Warum Donald Trump mit seinen Russ­land­sank­tionen nicht ganz falsch liegt

Flickr/​Gage Skidmore

Wirt­schaft­liche Strafen können in Handels­kriege und sogar mili­tä­ri­sche Konflikte münden. Doch sie bergen auch Chancen. Mit präzisen Sank­tionen gegen das Umfeld von Wladimir Putin liegt der ameri­ka­ni­sche Präsident Trump ausnahms­weise nicht ganz falsch.

Wirt­schafts­sank­tionen gegen die EU, gegen China, gegen Russland und nun auch gegen Iran: Der ameri­ka­ni­sche Präsident Donald Trump zieht durch, was er in seinem Wahlkampf ange­kün­digt hat. Sank­tionen sind in einem Macht- und Nerven­krieg zwischen inter­na­tio­nalen Kontra­henten ein zugleich gefähr­li­ches und chan­cen­rei­ches Mittel. Wenn sie intel­li­gent ausge­staltet sind, haben sie mittel­fristig durchaus Aussicht auf Erfolg. Geradezu ideal­ty­pisch ist das der ameri­ka­ni­schen Regierung mit ihren Sank­tionen gegen Russland gelungen. Hier macht Trump ausnahms­weise einmal nicht alles falsch.

Einen ökono­misch effek­tiven, punk­tu­ellen Druck aufzu­bauen, gelingt den Ameri­ka­nern mit ihren Russland-Sank­tionen hingegen geradezu vorbild­lich. Sie nehmen spezi­fisch die Olig­ar­chen ins Visier, also solche Groß­un­ter­nehmer, die nur mit Putins Billigung auf ihren Pfründen sitzen und den Präsi­denten stützen. 

Legitim sind Wirt­schafts­sank­tionen, wenn sie der Bestra­fung eines Regel­ver­stoßes dienen, um weitere Verstöße zu unter­binden. Daran besteht im Fall der Sank­tionen Amerikas gegen Russland kein Zweifel. Man muss dafür nicht glauben, dass der Bestrafte gleich spuren wird. Es ist schon viel gewonnen, wenn es gelingt, ihn an den Verhand­lungs­tisch zurück zu nötigen. Wirt­schafts­sank­tionen sind attraktiv, weil nicht gleich Bomber fliegen, sondern „nur“ die ökono­mi­sche Sphäre betroffen ist. Das verleitet die Politik aller­dings – und erst recht einen Trump – tenden­ziell zu häufi­gerem Gebrauch als notwendig. 

Portrait von Karen Horn

Karen Horn ist Dozentin für ökono­mi­sche Ideen­ge­schichte und Wirt­schafts­jour­na­lismus an der Univer­sität Erfurt.

Gefahr einer Eskalation

Vergli­chen mit mili­tä­ri­schen Einsätzen sind Wirt­schafts­sank­tionen das geringere Übel, aber sie sind deshalb nicht harmlos. Die größte Gefahr besteht darin, Gegen­schläge hervor­zu­rufen und in eine Spirale der Eska­la­tion zu geraten, an deren Ende dann eben doch noch das Militär zum Einsatz kommt. Mit Blick auf die Groß­mächte Amerika und Russland ist ein Kriegs­sze­nario eine Horror­vor­stel­lung. Genau weil diese Gefahr so groß ist, steckt in ihr jedoch auch die eine entschei­dende Chance. Allgemein gilt: Wenn ein Gegner, den Sank­tionen in die Schranken weisen sollen, kein Interesse an einem bewaff­neten Konflikt haben kann, besteht die Hoffnung, dass er irgend­wann einknickt. Bis dahin aller­dings muss man gute Nerven haben und selber einiges an Belas­tungen einste­cken, und man darf sich vor allem in der Einschät­zung der Präfe­renzen und Optionen des Gegners nicht irren.

Wirk­sam­keit umstritten

Der Erfolg von Wirt­schafts­sank­tionen ist empirisch umstritten. Das Peterson Institute for Inter­na­tional Economics gibt in einer Unter­su­chung über den langen Zeitraum seit dem Ersten Weltkrieg die Erfolgs­quote zwar immerhin mit etwa einem Drittel an. Doch das würde umgekehrt bedeuten, dass die Sank­tionen in zwei Dritteln der Fälle verpuffen, den Kosten auf Seiten des Bestra­fenden wie des Bestraften also keinerlei Erträge gegen­über­stehen. Das wäre sehr ernüch­ternd. Solche Studien stehen freilich auf wacke­ligem Boden. Es ist technisch alles andere als einfach, die Effekte der Sank­tionen von anderen Einflüssen zu unter­scheiden und kausal zuzu­rechnen. Besonders diffizil ist die Zurech­nung in einem Fall wie den Russland-Sank­tionen, die nicht nur eine einzelne Verhal­tens­weise, sondern eine Vielzahl teilweise unver­bun­dener Vergehen bestrafen. Und selbst wenn ein Aggressor das anstößige Tun unter­lässt, nachdem man ihn bestraft hat, ist damit nicht auch schon gesagt, dass die Sank­tionen die Ursache für diese Verhal­tens­än­de­rung waren. Vor allem aber kann man nicht wissen, was ohne Sank­tionen geschehen wäre. Es fehlt das „Coun­ter­fac­tual“. Es gibt keinen rele­vanten Vergleich.

Damit sie überhaupt eine Aussicht haben, das Erwünschte zu bewirken und keinen unab­sicht­li­chen Schaden zu verur­sa­chen, müssen Sank­tionen zwei Prin­zi­pien gehorchen. Sie dürfen erstens nicht im Allein­gang verhängt werden, sondern sind multi­la­teral abzu­stimmen, in Koope­ra­tion mit den Partnern. Zweitens sollten sie „chir­ur­gisch“ erfolgen und die Bevöl­ke­rung des gegne­ri­schen Landes schonen.

Ökono­mi­sche Kollateralschäden

Mit Multi­la­te­ra­lismus hat Trump nichts am Hut. Dennoch ist er vorzu­ziehen, unter anderem weil sonst die schäd­li­chen Neben­ef­fekte der Sank­tionen im eigenen Umfeld nur schwer einzu­dämmen sind. Wenn beispiels­weise Amerika unila­teral die Einfuhr eines in Russland produ­zierten Gutes verböte, um den Russen wichtige Einnah­me­quellen zu nehmen, dann wäre damit zu rechnen, dass diese ihre Waren in anderen Ländern abzu­setzen suchten und den dortigen Anbietern eine schärfere Konkur­renz berei­teten als bisher – was neue Konflikte mit der EU und den Nato-Verbün­deten verur­sa­chen könnte. Und wenn Amerika den Fehler Jimmy Carters wieder­holte, unila­teral die Ausfuhr eines für Russland wichtigen Gutes (damals Getreide) zu verbieten, dann müsste das die Anbieter aus anderen Ländern freuen, die Markt­an­teile gewönnen. Man nähme indes den eigenen Farmern Absatz­chancen und Umsatz, weil das Über­an­gebot noch zusätz­lich den Preis drückte. Und in Russland gäbe man der Bevöl­ke­rung einen Grund, sich mit ihrer Regierung zu soli­da­ri­sieren. Putin könnte zufrieden sein.

Warnung an Investoren

Einen ökono­misch effek­tiven, punk­tu­ellen Druck aufzu­bauen, gelingt den Ameri­ka­nern mit ihren Russland-Sank­tionen hingegen geradezu vorbild­lich. Sie nehmen spezi­fisch die Olig­ar­chen ins Visier, also solche Groß­un­ter­nehmer, die nur mit Putins Billigung auf ihren Pfründen sitzen und den Präsi­denten stützen. Ihr Umfeld ist nunmehr von einer massiven geschäfts­schä­di­genden Unsi­cher­heit geprägt. Die Herr­schaften wissen, mit wem sie darüber in Moskau sprechen müssen.

Für westliche Unter­nehmen, die Olig­ar­chen zu ihren Groß­ak­tio­nären zählen oder mit ihnen Geschäfts­be­zie­hungen pflegen, ist die Lage äußerst unan­ge­nehm, und der Verfall ihrer Börsen­kurse durch die neue Unsi­cher­heit trifft auch die kleineren Anleger. Das sind gravie­rende Kolla­te­ral­schäden. Aber darin steckt auch eine wichtige Mahnung: Auf der Suche nach Anlegern und Anla­ge­mög­lich­keiten gilt es nicht nur auf den Geld­beutel und die Bilanz zu schauen, sondern sich zu gewär­tigen, mit wem man es zu tun hat und welches Regime dahinter steckt. Das Kapital ist abstrakt, der Kapi­ta­list nicht. Wer den poli­ti­schen Kontext nicht mitbe­denkt, macht eine ökono­misch unvoll­stän­dige Rechnung auf.

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