US-chine­si­scher Handels­streit: Welche Rolle spielt Europa?

PAS China [Public domain]

Die im Handels­kon­flikt zwischen den USA und China verhängten Straf­zölle schaden der wirtschaft­lichen Entwicklung der beiden Länder – aber auch den export­ori­en­tierten Volks­wirt­schaften Europas, insbe­sondere Deutschland. Was kann die EU tun, um die Auswir­kungen abzufedern?

Portrait von Albrecht Sonntag

Thieß Petersen ist Senior Advisor der Bertelsmann Stiftung und Lehrbe­auf­tragter an der Europa-Univer­sität Viadrina in Frankfurt (Oder).

Seit Monaten schaukeln sich die Handels­strei­tig­keiten zwischen den USA und China immer weiter hoch. Kann dies dem Rest der Welt egal sein? Nein, denn selbst wenn sich dieser Konflikt ausschließlich auf die beiden größten Volks­wirt­schaften der Welt beschränken sollte, bekommen auch andere Länder die Auswir­kungen zu spüren. Vor allem die export­ori­en­tierten Volks­wirt­schaften Europas, etwa Deutschland, müssen Produk­tions- und Beschäf­ti­gungs­ein­brüche befürchten – und darauf regieren.

 

Zunächst einmal schwächen die protek­tio­nis­ti­schen Maßnahmen der USA gegen China natürlich die wirtschaft­liche Entwicklung im „Reich der Mitte“: Eine Verrin­gerung der Exporte in die USA reduziert in China die Produktion, die Beschäf­tigung und damit die Einkommen und das Brutto­in­lands­produkt (BIP).

Aller­dings wirken sich die gegen China gerich­teten Straf­zölle auch in den USA negativ auf Wachstum und Beschäf­tigung aus. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen:

  • Wenn die US-Regierung Zölle auf chine­sische Produkte erhebt, erhöhen sich in den USA die Preise für die davon betrof­fenen Produkte. Das gilt sogar dann, wenn chine­sische Produkte durch ameri­ka­nische ersetzt werden: Weil die US-Anbieter ohne den schüt­zenden Zoll nicht wettbe­werbs­fähig waren, können sie ihre Produkte nur zu höheren Preisen anbieten als die chine­si­schen Konkurrenten.
  • Höhere Preise reduzieren die Kaufkraft der US-Verbraucher, wodurch die Menge an Konsum­gütern, die sie sich leisten können, sinkt. Die US-Unter­nehmen passen sich der gerin­geren Konsum­nach­frage an.
  • Ameri­ka­nische Unter­nehmen, die chine­sische Produkte als Vorleistung nutzen, müssen ebenfalls höhere Preise für diese Input­fak­toren zahlen. Das verringert ihre inter­na­tionale Wettbe­werbs­fä­higkeit – und damit ihre Verkäufe.
  • Das Ergebnis für die ameri­ka­nische Volks­wirt­schaft: ein Rückgang von Produktion, Beschäf­tigung und Einkommen.

Selbst­ver­ständlich gelten diese wirtschaft­lichen Zusam­men­hänge auch für die chine­sische Volks­wirt­schaft. Wenn sie sich für Zölle auf ameri­ka­nische Produkte entscheidet, muss sie zwangs­läufig ein sinkendes BIP und niedrigere Einkommen im eigenen Land in Kauf nehmen.

Was bedeutet der Handels­kon­flikt für Europa?

Da die Weltwirt­schaft hochgradig vernetzt ist, übertragen sich die für die USA und China skizzierten wirtschaft­lichen Entwick­lungen auch schnell auf den Rest der Welt. Für Europa bedeutet dies:

  • Die Kaufkraft der Verbraucher sinkt, weil ameri­ka­nische und chine­sische Konsum­güter teurer werden.
  • Die inter­na­tionale Wettbe­werbs­fä­higkeit aller europäi­schen Unter­nehmen, die Vorleis­tungen aus den USA oder China beziehen, verschlechtert sich.
  • Ein gesamt­wirt­schaft­licher Einkom­mens­rückgang in den USA und China bringt für die übrigen Volks­wirt­schaften der Welt den Nachteil mit sich, dass sie weniger in diese beiden Länder expor­tieren können.

Obwohl sich die protek­tio­nis­ti­schen Maßnahmen der USA und Chinas also gar nicht direkt gegen Europa richten, leiden die Volks­wirt­schaften auch dort unter dem bilate­ralen Handels­kon­flikt der beiden Weltmächte. Und diese Auswir­kungen lassen sich bereits nachweisen.

Was die EU auch unter­nimmt, sie dürfte kaum in der Lage sein, die USA und China zu einer Abkehr von ihrem protek­tio­nis­ti­schen Kurs zu bewegen. Übrig bleiben ihr vor allem Maßnahmen, die die wachs­tums­dämp­fenden Effekte des Handels­streits abfedern. Drei Ansatz­punkte spielen hierbei eine besondere Rolle.

#1 Stärkung der Binnennachfrage

Wenn China und die USA als Abnehmer für europäische Produkte an Bedeutung verlieren, kann eine höhere heimische Nachfrage die Umsatz­ein­bußen der europäi­schen Unter­nehmen ausgleichen.

Auf europäi­scher Ebene bietet sich dafür der Ausbau des europäi­schen Binnen­marktes an. Während der gemeinsame Markt im Waren-Bereich bereits sehr gut funktio­niert, gibt es bei Dienst­leis­tungen und digitalen Diensten noch Nachbes­se­rungs­bedarf.

In Deutschland könnte eine Steigerung der öffent­lichen Inves­ti­tionen die gesamt­wirt­schaft­liche Nachfrage stärken. Auch wenn hier heftig über das Ausmaß der Inves­ti­ti­ons­lücke gestritten wird, dürfte unumstritten sein, dass es eine solche Lücke gibt. Bereiche für zukunfts­ori­en­tierte Ausgaben sind – um nur einige zu nennen – neben dem Ausbau der erneu­er­baren Energien der gesamte Bildungs­be­reich, die digitale Infra­struktur und der soziale Wohnungsbau.

#2 Inten­si­vierung des Handels durch neue Handelsabkommen

Ein inten­si­vierter Handel mit anderen Weltre­gionen kann drohende Export­rück­gänge kompen­sieren. Idealer­weise findet eine Förderung des Freihandels im Rahmen multi­la­te­raler Abkommen unter dem Dach der Welthan­dels­or­ga­ni­sation (WTO) statt.

Sollte dies nicht möglich sein, stellen regionale Freihan­dels­ab­kommen – so wie beispiels­weise das am 1. Februar 2019 in Kraft getretene Abkommen zwischen der EU und Japan – eine Alter­native dar. Momentan verhandelt die EU auch mit zahlreichen anderen Ländern über entspre­chende Abkommen.

In jedem Fall ist sicher­zu­stellen, dass solche Abkommen die erreichten EU-Schutz­stan­dards für Verbraucher, Umwelt, Arbeit­nehmer etc. nicht schwächen.

#3 Abbau eigener Handelsschranken

Handels­be­schrän­kende Maßnahmen sind kein Allein­stel­lungs­merkmal der USA. Auch Deutschland und die EU wenden zahlreiche handels­ver­zer­rende Maßnahmen an. Neben Zöllen handelt es sich dabei etwa um Export­sub­ven­tionen, Kredit­hilfen und andere finan­zielle Hilfen.

Zölle werden dabei primär im Agrar­be­reich einge­setzt. Betroffen sind davon vor allem Entwick­lungs­länder, die in beson­derem Maße von landwirt­schaft­lichen Produkten und der Rohstoff­ge­winnung leben. Sie können ihre unver­ar­bei­teten Rohstoffe zwar nahezu zollfrei in die EU expor­tieren, was aber nicht für veredelte Produkte, die eine höhere Wertschöpfung enthalten, gilt.

Der Abbau dieser Import­zölle würde die Export­mög­lich­keiten der Entwick­lungs­länder verbessern und könnte ihnen zu einem wirtschaft­lichen Aufschwung verhelfen. Gleiches ist zu erwarten, wenn die EU ihre Subven­tionen für die heimische Landwirt­schaft abbaut.

Letzt­endlich würden auch europäische Unter­nehmen von diesen beiden Maßnahmen profi­tieren: Wenn in den Schwellen- und Entwick­lungs­ländern Beschäf­tigung und Einkommen zunehmen, erhöht sich dort auch die Nachfrage nach europäi­schen Produkten.

Ausblick

Fakt ist: Bereits jetzt trübt der bilaterale Handels­kon­flikt zwischen den USA und China die Konjunk­tur­aus­sichten weltweit. In Deutschland lagen die Wachs­tums­er­war­tungen der Bundes­re­gierung für das Jahr 2019 im Herbst 2018 noch bei 1,8 Prozent. Mittler­weile wird nur noch ein Zuwachs des realen BIP in Höhe von 0,5 Prozent erwartet. Haupt­grund für diese Abschwä­chung ist – neben dem anste­henden Brexit – der US-chine­sische Handelsstreit.

Eine Beruhigung des Konflikts wäre daher zwar wünschenswert, ist momentan aller­dings unwahr­scheinlich. Im Gegenteil: Das Ausmaß der handels­be­schrän­kenden Maßnahmen nimmt zu. Während zu Beginn des Konflikts im Januar 2018 nur Solar­zellen und Wasch­ma­schinen mit US-Straf­zöllen belegt wurden, lag das Volumen der von US-Zöllen betrof­fenen chine­si­schen Produkten im Herbst 2018 schon bei 200 Milli­arden US-Dollar. Mittler­weile werden von beiden Seiten weitere protek­tio­nis­tische Instru­mente einge­setzt: Diese reichen von Export­be­schrän­kungen bei Vorleis­tungen, die die Empfänger nicht von anderen Anbietern beziehen können (z. B. Seltene Erden), über schwarze Listen von Unter­nehmen, die beson­deren Kontrollen und Auflagen unter­liegen, bis hin zu ersten Anzeichen eines Währungs­kriegs – also des Versuchs, durch eine syste­ma­tische Abwertung der heimi­schen Währung die Export­chancen der eigenen Unter­nehmen zu verbessern.

Gleich­zeitig werden aber die eingangs skizzierten negativen Auswir­kungen auf die ameri­ka­nische Wirtschaft immer stärker sichtbar:

  • Nach Berech­nungen des unabhän­gigen Congres­sional Budget Office dürfte jeder private Haushalt in den USA wegen des Handels­kon­flikts bis 2020 rechne­risch rund 580 US-Dollar weniger Einkommen zur Verfügung haben.
  • Unter den Preis­stei­ge­rungen leiden vor allem einkom­mens­schwache Haushalte, die in beson­derem Maße auf preis­werte chine­sische Produkte angewiesen sind.
  • Infolge der chine­si­schen Vergel­tungs­maß­nahmen bricht China vielen US-Landwirten als Absatz­markt weg. Das sorgt für Einkom­mens­ver­luste. Im Mai dieses Jahres wurde daher ein Hilfs­pro­gramm in Höhe von 16 Milli­arden US-Dollar für die betrof­fenen Landwirte angekündigt.

Mögli­cher­weise entsteht durch die wachsenden wirtschaft­lichen Schäden für die eigene Wirtschaft die Einsicht, dass ein Handels­krieg eben doch keine gewinn­brin­gende Strategie für die ameri­ka­nische Gesamt­wirt­schaft ist. Und vielleicht führt dies sogar zu einer Deeska­lation seitens der US-Regierung – immerhin schaden schlechte Wirtschafts­daten auch dem amtie­renden US-Präsi­denten im anste­henden Wahlkampf.

Eine ausführ­liche Analyse dieses Themas findet sich in dem Diskus­si­ons­papier „Die Rolle der EU in einem möglichen weltweiten Handels­krieg“.

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