Klimaschutz: Chancen und Grenzen eines CO2-Preises
Es steht außer Frage, dass der Klimaschutz möglichst schnell energisch forciert werden muss, um der Erderwärmung entgegenzuwirken. Doch welche Instrumente sind die richtigen? Darüber wird nicht nur in Deutschland intensiv diskutiert. Keine Einigkeit besteht etwa bei der Frage, ob Preise oder Verbote einzusetzen sind. Dabei sollten marktwirtschaftliche und staatliche bzw. ordnungspolitische Instrumente nicht als gegensätzliche, sondern als sich ergänzende Instrumente angesehen werden. Schließlich hat das marktwirtschaftliche Instrument eines Preises für Emissionen den Vorteil der Effizienz – jedoch ist es ohne weitere flankierende staatliche Maßnahmen nicht in der Lage, das Ziel der CO2-Neutralität zu erreichen.
Im Idealfall entspricht ein staatlich erhobener CO2-Preis den gesamtwirtschaftlichen Zusatzkosten, die der Ausstoß einer Tonne CO2 verursacht und die nicht in den Marktpreisen enthalten sind. Diese Bepreisung kann in zwei Formen erfolgen: entweder als CO2-Steuer oder als Emissionszertifikate, die für den CO2-Ausstoß gekauft werden müssen. CO2 bzw. Kohlendioxid steht dabei als Synonym für alle vom Menschen verursachten klimaschädlichen Treibhausgase.
Wie die Verbraucher auf eine Einbindung der Zusatzkosten in die zu zahlenden Preise reagieren, ist leicht absehbar: Sie fragen teurer gewordene emissionshaltige Produkte weniger stark nach. Unternehmen können im Normalfall nur einen Teil des staatlichen Emissionspreises auf die Käufer überwälzen – ihr Nettoerlös je Produkteinheit sinkt und daher reduzieren sie ihr Angebot. Gehen nachgefragte und angebotene Menge eines CO2-haltigen Produkts zurück, sinkt die hergestellte Produktmenge – und damit auch das Emissionsvolumen.
Gleichzeitig forciert ein höherer CO2-Preis mittelfristig den emissionsreduzierenden technologischen Fortschritt. Verbraucher fragen verstärkt emissionsärmere Produkte nach, also z. B. energieeffizientere Fahrzeuge und Elektrogeräte, Unternehmen passen sich an das geänderte Nachfrageverhalten an. Zudem setzen sie verstärkt emissionsärmere Produktionstechnologien ein, um so ihre Ausgaben für Treibhausgasemissionen zu verringern.
Greifen diese Prozesse optimal ineinander, gelingt eine Entkoppelung: Eine größere Menge Waren und Dienstleistungen lässt sich mit weniger CO2-Emissionen herstellen.
Vorteilhaftigkeit des Marktmechanismus
Ein zentraler Vorteil des Klimaschutzes durch CO2-Preise besteht darin, dass die Emissionseinsparungen dort erfolgen, wo die Emissionsvermeidungskosten am geringsten sind. Ein Beispiel macht dies deutlich: Angenommen, ein Land begrenzt seine jährlichen Emissionen durch den Einsatz von Zertifikaten, für die sich ein Preis von 50 Euro pro Tonne CO2 einpendelt. Unternehmen, bei denen die Vermeidung einer Tonne CO2 durch eine neue Technologie 40 Euro pro Jahr kostet, entscheiden sich für Investitionen in diese Technologie. Unternehmen, die hingegen 60 Euro für eine entsprechende Emissionsreduktion aufwenden müssten, verzichten auf die emissionsreduzierende Technologie und zahlen stattdessen 50 Euro für den Erwerb eines Zertifikats, das ihnen den Ausstoß von einer Tonne CO2 erlaubt. Die angestrebte CO2-Reduktion erreicht das Land, da das Emissionsvolumen durch die Menge der Zertifikate begrenzt ist.
Die Emissionsvermeidung erfolgt dort, wo der Verzicht auf eine Tonne CO2 die geringsten Kosten verursacht. Das bedeutet auch: Mit einem gegebenen Einsatz von produktiven Ressourcen – Arbeit, Maschinen, Rohstoffe etc. – wird die größtmögliche Emissionsreduzierung erreicht. So lassen sich mit einem Ressourceneinsatz im Wert von 120.000 Euro in den erstgenannten Beispielunternehmen Emissionen in Höhe von 3.000 Tonnen einsparen. Würden diese Mittel hingegen in den anderen Beispielunternehmen zum Einsatz kommen, ließen sich nur 2.000 Tonnen CO2 vermeiden.
Ordnungspolitische Maßnahmen, also z. B. Gebote und Auflagen, sind dagegen ineffizient, wenn sie Emissionseinsparungen auch dort vorschreiben, wo die ökonomischen Vermeidungskosten gar nicht am geringsten sind. Effizient können sie nur sein, wenn der Staat die Emissionsvermeidungskosten aller Emittenten kennt und die Vorgaben so wählt, dass die Reduzierung der Emissionen bei den Unternehmen mit den geringsten Emissionsvermeidungskosten erfolgt. Allerdings liegen dem Staat diese Informationen nicht vor.
Das bedeutet jedoch nicht, dass sich der Beitrag des Staates zur Emissionsvermeidung auf die Bepreisung der Emissionen beschränken sollte.
Grenzen des Marktmechanismus
In einer idealtypischen Welt würde das skizzierte Zusammenspiel von Verbrauchern und Unter-nehmen den emissionssparenden technologischen Fortschritt ohne weitere staatliche Eingriffe erreichen. In der Realität gelingt dies jedoch nicht, weil es zu einem Marktversagen kommt. Daher sind mindestens drei Arten einer staatlichen Flankierung von CO2-Preisen notwendig.
#1 Innovationspolitische Flankierung
Ein Bereich, in dem der Markt nicht alleine für den erwünschten technologischen Fortschritte sorgt, sind grundlegende Basistechnologien. Sie wirken sich positiv auf viele Wirtschaftssektoren aus und verändern dort Produkte und Produktionsverfahren. Beispiele sind die Raumfahrt, die Atomkraft und alternative Energieformen. Allerdings sind private Unternehmen in der Regel nicht zu Investitionen in diese Technologien bereit, zu groß sind die Unsicherheiten bezüglich des wirtschaftlichen Erfolgs. Zudem ist die Zeitspanne bis zur Marktreife zu lang.
Netzwerkeffekte sind ein weiterer Grund dafür, dass staatliche Interventionen im Bereich der emissionsärmeren Technologien notwendig sind. So setzt beispielsweise die verstärkte Nutzung von Elektrofahrzeugen ein leistungsfähiges Netz von Ladesäulen voraus, das private Unternehmen nicht automatisch bereitstellen. Genauso wird für den flächendeckenden Einsatz von Wasserstoff ein Wasserstoffleitungsnetz benötigt.
Des Weiteren stellen Infrastrukturanlagen mit einer langen Restlebensdauer ein Problem dar. Selbst wenn es emissionsärmere neue Technologien gibt, ist es häufig betriebswirtschaftlich sinnvoll, noch viele Jahre an der emissionsintensiveren Infrastruktur festzuhalten. Dies ist durchaus verständlich, denn nur so fließt das für die Investition verwendete Kapital über Abschreibungen wieder in das Unternehmen zurück. Unterbleibt hier eine staatliche Flankierung, unterbleibt auch der gesamtgesellschaftlich erwünschte Umstieg auf die neue Technologie.
Um eine Emissionsbepreisung innovationspolitisch flankieren zu können, stehen dem Staat zahlreiche Instrumente zur Verfügung. Zu den wichtigsten gehören die Förderung der Grundlagenforschung, Subventionen, öffentliche Investitionen, langfristige staatliche Abnahmegarantien zur Erhöhung der unternehmerischen Planungssicherheit und eine vertikale Industriepolitik.
Außerdem sind staatliche Maßnahmen erforderlich, um die Wanderung von Arbeitskräften aus emissionsintensiven Branchen in klimafreundliche Bereiche zu unterstützen. Das betrifft das gesamte Bildungswesen – von den Schulen über die Hochschulen bis hin zum Weiterbildungswesen – sowie die Arbeitsmarktpolitik.
#2 Sozialpolitische Flankierung
Da durch eine höhere CO2-Bepreisung auch soziale Härten entstehen, ist neben einer innovationspolitischen Flankierung auch eine sozialpolitische Flankierung durch staatliche Maßnahmen notwendig, um diese abzumildern.
Die sozialen Härten ergeben sich z. B. bei einkommensschwachen Haushalten, die einen über-durchschnittlich hohen Anteil ihres Einkommens für emissionsintensive Güter ausgeben – vor allem für das Heizen ihrer Wohnung und für Mobilität. Deshalb kann die Erhöhung des CO2-Preises über Kaufkraftverluste zu einer steigenden Armut und sozialen Spannungen führen.
Zu denken ist auch an Arbeitsplatzverluste in emissionsintensiven Branchen. Für die betroffenen Beschäftigten bedeutet dies Einkommensverluste, die ihre Konsummöglichkeiten einschränken.
Wie für eine innovationspolitische bieten sich auch für eine sozialpolitische Flankierung zahlreiche wirtschaftspolitische Instrumente an: Pauschaltransfers für alle Bürger und ggf. auch für Unternehmen, bedarfsorientierte Transferzahlungen (z. B. für Pendler:innen in ländlichen Regionen) oder eine Reduzierung von anderen Steuern, Abgaben und Sozialversicherungsbeiträgen, um nur einige zu nennen.
#3 Außenwirtschaftliche Flankierung
Schließlich braucht ein CO2-Preis eine außenwirtschaftliche Flankierung, weil es ansonsten zu einem Carbon Leakage kommt. Das bedeutet, dass emissionshaltige Aktivitäten aus dem Land mit einem CO2-Preis in Länder mit einer weniger strengen Klimapolitik verlagert werden.
Mit dieser Verlagerung werden Emissionseinsparungen in dem Land mit dem CO2-Preis durch höhere Emissionen in anderen Ländern zunichtegemacht. Und nicht nur das: Wenn im Ausland mit umweltschädlicheren Technologien gearbeitet wird als im Inland und die dort produzierten Waren zu-dem mit emissionsverursachenden Transportmitteln wieder ins Inland gebracht werden, kann sich das globale Emissionsvolumen per saldo sogar noch erhöhen.
Um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken, kann der Staat zusätzlich zum CO2-Preis einen CO2-Zoll einführen. Er belegt importierte Produkte entsprechend ihrem CO2-Gehalt mit einem Importzoll, dessen Höhe dem inländischen CO2-Preis entspricht. Damit haben inländische Unternehmen auf dem eigenen Markt die gleichen Wettbewerbsbedingungen wie Unternehmen aus Ländern, in denen die Regierung keine Emissionspreise erhebt. Um auch noch auf den Exportmärkten gleiche Wettbewerbsbedingungen zu sichern, müssten die Exporte von dem inländischen CO2-Preis freigestellt werden.
Fazit
Um die für den Klimaschutz dringend notwendigen Emissionsreduzierungen zu erreichen, wird ein ausgewogener Mix von marktwirtschaftlichen und staatlichen Maßnahmen benötigt. Ein ausschließliches Vertrauen auf die Wirksamkeit einer CO2-Bepreisung – getreu dem Motto „Der Markt wird es schon richten“ – ist ebenso wenig angebracht wie eine Ablehnung marktwirtschaftlicher Instrumente, weil ihr Wirken als bloßer Ablasshandel betrachtet wird.
CO2-Preise sorgen dafür, dass Emissionsreduktionen dort erfolgen, wo sie zu den geringsten Kosten erreicht werden können. Zusätzliche staatliche Maßnahmen in den Bereichen der Sozial- und Wirtschaftspolitik sowie der Innovations- und Außenwirtschaftspolitik sind notwendige flankierende Maßnahmen.
Hat Ihnen unser Beitrag gefallen? Dann spenden Sie doch einfach und bequem über unser Spendentool. Sie unterstützen damit die publizistische Arbeit von LibMod.
Spenden mit Bankeinzug
Spenden mit PayPal
Wir sind als gemeinnützig anerkannt, entsprechend sind Spenden steuerlich absetzbar. Für eine Spendenbescheinigung (nötig bei einem Betrag über 200 EUR), senden Sie Ihre Adressdaten bitte an finanzen@libmod.de
Verwandte Themen
Newsletter bestellen
Mit dem LibMod-Newsletter erhalten Sie regelmäßig Neuigkeiten zu unseren Themen in Ihr Postfach.