United we stand
Trotz Trumps Abkehr vom Pariser Klimaabkommen: Lösungen für die Klimakrise finden wir nicht im Alleingang. Ein Plädoyer für eine transatlantische Agenda der Nachhaltigkeit.
Die USA haben angekündigt, zum Jahr 2020 aus dem Pariser Klimaabkommen auszutreten. Damit wären sie weltweit das einzige Land, das dem Abkommen nicht angehört. Aber können wir bei einer globalen Politik der Nachhaltigkeit auf die USA verzichten? Hat sich die US-Regierung endgültig von einer Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik verabschiedet? Mit ihrem eigenwilligen Präsidenten, der auf der internationalen Bühne die Disruption zum Mittel der Wahl erhoben hat, scheint sie als Partner für Lösungen auszufallen.
Die Nachhaltigkeitsagenda der Vereinten Nationen (VN) ist als SDG 2010 (Sustainable Development Goals) definiert. In einer Reihe von Gipfeln und Konferenzen ist sie entwickelt, differenziert und bekräftigt worden. An Zielen mangelt es nicht. Im Pariser Klimaabkommen von 2015 haben wir uns versprochen, dem Klimawandel wirksam zu begegnen und seine Folgen zu begrenzen. Doch die Realität spricht noch immer eine andere Sprache. Nach Paris ist vor Paris.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat beim 10. Petersberger Klimadialog für die Bundesregierung das Ziel der CO2-Neutralität bis 2050 formuliert. Bei der Europawahl scheint zudem gerade in Deutschland die Frage nach einer effektiveren Umweltpolitik eine große Rolle gespielt zu haben. Wenn es also richtig ist – und das ist es! –, dass man große Ziele nur mit Allianzen und Verbündeten erreichen kann, wo können wir dann die Verbündeten finden, die wir brauchen, um die ehrgeizigen globalen Ziele zu erreichen?
Bestellt ist eine Komplettsanierung
Es herrscht große Ungeduld. Während die Temperatur steigt, demonstrieren Franzosen in gelben Westen und Jugendliche an Freitagen. Die Ungeduld hat sich auch bei der Europawahl gezeigt: Etliche Regierungen sind in Sorge, dass die Klimapolitik die Gesellschaft spalten könnte. Zuletzt verglich die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer die Debatte über Klimapolitik sogar mit der Flüchtlingskrise von 2015: „Wenn man sich die Wahlergebnisse der Europawahl nach Ost und West anschaut, nach Grünen und AfD, dann sieht man, dass wir auf dem besten Wege dazu sind, dass die Klimafrage eine neue Spaltfrage in unserer Gesellschaft wird“, sagte sie.
Bestellt ist eine Komplettsanierung mit dem Ziel Nachhaltigkeit. Gleichzeitig steht außer Frage, dass es demokratisch, rechtsstaatlich und inklusiv zugehen soll. Freiheit und Wohlstand sollen erhalten und gemehrt werden. Der Klimaschutz soll mit Wachstum, einer lebendigen Industrielandschaft, dem sozialen Ausgleich und der Überwindung gesellschaftlicher Spaltungen einhergehen. Das heißt, dass Maßnahmen mit globaler Wirkung lokal umgesetzt werden müssen. Industrieländer können hierbei Vorbilder sein. Aber auch Vorbilder können scheitern: Sie können an der Realität der Machbarkeit ihr abruptes und teures Ende finden.
Welche Verbündeten gibt es also, mit denen man das Ziel angehen kann, ein Vorbild zu sein? Wenn es um die Werte und Interessen einer nachhaltigen Wirtschaft und Gesellschaft geht, ist die Liste der Wahlverwandschaften übersichtlich.
Die größten Talente wollen noch immer in die USA
Die USA bleiben unverzichtbar. Die Innovationswelle, ausgelöst von Unternehmen wie Apple, Facebook und Google, hat ihren Ursprung am kalifornischen Pazifik. Die amerikanische Westküste ist der Treiber für Innovation und Lifestyle. Das ist und wird auf dem Weg zur Nachhaltigkeit nicht anders sein. Nur Gesellschaften ohne Denkverbote entfalten globale Anziehungskraft. Die größten Talente wollen noch immer in die USA. E‑Mobilität, Green Finance, Künstliche Intelligenz: Wo würde man nach zukunftstauglichen Ideen für diese Themen suchen, wenn nicht (auch) im US-Kosmos aus Wirtschaft, Politik, Gesellschaft, Wissenschaft, Kunst und einem freiheitlichen Lebensentwurf.
Unternehmen sind aus marktwirtschaftlichen Interessen heraus kraftvolle Treiber nachhaltiger Zukunftstechnologien. Von amerikanischem Enthusiasmus und Optimismus kann man (fast) nicht genug haben. Die entscheidenden Impulse für eine nachhaltige Welt werden deshalb aus den freiheitlichen, kreativen und innovativen Gesellschaften kommen. Die Chancen der staatskapitalistischen Systeme werden regelmäßig überschätzt. Die Geschichte kennt viele Beispiele dafür, dass Demokratien langfristig erfolgreicher sind. Diktaturen und autokratische Systeme scheitern letztlich an ihrer wirtschaftlichen Zwangsjacke, in der sie ohne friedlich legitimierten Wandel ersticken. China scheint zwar auf den ersten Blick wirtschaftliche Prosperität und politischen Autoritarismus zu vereinen, aber wo der Weg hinführt, ist im anlaufenden systemischen Wettlauf offen.
Die Agenda der Nachhaltigkeit ist in der praktischen Umsetzung zu einem überwiegenden Teil eine deutsch-amerikanische. Es besteht allerdings die Gefahr, dass wir sie verschlafen und die Chancen ungenutzt lassen. Inklusion gilt auch bei der Suche nach Lösungen: Sie werden nicht gegen die Wirtschaft, gegen die Bevölkerung oder gegen die USA gefunden. Das gilt insbesondere für die nächste Phase einer digital und sozial inklusiven Globalisierung. Es gibt Anzeichen dafür, dass die US-Regierung eine weitere Isolierung in den Bereichen Umwelt und Nachhaltigkeit vermeiden möchte. Es lohnt sich, in allen internationalen Prozessen, etwa G7 und G20, hartnäckig an einer engen Einbindung der USA zu arbeiten.
Die EU und das transatlantische Verhältnis bleiben unser Fundament, auch für unsere Zukunftsagenda. Es liegt im Interesse einer export- und sicherheitsabhängigen Mittelmacht wie Deutschland, alle Anstrengungen für gemeinsame Lösungen zu unternehmen. Für die Agenda der Nachhaltigkeit gilt dasselbe Motto wie für das transatlantische Verhältnis: United we stand, divided we fall.
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