Drei Staaten wehren sich gegen China – und das sind die Folgen

Screen­shot: Lijian Zhao

Europa hat China jüngst mit Sank­tionen belegt – und dafür prompt Gegen­maß­nahmen kassiert. Die Bundes­re­gie­rung hat dafür nur „tiefes Unver­ständnis“. Aber ein Blick auf Pekings Außen­be­zie­hungen zeigt, dass Berlin es besser wissen sollte.

Im März kam es zu einer Zäsur im euro­pä­isch-chine­si­schen Verhältnis. Die Euro­päi­sche Union (EU) verhängte Sank­tionen gegen vier chine­si­sche Offi­zi­elle. Der Grund für die Maßnahmen waren die chine­si­schen Menschen­rechts­ver­let­zungen in Xinjiang. Dort soll der chine­si­sche Staat Experten zufolge bis zu eine Million Uiguren, eine musli­mi­sche Minder­heit, in Umer­zie­hungs­lager gesperrt haben. Die euro­päi­schen Sank­tionen gegen die Volks­re­pu­blik sind die ersten seit mehr als 30 Jahren.

Doch Peking reagierte scharf.

Kaum hatte die EU ihre Sank­tionen erlassen, belegte China im Gegenzug mehrere Europäer mit Straf­maß­nahmen. Doch das Land dachte gar nicht daran maßzu­halten. Peking erließ Sank­tionen gegen vierzehn Akteure, darunter zehn Europäer und vier euro­päi­sche Einrich­tungen. Unter anderem wurden der deutsche EU-Parla­ments­ab­ge­ord­nete Reinhard Bütikofer und der Berliner Thinktank Merics mit Sank­tionen belegt.

Aber zum Erstaunen vieler Beob­achter war nach der chine­si­schen Reaktion aus der Bundes­re­gie­rung nur eines zu vernehmen: Schweigen. Keine Soli­da­rität mit den EU-Parla­men­ta­riern, keine Soli­da­rität mit den Berliner Forschern, nichts. Auf Nachfrage erklärt ein Regie­rungs­spre­cher, die Bundes­kanz­lerin und die ganze Bundes­re­gie­rung stünden der chine­si­schen Entschei­dung „mit tiefem Unver­ständnis“ gegenüber. Sie sei unbe­gründet und unverhältnismäßig.

Die Reaktion der Bundes­re­gie­rung ist merk­würdig reali­täts­fern. Denn wer sich mit den Außen­be­zie­hungen Chinas beschäf­tigt, hat in den vergan­genen Jahren ein Muster erkennen können. Es lautet: China gibt nicht mehr klein bei. In Chinas Außen­po­litik galt jahr­zehn­te­lang das Credo: Taoguang yanghui, verberge Deine Kraft und warte auf Deine Gele­gen­heit. Es war vom Reformer Deng Xiaoping ausge­geben worden.

Wolfs­krieger-Diplo­matie

Doch unter Xi Jinping hat das Land davon Abstand genommen. Inzwi­schen verfolgt Peking das, was in Anlehnung an eine chine­si­sche Action-Serie „Wolfs­krieger-Diplo­matie“ genannt wird: Chine­si­sche Diplo­maten boxen die Inter­essen ihres Landes aggressiv durch, ohne Rücksicht auf Verluste. Besonders gegenüber Ländern, die sie als kleiner und unbe­deu­tender wahr­nehmen, treten Pekings Politiker angriffs­lustig auf. Aus chine­si­scher Sicht fällt in diese Kategorie – mit Ausnahme der USA – so ziemlich jedes Land der Welt. Drei Beispiele.

Schweden

Die Eska­la­tion in den Bezie­hungen zwischen Schweden und China begann mit einer Festnahme. 2015 verschwand der Buch­händler Gui Minhai auf myste­riöse Weise in Thailand. Gui wurde in China geboren und arbeitete als Publizist in Hongkong. Aller­dings ist er schwe­di­scher Staatsbürger.

Wenige Monate nach seinem Verschwinden tauchte Gui dann in einem Video im chine­si­schen Staats­fern­sehen auf. Dort sagte er, dass er frei­willig nach China zurück­ge­kehrt sei, um sich wegen eines viele Jahre zurück­lie­genden Verbre­chens den Behörden zu stellen. Beob­achter gehen davon aus, dass das, was das chine­si­sche Staats­fern­sehen ein „Geständnis“ nannte, in Wirk­lich­keit erzwungen war.

Im Oktober 2017 wurde Gui aus der Haft entlassen. Doch nur kurz darauf, im Januar 2018, wurde er erneut von zivilen Sicher­heits­be­amten fest­ge­nommen – als er sich in Beglei­tung schwe­di­scher Diplo­maten auf dem Weg nach Peking befand. Im Februar 2020 wurde er – trotz Protests aus Stockholm – wegen „illegaler Bereit­stel­lung von Infor­ma­tionen im Ausland“ zu 10 Jahren Haft verurteilt.

Befeuert wurde die Eska­la­tion im schwe­disch-chine­si­schen Verhältnis vom chine­si­schen Botschafter in Stockholm, Gui Congyou. Im Januar 2020 verglich Gui die schwe­di­sche China-Bericht­erstat­tung in einem Interview mit einem Leicht­ge­wichts­boxer, der eine Fehde mit dem Schwer­ge­wichts­boxer China provo­ziere. Schwe­di­sche Medien berichten schon seit Längerem über Einschüch­te­rungs­ver­suche der chine­si­schen Botschaft in Stockholm.

Auch zuletzt nahm die chine­si­sche Botschaft in Stockholm wieder einen Jour­na­listen ins Visier: Sie drohte dem Jour­na­listen Jojje Olsson in einer persön­lich adres­sierten E‑Mail mit „Konse­quenzen“, wenn er seine „Schmutz­kam­pagne“ nicht einstelle. Zuvor hatte Olssons über Pekings Menschen­rechts­ver­bre­chen in Xinjiang und den chine­si­schen Boykott des schwe­di­schen Unter­neh­mens H&M berichtet. Drei im schwe­di­schen Parlament vertre­tene Parteien forderten daraufhin von der Regierung die Auswei­sung des Botschaf­ters Guis – bislang ohne Erfolg.

Kanada

Auch die Eska­la­tion im kanadisch-chine­si­schen Verhältnis begann mit einer Festnahme – aller­dings mit der Festnahme einer Chinesin. Ende 2018 wurde Meng Wanzhou in Vancouver fest­ge­nommen, die damalige Finanz­chefin des chine­si­schen Netz­werk­aus­rüs­ters Huawei. Meng wurde aufgrund eines Auslie­fe­rungs­an­trages der US-Justiz fest­ge­nommen. Washington wirft ihr illegale Geschäfte mit Iran vor. Die Chinesin ist nicht im Gefängnis, sondern auf Kaution frei. Für die Dauer ihres Verfah­rens, das inzwi­schen läuft, muss sie aber eine Fußfessel tragen. China bezeichnet das, was aus kana­di­scher und ameri­ka­ni­scher Sicht ein rechts­staat­li­ches Verfahren ist, als „Verlet­zung der Menschenrechte“.

Nur wenige Tage nach Mengs Festnahme in Kanada wurden dann in China zwei Männer fest­ge­nommen: der frühere Diplomat Michael Kovrig und der Geschäfts­mann Michael Spavor. Peking bestreitet, dass die Fälle zusam­men­hängen, aber jedem Beob­achter ist klar: Spavor und Kovrig sind völlig unbe­tei­ligte Geiseln, mit denen Mengs Frei­las­sung erpresst werden soll.

Seit März wird den beiden Kanadiern in China – unter Ausschluss der Öffent­lich­keit – der Prozess gemacht. Derzeit ist nicht einmal klar, was Peking den Männern überhaupt vorwirft. Ein hartes Urteil könnte die Bezie­hungen vollends eska­lieren lassen. Denn inzwi­schen hat auch das kana­di­sche Parlament seine Haltung zu den Menschen­rechts­ver­bre­chen in Xinjiang über­ar­beitet: Es bezeichnet sie nunmehr als „Genozid“.

Austra­lien

China hat derzeit zu einer ganzen Reihe von Ländern ein desas­tröses Verhältnis. Aber das desas­trö­seste Verhältnis hat es wahr­schein­lich mit Austra­lien. Seit Anfang des vergan­genen Jahres eskaliert das Verhältnis zwischen Canberra und Peking auf drama­ti­sche Weise.

Im Zuge der Corona-Pandemie, die in China ausge­bro­chen war, forderte Austra­lien eine unab­hän­gige Unter­su­chung. In Peking, wo der Ausbruch anfangs noch vertuscht wurde, stieß das auf Empörung. „Austra­lien ist immer da und macht Ärger“, schrieb Hu Xijin, Chef­re­dak­teur des Propa­gan­da­blatts „Global Times“, auf Weibo, einer chine­si­schen Plattform: „Es ist ein bisschen wie Kaugummi, der an der Sohle von Chinas Schuhen klebt. Manchmal muss man einen Stein finden, um ihn abzureiben.“

Im Sommer begann die Volks­re­pu­blik, austra­li­sche Importe mit Straf­zöllen zu belegen. Sie führte etwa Zölle auf Rind­fleisch und Kohle ein, dann auch auf Wein. Auch fingen die Behörden an, austra­li­sche Korre­spon­denten unter Druck zu setzen. Im September verließen die letzten beiden in China verblie­benen Jour­na­listen, Bill Birtles und Mike Smith, flucht­artig das Land – nachdem sie zuvor von chine­si­schen Sicher­heits­kräften fest­ge­setzt worden waren. Auch wurde im September Cheng Lei fest­ge­nommen, eine Jour­na­listin, die in China geboren wurde, aber die austra­li­sche Staats­bür­ger­schaft besitzt. Cheng arbeitete zuletzt für den chine­si­schen Propa­gan­da­sender CGTN in Peking. Erst sechs Monate nach ihrer Festnahme, im Februar 2021, wurde ihre Haft offiziell bestätigt. Der Frau werde vorge­worfen, chine­si­sche Staats­ge­heim­nisse ans Ausland weiter­ge­geben zu haben, hieß es.

Auch das chine­si­sche Außen­mi­nis­te­rium hat es auf Canberra abgesehen. Als die austra­li­sche Regierung im vergan­genen November Kriegs­ver­bre­chen in Afgha­ni­stan einräumte, postete ein Sprecher des chine­si­schen Außen­mi­nis­te­riums auf Twitter eine Foto­mon­tage, die einen grin­senden austra­li­schen Soldaten zeigt, der einem afgha­ni­schen Kind ein blut­über­strömtes Messer an die Kehle drückt. „Hab keine Angst. Wir kommen, um dir Frieden zu bringen“, steht unter der Montage. Die Montage rief den austra­li­schen Premier auf den Plan. Im Fernsehen nannte Scott Morrison sie „zutiefst beleidigend“.

Beob­achter gehen davon aus, dass Peking an Canberra ein Exempel statu­ieren möchte. Die Volks­re­pu­blik betrachtet den Pazifik als ihr Einfluss­ge­biet. Mit Austra­lien liegt dort aber eine liberale Demo­kratie, die zu den engsten Partnern der USA gehört.

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