US-chinesischer Handelsstreit: Welche Rolle spielt Europa?
Die im Handelskonflikt zwischen den USA und China verhängten Strafzölle schaden der wirtschaftlichen Entwicklung der beiden Länder – aber auch den exportorientierten Volkswirtschaften Europas, insbesondere Deutschland. Was kann die EU tun, um die Auswirkungen abzufedern?
Seit Monaten schaukeln sich die Handelsstreitigkeiten zwischen den USA und China immer weiter hoch. Kann dies dem Rest der Welt egal sein? Nein, denn selbst wenn sich dieser Konflikt ausschließlich auf die beiden größten Volkswirtschaften der Welt beschränken sollte, bekommen auch andere Länder die Auswirkungen zu spüren. Vor allem die exportorientierten Volkswirtschaften Europas, etwa Deutschland, müssen Produktions- und Beschäftigungseinbrüche befürchten – und darauf regieren.
Zunächst einmal schwächen die protektionistischen Maßnahmen der USA gegen China natürlich die wirtschaftliche Entwicklung im „Reich der Mitte“: Eine Verringerung der Exporte in die USA reduziert in China die Produktion, die Beschäftigung und damit die Einkommen und das Bruttoinlandsprodukt (BIP).
Allerdings wirken sich die gegen China gerichteten Strafzölle auch in den USA negativ auf Wachstum und Beschäftigung aus. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen:
- Wenn die US-Regierung Zölle auf chinesische Produkte erhebt, erhöhen sich in den USA die Preise für die davon betroffenen Produkte. Das gilt sogar dann, wenn chinesische Produkte durch amerikanische ersetzt werden: Weil die US-Anbieter ohne den schützenden Zoll nicht wettbewerbsfähig waren, können sie ihre Produkte nur zu höheren Preisen anbieten als die chinesischen Konkurrenten.
- Höhere Preise reduzieren die Kaufkraft der US-Verbraucher, wodurch die Menge an Konsumgütern, die sie sich leisten können, sinkt. Die US-Unternehmen passen sich der geringeren Konsumnachfrage an.
- Amerikanische Unternehmen, die chinesische Produkte als Vorleistung nutzen, müssen ebenfalls höhere Preise für diese Inputfaktoren zahlen. Das verringert ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit – und damit ihre Verkäufe.
- Das Ergebnis für die amerikanische Volkswirtschaft: ein Rückgang von Produktion, Beschäftigung und Einkommen.
Selbstverständlich gelten diese wirtschaftlichen Zusammenhänge auch für die chinesische Volkswirtschaft. Wenn sie sich für Zölle auf amerikanische Produkte entscheidet, muss sie zwangsläufig ein sinkendes BIP und niedrigere Einkommen im eigenen Land in Kauf nehmen.
Was bedeutet der Handelskonflikt für Europa?
Da die Weltwirtschaft hochgradig vernetzt ist, übertragen sich die für die USA und China skizzierten wirtschaftlichen Entwicklungen auch schnell auf den Rest der Welt. Für Europa bedeutet dies:
- Die Kaufkraft der Verbraucher sinkt, weil amerikanische und chinesische Konsumgüter teurer werden.
- Die internationale Wettbewerbsfähigkeit aller europäischen Unternehmen, die Vorleistungen aus den USA oder China beziehen, verschlechtert sich.
- Ein gesamtwirtschaftlicher Einkommensrückgang in den USA und China bringt für die übrigen Volkswirtschaften der Welt den Nachteil mit sich, dass sie weniger in diese beiden Länder exportieren können.
Obwohl sich die protektionistischen Maßnahmen der USA und Chinas also gar nicht direkt gegen Europa richten, leiden die Volkswirtschaften auch dort unter dem bilateralen Handelskonflikt der beiden Weltmächte. Und diese Auswirkungen lassen sich bereits nachweisen.
Was die EU auch unternimmt, sie dürfte kaum in der Lage sein, die USA und China zu einer Abkehr von ihrem protektionistischen Kurs zu bewegen. Übrig bleiben ihr vor allem Maßnahmen, die die wachstumsdämpfenden Effekte des Handelsstreits abfedern. Drei Ansatzpunkte spielen hierbei eine besondere Rolle.
#1 Stärkung der Binnennachfrage
Wenn China und die USA als Abnehmer für europäische Produkte an Bedeutung verlieren, kann eine höhere heimische Nachfrage die Umsatzeinbußen der europäischen Unternehmen ausgleichen.
Auf europäischer Ebene bietet sich dafür der Ausbau des europäischen Binnenmarktes an. Während der gemeinsame Markt im Waren-Bereich bereits sehr gut funktioniert, gibt es bei Dienstleistungen und digitalen Diensten noch Nachbesserungsbedarf.
In Deutschland könnte eine Steigerung der öffentlichen Investitionen die gesamtwirtschaftliche Nachfrage stärken. Auch wenn hier heftig über das Ausmaß der Investitionslücke gestritten wird, dürfte unumstritten sein, dass es eine solche Lücke gibt. Bereiche für zukunftsorientierte Ausgaben sind – um nur einige zu nennen – neben dem Ausbau der erneuerbaren Energien der gesamte Bildungsbereich, die digitale Infrastruktur und der soziale Wohnungsbau.
#2 Intensivierung des Handels durch neue Handelsabkommen
Ein intensivierter Handel mit anderen Weltregionen kann drohende Exportrückgänge kompensieren. Idealerweise findet eine Förderung des Freihandels im Rahmen multilateraler Abkommen unter dem Dach der Welthandelsorganisation (WTO) statt.
Sollte dies nicht möglich sein, stellen regionale Freihandelsabkommen – so wie beispielsweise das am 1. Februar 2019 in Kraft getretene Abkommen zwischen der EU und Japan – eine Alternative dar. Momentan verhandelt die EU auch mit zahlreichen anderen Ländern über entsprechende Abkommen.
In jedem Fall ist sicherzustellen, dass solche Abkommen die erreichten EU-Schutzstandards für Verbraucher, Umwelt, Arbeitnehmer etc. nicht schwächen.
#3 Abbau eigener Handelsschranken
Handelsbeschränkende Maßnahmen sind kein Alleinstellungsmerkmal der USA. Auch Deutschland und die EU wenden zahlreiche handelsverzerrende Maßnahmen an. Neben Zöllen handelt es sich dabei etwa um Exportsubventionen, Kredithilfen und andere finanzielle Hilfen.
Zölle werden dabei primär im Agrarbereich eingesetzt. Betroffen sind davon vor allem Entwicklungsländer, die in besonderem Maße von landwirtschaftlichen Produkten und der Rohstoffgewinnung leben. Sie können ihre unverarbeiteten Rohstoffe zwar nahezu zollfrei in die EU exportieren, was aber nicht für veredelte Produkte, die eine höhere Wertschöpfung enthalten, gilt.
Der Abbau dieser Importzölle würde die Exportmöglichkeiten der Entwicklungsländer verbessern und könnte ihnen zu einem wirtschaftlichen Aufschwung verhelfen. Gleiches ist zu erwarten, wenn die EU ihre Subventionen für die heimische Landwirtschaft abbaut.
Letztendlich würden auch europäische Unternehmen von diesen beiden Maßnahmen profitieren: Wenn in den Schwellen- und Entwicklungsländern Beschäftigung und Einkommen zunehmen, erhöht sich dort auch die Nachfrage nach europäischen Produkten.
Ausblick
Fakt ist: Bereits jetzt trübt der bilaterale Handelskonflikt zwischen den USA und China die Konjunkturaussichten weltweit. In Deutschland lagen die Wachstumserwartungen der Bundesregierung für das Jahr 2019 im Herbst 2018 noch bei 1,8 Prozent. Mittlerweile wird nur noch ein Zuwachs des realen BIP in Höhe von 0,5 Prozent erwartet. Hauptgrund für diese Abschwächung ist – neben dem anstehenden Brexit – der US-chinesische Handelsstreit.
Eine Beruhigung des Konflikts wäre daher zwar wünschenswert, ist momentan allerdings unwahrscheinlich. Im Gegenteil: Das Ausmaß der handelsbeschränkenden Maßnahmen nimmt zu. Während zu Beginn des Konflikts im Januar 2018 nur Solarzellen und Waschmaschinen mit US-Strafzöllen belegt wurden, lag das Volumen der von US-Zöllen betroffenen chinesischen Produkten im Herbst 2018 schon bei 200 Milliarden US-Dollar. Mittlerweile werden von beiden Seiten weitere protektionistische Instrumente eingesetzt: Diese reichen von Exportbeschränkungen bei Vorleistungen, die die Empfänger nicht von anderen Anbietern beziehen können (z. B. Seltene Erden), über schwarze Listen von Unternehmen, die besonderen Kontrollen und Auflagen unterliegen, bis hin zu ersten Anzeichen eines Währungskriegs – also des Versuchs, durch eine systematische Abwertung der heimischen Währung die Exportchancen der eigenen Unternehmen zu verbessern.
Gleichzeitig werden aber die eingangs skizzierten negativen Auswirkungen auf die amerikanische Wirtschaft immer stärker sichtbar:
- Nach Berechnungen des unabhängigen Congressional Budget Office dürfte jeder private Haushalt in den USA wegen des Handelskonflikts bis 2020 rechnerisch rund 580 US-Dollar weniger Einkommen zur Verfügung haben.
- Unter den Preissteigerungen leiden vor allem einkommensschwache Haushalte, die in besonderem Maße auf preiswerte chinesische Produkte angewiesen sind.
- Infolge der chinesischen Vergeltungsmaßnahmen bricht China vielen US-Landwirten als Absatzmarkt weg. Das sorgt für Einkommensverluste. Im Mai dieses Jahres wurde daher ein Hilfsprogramm in Höhe von 16 Milliarden US-Dollar für die betroffenen Landwirte angekündigt.
Möglicherweise entsteht durch die wachsenden wirtschaftlichen Schäden für die eigene Wirtschaft die Einsicht, dass ein Handelskrieg eben doch keine gewinnbringende Strategie für die amerikanische Gesamtwirtschaft ist. Und vielleicht führt dies sogar zu einer Deeskalation seitens der US-Regierung – immerhin schaden schlechte Wirtschaftsdaten auch dem amtierenden US-Präsidenten im anstehenden Wahlkampf.
Eine ausführliche Analyse dieses Themas findet sich in dem Diskussionspapier „Die Rolle der EU in einem möglichen weltweiten Handelskrieg“.
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