Russische Vermö­gens­werte für die Ukraine

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Die Konfis­zie­rung der Reserven der russi­schen Zentral­bank ist über­fällig – ein Kommentar von Edward Lucas.

Anläss­lich des zweiten Jahres­tages der voll­stän­digen Invasion der Ukraine sollte der Westen die Auslands­gut­haben der russi­schen Zentral­bank in Höhe von 350 Milli­arden Dollar beschlag­nahmen. Dies hätte tief­grei­fende symbo­li­sche und prak­ti­sche Vorteile: Es würde die ukrai­ni­sche Moral stärken, Einigkeit demons­trieren, Russland zur Verant­wor­tung ziehen und die leeren Kassen der Kyjiwer Regierung füllen.

Ein häufig vorge­brachtes Gegen­ar­gu­ment ist, dass das inter­na­tio­nale Finanz­system auf Vertrauen beruht. Es sollte nicht von poli­ti­schen Launen abhängig sein. Die Beschlag­nahme von Staats­ver­mögen anderer Länder verstoße gegen das Gesetz. Wenn der Westen an Eigen­tums­rechte glaubt, müsse er das, was er predigt, auch prak­ti­zieren. Ein weiteres Argument ist, dass die Beschlag­nahme von Vermö­gens­werten eine Karte ist, die man am besten später ausspielt, bei Verhand­lungen über Repa­ra­tionen nach dem Krieg.

Russland kann aber nicht erwarten, dass es von einem inter­na­tio­nalen Regelwerk geschützt wird, das es durch den Angriff auf ein anderes Land, die Zerstö­rung seiner Infra­struktur, die Ermordung seiner Bevöl­ke­rung und die Beschlag­nahme seines Terri­to­riums mit Füßen tritt. Wenn das Gesetz die Beschlag­nahme der Zentral­bank­re­serven eines anderen Landes nicht zulässt, lautet die Antwort: ändert das Gesetz. Parla­men­ta­rier in Estland tun genau das, und auch US-Senatoren haben sich für ein neues Gesetz ausge­spro­chen. Westliche Länder haben dies mit dem Vermögen von Olig­ar­chen getan. Sie können es auch mit dem Geld des Kremls tun.

Russland wird sicher­lich darauf reagieren. Der Kreml könnte die rest­li­chen Vermö­gens­werte west­li­cher Unter­nehmen in Russland beschlag­nahmen. Das ist hart. Niemand hat sie aller­dings gezwungen, in einem Gangs­ter­staat Geschäfte zu machen. Sie haben sich dafür entschieden, weil sie naiv, zynisch, gierig oder dumm waren. Sie müssen akzep­tieren, dass diese Entschei­dung ihren Preis hat.

Andere Regime, insbe­son­dere dieje­nigen, die eine Invasion in Nach­bar­länder planen, könnten beschließen, dass ihr Geld in Moskau oder Peking (oder Teheran, Caracas oder Pjöngjang) sicherer ist. Viel Glück für sie. Das westliche Finanz­system wird überleben. Dollar, Euro und Pfund sind nicht umsonst so gefragt.

Die Lektion der letzten zwei Jahre ist, dass Sank­tionen, die niemand für möglich gehalten hat, tatsäch­lich durch­führbar sind. Selbst das Einfrieren der russi­schen Zentral­bank­gut­haben wäre als wahn­sinnig kühn angesehen worden. Wir haben das zu Beginn des russi­schen Krieges in vollem Umfang getan. Es hat funk­tio­niert. Das Gleiche gilt für den Ausschluss der meisten russi­schen Banken aus dem SWIFT-Zahlungs­netz­werk. Der ehemalige Welt­bank­chef Bob Zoellick argu­men­tierte kürzlich in der Financial Times: Wenn westliche Länder so kühn sind, Waffen zu schicken, die russische Soldaten töten, ist es seltsam, den Transfer russi­scher Vermö­gens­werte an ukrai­ni­sche Opfer als zu riskant anzusehen. Um die Akzeptanz zu erhöhen, schlägt er vor, einen Teil des einge­fro­renen Geldes zur Entschä­di­gung armer Länder zu verwenden, die von höheren Lebens­mittel- und Ener­gie­preisen betroffen sind.

Die Koalition, die für die Beschlag­nahme von Vermö­gens­werten eintritt, wächst. Bill Browder, ein ehemals in Moskau ansäs­siger Finanzier, der zum Kreml­kri­tiker wurde, nahm die Kampagne mit nach Davos, einer jähr­li­chen Schweizer Veran­stal­tung für Pluto­kraten. Essollte das Putin-Regime beun­ru­higen: Browder leistete Pionier­ar­beit bei den Magnitsky-Sank­tionen, die nach seinem ermor­deten Anwalt benannt sind und sich gegen russische Spit­zen­po­li­tiker richten. Jahrelang haben vermeint­lich sach­kun­dige Leute solche Maßnahmen abgelehnt. Jetzt sind sie Teil des Arsenals der Staats­kunst. Ebenfalls in Davos war der Brite David Cameron, früher Premier­mi­nister und jetzt Außen­mi­nister und ein über­zeugter Gegner des Putin-Regimes. Es sei besser, russi­sches Vermögen jetzt zu beschlag­nahmen, als später über Repa­ra­tionen zu streiten.

Bisher haben sich die west­li­chen Länder jedoch meist um dieses Thema herum­ge­drückt, leere poli­ti­sche Erklä­rungen abgegeben oder halbe Maßnahmen vorge­schlagen, wie z. B. die Abzwei­gung der Gewinne aus den russi­schen Holdings, aber nicht der Assets selbst. Die bewun­derns­werte Initia­tive Estlands, das die notwen­digen Gesetze vorbe­reitet hat, hat zumindest in anderen Front­staaten noch keinen Widerhall gefunden.

Glauben die Entschei­dungs­träger im Westen, dass sie mit ihrem Zögern punkten können? Die Beschlag­nahme der russi­schen Vermö­gens­werte ist moralisch, politisch, rechtlich und stra­te­gisch richtig. Sie erschüt­tert das Putin-Regime und stärkt die Glaub­wür­dig­keit des Westens. Je eher wir es tun, desto besser.

Das Original erschien auf Englisch hier.

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