Im Westen nichts Neues?

Xi Jinping und Donald Trump Grafik: Shutterstock, vector_brothers
Xi Jinping und Donald Trump Grafik: Shutter­stock, vector_brothers

Handels­krieg, Huawei, Hongkong: Unter Donald Trump ist das ameri­ka­nisch-chine­sische Verhältnis so tief gesunken, dass es unter Joe Biden kaum noch schlechter werden kann. Oder? Eine Analyse.

China zauderte lange. Erst rund eine Woche, nachdem US-Medien berichtet hatten, dass Joe Biden 270 Wahlleute hinter sich habe, gratu­lierte die Volks­re­publik dem Demokraten zum Wahlsieg. Zuvor hatte sich Peking bedeckt gehalten. „Wir haben zur Kenntnis genommen, dass Herr Biden sich zum Wahlsieger erklärt hat“, sagte ein Sprecher des chine­si­schen Außen­mi­nis­te­riums – zu einem Zeitpunkt, als die Wahlarith­metik bereits gar keinen anderen Schluss mehr zuließ, als den Demokraten als den 46. Präsi­denten der USA zu betrachten.

Die Frage, wieso China mit den Glück­wün­schen so lange wartete, sorgte unter Beobachtern sofort für Speku­la­tionen. Eine Lesart lautet: Unter Trump ist das ameri­ka­nisch-chine­sische Verhältnis auf einen Tiefpunkt gesunken. Der Republi­kaner glaubt, dass sein Schwenk hin zu einer harten ameri­ka­ni­schen China-Politik von histo­ri­scher Bedeutung ist. Folgt man dieser Lesart, versuchte China zu vermeiden, Trump durch schnelle Glück­wünsche an seinen Kontra­henten zu reizen. Schließlich behauptet der Republi­kaner immer noch, den Wahlausgang auf dem Rechtsweg zu kippen – auch wenn seine Chancen gegen Null gehen. Doch selbst wenn Trumps Klagen ins Leere laufen: Er wird noch bis Januar im Amt sein. Da bleibt noch viel Zeit, so diese Lesart, um weitere Eskala­ti­ons­stufen zu zünden.

Nach dem Wahlsieg von Joe Biden stellt sich die Frage, welche Richtung das ameri­ka­nisch-chine­sische Verhältnis unter dem Demokraten nehmen wird. Weltweit ist wohl keine andere bilaterale Beziehung von so weitrei­chender Bedeutung wie die zwischen Washington und Peking. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass das Verhältnis zwischen den USA und China über Krieg und Frieden im 21. Jahrhundert entscheidet.

„Es ist davon auszu­gehen, dass sich an den Konflikten zwischen Washington und Peking wenig ändern wird“, sagt Janka Oertel. Die Sinologin leitet das Asien-Programm des Thinktanks European Council on Foreign Relations. Das Einzige, das sich aufjeden Fall ändern werde, so Oertel, sei der Ton. Biden werde die Konflikte in einer zivileren Art ansprechen als sein Amtsvorgänger.

So etwa der Handels­krieg. Mit Straf­zöllen gegen China schwenkte Trump 2018, in der Mitte seiner Amtszeit, auf eine konfron­tative China-Politik um. Zuvor hatte er Xi Jinping noch in sein Luxus-Ressort Mar-a-Lago einge­laden und von der „großar­tigen Chemie“ zwischen sich und dem chine­si­schen Präsi­denten geschwärmt. Anfang des Jahres einigten sich Washington und Peking zwar auf ein Teilab­kommen. Es legt fest, dass China den Einkauf von Energie, Indus­trie­gütern, Agrar­er­zeug­nissen und Dienst­leis­tungen aus den USA hochfahren muss.

Aber das Problem: Das Abkommen tastet die Struktur der Handels­be­ziehung nicht an. „Joe Biden wird sich nicht damit zufrie­den­geben, dass China mehr ameri­ka­nische Sojabohnen kauft“, sagt Oertel. Sie glaubt, dass der Demokrat versuchen werde, struk­tu­relle Verän­de­rungen zu erzielen, zum Beispiel beim Markt­zugang und bei der Gleich­be­handlung ameri­ka­ni­scher Firmen. Oertel glaubt auch, dass Biden sich hierfür die Hilfe der Europäi­schen Union (EU) holen werde.

Brüssel verhandelt mit China seit rund sieben Jahren über ein Inves­ti­ti­ons­schutz­ab­kommen – und verfolgt ähnliche Ziele wie die USA. Handels­po­litik ist eine Stärke der EU. Sie verfügt über den größten Binnen­markt der Welt und spricht in Handels­fragen – anders als in der Außen- und Sicher­heits­po­litik – mit einer Stimme. Unterm Strich heißt das: Für Peking könnte der Druck im Handels­kon­flikt sogar steigen.

Ein weiterer Konflikt zwischen Washington und Peking dreht sich um den chine­si­schen Netzwerk­aus­rüster Huawei. 2019 setzten die USA das Unter­nehmen – wegen angeb­licher Verlet­zungen der ameri­ka­ni­schen Sanktionen gegen den Iran – auf eine Schwarze Liste. Seitdem ist es ameri­ka­ni­schen Firmen untersagt, Geschäfte mit Huawei zu machen. Im Kern werfen die USA dem Unter­nehmen vor, ein troja­ni­sches Pferd für chine­sische Spionage zu sein.

Mit Verän­de­rungen an dieser Haltung rechnet Oertel unter Biden nicht. Huawei-Technik werde, so die Expertin, beim Ausbau der 5G-Infra­struktur in den USA nicht zum Einsatz kommen. Und der Druck auf befreundete Regie­rungen wie Deutschland, das Unter­nehmen aus dem neuen Mobil­funk­standard heraus­zu­halten, werde nicht nachlassen. Die Spaltung der Welt in digitale Einfluss­sphären sei, glaubt Oertel, kaum noch aufzu­halten. Sie werde sich auch unter der neuen ameri­ka­ni­schen Regierung fortsetzen. Der Grund sei, dass es in den USA und auch in der EU inzwi­schen ein Bewusstsein dafür gebe, dass Techno­logie nicht wertfrei zu haben sei – sondern die Werte ihres politi­schen Systems transportiere.

Bleiben die Konflikte um Hongkong, die Uiguren-Provinz Xinjiang und Taiwan. In diesen Punkten sei die US-Politik, so Oertel, vom ameri­ka­ni­schen Kongress getrieben. Und in diesem gebe es einen partei­über­grei­fenden Konsens, dass Washington chine­sische Menschen­rechts­ver­let­zungen nicht durch­gehen lassen dürfe. Auch die Unter­stützung für Taiwan habe vor dem Hinter­grund der erfolg­reichen Pandemie-Bekämpfung Taipehs zugenommen. Der Druck auf Peking werde nicht nachlassen.

Aller­dings, so Oertel, werde auch der Druck auf Europa steigen. „Donald Trump ist für die Europäer bisweilen auch eine bequeme Ausrede dafür gewesen“, so die Expertin, „sich nicht stärker gemeinsam mit den USA für Hongkong, die Uiguren und Taiwan zu engagieren“. Mit Biden hingegen ziehe eine moralische Glaub­wür­digkeit ins Weiße Haus ein, die es für Europa schwer mache, sich weiter zurückzuhalten.

Aber Oertel ist skeptisch, ob die Europäer dieser Rolle gewachsen sind. „Ob Deutschland für Washington ein echter Partner sein wird“, so die Expertin, „muss sich erst noch zeigen.“

Dieser Text erschien zuerst bei WELT.

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