Der Tanz um den Goldenen Trump – CPAC
Die US-Konservativen begingen ihre Art Pendant zum „Politischen Aschermittwoch“ – das CPAC. Dies war die erste Möglichkeit seit der verlorenen Präsidentschaftswahl, die Bewegung neu auszurichten. Sie wurde zugunsten eines bizarren Tanzes um den buchstäblichen „Goldenen Trump“ vergeben, analysiert Richard Volkmann.
In Deutschland waren Amerikas Konservative der „Grand Old Party“, („GOP“) nie besonders beliebt. Sie galten als Kriegstreiber und Fortschrittsverhinderer, als kulturell und politisch rückständig. In Bevölkerung wie Medien gleichermaßen unbeliebt, wurden Politiker von John McCain über Mitt Romney bis hin zum Gottseibeiuns George W. Bush zu Hassfiguren der deutschen Öffentlichkeit. All das wirkt vor dem Hintergrund der vergangenen fünf Jahre heute seltsam, und selbst eingefleischte Linke von Hamburg bis München dürften sich heute die Konservativen von „Yesteryear“ zurückwünschen. Wie bitter nötig das Pulver wäre, das etwa 2012 gegen einen glücklosen Mitt Romney verschossen wurde, zeigte erneut die jährliche CPAC-Konferenz, die am vergangenen Wochenende in Orlando, Florida, stattfand.
Blick auf die Parteiseele
Als Gradmesser der Parteiseele und „ordentliches Barometer für den Status des freudschen ‚Es‘ “ innerhalb der GOP, wie eine Reporterin der Washington Post es ausdrückte, hat auch CPAC den intellektuellen Abwärtstrend der vergangenen Jahre treulich mitvollzogen. Gewiss war die „Conservatice Political Action Conference“ als jährlich abgehaltenes Strategietreffen von allen, die sich als irgendwie rechts der Mitte verstehen, noch nie eine akademische Veranstaltung, sondern vielmehr eine im besten Sinne amerikanische Mischung aus politischer Kaffeefahrt, konservativer DLD, TED-Talk, bierseligem Stammtisch und etwas zu aufgekratztem CDU-Parteitag.
Die positive Zukunftsdynamik, die alle diese Events auszeichnet, sucht man bei CPAC jedoch inzwischen vergeblich.
Da die Konferenz trotz eindeutiger Parteibindung nicht direkt von den Republikanern, sondern der unabhängigen „American Conservative Union Foundation (ACUF)“ organisiert wird, ist schon die Liste der Eingeladenen meist ein zuverlässiges Verdikt über den Hot-or-Not-Status einzelner Parteigrößen innerhalb der Republikanischen Partei und des weiteren konservativen Establishments. Wer bei CPAC wann wo sprechen darf, ist eine Aussage, und wo CPAC steht, dort steht entweder auch die Partei – oder aber sie bewegt sich dorthin. Or else.
Zeit für eine Autopsie
In einem normalen Universum wäre im Jahr 2021 für CPAC ungefähr abzusehen gewesen, in welche Richtung die Reise hätte gehen müssen. Jede Partei, die nach dem Repräsentantenhaus auch die Präsidentschaft und, besonders schmerzlich, den Senat aus der Hand gegeben hat, müsste normalerweise die strategische Neuausrichtung in Angriff nehmen, die nötig ist, um Wahlen in Zukunft wieder zu gewinnen.
Welche Wahlniederlage?
Das aber sind Gedanken aus Prä-Trump-Zeiten, und Wahlanalysen sind selbstverständlich überflüssig, wenn verlorene Wahlen nach herrschendem Dogma eigentlich gewonnen wurden. Von Introspektion war beim CPAC daher auch nichts zu spüren, im Gegenteil: Die gesamte Konferenz war eine einzige dröhnende Absage an jeden Versuch, die GOP aus der Wüstenwanderung des Trumpismus wieder herauszuführen. Geboten wurde politischer Ausdruckstanz aus den Bereichen Geschichtsrevisionismus und Realitätsverlust, angereichert mit einer Wagenladung Selbstmitleid.
Kulturkampf statt politischer Auseinandersetzung
Intensives gegenseitiges Schulterklopfen und Loblieder auf Trump bestimmten das Programm des Wochenendes mit dem vollkommen ernst gemeinten Titel „America Uncanceled“. (Wobei im Vorfeld der Konferenz der als Sprecher gesetzte Rapper Young Pharaoh wegen antisemitischer Äußerungen ausgeladen – also „gecancelled“ wurde.) Nur wenige Wochen nach einem gewaltsamen Angriff auf die Legislative der USA zeichneten Redner aller trumpistischen Couleur das Bild eines Landes, das angesichts linker Gewalt und #BlackLivesMatter am Abgrund anarchistischer Gewalt stehe und dem eine linke Kabale aus Big Tech und ignorant-böswilligen Mainstream-Medien („MSM“) täglich mehr Knebel anlegte. Angesichts solcher Gefahren verblassten Betriebsunfälle wie der gewaltsame Sturm aufs Capitol naturgemäß, und praktisch alle Reden des Wochenendes, Donald Trumps eigene voran, hätten samt und sonders auch vor einem halben oder Dreivierteljahr gehalten worden sein können – außer, dass von der „Stolen Election“ nun in der Vergangenheit statt der Zukunft gesprochen wurde, wie der anti-trumpistische GOP-Ausscherer und Impeachment-Unterstützer Adam Kinzinger im Nachgang der Konferenz im Bulwark-Podcast erklärte.
Kinzinger bezog seine Informationen dabei aus zweiter Hand, denn als vom Glauben Abgefallener war er zum diesmaligen CPAC selbstverständlich nicht eingeladen worden, dafür wurde er von Trump beim öffentlichen Verlesen seiner Feindesliste erwähnt. Auch Mitt Romney und Mitch McConnell waren beim CPAC nicht erwünscht, obwohl McConnell seinen Zickzackkurs gegenüber Trump kurz vor der Konferenz noch mit der bemerkenswerten Aussage fortgesetzt hatte, er würde den Ex-Präsidenten als Kandidaten der Partei für 2024 selbstverständlich unterstützen.
Elitäre Elitenverachtung
Während wichtige Senatoren somit ausgeladen blieben und andere Parteigrößen wie Marco Rubio oder Mike Pence entweder kurzfristig absagten oder erst gar nicht kommen wollten – ein anonymer Trump-Vertrauter prophezeite in der Presse, Pence wäre höchstens ausgebuht worden – schob die anwesende Aktivistenblase auf ihrem Treck ins intellektuelle und elektorale Niemandsland die Wagenburg noch enger zusammen. Das war nicht ohne unfreiwillige Komik, etwa als der Senator und Revolutionsdarsteller Josh Hawley vor hunderten begeisterter Zuhörer erklärte, er würde sich von der „radikalen Linken, ihren Verbündeten in der Wirtschaft und den liberal media“ (Josh Hawley) nicht „canceln“ lassen. Auch Matt Gaetz, seit Jahren besonders eifriger Speichellecker von Trump und ohne Berührungsängste innerhalb der eigenen Bewegung, beklagte bitterlich, er sei „in einigen Ecken des Internets ein gecancelter Mann“ und, schlimmer noch, „persona non grata („banned man“) in New Jersey“, wo der demokratische Gouverneur vor Kurzem schnippisch bemerkt hatte, er wolle ihn in seinem Staat nicht mehr sehen. Ron de Santis, Gouverneur von Florida und damit Gastgeber des Happenings, channelte Trump dagegen direkt mit einer Mischung aus geheuchelter (er selbst studierte in Yale und Harvard) Elitenverachtung und autoritärer Kampfrhetorik: „Wir können den ganzen Tag herumsitzen und akademische Debatten über konservative Politik führen, klar. Aber die Frage ist: Wenn die Scheinwerfer angehen und die Linke auf uns losgeht – bleiben wir dann stark oder geben wir klein bei?“ Und Ted Cruz, der sich am Versuch eines Witzes über seine Skandalreise nach Mexiko verhob („Ich muss sagen, Orlando ist super; nicht so schön wie Cancún, aber doch sehr schön!“), gab gleich zu Beginn die Linie der Selbstverzwergung vor: „Donald J. Trump ain’t going anywhere!“
Exodus 32, 1–4, anybody?
Wütende Selbstviktimisierung war überhaupt ein Leitmotiv der Konferenz, die sich selbstverständlich auch in ihrer Gegnerschaft zum Maskentragen gefiel und über ihrer kleingeistigen Wehleidigkeit insgesamt schnell den Blick fürs große Ganze verlor. Andernfalls wäre womöglich jemandem aufgefallen, dass die große, goldene Trump-Statue, der die CPAC-Besucher bestenfalls halbironisch huldigen durften, nicht das beste Bild war für eine Partei, die sich ungeachtet aller Realitäten noch immer viel auf ihre christlichen Werte zugutehält.
Eine Messe Trump-Sekte
Politisch dürfte vom CPAC 2021 lediglich die Erkenntnis bleiben, dass die trumpfizierte GOP sich in eine politische und personelle Sackgasse manövriert hat. Trumps fortgesetzter Einfluss dürfte die Partei im 48-Prozent-Ghetto einmauern, aus dem auch er nie auszubrechen vermochte, und die Nachfolgekandidaten sind paradoxerweise gezwungen, sich selbst ins Knie zu schießen, um überhaupt im Rennen zu bleiben. Just diejenigen Redner, die beim CPAC mit besonders loyalistischen Performances auffielen, sind nicht zufällig auch die ambitioniertesten Kandidaten für 2024: Kristi Noem, Ted Cruz, Tom Cotton und Josh Hawley pokern jedoch hoch, wenn sie darauf hoffen, die nach einem möglichen Rückzug von Gottkönig Trump freigewordene Populistenschiene besetzen zu können. Dazu haben sie selbst beigetragen, und die Ergebnisse der traditionellen Umfrage unter den Teilnehmern zur Präferenz über den nächsten Präsidentschaftskandidaten verstärken diesen Eindruck: 55 Prozent der Konferenzbesucher stimmten für Donald Trump, Ron de Santis folgte abgeschlagen mit 21 Prozent. 68 Prozent erklärten in einer anderen Frage gar ausdrücklich, Trump solle der Kandidat werden. Gewiss kann man, wie manche Beobachter, aus diesen Zahlen Anzeichen einer Distanzierung herauslesen, zuverlässiger als Kaffeesatz, Handlinien oder getrocknete Hühnerfüße ist dieses Orakel jedoch nicht. CPAC 2021 war vor allem eins: Eine Messe der Trump-Sekte. Alles andere ist Beiwerk.
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