Klima­schutz: Chancen und Grenzen eines CO2-Preises

Grafik: Shutter­stock, DesignRage

Es steht außer Frage, dass der Klima­schutz möglichst schnell energisch forciert werden muss, um der Erder­wärmung entge­gen­zu­wirken. Doch welche Instru­mente sind die richtigen? Darüber wird nicht nur in Deutschland intensiv disku­tiert. Keine Einigkeit besteht etwa bei der Frage, ob Preise oder Verbote einzu­setzen sind. Dabei sollten markt­wirt­schaft­liche und staat­liche bzw. ordnungs­po­li­tische Instru­mente nicht als gegen­sätz­liche, sondern als sich ergän­zende Instru­mente angesehen werden. Schließlich hat das markt­wirt­schaft­liche Instrument eines Preises für Emissionen den Vorteil der Effizienz – jedoch ist es ohne weitere flankie­rende staat­liche Maßnahmen nicht in der Lage, das Ziel der CO2-Neutra­lität zu erreichen.

Im Idealfall entspricht ein staatlich erhobener CO2-Preis den gesamt­wirt­schaft­lichen Zusatz­kosten, die der Ausstoß einer Tonne CO2 verur­sacht und die nicht in den Markt­preisen enthalten sind. Diese Bepreisung kann in zwei Formen erfolgen: entweder als CO2-Steuer oder als Emissi­ons­zer­ti­fikate, die für den CO2-Ausstoß gekauft werden müssen. CO2 bzw. Kohlen­dioxid steht dabei als Synonym für alle vom Menschen verur­sachten klima­schäd­lichen Treibhausgase.

Wie die Verbraucher auf eine Einbindung der Zusatz­kosten in die zu zahlenden Preise reagieren, ist leicht absehbar: Sie fragen teurer gewordene emissi­ons­haltige Produkte weniger stark nach. Unter­nehmen können im Normalfall nur einen Teil des staat­lichen Emissi­ons­preises auf die Käufer überwälzen – ihr Netto­erlös je Produkt­einheit sinkt und daher reduzieren sie ihr Angebot. Gehen nachge­fragte und angebotene Menge eines CO2-haltigen Produkts zurück, sinkt die herge­stellte Produkt­menge – und damit auch das Emissionsvolumen.

Gleich­zeitig forciert ein höherer CO2-Preis mittel­fristig den emissi­ons­re­du­zie­renden techno­lo­gi­schen Fortschritt. Verbraucher fragen verstärkt emissi­ons­ärmere Produkte nach, also z. B. energie­ef­fi­zi­entere Fahrzeuge und Elektro­geräte, Unter­nehmen passen sich an das geänderte Nachfra­ge­ver­halten an. Zudem setzen sie verstärkt emissi­ons­ärmere Produk­ti­ons­tech­no­logien ein, um so ihre Ausgaben für Treib­haus­gas­emis­sionen zu verringern.

Greifen diese Prozesse optimal inein­ander, gelingt eine Entkop­pelung: Eine größere Menge Waren und Dienst­leis­tungen lässt sich mit weniger CO2-Emissionen herstellen.

Vorteil­haf­tigkeit des Marktmechanismus

Ein zentraler Vorteil des Klima­schutzes durch CO2-Preise besteht darin, dass die Emissi­ons­ein­spa­rungen dort erfolgen, wo die Emissi­ons­ver­mei­dungs­kosten am geringsten sind. Ein Beispiel macht dies deutlich: Angenommen, ein Land begrenzt seine jährlichen Emissionen durch den Einsatz von Zerti­fi­katen, für die sich ein Preis von 50 Euro pro Tonne CO2 einpendelt. Unter­nehmen, bei denen die Vermeidung einer Tonne CO2 durch eine neue Techno­logie 40 Euro pro Jahr kostet, entscheiden sich für Inves­ti­tionen in diese Techno­logie. Unter­nehmen, die hingegen 60 Euro für eine entspre­chende Emissi­ons­re­duktion aufwenden müssten, verzichten auf die emissi­ons­re­du­zie­rende Techno­logie und zahlen statt­dessen 50 Euro für den Erwerb eines Zerti­fikats, das ihnen den Ausstoß von einer Tonne CO2 erlaubt. Die angestrebte CO2-Reduktion erreicht das Land, da das Emissi­ons­vo­lumen durch die Menge der Zerti­fikate begrenzt ist.

Die Emissi­ons­ver­meidung erfolgt dort, wo der Verzicht auf eine Tonne CO2 die geringsten Kosten verur­sacht. Das bedeutet auch: Mit einem gegebenen Einsatz von produk­tiven Ressourcen – Arbeit, Maschinen, Rohstoffe etc. – wird die größt­mög­liche Emissi­ons­re­du­zierung erreicht. So lassen sich mit einem Ressour­cen­einsatz im Wert von 120.000 Euro in den erstge­nannten Beispiel­un­ter­nehmen Emissionen in Höhe von 3.000 Tonnen einsparen. Würden diese Mittel hingegen in den anderen Beispiel­un­ter­nehmen zum Einsatz kommen, ließen sich nur 2.000 Tonnen CO2 vermeiden.

Ordnungs­po­li­tische Maßnahmen, also z. B. Gebote und Auflagen, sind dagegen ineffi­zient, wenn sie Emissi­ons­ein­spa­rungen auch dort vorschreiben, wo die ökono­mi­schen Vermei­dungs­kosten gar nicht am geringsten sind. Effizient können sie nur sein, wenn der Staat die Emissi­ons­ver­mei­dungs­kosten aller Emittenten kennt und die Vorgaben so wählt, dass die Reduzierung der Emissionen bei den Unter­nehmen mit den geringsten Emissi­ons­ver­mei­dungs­kosten erfolgt. Aller­dings liegen dem Staat diese Infor­ma­tionen nicht vor.

Das bedeutet jedoch nicht, dass sich der Beitrag des Staates zur Emissi­ons­ver­meidung auf die Bepreisung der Emissionen beschränken sollte.

Grenzen des Marktmechanismus

In einer ideal­ty­pi­schen Welt würde das skizzierte Zusam­men­spiel von Verbrau­chern und Unter-nehmen den emissi­ons­spa­renden techno­lo­gi­schen Fortschritt ohne weitere staat­liche Eingriffe erreichen. In der Realität gelingt dies jedoch nicht, weil es zu einem Markt­ver­sagen kommt. Daher sind mindestens drei Arten einer staat­lichen Flankierung von CO2-Preisen notwendig.

#1 Innova­ti­ons­po­li­tische Flankierung

Ein Bereich, in dem der Markt nicht alleine für den erwünschten techno­lo­gi­schen Fortschritte sorgt, sind grund­le­gende Basis­tech­no­logien. Sie wirken sich positiv auf viele Wirtschafts­sek­toren aus und verändern dort Produkte und Produk­ti­ons­ver­fahren. Beispiele sind die Raumfahrt, die Atomkraft und alter­native Energie­formen. Aller­dings sind private Unter­nehmen in der Regel nicht zu Inves­ti­tionen in diese Techno­logien bereit, zu groß sind die Unsicher­heiten bezüglich des wirtschaft­lichen Erfolgs. Zudem ist die Zeitspanne bis zur Markt­reife zu lang.

Netzwerk­ef­fekte sind ein weiterer Grund dafür, dass staat­liche Inter­ven­tionen im Bereich der emissi­ons­är­meren Techno­logien notwendig sind. So setzt beispiels­weise die verstärkte Nutzung von Elektro­fahr­zeugen ein leistungs­fä­higes Netz von Ladesäulen voraus, das private Unter­nehmen nicht automa­tisch bereit­stellen. Genauso wird für den flächen­de­ckenden Einsatz von Wasser­stoff ein Wasser­stoff­lei­tungsnetz benötigt.

Des Weiteren stellen Infra­struk­tur­an­lagen mit einer langen Restle­bens­dauer ein Problem dar. Selbst wenn es emissi­ons­ärmere neue Techno­logien gibt, ist es häufig betriebs­wirt­schaftlich sinnvoll, noch viele Jahre an der emissi­ons­in­ten­si­veren Infra­struktur festzu­halten. Dies ist durchaus verständlich, denn nur so fließt das für die Inves­tition verwendete Kapital über Abschrei­bungen wieder in das Unter­nehmen zurück. Unter­bleibt hier eine staat­liche Flankierung, unter­bleibt auch der gesamt­ge­sell­schaftlich erwünschte Umstieg auf die neue Technologie.

Um eine Emissi­ons­be­preisung innova­ti­ons­po­li­tisch flankieren zu können, stehen dem Staat zahlreiche Instru­mente zur Verfügung. Zu den wichtigsten gehören die Förderung der Grund­la­gen­for­schung, Subven­tionen, öffent­liche Inves­ti­tionen, langfristige staat­liche Abnah­me­ga­rantien zur Erhöhung der unter­neh­me­ri­schen Planungs­si­cherheit und eine vertikale Industriepolitik.

Außerdem sind staat­liche Maßnahmen erfor­derlich, um die Wanderung von Arbeits­kräften aus emissi­ons­in­ten­siven Branchen in klima­freund­liche Bereiche zu unter­stützen. Das betrifft das gesamte Bildungs­wesen – von den Schulen über die Hochschulen bis hin zum Weiter­bil­dungs­wesen – sowie die Arbeitsmarktpolitik.

#2 Sozial­po­li­tische Flankierung

Da durch eine höhere CO2-Bepreisung auch soziale Härten entstehen, ist neben einer innova­ti­ons­po­li­ti­schen Flankierung auch eine sozial­po­li­tische Flankierung durch staat­liche Maßnahmen notwendig, um diese abzumildern.

Die sozialen Härten ergeben sich z. B. bei einkom­mens­schwachen Haushalten, die einen über-durch­schnittlich hohen Anteil ihres Einkommens für emissi­ons­in­tensive Güter ausgeben – vor allem für das Heizen ihrer Wohnung und für Mobilität. Deshalb kann die Erhöhung des CO2-Preises über Kaufkraft­ver­luste zu einer steigenden Armut und sozialen Spannungen führen.

Zu denken ist auch an Arbeits­platz­ver­luste in emissi­ons­in­ten­siven Branchen. Für die betrof­fenen Beschäf­tigten bedeutet dies Einkom­mens­ver­luste, die ihre Konsum­mög­lich­keiten einschränken.

Wie für eine innova­ti­ons­po­li­tische bieten sich auch für eine sozial­po­li­tische Flankierung zahlreiche wirtschafts­po­li­tische Instru­mente an: Pauschal­t­ransfers für alle Bürger und ggf. auch für Unter­nehmen, bedarfs­ori­en­tierte Trans­fer­zah­lungen (z. B. für Pendler:innen in ländlichen Regionen) oder eine Reduzierung von anderen Steuern, Abgaben und Sozial­ver­si­che­rungs­bei­trägen, um nur einige zu nennen.

#3 Außen­wirt­schaft­liche Flankierung

Schließlich braucht ein CO2-Preis eine außen­wirt­schaft­liche Flankierung, weil es ansonsten zu einem Carbon Leakage kommt. Das bedeutet, dass emissi­ons­haltige Aktivi­täten aus dem Land mit einem CO2-Preis in Länder mit einer weniger strengen Klima­po­litik verlagert werden.

Mit dieser Verla­gerung werden Emissi­ons­ein­spa­rungen in dem Land mit dem CO2-Preis durch höhere Emissionen in anderen Ländern zunich­te­ge­macht. Und nicht nur das: Wenn im Ausland mit umwelt­schäd­li­cheren Techno­logien gearbeitet wird als im Inland und die dort produ­zierten Waren zu-dem mit emissi­ons­ver­ur­sa­chenden Trans­port­mitteln wieder ins Inland gebracht werden, kann sich das globale Emissi­ons­vo­lumen per saldo sogar noch erhöhen.

Um diesen Entwick­lungen entge­gen­zu­wirken, kann der Staat zusätzlich zum CO2-Preis einen CO2-Zoll einführen. Er belegt impor­tierte Produkte entspre­chend ihrem CO2-Gehalt mit einem Importzoll, dessen Höhe dem inlän­di­schen CO2-Preis entspricht. Damit haben inlän­dische Unter­nehmen auf dem eigenen Markt die gleichen Wettbe­werbs­be­din­gungen wie Unter­nehmen aus Ländern, in denen die Regierung keine Emissi­ons­preise erhebt. Um auch noch auf den Export­märkten gleiche Wettbe­werbs­be­din­gungen zu sichern, müssten die Exporte von dem inlän­di­schen CO2-Preis freige­stellt werden.

Fazit

Um die für den Klima­schutz dringend notwen­digen Emissi­ons­re­du­zie­rungen zu erreichen, wird ein ausge­wo­gener Mix von markt­wirt­schaft­lichen und staat­lichen Maßnahmen benötigt. Ein ausschließ­liches Vertrauen auf die Wirksamkeit einer CO2-Bepreisung – getreu dem Motto „Der Markt wird es schon richten“ – ist ebenso wenig angebracht wie eine Ablehnung markt­wirt­schaft­licher Instru­mente, weil ihr Wirken als bloßer Ablass­handel betrachtet wird.

CO2-Preise sorgen dafür, dass Emissi­ons­re­duk­tionen dort erfolgen, wo sie zu den geringsten Kosten erreicht werden können. Zusätz­liche staat­liche Maßnahmen in den Bereichen der Sozial- und Wirtschafts­po­litik sowie der Innova­tions- und Außen­wirt­schafts­po­litik sind notwendige flankie­rende Maßnahmen.

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