Populistische Wirtschaftspolitik – ein konjunkturelles Strohfeuer mit desaströsem Ausgang
Seit einigen Jahren setzt eine wachsende Zahl von Regierungen mit populistischem Einschlag auf eine Wirtschaftspolitik, die das Wohl der einheimischen Bevölkerung auf Kosten künftiger Generationen und des Rests der Welt steigern will. Doch dieses Vorgehen kann bestenfalls kurzfristig das wirtschaftliche Wachstum steigern. Mittelfristig endet populistische Wirtschaftspolitik mit einem Abschwung, der sogar in einem kompletten Zusammenbruch der Wirtschaft enden kann.
Das Spektrum der bisherigen Erfahrungen mit einer populistischen Wirtschaftspolitik ist breit gefächert. Es reicht von lateinamerikanischen Ländern in den 1970er und 1980er Jahren wie Chile unter Salvador Allende über Hugo Chavez in Venezuela und nationalkonservativen Regierungen in osteuropäischen Staaten bis hin zur US-Regierung unter Trump. Auch wenn sich die politischen Grundausrichtungen dieser Regierungen zum Teil erheblich unterscheiden, sind die Kernelemente ihrer Wirtschaftspolitik sehr ähnlich.
Ziel einer populistischen Wirtschaftspolitik ist es, der einheimischen Bevölkerung so schnell wie möglich einen möglichst hohen Lebensstandard zu ermöglichen. Dafür werden sowohl eine hohe Staatsverschuldung als auch ein Leistungsbilanzdefizit in Kauf genommen. Letzteres bedeutet eine Verschuldung des Landes im Rest der Welt.
Die Regierung ergreift für die vermeintlich Lösung wirtschaftspolitischer Probleme einfache und schnell wirkende Maßnahmen. Mittel- und langfristige Kosten dieses Vorgehens werden ignoriert bzw. den nachfolgenden Generationen aufgebürdet. Konkrete Instrumente sind z. B.:
- Massive Steuersenkungen, die die verfügbaren Einkommen der Bürger erhöhen und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Unternehmen verbessern.
- Dauerhaft kreditfinanzierte Erhöhung der Staatsausgaben, die die Versorgung der Bürger mit staatlichen Gütern und Dienstleistungen verbessern und über höhere Sozialtransfers die Einkommen der Bürger zusätzlich steigern.
- Subventionen, die die Produktionskosten im Inland verringern und über die damit verbundenen Preissenkungen für Konsumgüter die Kaufkraft der Bürger erhöhen. Zudem sichern Subventionen kurzfristig Arbeitsplätze.
- Massive Eingriffe in das Preissystem, z. B. durch Höchstpreise, die die Verbraucher vor Preissteigerungen schützen.
Notwendige Strukturreformen – etwa in der Arbeitsmarkt- und Steuerpolitik, bei Renten oder in der öffentlichen Verwaltung – unterbleiben, um die Popularität der Regierung nicht zu gefährden. Die damit verbundene nachlassende internationale Wettbewerbsfähigkeit wird durch Einfuhrbeschränkungen, Subventionen und Höchstpreise kompensiert.
Kommunikativ wird diese Politik flankiert durch eine simple Aufteilung der wirtschaftlichen Akteure: Auf der einen Seite steht die einheimische Bevölkerung, deren Wohlstand und Arbeitsplätze durch die Selbstsucht der Eliten und die Konkurrenz aus dem Ausland bedroht sind. Auf der anderen Seite gibt es eine kleine Gruppe von Profiteuren. Sie besteht aus einheimischen Eliten in Politik und Wirtschaft und ausländischen Konzernen.
Folgen einer populistischen Wirtschaftspolitik
Die bisher am besten dokumentierten Erfahrungen mit einer derartigen Wirtschaftspolitik beziehen sich auf lateinamerikanische Länder wie Peru, Chile, Brasilien, Argentinien, Mexiko und Nicaragua in den 1970er- und 1980er Jahren. Rüdiger Dornbusch und Sebastian Edwards identifizierten einen typischen Verlauf der wirtschaftlichen Entwicklung als Ergebnis einer populistischen Wirtschaftspolitik:
Zunächst werden Steuersenkungen und höhere Staatsausgabenerhöhungen durchgesetzt. Beides kurbelt kurzfristig das Wirtschaftswachstum und die Beschäftigung an. Gleichzeitig aber steigt die Staatsverschuldung. Die hohe Güternachfrage kann von den einheimischen Unternehmen nicht bedient werden. Fehlende Güter müssen aus dem Ausland importiert werden. Hieraus resultiert ein Handelsbilanzdefizit, das mit einer Verschuldung im Ausland einhergeht. Das Handelsbilanzdefizit bewirkt zudem eine Abwertung der Landeswährung.
Die hohe kreditfinanzierte Binnennachfrage führt zu einem Anstieg der Preise. Die Abwertung der heimischen Währung verteuert die Importe und treibt die Inflationsrate weiter nach oben. Die Inflationssteigerung bewirkt höhere Lohnsteigerungen und löst eine Lohn-Preis-Spirale aus. Staatliche Subventionen und Preiseingriffe mildern die Kaufkraftverluste der wachsenden Inflation zunächst noch ab. Das Staatsdefizit und die Verschuldung im Ausland wachsen. Um die Importe zu verringern, werden protektionistische Maßnahmen ergriffen.
Die Anstrengungen zur Eindämmung von Inflation und Abwertung haben jedoch keinen nachhaltigen Erfolg. Handelsbilanzdefizit, Auslands- und Staatsverschuldung nehmen zu. Die nominalen Lohnsteigerungen können die Inflationsraten nicht mehr kompensieren, die Arbeitnehmer erleiden Kaufkraftverluste. Inflation und Abwertung bewirken eine Kapitalflucht, die zu einem Investitionsrückgang führt. Produktion, Beschäftigung und Bruttoinlandsprodukt schrumpfen. Devisenmangel und nachlassende Kreditwürdigkeit schränken die Importmöglichkeiten ein. Es kommt zu Versorgungsengpässen der Bevölkerung.
Letztendlich lassen sich die negativen wirtschaftlichen Entwicklungen – Hyperinflation, Abwertung, Kapitalflucht, wachsende Verschuldung – nicht mehr aufhalten. Es kommt zu einem massiven Wirtschaftseinbruch mit Massenarbeitslosigkeit. Die politische Folge ist die Abwahl bzw. der Sturz der Regierung. Um die Wirtschaftsaktivitäten nun wieder in Gang zu bringen, sind finanzielle Unterstützungen aus dem Ausland notwendig, häufig vom Internationalen Währungsfonds.
Populistische Wirtschaftspolitik – das Beispiel Türkei
Wie eingangs erwähnt, gibt es aktuell eine Reihe von Regierungen, die diese Form der Wirtschaftspolitik betreiben. Besonders weit vorangeschritten sind die damit verbundenen negativen Effekte in der Türkei. Dort ergriff die Regierung nach einem schwächeren Konjunkturverlauf im Jahr 2016 eine Reihe von Maßnahmen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Dazu gehören unter anderem Steuersenkungen, kreditfinanzierte staatliche Investitionen, subventionierte Mindestlöhne und die niedrigen Zinsen der Zentralbank. Die Konsequenzen dieser Politik folgen dem skizzierten lehrbuchmäßigen Verlauf: Das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) wuchs 2017 um rund 7 Prozent nach lediglich 3,2 Prozent im Jahr 2016. Der Preis für diesen Konjunkturaufschwung ist jedoch beträchtlich: Die traditionell hohe Inflationsrate stieg von 7,8 im Jahr 2016 auf 11 Prozent im Folgejahr. Das türkische Leistungsbilanzdefizit erhöhte sich 2017 um rund 2 Prozentpunkte (von 3,8 Prozent des BIP auf 5,5 Prozent). Damit vergrößerte sich die Auslandverschuldung der Türkei.
Mittlerweile haben sich die negativen Entwicklungen gegenseitig erheblich verstärkt: die beschleunigte Inflation und der starke Wertverlust der türkischen Lira führen im Zusammenspielt mit der hohen Unsicherheit über den zukünftigen politischen Kurs zu einer Verunsicherung der Investoren. Die Folge sind eine Kapitalflucht und eine weitere Abwertung der türkischen Währung. Diese Abwertung und die nach wie vor hohe Güternachfrage treiben die Inflationsrate weiter in die Höhe, was wiederum die Abwertung beschleunigt. Der wirtschaftliche Teufelskreis setzt sich fort. Da notwendige Strukturreformen unterbleiben, steigen die Zweifel der internationalen Kapitalgeber an der Bonität der türkischen Volkswirtschaft. Folglich wird es immer schwieriger, die Schulden von Staat und privaten Wirtschaftsakteuren zu refinanzieren.
Noch ist es nach Ansicht des DIW Berlin möglich, einen Wirtschaftszusammenbruch zu verhindern. Notwendig dafür ist eine Abkehr vom bisherigen wirtschaftspolitischen Kurs. Ohne diese Kehrtwende dürften die internationalen Kapitalgeber früher oder später nicht mehr bereit sein, die Türkei mit frischem Kapital zu versorgen. Die Folge wären weitere Investitionsrückgänge und möglicherweise sogar ein Staatsbankrott. Letzterer ließ sich bereits 2001 nur durch Kredite des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank abwenden.
Und was ist mit Trump?
Auch die Politik von Donald Trump enthält Elemente einer populistischen Wirtschaftspolitik, allen voran Steigerung der Staatsausgaben, Steuersenkungen und eine Beschränkung von Importen. Kurzfristig bewirkt der finanzpolitisch ausgelöste Wachstumsimpuls einen Anstieg von Produktion und Beschäftigung in den USA, deren Wirtschaft momentan boomt und stärker wächst als in Europa. Irgendwann stoßen die Verschuldungsmöglichkeiten der Regierung jedoch an Grenzen. Die dann notwendigen Steuererhöhungen und Staatsausgabensenkungen verringern die Güternachfrage. Damit kommt es zu einer Abschwächung der Produktion und Beschäftigung, die in eine Rezession umschlagen kann. Ein Staatsbankrott droht den USA dennoch vorerst nicht, weil das Land eine sehr hohe Bonität hat.
Die Gefahr einer Hyperinflation besteht ebenfalls nicht. In den erwähnten lateinamerikanischen Ländern wurde die Inflation durch die Abwertung der eigenen Währungen massiv beschleunigt: Wenn die internationalen Kapitalanleger das Vertrauen in die Währung eines Landes verlieren, trennen sie sich von dieser Währung. Die USA verfügen jedoch über die momentan einzige Weltwährung. Der Rest der Welt benötigt also stets große Mengen des US-Dollars, was eine massive Abwertung der amerikanischen Währung verhindert.
Für die Weltwirtschaft ist der wirtschaftspolitische Kurs der USA dennoch gefährlich. Wenn ein ökonomisches Schwergewicht wie die USA protektionistische Maßnahmen ergreift, kann dies zu Vergeltungsmaßnahmen anderer Länder führen. Die Folge wäre ein globaler Handelskrieg, der die Weltwirtschaft rasch in eine Rezession stürzen könnte.
Eine populistische Wirtschaftspolitik ist also keine vernünftige, langfristig tragfähige Antwort auf wirtschaftliche Probleme, die sich im Zuge von voranschreitender Globalisierung, Strukturwandel und technologischem Fortschritt ergeben. Wesentlich zielführender ist eine „Globalisierung mit Sicherheitsgurt“ , die die Menschen besser vor möglichen Arbeitsplatz- und Einkommensverlusten schützt.
Hat Ihnen unser Beitrag gefallen? Dann spenden Sie doch einfach und bequem über unser Spendentool. Sie unterstützen damit die publizistische Arbeit von LibMod.
Wir sind als gemeinnützig anerkannt, entsprechend sind Spenden steuerlich absetzbar. Für eine Spendenbescheinigung (nötig bei einem Betrag über 200 EUR), senden Sie Ihre Adressdaten bitte an finanzen@libmod.de
Verwandte Themen
Newsletter bestellen
Mit dem LibMod-Newsletter erhalten Sie regelmäßig Neuigkeiten zu unseren Themen in Ihr Postfach.