Klima­schutz braucht mehr Mut

Quelle: Flickr/​Guy Gorek

Die rasante Entwicklung von Wind- und Solar­energie allein wird dem Klima­wandel nicht den Garaus machen. Die Emissionen von Treib­haus­gasen wachsen global weiter. Auch Deutschland konnte die Kohle bisher nicht als Energie­träger zurück drängen. Ohne eine entschiedene Politik wird der Klima­schutz nicht voran­kommen. Bezahlen würden dies künftige Genera­tionen. Sie müssten dann drastische und umstrittene Maßnahmen umsetzen, um die CO2-Emission zu reduzieren.

2017 war kein gutes Jahr für den Klima­schutz – weder in Deutschland noch weltweit. Unter dem neuen Präsi­denten Donald Trump haben die USA ihren Austritt aus dem Pariser Abkommen angekündigt. Das ist ein schwerer Rückschlag für die inter­na­tionale Klima-Koope­ration. Er hat maßgeblich dazu beigetragen, dass es auf G20-Ebene keine nennens­werten Klima­schutz­ab­sprachen gab. In Deutschland wirkte die Klima­po­litik angesichts der sich anbah­nenden Verfehlung der eigenen Klima­schutz­ziele für das Jahr 2020 zunehmend paraly­siert. Dabei waren die Hoffnungen angesichts des deutschen Vorsitzes beim G20-Gipel und der für die Fiji-Inseln organi­sierten UN-Klima­kon­ferenz in Bonn zunächst groß. Doch der schlechten Nachrichten nicht genug: Das Global Carbon Project präsen­tierte seine neusten Emissi­ons­schät­zungen für das Jahr 2017. Nach Jahren der Stagnation des globalen Emissi­ons­ni­veaus prognos­ti­zierten die Wissen­schaftler ein kräftiges Wachstum der CO2-Emissionen von 2 Prozent.

Abbildung 1 – Globale CO2 Emissionen von fossilen Energie­trägern und indus­tri­ellen Prozessen. Quelle: Le Quere et al. (2017); Global Carbon Budget (2017)

Klima­schutz und Kohle­aus­stieg sind keine Selbst­läufer, sondern müssen politisch gestaltet werden

Es bleibt eine Mär, dass die rasante Entwicklung von Wind- und Solar­energie oder auch der Batte­rie­technik den fossilen Energie­quellen im Alleingang den Garaus machen wird. Das gegen­wärtige CO2-Wachstum ist ein klares Anzeichen für die ungebro­chene Rolle der Kohle als zentraler Energie­träger für die Strom­erzeugung. Ohne entschie­denere Politik­in­ter­ven­tionen werden viele weitere Kohle­kraft­werke rund um den Globus ans Netz gehen – selbst wenn die Ausbau­pläne für Kohle­kraft­werke in einigen wichtigen Ländern wie Indien und China stark zusam­men­ge­strichen wurden. Derzeit befinden sich nach wie vor Kraft­werke mit einer Kapazität von zusam­men­ge­nommen 270 Gigawatt (GW) im Bau sowie 570 GW in der Planung – das sind rund 40 Prozent der heutigen globalen Gesamt­ka­pa­zität. Aber auch in einem Land wie Deutschland mit Führungs­an­spruch in der inter­na­tio­nalen Klima­po­litik wurde die Kohle­kraft bisher nicht zurück­ge­drängt. Mit 40 Prozent ist der Anteil der Kohle am deutschen Energiemix seit einem Jahrzehnt unver­ändert hoch. Sie ist der wichtigste Grund dafür, dass die Emissionen in Deutschland seit Jahren nicht schneller zurück­gehen. Der zügige Ausbau der erneu­er­baren Energien wird so – insbe­sondere vor dem Hinter­grund des zeitgleichen Atomaus­stiegs – ein Stück weit um seine klima­po­li­ti­schen Meriten gebracht.

Abbildung 2 – Entwicklung der Treib­haus­gas­emis­sionen in Deutschland seit 1990 und die gesetzten Klima­schutz­ziele; Daten: Umwelt­bun­desamt (2017), Abbildung: Max Callaghan (MCC)

Die Zeit drängt. Denn um die inter­na­tio­nalen Klima­ziele noch zu erreichen, muss die Welt bereits in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhun­derts CO2-neutral werden: Jede Tonne CO2, die dann aus Schorn­steinen oder Auspuffen kommt, muss der Mensch der Atmosphäre durch sogenannte negative Emissionen direkt wieder entziehen. Um CO2-Neutra­lität zu erreichen, braucht es nicht weniger als eine histo­rische Trend­wende. Statt eines globalen Emissi­ons­wachstums von durch­schnittlich 2 Prozent in den letzten vier Jahrzehnten, müssten die globalen Emissionen in den nächsten drei Dekaden jährlich um ungefähr 3 Prozent reduziert werden (siehe Abbildung 3). Um dies zu erreichen, muss Klima­po­litik aktiv gestaltet und national wie inter­na­tional gut koordi­niert werden.

 „Weiter so“-Politik bedeutet den Verlust des Gestal­tungs­spiel­raums für inter­na­tionale Klimapolitik

Ein „weiter so“ darf es weder in Deutschland noch in der inter­na­tio­nalen Klima­po­litik geben. Trotz aller Erfolge der Energie­wende und des Pariser Abkommens ist die Trend­wende noch lange nicht geschafft. Die im Rahmen der UN-Klima­ver­hand­lungen bisher vorge­legten Selbst­ver­pflich­tungen der Länder zur Reduktion von Treib­haus­gasen werden die globalen Emissionen weiter steigen lassen – nur eben ein wenig langsamer. Schaffen wir es nicht, in den kommenden Jahren die Bereit­schaft zu Emissi­ons­re­duk­tionen deutlich zu erhöhen, so verlieren wir den Gestal­tungs­spielraum für die künftige Klima­po­litik. Heute können wir noch relativ frei darüber entscheiden, welchen Techno­lo­giemix wir bevor­zugen, um die globale Erwärmung auf 2°C zu begrenzen – im Jahre 2030 wäre das dann kaum noch möglich. Deutschland wäre gezwungen, stärker über unpopuläre Techno­logien wie etwa CO2-Abscheidung und ‑Speicherung nachzu­denken. Auch die Rufe nach der Anwendung sogenannter „sympto­ma­ti­scher Techno­logien“ zur direkten Beein­flussung der Strah­lungs­bilanz der Erde (solar geoen­gi­neering) werden mit jedem weiteren Jahr des Emissi­ons­wachstums lauter werden. Die mit solchen Maßnahmen verbun­denen Risiken sind jedoch bisher weitest­gehend unbekannt. Nur durch beherzte Klima­po­litik lässt sich ein solches Abgleiten in ein Klima-Notstands­regime noch verhindern.  Wie wir dabei weltweit auf einen Nenner kommen, ist eine der wichtigsten Zukunfts­fragen unserer Zeit.

Abbildung 3 – Zwei mögliche Klima­schutz­pfade, die die globale Erwärmung auf 2°C begrenzen. Sofortige und strin­gente Emissi­ons­re­duk­tionen vor 2030 (dunkel­grüne Pfade) ermög­lichen einen größeren Handlungs­spielraum nach 2030. Wer den Klima­schutz aufschiebt (hellgrüne Pfade) muss das später durch höhere Dekar­bo­ni­sie­rungs­raten und den schnel­leren Ausbau von Klima­schutz­tech­no­logien bezahlen. Dies beinhaltet auch eine stark vergrö­ßerte Abhän­gigkeit von Negative­mis­si­ons­tech­no­logien, die der Atmosphäre CO2 wieder nachträglich entziehen (nicht gezeigt). Quelle: IPCC (2014)

Klima­schutz braucht Vorreiter: Eine GroKo müsste sich klima­po­li­tisch neu erfinden

Gerade nach einem schwie­rigen Jahr für den Klima­schutz wie 2017 braucht es Führungs­länder wie Deutschland, die entschlossen voran­schreiten. Gemeinsam mit Frank­reich könnte Deutschland etwa eine Reform des Europäi­schen Emissi­ons­handels voran­treiben. Die Einführung eines Mindest­preises müsste der zentrale Baustein einer solchen Reform sein, damit eine Lenkungs­wirkung entsteht und Unter­nehmen Inves­ti­ti­ons­si­cherheit haben. Ohne ein wirkungs­volles Preis­signal auf europäi­scher Ebene werden effek­tiver Klima­schutz und Kohle­aus­stieg langfristig schwierig und teuer. Deutschland sollte sich bei Frank­reichs Präsident Emmanuel Macron unter­haken und die bei der UN-Klima­schutz­kon­ferenz in Paris gegründete „Koalition der Ambitio­nierten“ in eine erfolg­reiche Zukunft führen.

So manch einem erscheint eine Neuauflage der Großen Koalition in diesem Kontext fatal. In der Tat wurde jedwede ernst­hafte Diskussion, wie die Lücke zur Errei­chung des deutschen Klima­schutz­ziels für 2020 geschlossen werden kann, in den Sondie­rungs­ge­sprächen vom Tisch gefegt. Wer nicht ernsthaft über kurzfris­tigen Klima­schutz disku­tiert, schürt den Verdacht, dass die neue Fokus­sierung auf die 2030-Ziele vor allem von fehlendem Handlungs­willen ablenken soll.

Auch wenn momentan zunehmend klima­skep­tische Töne von den konser­va­tiven Rändern und rechts­po­pu­lis­ti­schen Parteien zu hören sind: Die Verhin­derung des gefähr­lichen Klima­wandels ist eine zentrale Zukunfts­frage, die von einem breiten wissen­schaft­lichen und gesell­schaft­lichen Konsens getragen wird. Anstatt den Status quo zu schützen, muss die Politik anfangen, den Wirtschafts­standort Deutschland zukunfts­fähig zu machen. Nicht der Klima­schutz ist die Gefahr für die deutsche Automo­bil­in­dustrie, sondern das Verpassen eines beherzten Einstiegs in alter­native, nachhaltige Antriebs­tech­no­logien. Die wirtschaft­liche Zukunft der Lausitz wird nicht durch einen möglichst langen Erhalt der Arbeits­plätze im Braun­koh­le­ta­gebau gesichert, sondern durch die frühzeitige Einleitung eines regio­nalen Struk­tur­wandels. Es ist ein Glück, dass der Klima­schutz in Deutschland mittler­weile in der Mitte der Gesell­schaft verankert ist. Daran sollte sich auch eine mögliche Große Koalition orien­tieren –  nur durch ein ernst­haftes Angehen wichtiger Zukunfts­fragen wird man dem erstar­kenden Populismus Einhalt gebieten können. Was sonst sollte die Recht­fer­tigung für eine erneute Große Koalition sein als die Inangriff­nahme der großen Heraus­for­de­rungen, von denen unsere Zukunft abhängt?

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