Wie politische Freiheit und wirtschaft­licher Wohlstand zusammenhängen

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Der Index „Economic Freedom of the World“ des kanadi­schen Fraser Institute betont eine wichtige Grundlage der wirtschaft­lichen Prospe­rität: Freiheit. Doch die Methodik ist veraltet und teilweise irreführend. Die Wirklichkeit ist komplizierter. 

Alle Jahre wieder feiert das kanadische Fraser Institute die wirtschaft­liche Freiheit. Dazu dient ihm die jeweilige Neuauflage des Rankings „Economic Freedom of the World“ (Fraser Institute 2018b). Das Institut berechnet dieses Ranking für 162 Länder in Zusam­men­arbeit mit zahlreichen Einrich­tungen aus aller Welt. In Deutschland ist das Liberale Institut der „Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit“ mit von der Partie. In typisch liber­tärer Diktion definiert das kanadische Institut, dass Individuen dann über wirtschaft­liche Freiheit verfügen, wenn ihr „Eigentum, das sie erwerben, ohne dabei Gewalt, Betrug oder Diebstahl anzuwenden, vor physi­schen Übergriffen anderer geschützt ist, und wenn sie darin frei sind, ihr Eigentum so lange zu nutzen, zu tauschen oder zu verschenken, wie ihr Handeln nicht dieselben Rechte anderer Menschen verletzt. Wirtschaft­liche Freiheit besteht dann, wenn freiwil­liger Tausch, Wettbewerb, persön­liche Wahlfreiheit sowie der Schutz von Personen und ihrem Eigentum vorherr­schen.“ (Fraser Institute 2018a, S. 13) Um diese ökono­mi­schen Aspekte der Freiheit messbar zu machen, konzen­trieren sich die Wissen­schaftler des Fraser Instituts auf fünf Kategorien:

  • Umfang des Staats­sektors (Ratio: in dem Maße, wie Staats­aus­gaben, Steuern und staat­liches Unter­neh­mertum wachsen, verdrängt die kollektive Entscheidung die indivi­duelle Wahl und die ökono­mische Freiheit nimmt ab
  • Rechts­staat­lichkeit und Schutz der Eigentumsrechte
  • Stabiles Geld (Ratio: Inflation erodiert den Wert von Löhnen und Erspar­nissen. Wenn die Inflation nicht nur hoch, sondern auch noch volatil ist, erschwert sie den Wirtschafts­sub­jekten die Planung, was deren ökono­mische Freiheit verkürzt)
  • Inter­na­tionale Handels­freiheit (Ratio: Die Offenheit eines Landes gibt den privaten Akteuren Zugang zu größeren Märkten und Zugriff auf mehr Ressourcen)
  • Dichte der Regulierung (Übermäßig restriktive Regeln für die Wirtschaft lähmen die private Initiative)

Wie schon seit 1980 führt Hongkong das Ranking an, Singapur landet auf Platz zwei. Es folgen Neuseeland, die Schweiz, Irland, die Verei­nigten Staaten, Georgien, Mauritius, Großbri­tannien, Australien und Kanada. Deutschland landet auf Rang 20, Frank­reich auf Rang 57, Russland auf Rang 87. Ganz am Ende der Liste stehen Argen­tinien, Libyen und Venezuela. Diese Ergeb­nisse setzt das Institut dann in Relation zur jewei­ligen Wirtschafts­kraft und stellt fest, dass hier eine deutliche Korre­lation besteht: Das Durch­schnitts­ein­kommen zum Beispiel ist in den wirtschaftlich freiesten Ländern deutlich höher als in den ökono­misch weniger freien Ländern. Dass privat­wirt­schaft­liche Initiative am meisten erbringt, wo sie den größten Spielraum hat und die vom Staat gesetzten und durch­ge­setzten Regeln am verläss­lichsten sind, ist erst einmal wenig überra­schend. Doch ähnliche Korre­la­tionen lassen sich nach Angaben des Instituts auch in Bezug auf das Ausmaß der indivi­du­ellen und der politi­schen Freiheit aufstellen, in Bezug auf die Lebens­er­wartung, die Überle­bens­aus­sichten von Klein­kindern, den Erfolg der Armuts­be­kämpfung, die Gleich­stellung von Frauen und die allge­meine Lebenszufriedenheit. 

Portrait von Karen Horn

Karen Horn ist Dozentin für ökono­mische Ideen­ge­schichte und Wirtschafts­jour­na­lismus an der Univer­sität Erfurt.

Korre­la­tionen sind keine Kausalitäten

Man hört diese Botschaft gern. Doch die metho­dische Sorglo­sigkeit, mit der das Institut sie aufstellt, rückt sie in die Nähe von Propa­ganda. Korre­la­tionen sind nun einmal keine Kausa­li­täten: Wo etwas parallel auftritt, zum Beispiel ein Mehr an wirtschaft­licher Freiheit und eine höhere Lebens­er­wartung, ist nicht gesagt, dass das eine das andere bedingt. Genauso wenig ist gesagt, dass etwas, dass notwendig erscheint, auch schon hinrei­chend ist. Empirische Wirtschafts­wis­sen­schaftler haben freilich längst Techniken entwi­ckelt, wie man in „natür­lichen Experi­menten“ halbwegs exakte Kausa­li­täten heraus­prä­pa­rieren kann. Kurz gesagt: Man braucht dafür zu einer gegebenen Situation immer einen Vergleichs­maßstab, der nur in einem einzigen Merkmal diffe­riert. Dass sich das Fraser Institute diese Mühe nicht macht, aber trotzdem frohgemut einen kausalen Zusam­menhang postu­liert, ist unsolide. Erst ganz am Ende seines einfüh­renden Kapitels erklärt das Institut lauwarm, man wolle ja gar nicht notwendig argumen­tieren, dass es tatsächlich eine direkte kausale Beziehung zwischen der wirtschaft­lichen Freiheit und den anderen Variablen gebe; darüber müsse genauere wissen­schaft­liche Forschung in Zukunft für Aufklärung sorgen. Aber irgendein Zusam­menhang bestehe wohl doch.

Für den Zusam­menhang zwischen ökono­mi­scher Freiheit und wirtschaft­lichem Wachstum, der im diesjäh­rigen Bericht des Fraser Institute anders als im Vorjahr nicht gesondert aufge­führt ist, gibt es sogar schon einiges an belast­barem Forschungs­ma­terial (vgl. für einen Überblick Berggren 2003). Eine exzel­lente Studie stammt von Dawson (2003), der mit Hilfe einer spezi­ellen Technik, der “Granger causality tests”, festge­stellt hat, dass die allge­meine wirtschaft­liche Freiheit zwar wohl tatsächlich Wachstum hervor­bringt, dass Verän­de­rungen im Freiheitsgrad jedoch mit dem Wirtschafts­wachstum parallel bestimmt sind, sodass sich hierfür keine Kausa­lität nachweisen lässt. Was die einzelnen Kompo­nenten der wirtschaft­lichen Freiheit angeht, erweisen sich der Markt­zugang und die Sicherheit der Eigen­tums­rechte als entscheidend, schlicht weil sie Inves­ti­tionen erleichtern. Mit Blick auf den Umfang des Staats­sektors, der dem Fraser Institute zufolge eine der fünf wesent­lichen Kategorien der wirtschaft­lichen Freiheit darstellt, kehrt sich die Kausa­lität freilich um: Ein großer Staats­sektor ist ein Ergebnis des wirtschaft­lichen Wachstums, nicht dessen Verhin­derer. Auch die Stabi­lität des Geldes bietet keine gute Erklärung, weil sie gemeinsam mit dem Wachstum bestimmt wird (Dawson 2003, S. 493–94). Wachs­tums­schwäche ergibt sich vor allem aus dem Fehlen von Rechts­staat­lichkeit, einem ungenü­genden Schutz privaten Eigentums und übermä­ßigen Eingriffen in die Märkte.

Etwas weiteres, überaus Bedeu­tendes stellt Dawson fest: Der wirtschaft­lichen Freiheit, ebenso wie der meisten ihrer Kompo­nenten, gehen die indivi­duelle und die politische Freiheit voraus. Das bedeutet, dass es beispiels­weise die Kinder­sterb­lichkeit nicht schon senkt, wenn man die Eigen­tums­rechte besser schützt, wie Alexander Hammond auf CapX nahegelegt hat. Das mag eine notwendige Bedingung sein, aber es ist nicht hinrei­chend. Um die Kinder­sterb­lichkeit zu verringern, indem man die Wirtschaft durch einen besseren Schutz der Eigen­tums­rechte in Schwung bringt, bedarf es zunächst einmal einer dazu befähi­genden politi­schen Freiheit. Dieser wichtige Aspekt freilich bleibt im Ranking des Fraser Institute ebenso unter­be­lichtet wie in einem Teil der gegen­wär­tigen liberalen Debatte, in der eine so oberfläch­liche wie überzogene Demokra­tie­kritik die allge­meine Wertschätzung der politi­schen Freiheit zu unter­mi­nieren droht. Dabei ist bekannt, dass Länder, die regel­mäßig freie und faire Wahlen abhalten, syste­ma­tisch eher dazu neigen, indivi­duelle Freiheits­rechte zu schützen – und damit auch die ökono­mi­schen Freiheiten, die das Leben nicht nur in wirtschaft­licher Hinsicht besser machen.

 

Berggren, Niclas (2003), The benefits of economic freedom, Independent Review 8(2), pp. 193–211.

Dawson, John W. (2003), Causality in the freedom – growth relati­onship, European Journal of Political Economy 19, pp. 479–95.

Fraser Institute (2017): Economic Freedom of the World 2017, Vancouver, available at https://www.fraserinstitute.org/sites/default/files/economic-freedom-of-the-world-2017.pdf

Fraser Institute (2018a): Human Freedom Index 2017, Vancouver, verfügbar unter https://www.fraserinstitute.org/sites/default/files/human-freedom-index-2017-web.pdf

Fraser Institute (2018b): Economic Freedom of the World 2018, Vancouver, verfügbar unter https://www.fraserinstitute.org/sites/default/files/economic-freedom-of-the-world-2018.pdf

Hammond, Alexander (2018): Good news! The world is getting freer, faster, CapX, verfügbar unter https://capx.co/good-news-the-world-is-getting-freer-faster/

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