Gewahrsam genommen hat, misshandelt wurden, in dem sie unter anderem in stark überfüllten Hafteinrichtungen untergebracht wurden, ihnen mehrere Stunden lang Nahrung und Wasser vorenthalten wurde und sie gezwungen wurden, während Überstellungen lange Zeit (jeweils mehrere Stunden und oft nachts) in Polizeiwagen zu verbringen; in der Erwägung, dass Protestteilnehmer ebenfalls berichtet haben, dass man ihnen mit dem Verweis von Universitäten oder Hochschulen gedroht hat, oder sie exmatrikuliert wurden bzw. ihren Arbeitsplatz verloren haben; in der Erwägung, dass friedliche Demonstranten, darunter ältere Menschen und Kinder, ebenfalls übermäßiger Gewaltanwendung durch die Bereitschaftspolizei ausgesetzt waren;
R. in der Erwägung, dass in einer umfassenden EU-Strategie gegenüber Russland unbedingt sicherzustellen ist, dass bei der Zusammenarbeit mit Russland die Werte der Demokratie und den Schutz der Menschenrechte nicht beeinträchtigt werden;
S. in der Erwägung, dass das Kreml-Regime alles in seiner Macht Stehende unternimmt, um das russische Volk von der internationalen Gemeinschaft zu isolieren und ihm die Hoffnung auf eine demokratische Zukunft zu nehmen, unter anderem, indem es Oppositionskandidaten auf verschiedene Weise zu hindern sucht, an den Parlamentswahlen 2021 in Russland teilzunehmen;
T. in der Erwägung, dass sich die Regierungspartei „Vereintes Russland“ nach Untersuchungen des Lewada-Zentrums in den Umfragen auf einem historischen Tiefstand befindet, nachdem sie eine unpopuläre Rentenreform unterstützt und die Verabschiedung eines Entwurfs von Verfassungsänderungen durchgesetzt hat, darunter auch eine Änderung, dank derer Präsident Wladimir Putin bis 2036 im Amt bleiben könnte; in der Erwägung, dass die zunehmende Unterdrückung der Zivilgesellschaft und der politischen Opposition durch die russischen Staatsorgane deren Angst vor der Unzufriedenheit der Bevölkerung über die schlechte sozioökonomische Lage des Landes und die Korruption der herrschenden Klasse offenbart;
1. fordert die russischen Staatsorgane auf,
a) Andrei Piwowarow unverzüglich und bedingungslos freizulassen und alle Anklagepunkte gegen ihn und andere Personen, die nach dem Gesetz über unerwünschte Organisationen verfolgt oder unter einem anderen Vorwand willkürlich inhaftiert wurden, fallenzulassen;
b) alle Repressalien gegen politische Gegner und andere kritische Stimmen im Land einzustellen und sicherzustellen, dass alle politischen
Parteien während der Wahlen gleichberechtigten Zugang und gleiche Chancen haben;
c) die strafrechtliche Verfolgung von Menschenrechtsverteidigern und politisch engagierten Bürgern nach dem Gesetz über ausländische Agenten und dem Gesetz über unerwünschte Organisationen einzustellen, diese diskriminierenden Rechtsvorschriften aufzuheben und die Entscheidung des russischen Generalstaatsanwalts, drei deutsche nichtstaatliche Organisationen sowie weitere ausländische nichtstaatliche Organisationen, insgesamt 34 an der Zahl, als „unerwünscht“ einzustufen, rückgängig zu machen;
d) die kürzlich verabschiedeten Rechtsvorschriften aufzuheben, auf den Erlass neuer Sondergesetze zu verzichten und sonstige herkömmliche Strafgesetze oder Verwaltungsvorschriften nicht länger missbräuchlich zu nutzen, mit denen die unabhängige Zivilgesellschaft, das Recht auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit und das Recht auf Zugang zu Informationen im Internet umfassend eingeschränkt werden, sowie die Rechtsvorschriften zu überprüfen und mit den internationalen Verpflichtungen des Landes sowie den internationalen Menschenrechtsnormen und der eigenen Verfassung in Einklang zu bringen;
e) keine weiteren derzeit in Vorbereitung befindlichen Rechtsvorschriften zu verabschieden, mit denen Mitarbeiter oder Unterstützer von Organisationen, die willkürlich als „unerwünscht“ eingestuft wurden, an der Teilnahme an Wahlen gehindert würden;
f) den positiven Beitrag einer lebendigen und aktiven Zivilgesellschaft zu den demokratischen und gesellschaftlichen Verhältnissen zu würdigen und für ein förderliches Umfeld zu sorgen, in dem zivilgesellschaftliche Organisationen und politisch engagierte Bürger ungehindert zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte, der Grundfreiheiten und des gesellschaftlichen Wohlergehens beitragen können;
g) andere Rechtsvorschriften, mit denen die Meinungsfreiheit eingeschränkt wird, zu überprüfen und mit den internationalen Menschenrechtsnormen in Einklang zu bringen, was auch die russischen Gesetze zu Desinformationskampagnen, zur Bekämpfung von Extremismus und zur Terrorismusbekämpfung einschließt;
h) alle friedlichen Demonstranten sowie alle anderen Aktivisten der Zivilgesellschaft und Politiker unverzüglich und bedingungslos freizulassen, die wie Alexei Nawalny wegen fadenscheiniger „Verwaltungsdelikte“ festgenommen und inhaftiert oder ausschließlich wegen der friedlichen Ausübung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung strafrechtlich verfolgt werden, darunter Journalisten, Rechtsanwälte, Oppositionelle, Menschenrechtsverteidiger und andere Akteure der Zivilgesellschaft sowie die Mitarbeiter und Partner von Aleksei Nawalny und seiner Stiftung für Korruptionsbekämpfung;
i) einen Beitrag zur Förderung persönlicher Kontakte zum Nutzen sowohl der Russischen Föderation als auch der Europäischen Union zu leisten;
2. fordert den Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, den Rat, die EU-Delegationen, die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, sich bei der Vorbereitung der umfassenden EU-Strategie gegenüber Russland und in Reaktion auf die Aushöhlung der Rechtsstaatlichkeit, der Grundfreiheiten und der Menschenrechte in Russland auf Folgendes zu konzentrieren:
a) die Aufnahme einer neuen Konditionalität in die Beziehungen zwischen der EU und Russland mit dem Ziel, den internen Repressionen in Russland gegen politisch und zivilgesellschaftlich aktive Bürger, Menschenrechtsverteidiger, Rechtsanwälte, Oppositionspolitiker, Journalisten, unabhängige Medien, Gewerkschaften und nichtstaatliche Organisationen ein Ende zu setzen, und, falls keine Änderungen zu verzeichnen sind, die Festlegung neuer EU-Sanktionen, etwa die Unterbindung des Zugangs russischer Oligarchen und Amtsträger, die für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind, zu Immobilienkäufen, Visa, Finanzprodukten usw. in der EU;
b) das aktive Ansprechen von Menschenrechtsfragen im Rahmen der Beziehungen zwischen der EU und Russland und in jedwedem Dialog mit Russland, um dem Ausmaß der Menschenrechtsverletzungen in Russland, insbesondere seit Januar 2021, angemessen Rechnung zu tragen; weitere Bekundungen der Solidarität und Geschlossenheit bei der Abstimmung der Positionen gegenüber Russland, um die negativen Auswirkungen der kürzlich verabschiedeten restriktiven Gesetze in Russland zu begrenzen, die Erwägung der Idee, die Lasten der Wirtschaftssanktionen gegen das russische Regime im Geiste der Fairness auf die Mitgliedstaaten aufzuteilen, die Einstellung strategischer Projekte wie Nord Stream 2 und die Ergänzung der aktuellen globalen Sanktionsregelung der EU im Bereich der Menschenrechte durch ein ähnliches System zur Bekämpfung von Korruption;
c) die Ergreifung abgestimmter Maßnahmen zur Abwendung und Eindämmung der nachteiligen Auswirkungen von vor Kurzem in Russland erlassenen restriktiven Gesetzen und zur vorrangigen strategischen Kontaktpflege mit Demokratie- und Menschenrechtsaktivisten in Russland, indem insbesondere die Menschenrechte einschließlich der Gleichstellung der Geschlechter und Konsultationen der Zivilgesellschaft in alle Dialoge und Bereiche der Zusammenarbeit zwischen der EU und Russland aufgenommen werden, wozu auch die Zusammenarbeit im Bereich der Digitalisierung und des Klimawandels gehört sowie Programme für die Zusammenarbeit im Bildungswesen und in der Kultur, wobei regelmäßig die Auswirkungen auf die Menschenrechte bewertet werden müssen, um diese Zusammenarbeit zu überprüfen;
d) die Bewertung, welche Einrichtungen, Organisationen und Medienhäuser mit engen Verbindungen zur russischen Regierung hinsichtlich ihrer Aktivitäten in der EU überwacht werden sollten;
e) die Ausweitung der Unterstützung für Menschenrechtsverteidiger, unabhängige nichtstaatliche Organisationen und Medien, die Zivilgesellschaft und alle, die die politischen und bürgerlichen Freiheiten in Russland verteidigen, indem beispielsweise bei schwerwiegenden Einzelfällen wie etwa der Vergiftung von Waldimir Kara-Mursa ein hartnäckigeres Engagement auf hoher Ebene an den Tag gelegt wird, indem Reisen von Botschaftern und anderen Amtsträgern in die Regionen umfassend dafür genutzt werden, Menschenrechtsanliegen anzusprechen und Menschenrechtsverteidiger und die Zivilgesellschaft zu treffen, indem die sozialen Medien, Gastbeiträge und Presseerklärungen strategisch dafür herangezogen werden, Unterstützung für Menschenrechtsverteidiger – auch in Russland und durch unabhängige russische Kanäle – zu äußern, und indem unabhängige Journalisten in Russland im Wege von diplomatischen bzw. konsularischen Maßnahmen wie etwa einer flexiblen Visumpolitik unterstützt werden, wenn sie in Gefahr sind; das Parlament hebt hervor, dass diese Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft eine Säule der künftigen neuen strategischen Herangehensweise der EU gegenüber Russland sein muss, und fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, darüber nachzudenken, ob sie bedrohte oder verbotene nichtstaatliche Organisationen aus Russland willkommen heißen, ihnen erforderlichenfalls die Betätigung vom Gebiet der EU aus ermöglichen und ihre Unterstützung für die Arbeit von Menschenrechtsverteidigern ausweiten können, sowie gegebenenfalls die Ausstellung von Notfallvisa zu erleichtern und vorübergehend Schutz in den EU-Mitgliedstaaten zu gewähren;
f) das Erfordernis, die Zusammenarbeit mit Russland auf der Ebene der Zivilgesellschaft fortzusetzen und daher die Hindernisse, mit denen die russischen Staatsorgane zunehmend direkte persönliche Kontakte, die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft und die Unterstützung russischer Organisationen der Zivilgesellschaft erschweren, anzugehen;
g) die Verurteilung neuer Formen der verdeckten Repression, die darauf abzielen, sowohl in der Hauptstadt als auch andernorts die Beteiligung von Arbeitskräften, Krankenhausärzten, Lehrkräften und Sozialarbeitern an Demonstrationen oder ihre Unterstützung von Gegnern des derzeitigen Regimes zu sanktionieren;
h) das Erfordernis für die EU und ihre Mitgliedstaaten, im Europarat vordringlich die Probleme im Zusammenhang mit dem Erlass der jüngsten autoritären Rechtsakte durch die Russische Föderation mit Blick auf die Erfüllung der internationalen Verpflichtungen Russlands gegenüber dem Europarat anzusprechen;
i) die Ergreifung abgestimmter Maßnahmen mit gleichgesinnten internationalen Partnern wie etwa G7-Staaten, wodurch die russischen Staatsorgane aufgefordert werden, die Unterdrückung von Menschen, die sich für Demokratie einsetzen, sowie von Aktivisten der Zivilgesellschaft und Menschenrechtsverteidigern im Inland zu beenden, was auch hochrangige und öffentliche Interventionen, abgestimmte Initiativen und eine dauerhafte Überwachung in internationalen und regionalen Menschenrechtsforen wie dem Europarat, der OSZE und dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen umfassen sollte;
j) die Durchführung regelmäßiger Abschätzungen der Auswirkungen auf die Menschenrechte, um sicherzustellen, dass die Kontakte mit den russischen Staatsorganen die Ziele im Bereich der Menschenrechte nicht beeinträchtigen und weder direkt noch indirekt zu Menschenrechtsverletzungen beitragen;
k) die Empfehlung an Städte und Gemeinden aus der EU, die aktive Partnerschaftsprojekte mit ihren Partnern in Russland durchführen, die entsprechenden Vereinbarungen zu überprüfen und zu aktualisieren, um dem Thema Menschenrechte Rechnung zu tragen und die Zusammenarbeit hauptsächlich auf die Zivilgesellschaft und die Kontakte zwischen den Menschen auszurichten;
l) die Erfüllung der an die EU-Delegation und an die nationalen diplomatischen Vertretungen in Russland gerichteten Forderung des Parlaments, die Lage und die Gerichtsverfahren gegen einzelne politische Gefangene vor Ort genau zu beobachten, ihnen jegliche Unterstützung anzubieten, die sie eventuell benötigen, und zusammenzuarbeiten, um ihre rasche Freilassung zu erwirken;
m) die Vermeidung der Legitimierung von Amtsträgern, die für Menschenrechtsverletzungen und Repression verantwortlich sind, indem beispielsweise sichergestellt wird, dass Botschafter und hochrangige Besucher keine Treffen nach Ermessen mit Amtsträgern abhalten, die an Repression beteiligt sind, zu denen auch Mitglieder der Staatsduma, die an der Ausarbeitung des Gesetzes über ausländische Agenten beteiligt waren, gehören wie Andrei Klimow; die diesbezügliche Überwachung von bilateralen Foren wie dem Trianon-Dialog und dem Sotschi-Dialog; die Bewertung ihrer Unterbrechung nach dem Beispiel des Petersburger Dialogs, in dessen Rahmen entschieden wurde, nicht länger zusammenzutreten, solange einige seiner Mitglieder als „unerwünschte ausländische Organisationen“ diskriminiert werden;
3. bekundet seine Unterstützung für sämtliche Personen und Organisationen, die Repression ausgesetzt sind, und fordert die russischen Staatsorgane nachdrücklich auf, den Drangsalierungen, Einschüchterungen und Übergriffen, die sich gegen die Zivilgesellschaft, die Medien sowie Menschenrechtsorganisationen und verteidiger richten, ein Ende zu setzen; verurteilt, dass die russischen Staatsorgane weder diese Akteure vor Übergriffen, Drangsalierungen und Einschüchterungen durch Dritte schützen noch unparteiische Ermittlungen im Fall solcher Übergriffe durchführen;
4. weist alle in Russland tätigen Unternehmen der Union darauf hin, im Einklang mit den Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte besondere Sorgfalt walten zu lassen und ihrer Verantwortung für die Achtung der Menschenrechte nachzukommen; ist besorgt darüber, dass hochrangige Politiker aus der EU lukrative Arbeitsverträge mit Unternehmen wie Gasprom oder Rosneft schließen, die im Eigentum des russischen Staates oder in Verbindung mit der Staatsmacht stehen;
5. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Europarat und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa sowie dem Präsidenten, der Regierung und der Staatsduma der Russischen Föderation zu übermitteln.
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