Warum Donald Trump mit seinen Russlandsanktionen nicht ganz falsch liegt
Wirtschaftliche Strafen können in Handelskriege und sogar militärische Konflikte münden. Doch sie bergen auch Chancen. Mit präzisen Sanktionen gegen das Umfeld von Wladimir Putin liegt der amerikanische Präsident Trump ausnahmsweise nicht ganz falsch.
Wirtschaftssanktionen gegen die EU, gegen China, gegen Russland und nun auch gegen Iran: Der amerikanische Präsident Donald Trump zieht durch, was er in seinem Wahlkampf angekündigt hat. Sanktionen sind in einem Macht- und Nervenkrieg zwischen internationalen Kontrahenten ein zugleich gefährliches und chancenreiches Mittel. Wenn sie intelligent ausgestaltet sind, haben sie mittelfristig durchaus Aussicht auf Erfolg. Geradezu idealtypisch ist das der amerikanischen Regierung mit ihren Sanktionen gegen Russland gelungen. Hier macht Trump ausnahmsweise einmal nicht alles falsch.
Einen ökonomisch effektiven, punktuellen Druck aufzubauen, gelingt den Amerikanern mit ihren Russland-Sanktionen hingegen geradezu vorbildlich. Sie nehmen spezifisch die Oligarchen ins Visier, also solche Großunternehmer, die nur mit Putins Billigung auf ihren Pfründen sitzen und den Präsidenten stützen.
Legitim sind Wirtschaftssanktionen, wenn sie der Bestrafung eines Regelverstoßes dienen, um weitere Verstöße zu unterbinden. Daran besteht im Fall der Sanktionen Amerikas gegen Russland kein Zweifel. Man muss dafür nicht glauben, dass der Bestrafte gleich spuren wird. Es ist schon viel gewonnen, wenn es gelingt, ihn an den Verhandlungstisch zurück zu nötigen. Wirtschaftssanktionen sind attraktiv, weil nicht gleich Bomber fliegen, sondern „nur“ die ökonomische Sphäre betroffen ist. Das verleitet die Politik allerdings – und erst recht einen Trump – tendenziell zu häufigerem Gebrauch als notwendig.
Gefahr einer Eskalation
Verglichen mit militärischen Einsätzen sind Wirtschaftssanktionen das geringere Übel, aber sie sind deshalb nicht harmlos. Die größte Gefahr besteht darin, Gegenschläge hervorzurufen und in eine Spirale der Eskalation zu geraten, an deren Ende dann eben doch noch das Militär zum Einsatz kommt. Mit Blick auf die Großmächte Amerika und Russland ist ein Kriegsszenario eine Horrorvorstellung. Genau weil diese Gefahr so groß ist, steckt in ihr jedoch auch die eine entscheidende Chance. Allgemein gilt: Wenn ein Gegner, den Sanktionen in die Schranken weisen sollen, kein Interesse an einem bewaffneten Konflikt haben kann, besteht die Hoffnung, dass er irgendwann einknickt. Bis dahin allerdings muss man gute Nerven haben und selber einiges an Belastungen einstecken, und man darf sich vor allem in der Einschätzung der Präferenzen und Optionen des Gegners nicht irren.
Wirksamkeit umstritten
Der Erfolg von Wirtschaftssanktionen ist empirisch umstritten. Das Peterson Institute for International Economics gibt in einer Untersuchung über den langen Zeitraum seit dem Ersten Weltkrieg die Erfolgsquote zwar immerhin mit etwa einem Drittel an. Doch das würde umgekehrt bedeuten, dass die Sanktionen in zwei Dritteln der Fälle verpuffen, den Kosten auf Seiten des Bestrafenden wie des Bestraften also keinerlei Erträge gegenüberstehen. Das wäre sehr ernüchternd. Solche Studien stehen freilich auf wackeligem Boden. Es ist technisch alles andere als einfach, die Effekte der Sanktionen von anderen Einflüssen zu unterscheiden und kausal zuzurechnen. Besonders diffizil ist die Zurechnung in einem Fall wie den Russland-Sanktionen, die nicht nur eine einzelne Verhaltensweise, sondern eine Vielzahl teilweise unverbundener Vergehen bestrafen. Und selbst wenn ein Aggressor das anstößige Tun unterlässt, nachdem man ihn bestraft hat, ist damit nicht auch schon gesagt, dass die Sanktionen die Ursache für diese Verhaltensänderung waren. Vor allem aber kann man nicht wissen, was ohne Sanktionen geschehen wäre. Es fehlt das „Counterfactual“. Es gibt keinen relevanten Vergleich.
Damit sie überhaupt eine Aussicht haben, das Erwünschte zu bewirken und keinen unabsichtlichen Schaden zu verursachen, müssen Sanktionen zwei Prinzipien gehorchen. Sie dürfen erstens nicht im Alleingang verhängt werden, sondern sind multilateral abzustimmen, in Kooperation mit den Partnern. Zweitens sollten sie „chirurgisch“ erfolgen und die Bevölkerung des gegnerischen Landes schonen.
Ökonomische Kollateralschäden
Mit Multilateralismus hat Trump nichts am Hut. Dennoch ist er vorzuziehen, unter anderem weil sonst die schädlichen Nebeneffekte der Sanktionen im eigenen Umfeld nur schwer einzudämmen sind. Wenn beispielsweise Amerika unilateral die Einfuhr eines in Russland produzierten Gutes verböte, um den Russen wichtige Einnahmequellen zu nehmen, dann wäre damit zu rechnen, dass diese ihre Waren in anderen Ländern abzusetzen suchten und den dortigen Anbietern eine schärfere Konkurrenz bereiteten als bisher – was neue Konflikte mit der EU und den Nato-Verbündeten verursachen könnte. Und wenn Amerika den Fehler Jimmy Carters wiederholte, unilateral die Ausfuhr eines für Russland wichtigen Gutes (damals Getreide) zu verbieten, dann müsste das die Anbieter aus anderen Ländern freuen, die Marktanteile gewönnen. Man nähme indes den eigenen Farmern Absatzchancen und Umsatz, weil das Überangebot noch zusätzlich den Preis drückte. Und in Russland gäbe man der Bevölkerung einen Grund, sich mit ihrer Regierung zu solidarisieren. Putin könnte zufrieden sein.
Warnung an Investoren
Einen ökonomisch effektiven, punktuellen Druck aufzubauen, gelingt den Amerikanern mit ihren Russland-Sanktionen hingegen geradezu vorbildlich. Sie nehmen spezifisch die Oligarchen ins Visier, also solche Großunternehmer, die nur mit Putins Billigung auf ihren Pfründen sitzen und den Präsidenten stützen. Ihr Umfeld ist nunmehr von einer massiven geschäftsschädigenden Unsicherheit geprägt. Die Herrschaften wissen, mit wem sie darüber in Moskau sprechen müssen.
Für westliche Unternehmen, die Oligarchen zu ihren Großaktionären zählen oder mit ihnen Geschäftsbeziehungen pflegen, ist die Lage äußerst unangenehm, und der Verfall ihrer Börsenkurse durch die neue Unsicherheit trifft auch die kleineren Anleger. Das sind gravierende Kollateralschäden. Aber darin steckt auch eine wichtige Mahnung: Auf der Suche nach Anlegern und Anlagemöglichkeiten gilt es nicht nur auf den Geldbeutel und die Bilanz zu schauen, sondern sich zu gewärtigen, mit wem man es zu tun hat und welches Regime dahinter steckt. Das Kapital ist abstrakt, der Kapitalist nicht. Wer den politischen Kontext nicht mitbedenkt, macht eine ökonomisch unvollständige Rechnung auf.
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