Iwanischwilis Regierung versucht NGOs zum Schweigen zu bringen
Das Regime von Oligarch Bidzina Ivanishvili friert EU-Mittel für georgische NGOs ein: Ein gezielter Angriff auf die Zivilgesellschaft Georgiens, die Demokratie und den in der georgischen Verfassung verankerten Europakurs.
Die Regierung von Bidzina Iwanischwili hat EU-Fördergelder eingefroren, die unabhängigen Nichtregierungsorganisationen zugutekommen sollten: Ein Schlag, der sich in eine ganze Serie gezielter Repressionen einreiht, alle mit dem Ziel, die fundamentalen Menschenrechte zu verletzen und den europäischen Integrationsprozess Georgiens offen zu sabotieren. All das dient der Machtkonsolidierung des „Georgischen Traums“, schwächt die Demokratie und stärkt den Autoritarismus.
Über 20 neue Gesetzespakete in nur sieben Monaten
In den vergangenen sieben Monaten hat die regierende Partei Georgian Dream (GD) über 20 antidemokratische Gesetzespakete einparteilich verabschiedet: Sie beschränken die Meinungs‑, Versammlungsfreiheit sowie die Unabhängigkeit der Presse und schneiden tief in die Möglichkeiten der Zivilgesellschaft ein, Politik und Gesellschaft mitzugestalten. Ein Beispiel dafür ist ein Gesetz, das die Förderungen zivilgesellschaftlicher Organisationen nur mit expliziter Zustimmung der Regierung erlaubt.
Im Fadenkreuz: Zivilgesellschaftliche Organisationen
Ein anderes ist das sogenannte FARA-Gesetz: Es ermöglicht, Organisationen als „Agenten“ zu brandmarken und verpflichtet sie, sich offiziell zu registrieren, andernfalls machen sie sich strafbar. Eine Taktik, die aus Russland bekannt ist. Es muss hinzugefügt werden, dass die Antikorruptionsbehörde über Gerichtsbeschlüsse regelmäßig sensible Informationen von zivilgesellschaftlichen Akteuren anfordert: Kritiker sollen eingeschüchtert und die Zivilgesellschaft isoliert und handlungsunfähig gemacht werden. Die jüngste Entscheidung der georgischen Generalstaatsanwaltschaft, sieben unabhängige Organisationen unter fadenscheinigen Vorwürfen mit einem Beschlagnahmebeschluss zu belegen, zeigt: Es geht nicht nur darum, unliebsame Stimmen mundtot zu machen, sondern auch darum, die Arbeit proeuropäischer Akteure finanziell lahmzulegen – selbst wenn die Mittel aus EU-Programmen stammen. Zugleich drohen den betroffenen Organisationen weitere strafrechtliche Maßnahmen, da die Beschlagnahme Teil der laufenden Ermittlungen ist.
Unter den betroffenen Organisationen befinden sich die Stiftung für Zivilgesellschaft (CSF), die Internationale Gesellschaft für Faire Wahlen und Demokratie (ISFED), das Institut für die Entwicklung der Informationsfreiheit (IDFI), Defenders of Democracy, die Georgische Demokratische Initiative (GDI), die Frauenrechtsorganisation Saphari sowie das Zentrum für soziale Gerechtigkeit. Diese Organisationen arbeiten im Interesse der georgischen Bürgerinnen und Bürger, setzen sich für die europäische Zukunft des Landes ein und unterstützen Opfer staatlicher Willkür, politischer Verfolgung und Folter.
Die Europäische Union wertet diesen Schritt als weiteren Angriff auf grundlegende Rechte sowie als Instrumentalisierung des Justizsystems zur politischen Verfolgung und forderte am 29. August die georgischen Behörden nachdrücklich dazu auf, die Sperrung der Bankkonten dieser Organisationen umgehend rückgängig zu machen.
Hilfe für Opfer von staatlicher Gewalt wird zur Straftat
Die Grundlage der Beschlagnahme ist ebenso absurd wie erschütternd: Den Organisationen wird vorgeworfen, massenhaft Opfern von Folter, politischen Gefangenen und willkürlich bestraften Bürgern geholfen zu haben. Eine Straftat? In jedem Fall eine fadenscheinige Begründung, die umso obskurer erscheint, da sie aus standardisierten Textbausteinen besteht. Inhaltlich fehlt es ihr an jeglicher faktischen Substanz. Und dennoch kam ein Richter auf Basis solcher Phrasen zu dem Urteil, dass sich die Organisationen strafbar gemacht hätten.
Schauen wir uns die Begründung genauer an: Die Generalstaatsanwaltschaft behauptet, die „organisatorische und finanzielle Tätigkeit“ dieser NGOs habe darauf abgezielt, „Personen, die an gewaltsamen Handlungen beteiligt waren, und deren Familienangehörige finanziell zu unterstützen“ – diese vermeintliche Unterstützung beinhalte auch die Übernahme von Bußgeldern, von Anwaltskosten oder die Bereitstellung persönlicher Hilfe. Mit anderen Worten: Rechtsbeistand, materielle Unterstützung für Familien oder sogar moralische Ermutigung von zu Unrecht Inhaftierten wird als Straftat gewertet.
Die Staatsanwaltschaft legt für diese angeblichen Delikte Strafrahmen fest, die völlig unverhältnismäßig sind und über denen für schwere Gewaltverbrechen liegen. Hier ein Vergleich: Das georgische Strafgesetzbuch sieht für Mord zehn bis 15 Jahre Haft vor, für Menschenhandel mit Minderjährigen acht bis zwölf Jahre, schwere Körperverletzung wird mit vier bis sechs Jahren Haft geahndet, Raub mit sieben bis zehn und Vergewaltigung mit sechs bis acht Jahren Inhaftierung.
Demgegenüber steht nach Ansicht der Staatsanwaltschaft nun ein Strafmaß von fünf bis zu 15 Jahren Gefängnis für den Kauf einer Schutzbrille oder einer Maske für einen Demonstranten stehen. Man bilde sich hierüber ein eigenes Urteil!
Autoritarismus im System verankern
In Wahrheit sind diese Maßnahmen allesamt nichts anderes als Teil einer gezielten Kampagne, um kritische Stimmen, proeuropäische Kräfte und unabhängige Institutionen in Georgien zum Schweigen zu bringen. Die Regierung von Bidzina Iwanischwili orientiert sich damit offen an den repressiven Praktiken des Kremls: Einschüchterung und strafrechtliche Verfolgung zählen ebenso zu dessen Handwerkszeug wie die wirtschaftliche Lahmlegung von NGOs, was dazu beiträgt, Autoritarismus systematischen im politischen System zu verankern.
Das Kalkül ist klar: Den Organisationen soll die Möglichkeit genommen werden,
- die Rechte von Kindern, Frauen, Menschen mit Behinderungen, Studierenden, Arbeitnehmenden, Senioren und unrechtmäßig Inhaftierten zu verteidigen,
- Korruption, Folter, systemische Gewalt und Machtmissbrauch zu dokumentieren,
- Fälle vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und andere internationale Instanzen zu bringen.
Gleichzeitig sabotiert dieser Kurs nicht nur die künftige EU-Integration Georgiens – ein in der Verfassung verankertes Ziel. Er zerstört auch eine bereits erzielte Errungenschaft der georgischen Bevölkerung: das Recht auf visafreie Einreise in die EU.
Timing und Signal an die EU
Die Repressionen erfolgen zu einem Zeitpunkt, an dem die Regierung gegenüber der EU klarstellen muss, ob sie an der Beibehaltung der Visafreiheit für Georgien interessiert ist. Mit beschriebenen Maßnahmen und Aktionen aber sendet die georgische Führung das gegenteilige Signal: Ihre Bereitschaft, fundamentale Freiheiten zu opfern, um die Macht der Regierung zu sichern. Selbst wenn das die außenpolitische Isolation bedeutet.
Doch so einfach geht der Plan der Regierung des Georgischen Dream nicht auf. Denn trotz Beschlagnahmen, Repressionen, massiver Bedrohungen und Einschüchterungen erklären die betroffenen und verbündeten NGOs, dass sie ihre Arbeit nicht einstellen werden. Und: Sie kündigen an, alle juristischen Mittel auszuschöpfen, um die demokratische und europäische Ausrichtung Georgiens zu verteidigen. Gemeinsam bekennen sie sich zu ihrem Ziel: den Schutz der Menschenrechte und den Kampf für eine freie, faire und demokratische Zukunft Georgiens.
Für Demokratie und Zivilgesellschaft in Georgien: Europas Koordiniertes Engagement
All dies zeigt, wie resilient und widerstandsfähig die georgische Zivilgesellschaft trotz anhaltender Repressionen ist. Für die EU bedeutet das, trotz der komplexen geopolitischen und sicherheitspolitischen Herausforderungen ihrem Engagement für Georgien treu zu bleiben. Die Europäische Union muss nun darauf hinwirken, dass es der Regierungspartei nicht gelingt, Georgiens Beitrittsprozess zu untergraben und das Land weiter zu isolieren. Denn die EU-Orientierung Georgiens ist nicht nur in der georgischen Verfassung fest verankert, sie entspricht auch dem Willen des georgischen Volkes. Würde es Georgian Dream gelingen, ihren Kurs weg von der EU zu zementieren, würde das Land – früher ein enger EU-Partner im Südkaukasus – faktisch zu einem Satelliten des Kremls verwandelt werden.
Was muss die EU tun?
Erstens sind dringend Maßnahmen erforderlich, um georgische zivilgesellschaftliche Organisationen (CSOs) und unabhängige Medien zu stärken. Lektionen aus Belarus zeigen, dass schnelle und entschlossene Maßnahmen entscheidend sind, um CSOs zu schützen und die Fortsetzung ihrer Arbeit zu gewährleisten. Alternative Förder- und Unterstützungsinstrumente, einschließlich flexibler Finanzierungs- und Schutzmechanismen, sollten geprüft und zügig umgesetzt werden, um den Versuchen, unabhängige Stimmen zum Schweigen zu bringen, entgegenzuwirken.
Zweitens ist es entscheidend, alle verfügbaren Hebel einzusetzen, um georgische Entscheidungsträger unter Druck zu bringen, die gezielt den demokratischen Kurs Georgiens untergraben und für die anhaltenden Repressionen sowie Einschränkungen der Zivilgesellschaft und Medienfreiheit verantwortlich sind.
Drittens kann Deutschland durch die Weimar+-Formate eine zentrale Rolle spielen, um den internationalen Fokus auf Georgien aufrechtzuerhalten, öffentlich für Zivilgesellschaft und Medienfreiheit einzutreten, die Unterstützung anderer Partner zu mobilisieren und sicherzustellen, dass diese Themen in der EU-Außenpolitik Priorität behalten.
Für sämtliche genannten Bereiche sind koordinierte sowie schnelle Maßnahmen entscheidend, um die Demokratie in Georgien zu verteidigen und um diejenigen zu schützen, die sich für die Wahrung grundlegender Rechte in Georgien einsetzen.
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