Der Tanz um den Goldenen Trump – CPAC

Foto: Sam Thomas / Imago Images
Foto: Sam Thomas /​ Imago Images

Die US-Konser­va­tiven begingen ihre Art Pendant zum „Politi­schen Ascher­mittwoch“ – das CPAC. Dies war die erste Möglichkeit seit der verlo­renen Präsi­dent­schaftswahl, die Bewegung neu auszu­richten. Sie wurde zugunsten eines bizarren Tanzes um den buchstäb­lichen „Goldenen Trump“ vergeben, analy­siert Richard Volkmann.

In Deutschland waren Amerikas Konser­vative der „Grand Old Party“, („GOP“) nie besonders beliebt. Sie galten als Kriegs­treiber und Fortschritts­ver­hin­derer, als kulturell und politisch rückständig. In Bevöl­kerung wie Medien gleicher­maßen unbeliebt, wurden Politiker von John McCain über Mitt Romney bis hin zum Gottsei­beiuns George W. Bush zu Hassfi­guren der deutschen Öffent­lichkeit. All das wirkt vor dem Hinter­grund der vergan­genen fünf Jahre heute seltsam, und selbst einge­fleischte Linke von Hamburg bis München dürften sich heute die Konser­va­tiven von „Yesteryear“ zurück­wün­schen. Wie bitter nötig das Pulver wäre, das etwa 2012 gegen einen glück­losen Mitt Romney verschossen wurde, zeigte erneut die jährliche CPAC-Konferenz, die am vergan­genen Wochenende in Orlando, Florida, stattfand.

Blick auf die Parteiseele

Als Gradmesser der Partei­seele und „ordent­liches Barometer für den Status des freud­schen ‚Es‘ “ innerhalb der GOP, wie eine Repor­terin der Washington Post es ausdrückte, hat auch CPAC den intel­lek­tu­ellen Abwärts­trend der vergan­genen Jahre treulich mitvoll­zogen. Gewiss war die „Conser­vatice Political Action Confe­rence“ als jährlich abgehal­tenes Strate­gie­treffen von allen, die sich als irgendwie rechts der Mitte verstehen, noch nie eine akade­mische Veran­staltung, sondern vielmehr eine im besten Sinne ameri­ka­nische Mischung aus politi­scher Kaffee­fahrt, konser­va­tiver DLD, TED-Talk, bierse­ligem Stamm­tisch und etwas zu aufge­kratztem CDU-Parteitag.

Die positive Zukunfts­dy­namik, die alle diese Events auszeichnet, sucht man bei CPAC jedoch inzwi­schen vergeblich. 

Da die Konferenz trotz eindeu­tiger Partei­b­indung nicht direkt von den Republi­kanern, sondern der unabhän­gigen „American Conser­vative Union Foundation (ACUF)“ organi­siert wird, ist schon die Liste der Einge­la­denen meist ein zuver­läs­siges Verdikt über den Hot-or-Not-Status einzelner Partei­größen innerhalb der Republi­ka­ni­schen Partei und des weiteren konser­va­tiven Estab­lish­ments. Wer bei CPAC wann wo sprechen darf, ist eine Aussage, und wo CPAC steht, dort steht entweder auch die Partei – oder aber sie bewegt sich dorthin. Or else.

Zeit für eine Autopsie

In einem normalen Universum wäre im Jahr 2021 für CPAC ungefähr abzusehen gewesen, in welche Richtung die Reise hätte gehen müssen. Jede Partei, die nach dem Reprä­sen­tan­tenhaus auch die Präsi­dent­schaft und, besonders schmerzlich, den Senat aus der Hand gegeben hat, müsste norma­ler­weise die strate­gische Neuaus­richtung in Angriff nehmen, die nötig ist, um Wahlen in Zukunft wieder zu gewinnen.

Welche Wahlnie­derlage?

Das aber sind Gedanken aus Prä-Trump-Zeiten, und Wahlana­lysen sind selbst­ver­ständlich überflüssig, wenn verlorene Wahlen nach herrschendem Dogma eigentlich gewonnen wurden. Von Intro­spektion war beim CPAC daher auch nichts zu spüren, im Gegenteil: Die gesamte Konferenz war eine einzige dröhnende Absage an jeden Versuch, die GOP aus der Wüsten­wan­derung des Trumpismus wieder heraus­zu­führen. Geboten wurde politi­scher Ausdruckstanz aus den Bereichen Geschichts­re­vi­sio­nismus und Reali­täts­verlust, angerei­chert mit einer Wagen­ladung Selbstmitleid.

Kultur­kampf statt politi­scher Auseinandersetzung

Inten­sives gegen­sei­tiges Schul­ter­klopfen und Loblieder auf Trump bestimmten das Programm des Wochen­endes mit dem vollkommen ernst gemeinten Titel „America Uncan­celed“. (Wobei im Vorfeld der Konferenz der als Sprecher gesetzte Rapper Young Pharaoh wegen antise­mi­ti­scher Äußerungen ausge­laden – also „gecan­celled“ wurde.) Nur wenige Wochen nach einem gewalt­samen Angriff auf die Legis­lative der USA zeich­neten Redner aller trumpis­ti­schen Couleur das Bild eines Landes, das angesichts linker Gewalt und #Black­Li­ve­s­Matter am Abgrund anarchis­ti­scher Gewalt stehe und dem eine linke Kabale aus Big Tech und ignorant-böswil­ligen Mainstream-Medien („MSM“) täglich mehr Knebel anlegte. Angesichts solcher Gefahren verblassten Betriebs­un­fälle wie der gewaltsame Sturm aufs Capitol natur­gemäß, und praktisch alle Reden des Wochen­endes, Donald Trumps eigene voran, hätten samt und sonders auch vor einem halben oder Dreivier­teljahr gehalten worden sein können – außer, dass von der „Stolen Election“ nun in der Vergan­genheit statt der Zukunft gesprochen wurde, wie der anti-trumpis­tische GOP-Ausscherer und Impeachment-Unter­stützer Adam Kinzinger im Nachgang der Konferenz im Bulwark-Podcast erklärte.
Kinzinger bezog seine Infor­ma­tionen dabei aus zweiter Hand, denn als vom Glauben Abgefal­lener war er zum diesma­ligen CPAC selbst­ver­ständlich nicht einge­laden worden, dafür wurde er von Trump beim öffent­lichen Verlesen seiner Feindes­liste erwähnt. Auch Mitt Romney und Mitch McConnell waren beim CPAC nicht erwünscht, obwohl McConnell seinen Zickzackkurs gegenüber Trump kurz vor der Konferenz noch mit der bemer­kens­werten Aussage fortge­setzt hatte, er würde den Ex-Präsi­denten als Kandi­daten der Partei für 2024 selbst­ver­ständlich unterstützen.

Elitäre Eliten­ver­achtung

Während wichtige Senatoren somit ausge­laden blieben und andere Partei­größen wie Marco Rubio oder Mike Pence entweder kurzfristig absagten oder erst gar nicht kommen wollten – ein anonymer Trump-Vertrauter prophe­zeite in der Presse, Pence wäre höchstens ausgebuht worden – schob die anwesende Aktivis­ten­blase auf ihrem Treck ins intel­lek­tuelle und elektorale Niemandsland die Wagenburg noch enger zusammen. Das war nicht ohne unfrei­willige Komik, etwa als der Senator und Revolu­ti­ons­dar­steller Josh Hawley vor hunderten begeis­terter Zuhörer erklärte, er würde sich von der „radikalen Linken, ihren Verbün­deten in der Wirtschaft und den liberal media“ (Josh Hawley) nicht „canceln“ lassen. Auch Matt Gaetz, seit Jahren besonders eifriger Speichel­lecker von Trump und ohne Berüh­rungs­ängste innerhalb der eigenen Bewegung, beklagte bitterlich, er sei „in einigen Ecken des Internets ein gecan­celter Mann“ und, schlimmer noch, „persona non grata („banned man“) in New Jersey“, wo der demokra­tische Gouverneur vor Kurzem schnip­pisch bemerkt hatte, er wolle ihn in seinem Staat nicht mehr sehen. Ron de Santis, Gouverneur von Florida und damit Gastgeber des Happe­nings, channelte Trump dagegen direkt mit einer Mischung aus geheu­chelter (er selbst studierte in Yale und Harvard) Eliten­ver­achtung und autori­tärer Kampf­rhe­torik: „Wir können den ganzen Tag herum­sitzen und akade­mische Debatten über konser­vative Politik führen, klar. Aber die Frage ist: Wenn die Schein­werfer angehen und die Linke auf uns losgeht – bleiben wir dann stark oder geben wir klein bei?“ Und Ted Cruz, der sich am Versuch eines Witzes über seine Skandal­reise nach Mexiko verhob („Ich muss sagen, Orlando ist super; nicht so schön wie Cancún, aber doch sehr schön!“), gab gleich zu Beginn die Linie der Selbst­ver­zwergung vor: „Donald J. Trump ain’t going anywhere!“

Exodus 32, 1–4, anybody?

Wütende Selbst­vik­ti­mi­sierung war überhaupt ein Leitmotiv der Konferenz, die sich selbst­ver­ständlich auch in ihrer Gegner­schaft zum Masken­tragen gefiel und über ihrer klein­geis­tigen Wehlei­digkeit insgesamt schnell den Blick fürs große Ganze verlor. Andern­falls wäre womöglich jemandem aufge­fallen, dass die große, goldene Trump-Statue, der die CPAC-Besucher besten­falls halbi­ro­nisch huldigen durften, nicht das beste Bild war für eine Partei, die sich ungeachtet aller Reali­täten noch immer viel auf ihre christ­lichen Werte zugutehält.

Eine Messe Trump-Sekte

Politisch dürfte vom CPAC 2021 lediglich die Erkenntnis bleiben, dass die trump­fi­zierte GOP sich in eine politische und perso­nelle Sackgasse manövriert hat. Trumps fortge­setzter Einfluss dürfte die Partei im 48-Prozent-Ghetto einmauern, aus dem auch er nie auszu­brechen vermochte, und die Nachfol­ge­kan­di­daten sind parado­xer­weise gezwungen, sich selbst ins Knie zu schießen, um überhaupt im Rennen zu bleiben. Just dieje­nigen Redner, die beim CPAC mit besonders loyalis­ti­schen Perfor­mances auffielen, sind nicht zufällig auch die ambitio­nier­testen Kandi­daten für 2024: Kristi Noem, Ted Cruz, Tom Cotton und Josh Hawley pokern jedoch hoch, wenn sie darauf hoffen, die nach einem möglichen Rückzug von Gottkönig Trump freige­wordene Populis­ten­schiene besetzen zu können. Dazu haben sie selbst beigetragen, und die Ergeb­nisse der tradi­tio­nellen Umfrage unter den Teilnehmern zur Präferenz über den nächsten Präsi­dent­schafts­kan­di­daten verstärken diesen Eindruck: 55 Prozent der Konfe­renz­be­sucher stimmten für Donald Trump, Ron de Santis folgte abgeschlagen mit 21 Prozent. 68 Prozent erklärten in einer anderen Frage gar ausdrücklich, Trump solle der Kandidat werden. Gewiss kann man, wie manche Beobachter, aus diesen Zahlen Anzeichen einer Distan­zierung heraus­lesen, zuver­läs­siger als Kaffeesatz, Handlinien oder getrocknete Hühnerfüße ist dieses Orakel jedoch nicht. CPAC 2021 war vor allem eins: Eine Messe der Trump-Sekte. Alles andere ist Beiwerk.

Textende

Hat Ihnen unser Beitrag gefallen? Dann spenden Sie doch einfach und bequem über unser Spendentool. Sie unter­stützen damit die publi­zis­tische Arbeit von LibMod.

Spenden mit Bankeinzug

Spenden mit PayPal


Wir sind als gemein­nützig anerkannt, entspre­chend sind Spenden steuerlich absetzbar. Für eine Spenden­be­schei­nigung (nötig bei einem Betrag über 200 EUR), senden Sie Ihre Adress­daten bitte an finanzen@libmod.de

Verwandte Themen

Newsletter bestellen

Mit dem LibMod-Newsletter erhalten Sie regel­mäßig Neuig­keiten zu unseren Themen in Ihr Postfach.

Mit unseren Daten­schutz­be­stim­mungen
erklären Sie sich einverstanden.