Zurück zur Breschnew-Doktrin

Ein Kommentar von Ralf Fücks zu Putins jüngstem geschichts­po­li­ti­schem Manifest, das der Kreml in Engli­scher Sprache veröf­fent­licht hat.

Wer die Vergan­gen­heit kontrol­liert, kontrol­liert die Zukunft: Wie bei Stalin dient die offi­zi­elle Geschichts­schrei­bung auch heute zur Begrün­dung impe­rialer Macht­po­litik. Putins geschichts­po­li­ti­scher Exkurs zur Einheit von Russen und Ukrainern steht ganz in groß­rus­sisch-impe­rialer Tradition. Wenn die Ukrainer unbedingt eine Nation sein wollen, bitte sehr – aber nur im Verbund mit dem russi­schen Mutterland.

In Putins Narrativ war das russische Reich ein große Völker­fa­milie, geeint durch Sprache, Kultur & Ortho­doxie. Eroberer und Unter­drü­cker waren nur die anderen. Auch die Landnahme nach dem Hitler-Stalin-Pakt war nur eine Rückkehr histo­ri­scher Besitztümer. 

Inter­es­sant ist seine Klage, dass die Bolsche­wiki mit ihrer Natio­na­li­tä­ten­po­litik die Axt an die Einheit des Imperiums legten. Der Zerfall der Sowjet­union seit 1990 ist ihm kein Akt der Befreiung, sondern eine histo­ri­sche Kata­strophe. Putin klagt die abge­fal­lenen Repu­bliken des Natio­na­lismus an (geschürt vom bösen Westen) – dass der Kreml in Georgien und der Ukraine gewalt­samen Sepa­ra­tismus ins Werk gesetzt hat, fällt ebenso unter den Tisch wie der russische Natio­na­lismus als Kitt seines Regimes. Putins geschichts­po­li­ti­sche Doktrin bedient den russi­schen post-impe­rialen Phantomschmerz. 

Er ist voller Verach­tung für die heutige Ukraine. Sein Artikel ist eine kalte Drohung: Die Ukraine gehört in den russi­schen Orbit. Sie hat nicht die Freiheit, ihre Bündnisse zu wählen. Das ist die Rückkehr der Breschnew-Doktrin in neuem Gewand. Das russische Außen­mi­nis­te­rium bringt seine Botschaft auf den Punkt: „Ukrainer und Russen sind ein Volk, eine Einheit.“

Die Ukrainer werden das nicht akzep­tieren. Putin hat selbst dafür gesorgt, dass sie ihre Unab­hän­gig­keit in Abgren­zung von Russland suchen müssen. Man kann nur hoffen, dass der Westen sie nicht im Stich lässt. Ein Zurück zu Yalta, zur Auftei­lung Europas in getrennte Einfluss­sphären, ist inak­zep­tabel. Die gleiche Souve­rä­nität aller Staaten und der Verzicht auf Gewalt als Mittel der Politik sind Ecksteine der euro­päi­schen Frie­dens­ord­nung – ebenso wie die Achtung der Menschen­rechte. Sie müssen auch Maßstäbe der deutschen und euro­päi­schen Russland-Politik sein.

 

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