„Bibis“ Bromance
Israel hat, nach einem Tweet von Donald Trump, zwei demokratische US-Politikerinnen nicht ins Land einreisen lassen. Der Vorfall wirft ein Schlaglicht auf die entgleisten Beziehungen zwischen Benjamin Netanyahu und den Demokraten – und auf „Bibis“ ideologische Kumpanei mit dem US-Präsidenten.
Wir leben in Zeiten, in denen man stets davon ausgehen muss, dass die Politik das sowieso schon extrem niedrige Niveau, auf dem sie sich bewegt, noch weiter unterbietet. Manchmal denkt man: Nun, schlimmer kann’s nicht werden. Doch in Wochen wie der vergangenen muss man selbst in Israel erkennen: Es geht immer noch ein bisschen schlimmer.
Die beiden ersten muslimischen Abgeordneten des US-Kongresses, Ilhan Omar und Rashida Tlaib, haben vor einiger Zeit angekündigt, nach Israel und in die palästinensischen Gebiete reisen zu wollen. Omar machte sich in den USA einen Namen mit zahlreichen antisemitischen Äußerungen, für die sie sich immer wieder entschuldigen musste. Sie und Tlaib unterstützen die anti-israelische Boykottbewegung BDS, die zum Teil mit antisemitischen Argumentationsmustern gegen Israel hetzt. Tlaib will nur einen einzigen Staat zwischen Mittelmeer und Jordan haben, was im Klartext bedeutet: Der jüdische Staat würde aufhören zu existieren.
Dennoch hat Israel den beiden Politikerinnen grünes Licht zur Einreise gegeben. Klar, das ist zunächst einmal eine demokratische Entscheidung, in einem liberalen Land, das die „einzige Demokratie im Nahen Osten ist“, wie Premier Benjamin Netanyahu nicht müde wird zu betonen. Schließlich – das wussten selbst die extremistischsten Nationalisten in der Knesset – kann man gewählten Volksvertretern des besten Freundes und Verbündeten nicht die Tür vor der Nase zuknallen.
Peng
So weit, so gut. Doch dann kam alles anders. Netanyahu, den sie in Israel „Bibi“ nennen, entschied persönlich, die beiden doch nicht nach Israel einreisen zu lassen. Peng. Man musste so etwas befürchten, im Hintergrund deutete sich bereits an, dass US-Präsident Donald Trump Einwände gegen die Einreise hatte. Nachdem er aber einen Tweet abgefeuert hatte, war klar: Netanyahu wird, nein, er muss nachziehen. Der Tweet lautete:
„Es würde große Schwäche ausdrücken, wenn Israel Rep. Omar und Rep. Tlaib erlauben würde, das Land zu besuchen. Sie hassen Israel und das gesamte jüdische Volk und nichts kann gesagt oder getan werden, um ihre Meinung zu ändern.“
„Bibi“ untersagte also die Einreise der US-Demokratinnen. Tlaib wurde der Besuch des Westjordanlandes aus humanitären Gründen schließlich doch gestattet. Doch sie sagte den Besuch wegen der von Israel auferlegten Einreisebedingungen ab. Nach dem Hickhack blieb: viel verbrannte Erde.
Was Trump treibt, ist klar. Er befindet sich bereits im Wahlkampfmodus und hat sich schon seit Längerem auf die beiden Politikerinnen und andere Demokratinnen of color eingeschossen, etwa den jungen Politstar Alexandria Ocasio-Cortez. Erst kürzlich hat er einige von ihnen rassistisch beschimpft. Seine Klientel will genau das hören. Trump will sein Land immer weiter spalten, will die Demokraten als Fremde, Antisemiten und Islamismus-Unterstützer darstellen, um so seine Wiederwahl im November 2020 zu sichern.
„Bibis“ Kalkül ist ein anderes – wenn man noch von Kalkül reden kann. Denn alles begann in den Jahren 2009/2010, als Barack Obama als junger, liberaler, demokratischer US-Präsident den palästinensisch-israelischen „Friedensprozess“ auf neue Schienen setzen wollte. Zwischen Netanyahu und Obama stimmte von Anfang an die Chemie nicht. Politisch sowieso nicht, aber auch menschlich waren sich die beiden nie grün. Netanyahu demütigte den Präsidenten immer wieder. Vor laufenden Kameras gab er ihm eine Unterrichtsstunde über den Nahen Osten, im zweiten Wahlkampf Obamas bezog er eindeutig Position für den republikanischen Kandidaten und versuchte, sich in die US-Wahl einzumischen. Der Höhepunkt war 2015 eine Einladung der Republikaner an Netanyahu, auf Capitol Hill gegen das geplante Atomabkommen mit den Iranern zu sprechen. John Boehner, damals Sprecher des Repräsentantenhauses, hatte die Einladung hinter dem Rücken seines Präsidenten ausgesprochen. Und Jerusalem hatte mitgemacht.
Donald ist „Bibis“ Buddy
Dies und vieles andere haben die Demokraten „Bibi“ nicht vergessen. Dieser hat nun eigentlich gar keine andere Wahl, als auf Trump zu setzen. Und nachdem Trump ihm all das gab, wovon er bislang träumte – die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem, die Anerkennung der Golan-Höhen als israelisches Staatsgebiet, einen Friedensplan, der zwar noch nicht veröffentlicht ist, in dem aber nicht mehr die Rede von einem palästinensischen Staat ist – wusste „Bibi“: Donald ist mein Buddy. Auch im Politikstil: Fake News produzieren und die etablierte Presse und den politischen Gegner als „Feind“ denunzieren, all das hat „Bibi“ zwar schon vor der Amtszeit des aktuellen US-Präsidenten betrieben. Doch mit Trump als Rückendeckung konnte „Bibi“ in der israelischen Innenpolitik die Handschuhe ablegen. Er musste nicht mehr befürchten, von den USA gemaßregelt zu werden, wenn er’s denn allzu antiliberal angehen lässt.
Das Fatale an dem Einreiseverbot ist, dass „Bibi“ damit wohl Israel als bipartisan issue in der amerikanischen Politik erledigt hat. Auch wenn Demokraten und Republikaner in ihren politischen Ansichten stets differierten, wenn es um Israel ging, waren sich beide Parteien in vielen Grundzügen einig. Das bedeutete: politische, wirtschaftliche und militärische Unterstützung und Zusammenarbeit mit dem wichtigsten Verbündeten im Nahen Osten ohne Wenn und Aber. Das könnte sich in Zukunft womöglich erledigt haben. Natürlich wissen alte politische Hasen bei den Demokraten, dass Netanyahu nicht Israel ist. Und ganz gewiss dürfte ein Nachfolger „Bibis“ im Amt des israelischen Premiers gerade jetzt von den Demokraten mit viel Vorschusslorbeeren begrüßt werden – in der Hoffnung, die entgleisten Beziehungen zu retten.
Doch solange entweder Netanyahu oder ein anderer aus dem ultrarechten Lager in Israel das Sagen hat, kann sich das Verhältnis zu den USA als Staat nicht wieder verbessern. Die USA verändern sich seit Langem. Die jungen Generationen sind in der Mehrheit Menschen of color, das Zeitalter des weißen Mannes geht zu Ende. Die Jüngeren sind daher ganz automatisch auf der Seite der Underdogs, der Palästinenser, sie fühlen sich aufgrund ihrer eigenen Geschichte mit ihnen verbunden. Ebenso junge amerikanische Juden, die mit dem nationalistischen Judentum Israels und der Okkupationspolitik nichts mehr zu tun haben wollen. Für sie symbolisiert das Judentum Liberalismus, Menschenrechte, Freiheit, also so ziemlich das Gegenteil dessen, was Netanyahu seit nun einem Jahrzehnt nonstop propagiert.
Weiß Netanyahu das alles nicht? Man kann ihm vieles vorwerfen, aber nicht, dass er dumm ist. Und leider ist es auch so, dass sich sein düsteres Weltbild allmählich zu bewahrheiten scheint. Anders gesagt: Immer häufiger kommen Politiker weltweit an die Macht, die ähnlich denken wie „Bibi“. Insofern ist der Mann einerseits überzeugt, für Israel das Richtige zu tun. Andererseits, und das wiegt im Moment wohl schwerer, versucht er, sich zu entlasten. Denn er steht massiv unter Druck. Nicht wegen der Hamas oder der Fatah, nicht wegen Hizbollah oder des Irans, sondern schlicht deswegen, weil ihm eine Anklage wegen Korruption in drei Fällen und damit möglicherweise eine lange Haftstrafe in einem israelischen Gefängnis droht.
„Bibi“ kämpft mit dem Rücken zur Wand. Lange Jahre war er für Israel ein durchaus erfolgreicher Premier, hat das Land wirtschaftlich vorangebracht, hat es geschafft, den jüdischen Staat aus den nahöstlichen Bürgerkriegen weitestgehend herauszuhalten. Doch gerade in der letzten Legislaturperiode hat „Bibi“ alle Schamgrenzen fallen lassen. Auch dank Donald Trump im Weißen Haus. Er hat sein Schicksal mit diesem Mann verknüpft. Mit diesem Mann, nicht mit den USA. Er könnte Israel in eine noch größere Krise stürzen als die, in der sich das Land bereits befindet.
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