China provoziert Kriegsgefahr im Pazifik
Beim ersten Treffen des japanischen Premiers mit Präsident Biden sicherten die USA Japan Beistand angesichts chinesischer Machtgebärden zu, ohne dabei allzu konkret zu werden. Lässt Präsident Xi sich von Putin inspirieren, dann drohen Annexionen und ein heißer Krieg zwischen der alten und der neuen Supermacht, analysiert Prof. Alexander Görlach.
Es war das erste persönliche Treffen von US-Präsident Biden mit einem ausländischen Regierungschef. Japans Premierminister Yoshihide Suga war nach Washington gereist, um mit dem wichtigsten Verbündeten seines Landes über die wachsende Bedrohung zu sprechen, die die Volksrepublik China für sein Land und die Region insgesamt darstellt. Dabei sprachen die beiden vor allem über Taiwan, eine demokratische Inselnation vor der Küste Chinas, der Machthaber Xi Jinping bereits mehrfach die gewaltsame Annexion angedroht hat. Die Insel Taiwan war einmal eine japanische Kolonie, die beiden Länder verstehen sich heute als Partner.
Doch China möchte sich nicht nur Taiwan einverleiben: Unweit der Insel liegen die Senkaku Inseln, die Peking ebenfalls einnehmen möchte. Die kleinen Archipel werden derzeit von Japan kontrolliert. Ein weiterer Schauplatz, der Biden und Suga Kopfzerbrechen bereiten dürfte, sind die Spratley-Inseln, die zu den Philippinen gehören. Dort landeten im März 200 chinesische Schiffe an, deren Besatzungen die Inseln seitdem besetzt halten. China spricht ganz nonchalant von Fischerbooten, die philippinische Regierung hingegen nennt die Angelandeten eine chinesische Miliz. Xi Jinping hat sich bei der Besetzung der Inseln anscheinend von Russlands Machthaber Vladimir Putin inspirieren lassen, der die zur Ukraine gehörende Krim im Jahr 2014 annektiert hat und seitdem besetzt hält.
Wenn man diese drei Schauplätze chinesischer Aggression, die Senkaku Inseln, Taiwan und die Spratley-Inseln, auf einer Weltkarte miteinander mit einer Linie verbindet, erkennt man die Strategie Pekings ganz deutlich: die Inseln bilden eine Kette, die der Volksrepublik die Kontrolle über das ost- und das südchinesische Meer liefern würde. Sollte China das gelingen, würde es endgültig die Macht in dieser Weltgegend an sich gezogen haben, Japan und die USA wären abgemeldet. Wie es in einer solchen Welt, in der China das sagen hat, zugehen würde, davon bekommen Japaner und die Taiwanesen bereits heute Kostproben: in den vergangenen Wochen sendete China mehrfach einen großen Flugzeugträger an der japanischen Insel Okinawa, auf der ein US-Militärstützunkt liegt, vorbei, um Japaner und Amerikaner gleichermaßen zu provozieren. Chinesische Kampfjets dringen auf regelmäßiger Basis in den taiwanesischen Luftraum ein. Doch damit nicht genug, die Schikanen erstrecken sich auch auf andere Gebiete. Es ist erst einen Monat her, dass die Volksrepublik China einen großen Teil der bestellten taiwanesischen Ananas-Ernte einfach nicht abnehmen wollte. Japan sprang in die Bresche und kaufte Taiwan seine Früchte ab.
Peking provoziert die Weltgemeinschaft und lotet aus, ob sich eine Allianz, die sich gegen sein Vorgehen stellt, bilden wird. Joe Biden und Yoshihide Suga haben sich bei ihrem, vom Ergebnis her betrachtet, eher symbolischen Treffen zwar gegenseitiger Unterstützung versichert, ohne dass dabei deutlich geworden werde, wie diese im Falle einer militärischen Aggression Chinas gegen das demokratische Taiwan ausfallen würde. Taiwan liegt nicht nur strategisch gut, um das Meer zu kontrollieren. Dort werden auch viele der Chips hergestellt, die in amerikansichen Smartphones und Tablets landen. Ginge Taiwan verloren, würde das auch der US-Ökonomie einen herben Schaden zufügen.
Das Verhältnis zwischen Japan und den USA war seit der Amtszeit von Präsident Trump belastet. Herr Trump forderte von den Alliierten Amerikas, sie sollten für den militärischen Schutz, den die USA bereit stellen, zahlen. Japan unterhält seit seiner Niederlage im Zweiten Weltkrieg keine offzielle eigene Armee mehr und muss in einem Konfliktfall auf die Sicherheits- und Verteidigungsgarantie der Vereinigten Staaten zurückgreifen. Das Verhältnis zu Taiwan wurde unter Präsident Trump hingegen aufgewertet, was Peking sehr erzürnt, die kommunistische Nomenklatura sieht Taiwan als eine Provinz der Volksrepublik an. Nach dem Bürgerkrieg gegen die Truppen Mao Zedongs zogen sich die Truppen der Republik China in den Jahren 1947 bis 1949 auf die Insel Taiwan zurück, um dort Kräfte zu sammeln, um schließlich das Festland zurück zu gewinnen. Daraus wurde nichts, in den siebziger Jahren erkannte die Weltgemeinschaft Schritt für Schritt — die Macht des Faktischen — die Volksrepublik als das neue China an, was Taiwan als eine Art Sonderfall der Geschichte zurück ließ. Seit den frühen neunziger Jahren ist das Land eine Demokratie, die überwältigende Mehrheit der Einwohner sieht sich als Bürgerinnen und Bürger einer eigenständigen Nation.
Die USA haben bereits in den siebziger Jahren eine Sicherheitsgarantie für Taiwan formuliert, die aber nicht klar artikuliert, ob die Vereinigten Staaten im Falle eines Angriff der Volksrepublik Truppen zur Verteidigung Taiwans schicken würden. Selbst wenn die USA nicht direkt involviert wären, wären sie spätestens durch ihre Sicherheitsgarantie gegenüber Japan in den Konflikt involviert. Das Treffen nun in Washington soll Peking signalisieren, dass Japan und die USA in Sachen Taiwan den Schulterschluss suchen. Ob das die Annexions- und Kriegswütigen in der Kommunistischen Partei von ihrer Absicht abbringen wird, darf bezweifelt werden. Jedem Kindergartenkind in China wird eingetrichtert, dass Taiwan ein Teil der Volksrepublik sei. Präsident Xi hat sein Geschick als chinesischer Machthaber mit der Taiwan-Frage, seiner Schicksalsfrage gleichermaßen, verknüpft. Er kann eigentlich nicht mehr hinter seine Drohungen zurück. Alles läuft deshalb auf einen bewaffneten Konflikt hinaus. In den Hauptstädten der freien Welt muss man sich deshalb auf das schlimmste gefasst machen und mehr bereit halten als reine Absichtserklärungen.
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